Nr. 229.
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Dogmatiker oder Realpolitiker?
Der bekannte imperialistische Schriftsteller Dr. Paul Rohrbach, der zurzeit die sogenannte„ mittlere Linie" vertritt, äußert sich in der Magdeburgischen Zeitung" in recht beachtenswerter Weise über:" Dogmatische und reale Politik". Jeder Dogmatismus sei unbelehrbar, der politische fast noch mehr als der religiöse.
3um eisernen Inventar jedes politischen Dogmatismus gehören Worte wie Erbfeind", Erzfeind",„ säku larer Gegensag" usw. Diese eindringlichen, handfesten, jeden objektiven Gedanken gleich mit einem Gefühl verschleiernden Begriffe, die das Verhältnis der Feindschaft aus dem Relativen ins Absolute steigern, werden gerade aus dem Grunde mit solch erstaunlicher Beharrlichkeit gebraucht, weil fie, mit einiger Rollenvertauschung, ohne weiteres jedem Dogma dienstbar gemacht werden können. Und so sehen wir, wie fast in jedem politischen Lager mit diesen Waffen gefämpft wird. Da sind zuerst die„ Russenfeinde". Für sie ist Rußland , oder wie sie es nennen, das„ Moskowitertum", der„ Erzfeind", mit dem es nie eine Versöhnung geben kann. Sie fonstruieren einen säkularen Gegensatz zwischen Banslawismus und Germanentum, moskowitischer Barbarei und deutscher Kultur, der nur scheinbar durch dynastische Traditionen, im Grunde aber niemals überbrückt werden kann; zwei Welten, die einander ausschließen: Asien und Europa . Nur dann werden wir vor unserem östlichen Nachbarn Ruhe haben, wenn dieses asiatische Rußland in seine natürliche Sprachgrenze zurückgedrängt und durch ein mächtiges Bollwerk von ihm unterdrückter, von uns befreiter Völker von uns getrennt wird."
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,, Aber auch das Dogma der anderen fährt Rohrbach fort der Englandfeinde", ist ganz nach demselben
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Montag, den 21. August 1916.
Meldung des Großen Hauptquartiers.
Amtlich. Großes Hauptquartier, den 20. August 1916.( W. T. B.)
Westlicher Kriegsschauplak.
Nördlich der Somme flaute die Kampftätigkeit allmählich ab. Bei Ovillers dauerten Nahkämpfe noch bis zum Abend an, vereinzelte englische Angriffe find nordwestlich von Bozières und beiderseits des FourcauxWaldes abgewiesen. Nach den jeht vorliegenden Meldungen haben am 18. August mindestens acht englische und vier französische Divisioncu am Angriff teilgenommen.
Rechts der Ma as wiederholte der Feind gestern abend seine Angriffe im Thiaumont- Fleury- Abschnitt. Er ist in das Dorf Fleury erneut eingedrungen, im übrigen aber abgewiesen. Nordwestlich des Werkes Thiaumont und im Chapitre- Walde blieben feindliche Handgranatenvorstöße ergebnislos.
Englische Patrouillen wurden bei Fromelles und nordwestlich von Liévin zurückgeschlagen; wir machten bei Leintrey einige Gefangene.
Deftlicher Kriegsschauplah. Front des Generalfeldmarschalls von Hindenburg .
An der Beresina nordöstlich von Djeljatitschi wurden russische Uebergangsversuche vereitelt.
Beiderseits von Rudka- Czerwiszcze am Stachod ist das Gefecht mit feindlichen auf das Westufer vorgedrungenen Truppen noch im Gange. In erfolgreichem Gegenangriff wurden hier 6 Offiziere, 367 Mann ge
Destlich von Kisielin warfen wir die Russen aus einigen vorgeschobenen Gräben.
Front des Generals der Kavallerie Erzherzog Carl
Nördlich der Karpathen keine besonderen Ereigniffe.
Rezept hergestellt. Der„ Erbfeind" ist in diesem Falle Engfangen genommen und 6 Maschinengewehre erbeutet. land, obgleich wir noch nie bisher mit England gefämpft haben. Aber wir sind die Nachfolger und Erben der kontinen talen Machtideen, die einmal Spanien , Frankreich und Hol land im Kampf gegen die Inseln verfochten haben. Sie alle wurden von Albion erdrosselt. Nun ist die Reihe an uns. Obgleich im Often, im Westen und Süden von kontinentalen Mächten überfallen, ist es im Grunde doch nur die Insel, der unser Kampf gilt. Gegen die Stimmen dreier feindlicher Kontinentalmächte, die uns mit allem Nachdruck eines Besseren belehren wollen, glauben wir in unbeirrbarer dogmatischer Seelenruhe dennoch den Kontinent, also auch ihren Kontinent, gegen die Vergewaltigung der uns allen vorgelagerten Insel zu vertreten. Nur dann werden wir vor diesem übermütigen England Ruhe haben, wenn wir es niederringen. Eine Versöhnung kann es nie geben, bis dieses Ringen entschieden ist. Wenn nicht in diesem Kriege, so im späteren.
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Im Waldgebirge sekten deutsche Truppen sich in den Besitz der Höhe Kreta südlich von Zabic und wiesen starke feindliche Gegenangriffe an der Magura ab.
Biklista( südlich des Prespa- Sees) und Banica find genommen. Nördlich des Ostrovo- Sees ist die serbische Drina- Division von den beherrschenden Höhen Dzemaat Jeri und Meterio Tepesi geworfen; Gegenangriffe sind abgewiesen. Oberste Heeresleitung.
Wir sehen: die Grundelemente des politischen Argumentierens so verschieden auch die Resultate sind sind hier wie dort dieselben: es wird ein säkularer Gegensat" fonstruiert, deſſen in der Vergangenheit wurzelnde Größe fo gewaltig ist, daß sein Schatten unsere ganze Zukunft verfinstert: Deutsche U- Boot- Erfolge gegen englische
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um diesen bedrohlichen Schatten zu beseitigen, muß der säkulare Gegensatz durch einen endgültigen Sieg ein für allemal aus der Welt geschafft werden. Solange wir uns in diesem politischen Glaubenszirkel bewegen und unsere Ueberzeugung vom Dogma des einen" Feindes beherrscht wird, solange bleibt uns jedes politische Denken verschlossen. Erst wer den ganzen Ballast dogmatischer Begriffe, wie„ Erbund Erzfeind", alle geschichtlichen Doktrinen, Spekulationen und Konstruktionen, wie„ säkularer Gegensatz", über Bord geworfen hat und vorurteilsfrei die Dinge ansieht, wie sie in ihrer vielgestaltigen Lebendigkeit konkret vor uns liegen, wird sich ein politisches Urteil bilden können, das jenseits aller Dogmatik der uns umgebenden Realität entspricht."
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Soweit die Kritik des Herrn Dr. Rohrbach, die vielleicht noch eindrucksvoller wäre, wenn er selbst nicht vielfach dieselben Vergehen gegen den Geist des Realismus" begangen hätte, die er jegt fritisiert. Aber abgesehen davon was fezt Dr. Rohrbach nun an Stelle des abgewirtschafteten einseitigen Dogmatismus"? Nichts weiter als eine neue Gleichgewichtstheorie, deren Dogmatismus ganz eigener Art ist. Rohrbach geht von dem Begriff„ Mittel europa " aus, der nach seiner Ansicht die Grundlage unserer gegenwärtigen und zukünftigen Politik sein muß. Augenblicklich sträuben sich die Gegner, die Realität dieses Begriffs anzuerkennen. Weshalb? Weil der mitteleuropäische Block ihre Eristenz bedroht. Diese Drohung Rußland gegenüber schildert Rohrbach folgendermaßen:„ Die Dardanellen sind geschlossen; die wichtigste Pulsader des russischen Außenhandels, durch die allein fast drei Vicretl des russischen Getreideerports hindurch müssen, ist unterbunden. Und solange der mitteleuropäische Block existiert, wird Rußland jederzeit dessen gewärtig sein müssen, daß ihm diese wichtigste Handelstür vor der Nase zugeschlagen wird. In der Tat, für einen Großstaat wie Rußland ein unerträglicher Zustand. Um so unerträglicher, als das gesamte russische Budget auf seinem Getreideerport basiert. Daher wird Rußland , solange es überhaupt ein Rusland gibt, notgezwungen immer dahin streben müssen, entweder Konstantinopel zu erobern, oder die
Seestreitkräfte.
Amtlich. Berlin , 20. August. ( W. T. B.) Durch unsere U- Boote wurden am 19. August in den Gewässern der englischen Ostküste ein feindlicher Kleiner Kreuzer und ein Zerstörer vernichtet, ein weiterer Kleiner Kreuzer und ein Linienschiff durch Torpedotreffer schwer beschädigt.
Der Chef des Admiralstabes der Marine.
Der österreichische Generalstabsbericht.
Wien , 20. Auguft.( W. T. B.) Amtlich wird verlautbart:
Russischer Kriegsschauplag. Heeresfront des Generals der Kavallerie Erzherzog Carl
Auf der Magura westlich von Moldawa wurden mehrere Angriffe abgeschlagen. Deutsche Truppen nahmen den Berg Kreta in Besitz. An den Nordosthängen der Erna Hora wird weiter gekämpft. Nördlich vom Tartarenpaß scheiterten stärkere Vorstöße des Gegners. Südlich von Horozonka zersprengte unser Geschüßfeuer eine vorrückende russische Kolonne. Heeresfront. des Generalfeldmarschalls v. Hindenburg .
Bei Kisielin vertrieben deutsche Abteilungen den Feind aus einigen vorgeschobenen Gräben. Bei Rudka- Czerwiszcze, wo die Russen auf das westliche Flußufer vorgedrungen sind, ist ein Gegenangriff in erfolgreichem Fortschreiten. Der Gegner ließ sechs Offiziere, 367 Mann und sechs Maschinengewehre in der Hand der Verbündeten.
Italienischer und südöstlicher Kriegsschauplak. Keine besonderen Ereignisse.
Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes: v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
Türkei von den Mittelmächten zu lösen. Denn nicht die Türkei an sich ist es, die Rußland im Wege steht. Wohl ist Byzanz immer das ersehnte Ziel aller russischen Machtpolitik gewesen; doch dieses ersehnte Ziel ist erst von dem Moment an ein wirklich unentbehrliches geworden, seitdem die Türkei an den Dardanellen nicht nur ihre eigenen, sondern als Glied des neuen Vierbundes die Interessen des gesamten mitteleuropäischen Blocks vertritt. Solange dieses Mitteleuropa bestehen wird, solange wird Rußland als europäischer, nach dem Westen gravitierender Staat durch seine geographische Lage sich in einem Abhängigkeitsverhältnis von Mitteleuropa befinden. Was diese Abhängigkeit zu bedeuten hat, das hat dieser Krieg zur Genüge Rußland gelehrt. Daher die von Monat zu Monat immer wachsende Erbitterung ausnahmslos aller russischen Parteien gegen uns: Die Befreiung aus dieser Zwangslage, die nur über den Trümmern Mitteleuropas erfolgen kann, ist das russische Kriegsziel schlechthin, das immer deutlicher, immer bewußter erkannt wird, je länger der Krieg dauert. Mit anderen Worten: einen wirklichen Ausgleich, eine auf dem Verhältnis gleich zu gleich bcruhende, dauernden Frieden verbürgende Versöhnung zwischen Rußland und Mittel europa gibt es nicht. Das Verhältnis ist nicht gleich zu gleich, sondern das eines notwendigen lebergewichts. Denn die beiderseitigen Lebensinteressen laufen nicht parallel; sie durchkreuzen sich; sie schließen einander aus. Mitteleuropa ist südöstlich orientiert; Rußland durch seine Getreideausfuhr südwestlich. Beide Linien prallen an den Dardanellen zusammen. Sie schneiden sich, d. h. die stärkere schneidet die schwächere. Da aber Rußland nur mit einem Fuße in Europa steht, mit dem anderen in Asien , so stellt das Uebergewicht Mitteleuropas über das nach Westen gravitierende Nußland in Wirklichkeit doch nur ein Gleichgewicht her, das sonst der ungeheueren Ausdehnung Gesamt- Nußlands gegenüber nicht vorhanden wäre."
In ähnlich mechanisierender Weise schildert Rohrbach das Verhältnis zu England:„ Das augenblickliche Machtverhältnis zwischen uns und England, oder richtiger das Machtberhältnis, das England zu behaupten sucht, ist das des Uebergewichts, nicht des Gleichgewichts. England versperrt uns das Meer. Daher ist aus England, solange es die Alleinherrschaft über die Meere für sich beansprucht, der Feind, gegen den wir uns mit allen Kräften zu wehren haben. Gegen das Uebergewicht brauchen wir ein Gegengewicht, um das für unsere Zukunft notwendige Gleichgewicht herzustellen, das allein einen dauernden Frieden verbürgen wird. Wie kann dieses Gleichgewicht hergestellt werden? Ist hierzu unbedingt eine der englischen gleich große Flotte notwendig? Kann das maritime Uebergewicht Englands nicht durch ein fontinentales Uebergewicht Mitteleuropas aufgewogen werden? Dieses wäre nur dann möglich, wenn ein empfindlicher Punkt der englischen Weltherrschaft durch unsere fontinentale Machtsphäre ernstlich bedroht würde. Und dieses ist der Fall: Am Suezkanal , in Aegypten , das ist die Stelle, wo der Hebel angefeßt werden muß, um zwischen uns und England das notwendige Gle ichgewicht herzustellen. Nicht daß der Besitz Aegyptens hierzu erforderlich wäre, ebenso wie England auch im Frieden nicht das Meer besitzt, dessen Freiheit durch seine Flotte nur bedroht wird. Drohung gegen Drohung: schließt ihr die Nordsee , so schließen wir den Suezfanal; Pistole gegen Pistole, und das Gleichgewicht ist hergestellt; feiner will abdrücken, da Mord und Selbstmord zusammenfallen; und feiner braucht abzudrücken, da jeder aus diesem Grunde den anderen in Frieden läßt!"
Dies ist das Bild, das Rohrbach von der voraussichtlichen Zukunft entwirft: die Staaten, die im jezigen Kriege miteinander gerungen, blieben in Fechterstellung gegeneinander stehen: in der Mitte, von Hamburg bis Bagdad , der Mitteleuropäische Block mit seiner vorderasiatischen Ergänzung, an den Flanken England mit seinen westlichen Alliierten auf der einen, Rußland auf der anderen Seite. Drohung gegen Drohung, Pistole gegen Pistole! Will Rußland sich nicht beugen, so werden die Dardanellen geschlossen! Zeigt England sich unnachgiebig, so wird der Suezkanal versperrt!- In beiden Fällen erscheint die Beherrschung der für den Weltverkehr so wichtigen Meerengen durch den mitteleuropäischen Block Rohrbach als Voraussetzung für das Gleichgewicht auf dem europäischen Kontinent und als Garantie für die Freiheit der Meere".
Es wäre eine Aufgabe für sich, die inneren Widersprüche dieser neuen Gleichgewichtstheorie aufzudecken, die sich auf dem Papier recht verlockend ausnehmen mag. Wir nehmen vorläufig davon Abstand. Nur auf eines wollen wir hinweisen, Rohrbach erklärt, der künftige dauernde Friede könne nur aufdergeschilderten Grundlage errichtet werden. Wie könnte dieser Friede" gesichert werden? Selbstverständlich nur durch den weiteren Ausbau der Rüstungen beider Koalitionen, die in Fechterstellung einander gegenüberstehen: hie Mitteleuropa ", d. h. Deutsch land , Desterreich- Ungarn, Bulgarien , Türkei ; da- England, Frankreich , Italien , Rußland zu einer Einheit zusammengeschweißt. Je stärker die Stellung„ Mitteleuropas " und sein
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