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St. 256. 33. lahnwj.

t Stüligk, Amiirls" Arlintr Bellislilßtl.

Zsmltag. 17. ZkptkUitier 1916.

Chronik des Welikrisges. 17. September 1S14. WefMcher Kriegsschauplah: In der Schlacht zwischen der Ooise und Maas ist die endgültige Entscheidung noch immer nicht gefallen. Ein ftanzöstscher Durchbruchsversuch auf dem äußersten rechten Flügel brach in sich zusammen. Die Mitte der deutschen Armee gewinnt langsam Boden. Auf dem rechten Maasufer versuchte Aus- fälle aus Aerdun wurden zurückgewiesen. 17. September 1SIZ. Auf dem westlichen Kriegsschauplah Stellungskämpfe. Auf dem östlichen Kriegsschauplatz wurden weitere Fortschritte gemacht. Auf dem itaNenischen Kriegsschauplatz ergebnislose Angriffe der Italiener.

Die Verpflanzung öer Lille ? Sevölterung aufs Land. Amtlich. Berlin , IS. September.(W. T. B.) DieNorddeutsche Allgemeine Zeitung" schreibt: Im letzten Drittel des Monats April 1316 hat die deutsche Oberste Heeresleitung rund 23 000 Einwohner der nord - französischen Städte Lille , Noubaix und Tourcoing auf das Land verpflanzt. Es unterliegt keinem Zweifel, daß diese Maßnahme der französischen Regierung in kürzester Frist bekannt geworden ist. Die Oberste Heeresleitung hatte schon kurze Zeit nach Ergreifung der Maßregeln Gelegenheit genommen, mit den Vertretern neu- traler Negierungen über die fragliche Angelegenheit in Verbindung zu treten. Auch hat dieGazette des Ardennes" bereits von Anfang Juni an Mitteilungen der Verpflanzten an ihre Angehörigen der- mittelt. Trotzdem hat die franzch'ische Regierung zu der Angelegen. heit in keiner Weise Stellung genommen und sie erst Ende Juli, also nach etwa einem Vierteljahre, zum Ausgangspunkt eines syste- matischen Verhetzungsfeldzuges gemacht, der über die ganz« Welt ausgedehnt worden ist. Die Aufnahme, die diese Verleumdungen insbesondere auch im neutralen Auslände gefunden haben, gibt neuerlich Veranlassung zu nackstehender eingehender Darlegung: 1. In tatsächlicher Beziehung ist der Verlauf der Angelegenheit folgender gewesen: In den volkreichen Städten des nordfranzösischen Industrie- gebiets Lille , Roubaix und Tourcoing stieß, trotz der dankenswerten Vorsorge des spanisch-amerikanischen Hilfskomitees, die Ernährung der Bewohner auf stets sich steigernde Schwierigkeiten. Bei der durch die völkerrechtswidrige englische Blockade geschaffenen Knapp- heit standen Lebensmittel aus Deutschland für die Bewohner des be- setzten Frankreich nur in ungenügendem Maße zur Verfügung. Zu- dem ließ sich zu Beginn des Jahres infolge der wiederholten eng- liichen Drohung einer Blockadeverschärfung noch nicht übersehen, ob und wie lange die amerikanische Zufuhr von England herein- gelassen werden würde. Wollte daher die Oberste Heeresleitung für alle künftigen Notfälle die Ernährung der nordfranzösischen Stadtbevölkerung sicherstellen, so mußte zu durchgreifenden Maß- nahmen geschritten werden. Angesichts des Umstandes, daß große Teile der Stadtbevölkerung infolge der englischen Blockade beschäfti- gungslos waren, während es auf der anderen Seite bei der ge- ringen Bevölkerungsdichte der ländlichen Gebiete hier überall an Arbeitskräften fehlte, ergab sich als solche durchgreifende Maßnahme von selbst die Verpflanzung eines Teiles der Stadtbevölkerung auf das Land. Die Aufforderung an die Stadtbevölkerung, freiwillig und gegen Bezahlung an der Bestellung des Landes und an der Einbringung der Ernte mitzuarbeiten, hatte keinen Erfolg. blieb daher nur die zwangsweise Heranziehung der arbeitsfähigen Stadtbevölkerung Übrijj. Die Stadtkommandanten der drei nordfranzösischen Städte kündigten die bevorstehende Verpflanzung durch eine Proklamation an. die außerdem den beteiligten Mairien noch mündlich mitgeteilt und erläutert wurde. In dieser wurden die Gründe der Maßregel bekanntgegeben und es wurde hervorgehoben, daß die zu Verpflan- zungen ins Innere der besetzten Provinzen Frankreichs geschickt und dort weit hinter der Front mit landwirtschaftlichen, nicht aber mit militärischen Arbeiten beschäftigt würden gegen Bezahlung und unter vollkommener Sicherstellung der Verpflegung. Jedem Ver-

pflanzten wurde gestattet, 33 Kilogramm Gepäck mit sich zu nehmen, und der Bevölkerung wurde anempfohlen, dieses Gepäck schon jetzt bereitzustellen. Die Ausmusterung der zu Verpflanzenden mußte ohne jeden Verzug beginnen, nachdem durch das Versagen freiwilliger An« Werbung bereits unwiederbringliche Zeit verloren war. Die Ver- Pflanzung war eine militärische Maßnahm«, eine im Zusammen- hang mit dem Kriege stehende Handlung, und zwar eine unauf- schiebbare, denn sie hatte Herbeiführung der unerläßlichen Arbeiten zur Sicherstellung der Ernte zum Gegenstand. Die überaus günstige Witterung des April bedingte eine beschleunigte Frühjahrsbestellung. Die? war bestimmend für die Wahl des Zeitpunktes der Ausmuste- rung, die übrigens nicht, wie in der feindlichen und neutralen Presse behauptet wird, um 3 Uhr, sondern um ö Uhr morgens be- gönnen hat, nachdem der Bevölkerung in der Proklamation bereits die Verpflichtung auferlegt worden war, vor 6 Uhr morgens die Wohnung nicht zu verlassen. ES wurde jeweils eine größere Gruppe von Leuten zusammengestellt und an den Sammelstellen zunächst au» den in großer Zahl herangezogenen Feldküchen verpflegt. So- dann wurden durch die mit der Ausmusterung beauftragten Ossi- ziere aus Grund des Augenscheins und der vorliegenden Reklama- tionen die Untauglichen und sonst Ungeeigneten unter tunlichfter Berücksichtigung ihrer persönlichen und Familienverhältnisse ausge- schieden und in ihre Wohnungen entlassen. Die Gemeinden waren bei dieser Ausmusterung durch besondere Kommissare oder durch Mgeordnete des Roten Kreuzes vertreten. Die Mitnahme junger Madchen hat sich im allgemeinen auf solche Fälle beschränkt, in denen dies« Mädchen auch sonst gewohnt und in der Lage waren, auf eigenen Füßen zu stehen und allein ihr Brot zu verdienen. Auch auf die Pflege alter Leute ist nach Möglichkeit Rücksicht genommen worden. Die Verpflanzten sind, soweit es sich um Familien, Frauen und Kinder handelte, im Einvernehmen mit den Mairien des Ansied- lungSorteS und unter deren Verantwortung bei der Landbevölkerung untergebracht worden. Die ledigen Männer sind zu Arbeiter- kolonien zusammengestellt worden. Obwohl bereits bei der Zusammenstellung der Transporte ein erheblicher Prozentsatz der ursprünglich Angeforderten zur Eni- lassung gekommen war, ist nach Durchführung der Verpflanzung noch eine besondere Nachkontrolle zur Prüfung etwa doch noch unter- laufener oder sich später infolge veränderter Umstände ergebender Härten angeordnet und durchgeführt worden. Auf Grund dieser Ermittelungen wurden von den Verpflanzten 1933 zurückgesandt. Der Erfolg einer größeren Ausnutzung des Landes und einer Steigerung des Ernteertrages ist eingetreten. Die Abgeschobenen sind ibrer Mehrzahl nach, wie aus ihren eigenen Aeußerungen her- vorgeht, mit ihrer Lage keineswegs unzufrieden, zumal ibre Auf- nähme bei der Landbevölkerung eine durchweg freundliche, ihre Er- nährung gut und ihr Verdienst ausreichend ist. Den Klagen über n angelnde Verbindung mit ihren Angehörigen ist durch Einführung eines formularmähigen Nachrichtenaustausches Rechnung getragen worden. Eine große Anzahl hat sich bereiterklärt, in ihren neuen Aufenthaltsorten auch nach Beendigung der Ernte und nach Neu- bestellung des Landes zu bleiben. II. Vom völkerrechtlichen Standpunkte erscheinen die von der Mili- tärverwaltung im besetzten Gebiet getroffenen Maßnahmen durrb die Bestimmung des Artikels 43 der Haager Landkriegsordnung voll gerechtfertigt. Dieser Artikel lautet: Nachdem die gesetzmäßige Gewalt tatsächlich in die Hände des Besetzenden übergegangen ist, hat dieser alle von ihm abhängigen Borkehrungen zu treffen, um nach Möglichkeit die öffentliche Ord- nung und das cffentliche Leben wiederherzustellen und aufrecht- zuerhalten, und zwar, soweit kein zwingendes Hindernis besteht, uitter Beachtung der Landesgesetze/ Zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und deS öffentlichen Lebens gehört zweifellos auch die Fürsorge für eine gesicherte Ernährung der Bevölkerung. Diese aber war nach Lage der Umstände nur durch die landwirtschaftliche Produktton des be­setzten Gebietes selbst zu erreichen. War diese Produktion gefähr. det, fehlten also insbesondere die erforderlichen Arbeitskräfte für den landwirtschaftlichen Betrieb, so mußte mit allen verfügbaren Mitteln zur Abwendung«ine? Notstandes vorgegangen werden. Für die Beurteilung der Frage, welche Maßnahmen in einem solchen Falle zu ergreifen sind, ist nach dem angeführten Artikel in erster Linie die Laudesgesetzgebung enftcheidend: versagt diese aber, so ist die besetzende Macht in der hierdurch geschaffenen Zwangslage ge- maß ten Schlußworten de? Artikels auch berechtigt, ihrerseits mit eigenen Maßnahmen ergänzend einzugreifen. Im vorliegenden Falle war die Beseitigung des Notstandes nicht ander? möglich, als daß ein Teil der Bevölkerung in ihrem eigenen Interesse zwangsweise zur Arbeitsleistung herangezogen wurde; daß e« sich hier aber tatsächlich um einen Notstand gehandelt hat und daß die

von den Militärbehörden ergriffenen Maßnahmen zur Erreichung des gesteckten Zieles geboten und wirksam waren, ergibt sich zur Genüge aus der Darstellung des Sachverhalts. III. Wenn die französische Regierung gegen die Maßnahmen der deutschen Heeresverwaltung erst nach einem Vierteljahre mit ihren Beschwerden hervorgetreten ist, so liegt hierin der klare Beweis, daß es ihr nicht um Milderung der angeblichen Leiden der nordfranzö- fischen Bevölkerung, sondern um Stimmungsmache gegen Deutsch - land bei ihren eigenen und bei den neutralen Völkern zu tun war, und daß sie sich dieses Mittel für einen Zeitpunkt aufgespart hatte, in dem sie glaubte, stärkere Anreizmittel nötig zu haben. Ein solcher Zeitpunkt war das Ende des Julimonats. Die Verhältnis- mäßig winzigen Erfolge der mit ungeheurem Apparat unternommc- iieu und mit ungeheurem Lärm angekündigten Somme -Offensive. die Aussicht auf einen dritten Winterfeldzug und die bevorstehende Eröffnung der französischen Kammer, endlich der Wunsch, weiter: neutrale Völker gegen die Mittelmächte mobil zu machen, das waren offensichtlich die Beweggründe, ivelche unsere Feinde veranlaßt haben, die ein Vierteljahr lang auf Eis gelegte Entrüstung nunmehr zum Aufwallen zu bringen. Diesen Zweck hätte eine Wahrheit-- gemäße Darstellung der tatsächlichen Vorgänge niemals erfüllen können. Infolgedessen sah sich die feindliche Propaganda zu dem ebenso verwerflichen wie ihr längst geläufigen Mittel veranlaßt, der Darstellung Jws Sachverhalts durch sensationelle Erfindungen die erwünschte«Schlagkraft zu verleihen. Diesem Zweck' diente ins- besondere die Behauptung, daß die Verpflanzten nicht nach Frank- reich, sondern nach Deutschland geschafft worden seien; ferner daß sie zu Arbeiten in den Schützengräben oder zur Munitionserzeugung gezwungen worden seien. Den Gipfelpunkt bildet die in einem Briefe des Prof. Bossi in Genua an die Ziedaktion desPopolo d'Jtalia" vom 26. August ausgesprochene Behauptung, die Frauen aus Lille seien aufs Land geschafft worden zum Zwecke unsittlichen Verkehrs mit deutschen Soldaten! Alle diese Behauptungen kennzeichnen sich als schamlose Lügen- gespinnste, deren einziger Zweck der lst, den deutschen Namen und den Ruf de? deutschen Heeres wieder einmal in den Schmutz zu ziehen, die sinkende Kriegsstimmung in den Ländern der Entente zu heben und die Neutralen gegen unS aufzuhetzen. W. T. B.

politische Uebersicht. Die Sorgen der Nationalliberale». DieNationalliberale Korrespondenz" befaßt sich mit den von der Sozialdemokratie veranstalteten Friede nsvor- sammlungen. Sie ist von dieser Aktion durchaus nicht erbaut und behauptet, daß die Volksmassen dadurch in der einseitigsten Weise informiert werden. Das nationallibcralc Organ sagt: Was muß die Folge einer solchen Aktion sein? Wenn wir auch nicht glauben, daß im deutschen Volke ein besonders aus- nahmefähiger Boden für die systematisch betriebene Frieden-- Propaganda vorhanden ist, so nmß dieselbe doch zu mancherlei Begriffsverwirrungen Anlaß geben. Gerade mit Schlagworten wieAnnexionisten" undKriegsverlängerer" wird eine überaus bedauerliche Wirkung hervorgerufen werden, solange eine Gegen- anfklärung unter der Herrschaft der Zensur unmöglich ist. Aber über diese bedauerlichen Wirkungen im Innern ragen weit hinaus die schädlichen Ausstrahlungen gegenüber dem feindlichen Aus- lande." Mit dem ewigen Hinweis auf die Wirkung, die im Aus- lande erzielt wird, sollte man endlich aufhören. Das Aus- land ist über alles, was in Deutschland vorgeht, auf ocm Weg über die neutrale Presse ganz ausgezeichnet unterrichtet. Wenn aber die Nationalliberalen behaupten, daß sie ver- hindert seien, ihre Meinung zu sagen, so trifft das in keiner Weise zu. Der Abg. S t r c s e m a n u hat in Eisenach jeden- falls sich sehr deutlich ausdrücken können und die Tätigkeit des Abg. Bassermann auf diesem Gebiete ist bekannt, es sei nur an seine Rede auf der Tagung der pominerschen National- liberalen erinnert und an die Resolution, die dort angenommen wurde und in den weitesten Kreisen verbreitet worden ist.(z) Eine Abwehr und ein Vündnisvorschlag. Im ScherischenTag" ergreist Professor Dr. Gras zu Dohna �Königsberg ) da? Wort zur Verteidigung des Deutschen Nationalausschusses und seiner Veranstaltungen vom 1. August. Er wendet sich dagegen, daß dem Nationalausschuß

Die Sommerzeit in der Praxis. Uns wird geschrieben: Wir hielten es für unsere Pflicht, gleich bei der Einführung der Sommerzeit auf die Bedenken hinzuweisen, die dieser Neuerung im Schulbetriebe entgegentreten müßten. Aus theoretischen Gedankengängen heraus kamen wir zu dem Ergebnis, daß die auf solche Weise umgestellte Unterrichtszeit einesteils nicht unerhebliche gesundheitsschädigende Störungen im jugendlichen Organismus zur Folge haben müßte, und daß andernteils diese wiederum nachteilig die pädagogischen Borbedingungen eines gedeihlichen Unterrichts be- einflussen würden. Unsere damaligen Einwendungen wurden nicht beachlel, es blieb bei der angekündigten neuen Einrichtung. DaS Kind blieb weiter Objekt in der Schule, statt daß man seinen subjektiven Bedürfnissen und seiner Eigenart Rechnung getragen hätte. So nimmt es uns nicht im geringsten wunder, wenn jetzt die dadurch eingetretenen Mißstände öffentlich diskutiert werden. Sie sind eine glänzende Bestätigung unserer damals geäußerten Be- fürchlungen. Sie bringen das Talsackienmaterial dafür, was wir damals an ungünstigen Wirkungen dieser Neueinrichtung voraus- sagten. In derThüringer Lehrerzeitung" beschäftigt sich ein Lehrer mit der Frage: Wie hat sich die Sommerzeit bewährt und welche Erfahrungen haben wir in der Schule mit ihr gemacht? Er anlwortet darauf, daß selbst der gläubigste Verehrer der neuen Einrichtung sich zu dem Geständnis bequemen müsse: Die Kinder kommen unausgeschlafen zur Schule. Wenn ein Mittagsschläichcn einigermaßen die nachteiligen Wirkungen aufbeben könnte, so lassen die bäuslichen und Wirtschaft« lichen Verhältnisse diesen Ausgleich in den allermeisten Familien nicht zu. Es seien auch vielfach Klagen der Eltern laut geworden, daß die Kinder jetzt nicht mehr ausschliefen. Gleich nach Einführung der neuen Unterrichtszeit wußte die Deutsche Tageszeitung" ein Hobes Lied zu ihrem Preis« zu singen und die Vorteile zu betonen. Das Bedenken einer ebenso erheb- lichen wie bedenklichen Verkürzung deS Schlafes und der Ruhe für das erholungsbedürftige Kind tat sie mit der billigen und ober- flächlichen Bemerkung ab: Vernünftige und auf das Wohl ihrer Kinder bedachte Ellern bringen die Kinder einfach eine Stunde früher zu Bett; dann haben die Kinder auch ausgeschlafen. Jetzt wird uns von einem in der praktischen Schularbeit stehenden Lehrer bestätigt, daß die Kinder unausgeschlafen sind. Wir dürfen wohl annehmen, daß es viele Eltern verflicht haben, ihrem Kinde durch früheres Zubeltbringen den ausreichenden Schlaf zu verschaffen. Allein die Unzuträglichkeiten, die es beim Wecken seit Bestehen der neuen Schulzeit gab, werden sie zu diesem Ausweg veranlaßt haben. Die

Bemühungen, auf diese Weise einen Ausgleich zu schaffen, müssen trotzdem an harten Tatsachen gescheitert sein. Der Mensch ist eben kein« Maschine, die man beliebig anstellen kann, wenn man nur ge« nügend geheizt hat, sondern er ist ein empfindsamer Organismus, der sich den natürlichen Bedingungen seiner Umwelt angleicht. Noch femer als der widerstandsfähige Körper des Erwachsenen reagiert aber der zarte und viel weniger widerstandsfähige KindeSorganiSmuS auf die äußeren Einflüsse und Verhältnisse. Er läßt sich eben nicht nach einer vom Oberkommando festgelegten Zeit und Uhr einstellen. Das Kind kann eben nicht zu jeder beliebigen Stunde schlafen, eS schläft erst ein, wenn eine gewisse und betrSchtliche Abtönung der Tageshelligkeit eingetreten ist, und wenn die Schwüle und drückende Hitze einigermaßen nachgelassen haben. Gegen solche starle Grund- sakloren hilft keine Entrüstung und kein Zwang; denen muß man sich beugen. Und vernünftige Erzieher tun das. Der Körper verlangt sein Recht! Unser Lehrer wirft sodann in derThüringer Lehrerzeitung' die Frage auf: Welche Folgen hat die S ch l a f Verkürzung für Schüler und Lehrer? Seine gemachten Erfahrungen geben darauf eine für uns selbstverständliche Antwort; Des Kindes Entwicklung, seine körperliche wie geistige Gesundheit würden be- droht. Im Verein mit der Unterernährung träten Hemmungen im Wachstum und auffällige Erscheinungen der Gewichtsabnahme zu- tage. Die Schüler bezw. deren Eltern verschliefen sich oftmals. Die Kinder wären im Unterricht unaufmerksam und denkfaul; sie gähnten und säßen nicht still; sie wären besonder« reizbar und zeigten häufiger als vordem Spuren von Unlust für den ganzen Unter- richtsbetrieb. Stumpfsinnig folgten sie den Darbietungen de« LehrerS ; dieser werde schließlich auch nervös, sein Unterricht wurde unfruchtbar. Warnungen. Drohungen, Bestrafungen häuften sich. Lumina srnnmarurn kommt er zu dem Ergebnis, daß nach seinen Erfahrungen der Schule mit der Einführung der neuen Zeit wenig gedient sei. Physiologisch sind diese beobachteten Erscheinnngen auch nur zu erklärlich I Der Körper hat durch das frühere Aufstehen gar nicht Ruhezeit genug, um die durch die Togesarbeit verbrauchten Kräfte zu ersetzen. Bekanntlich müssen die Ermüdungsstoffe, die als giftige Schlacken durch den Krästeverbrauch des Tage« im Blute sich an- sammeln, erst wider beseitigt sein, ehe eine fruchtbringende Tages­arbeit wieder einsetzen kann. Tägliche Rückstände an Ermüdungs- stoffen müssen sich allmählich so anhäufen, daß damit eine erheb- liche Verringerung der Muskelkraft und Nerventätigkeit unausbleib- lich verbunden sein muß. Und so stellen sich notwendig die ungünstigen Folgeerscheinungen ein, wie sie jener erfahrene Lehrer beobachtet hat. Wir mußten schon früher auf das besondere Wagnis des Experimentes mit derneuen Zeit' unter den jetzigen Verhältnissen hintveiseil, wo die heutige Ernährungsweise doppelt und dreifach ungünstig den Wiederersatz der Kräste erschwert und damit die Auf-

nahmefähigkeit der Schullinder ungünstig beeinflußt. DaS Kriegs- brot mit seinem stark verminderten Nährgehalt, der immer stärker hervortretende Mangel an notwendigen, dem Körper zuzuführenden Fettstoffen und Kohlehydraten, sie mußten die Gefahr für die Enl- Wickelung des jugendlichen Körpers und Geiste- für jeden Einsichtigen noch steigern. Warten wir nur noch die Berichte der Schulärzte ab, sie werden eine noch deutlichere Sprache reden. Mit Rücksicht auf die in der Ernnhrungsfrage schon gegebenen Schwierigkeilen hätte man eher die Ruhezeit verlängern sollen, statt sie zu kürzen. Den ungünstigen Ergebnissen, die die Sommerzeit in der Schule gezeitigt hat, stellen sich analoge Erscheinungen im Wirt- schaftSleben zur Seite. Es ist die Auskunft bekannt geworden, die die Mannheimer Arbeitersckmst ihren Gewerkschaften erteilt hat. als diese vom Magistrat um Mitteilung ihrer Erfahrungen mit der Sommerzeit gebeten wurden. Es gäbe danach verschwindend wenig Freunde dieser Einrichtung. Neben etwa einem Viertel, das resigniere, hätte der überwiegend größte Teil vielerlei daran auszusetzen. Als Haupteinwände werden die Verlängerung der Arbeitszeil aufgeführt, die den Körper übermäßig anstrenge und seine Kräfte zu stark ab- nutze, und die Verkürzung der Nachtruhe, die eine ausreichende Er- iieuerung der Arbeitskrnsle verhindere. Dadurch würden erhebliche gesundheitliche Schädigungen hervorgerufen. Die Arbeiterschaft habe an der Wiederholung des Experiments kein Interesse, sondern wünsche im Gegenteil, daß es dauernd bei der mitteleuropäischen Zeit verbleibt. UnS scheint, daß eS ratsam wäre, nach den wenig erfreulich klingenden Erfahrungen mit der neuen Sommerzeit aus der Werk­statt de- praktischen Lebens an Schulkinder und an Arbeitern, wenn man in Zukunft etwas weniger eilig und mit etwas gründlicherer Vorsicht mit dergleichen Neueinsührungen wäre. Zumal wenn schon von vornherein von sachverständigen Leuten Warnungssignale er« richtet werden. Denn die Ersparnis einiger Beleuchtungsstunden steht denn doch in keinem annähernden Verhältnis zu den Schädigungen der Gesundheit und der Volkskraft. Es muß sich nun endlich der Gedanke durchringen, daß der arbeitende Mensch der größte Reichtum der Volkswirtschaft ist. Daß er genügend Zeil zur Erholung bekommt, um die verbrauchten Körperkräste zu erneuern, wenn er nicht sehr bald und vorzeitig vom Volks- wirtschaftlichen Interesse au» seine Leistungsfähigkeit überhaupt einbüßen soll. Die Jugend ober, unseres Volkes Zukunft, bedarf pflegsamer Behandlung und Schonung ihrer Kräfte; jetzt mehr denn je vordem. Ueberanstrengung und Mißachtung der jugendlichen Entwicklung ist Raubbau am Volksvermögen. Wer glaubt, daß Ersparnisse an Licht gemacht werden können und müssen, der darf das unter leinen Umständen auf Kosten der Gesundheit der arbeitenden BolkSklasjett tun. Das müßte sich bitter rächen! II. J.