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konstatire nach bet Antwort des Staatsanwalt?, daß gegen Brandt keine Anklage erhoben worden ist. Verlesen wird sodann ein Artikel aus denLichtstrahlen". Der Ver» theidiger des Angeklagten Harnisch. Rechtsanwalt Berg, hebt hervor, daß die..Lichtstrahlen" ein atheistisches, aber kein sozialdemokratisches Blatt sei. Sie wären politisch un- abhängig, ohne auf dem Standpunkt der sog. Unabhängigen zu stehen. Der Angekl. Schütte. Redakteur derAllgemeinen Fahrzeitung" hebt hervor, daß das inkriminirte Gedicht ,.Gummischlauch und Eisen" unbeanstandet durch zehn Zeitungen gegangen sei. bevor er es. gewissermaßen als Lückenbüßer auf- genommen habe. Verlesen werden sodann noch die inkrimi- mieten Artikel desVorwärts". Angeklagter Rod. Schmidt: Ich übernehme die preßgesetzliche Verantwortung. nenne aber Den Verfasier nicht. Ich gebe zu, daß die Artikel eine sehr herbe Kritik enthalten. Sie kritisiren aber nur wirkliche Begebenheiten. Ich möchte nun darauf eingehen, was zu Beginn der Verhand- lung der Vorsitzende in einer kleinen Anklagerede geäußert hat. Vors.: Das werden Sie später besser können, als jetzt. Das Gericht tritt in die Beweisausnahme ein. Zeuge Polizeihauptmann Feist: Die Versammlung war von den Anarchisten imSozialist" einberufen. Es wurden Zettel mit Einladungen zur Versammlung außerdem verthcilt vor den Asylen, aus Eisenbahmvagen geworfen n. s. w. Aus diesen Vorgängen ging für mich hervor, daß eine große Demonstration geplant war. Vors.: Standen die Anarchisten oder die Soziatdenwkraten dahinter? Zeuge Feist: Das weih ich nicht. Ter Staatsanwalt theilt mit, daß der Verfasser Rodrian zuerst geflohen, aber jetzt zurückgekehrt sei und sich in Untersuchungshaft befinde. Der Aufruf wird verlesen. Vors.: Daß dieser Artikel ein Hehartikel ist. darüber braucht man kein Wort verlieren. Bitte, geben Sie ein Bild der ganzen Vorgänge. Waren denn auch außer Beamten Zivilleute von der Polizei angenommen?. Zeuge: Gott bewahre. Das konimt überhaupt nicht vor. Mir war aber nur die uuisornürte Schutzmannschaft unterstellt. Vors.: Das wird uns der Krimlnalkommifsar Bössel berichten.- Zeuge: Die Menge leistete den Befehlen, vorwärts zu gehen, nicht Folge. Die Leute bewegten fich theilweise Schnecken gleich langsam vorwärts. Mein Kommando war ein schwaches, höchstens 40 Mann waren zur Stelle. Ich bin Zeuge der Februar-Krawalle gewesen und kann das Publikum sehr gut beurtheilen. Ein Lieutenant kam zu mir und sagte, die Menge habe augenscheinlich die Absicht, einen Zug zu bilden. Ich wartete aber noch, bis die Menge am Königsthor war. als es also höchste Zeit war. Da erst sprengte ich hinein. In zehn Minuten war alles vorüber, hatte die Gegend das ge- wohnte Aussehen. Einige Beamten zogen den Säbel. über Verwundete habe ich nichts gehört. Im ganzen standen am� Köniasthor 4050 Mann, etwa 10 Berittene darunter. Daß die Versammlung nicht harmlos war, ging daraus hervor, daß sie, die Marseillaise brüllend, herauskam. Das ist doch in Berlin nicht Mode. Vors.: Befunden sich viel junge Burschen darunter? Zeuge: Ich nehme an. hauptsächlich Row- dies u n d L ü m m e l s. Vors.: In der Presse wird so ge- than, als seien die friedliebendsten Bürger in der Versammlung gewesen. Zeuge: Ich nehm« nicht an, daß ein anständiger Arbeiter in anarchistische Versammlungen geht. Ich muß zugeben, es ist schwer zu beurtheilen. ob die Leute böse Absichten gehabt haben, man kann das nur am Gange sehen. Auffallender Weise benutzte Niemand die Straßen durch den Friedrichshain , sondern alle gingen nach dem Köuigsthor. Tie Leute haben die Absicht gehabt, im Zuge nach der Stadt zu ziehen, die Läden zu plündern. Staats a n w. Es liegt mir daran, daß konstatirt wird, ob sich ein Zug thatsächlich gebildet hat und ob dieser schon in der Be- wegung war. Verth. Rechtsanw. Freudenihal: Haben Sic denn nicht die draußen harrende Menge zum Fortgehen ver- anlaßt. Zeuge: Ja wohl, aber die Menge ging nicht. N.-A. M o s s e: War Ihnen bekannt, daß die Versammlung nicht stattfinden würde? Zeuge: Amtlich nicht, höchstens hat's mir ein Offizier privatim gesagt. Als die Menge auf hundert- malige Aufforderung nicht wich, hielt ich mich sür verpflichtet, rücksichtslos vorzugehen. Polizeilieutenant A rn d t giebt als Zeuge an. daß er mit seiner Mannschaft in der Neuen Königsstraße postirt war. Er hatte den Auftrag, zu verhindern, daß geschlossene Züge in die Stadt kamen. Vorsitzender: Forderten Sie den Trupp, der Ihnen entgegenkam, auf, auseinander zu gehen? Z e u g e: Nein. Ich sah einen Strom von 200 auf meine Stellung los- schießen und fürchtete überlaufen zu werden. Ich suchte die Serankommenden zu warnen, indem ich die blankgezogenen abel hochhalten ließ. Dreiviertel der Masse zerstreute sich; ein Viertel blieb vor der Kette der 9 Schutzleute stehen, die ich über die Neue Königstraße gezogen hatte. Ter größere Theil ging dann durch die Kette durch, und ich habe das auch zugelassen. Ich Hab« sofort die Anschauung be- bekämpft, als wenn die Straße gesperrt bleiben sollte. Ein Schutzmann war dieser Meinung. Von meinen Leuten haben drei mit der Klinge zuschlagen müssen. Präs.: Ist Ihnen gemeldet worden, daß ein Versammlungsbesucher ein Messer ge- zogen hat. Zeuge: Nein. Die Leute zerstreuten sich dann, die meisten nach der Friedenstraße dem Prenzlauer Thor zu. Mir schwebten die Vorfälle von vor zwei Jahren vor. Zeuge Polizeilieutenaut Schwenterley stand mit einem Macht- meistcr und 12 Mann vor der Brauerei Friedrichshain . Als der Saal zu drei Viertel geleert war, hat er seine Mann- schaslen ausschwärmen lassen und die Menge weiter gedrängt. Den Säbel hat von seinen Leuten keiner gezogen. Nur angefaßt und gestoßen haben sie. Vors.: Machte die Versammlung einen schlechten Eindruck? War sie aus unsicheren Elementen zu- sammengesetzt? Zeuge: Ja, Herr Präsident. Junge Bengels waren da, die sangen. Zweimal mußte ich ihnen das Singen verbieten. Und so niederträchtige Gesichter zogen sie, daß man sich zusanimennehmen mußte, um nicht einen Fehlgriff zu thun. Präs.: Hatten Sie den Eindruck der Böswilligkeit bei der Masse, die aus dem Versammlungslokal kam? Zeuge: Ja, ich war entschieden der Ansicht, daß eine böse Absicht bestand. Später erhielt ich den Auftrag, die Häuser der Friedenstraße zu säubern und abzusuchen, das ließ ich durch meine Mannschaften ausführen. Staatsanwalt: Sind nicht faustgroße Steine im Versammlungslokal gefunden worden? Zeuge: Ja, ein Kellner hat nach der Versammlung zwei Steine in der Nähe der Tribüne gefunden. Auf weiteres Befragen erklärt der Zeuge, daß die Wege nach dem Fricdrichshain zum un« gehinderten Passiren freigegeben worden feien. Zeuge Wachtmeister J d e: Die" Schutzleute wurden vom Publi- knm bedrängt, und einige sogar angegriffen. Zeuge Kriminalkommissarius B ös sei: Ich hatte zwei Wacht- nieister und 26 nicht nnisormirte Beamte unter mir. Vors.: Waren das Beamte oder Vigilanten? Zeuge: Beamte. Präs.: Was sind denn eigentlich Achtgroschenjungen, von denen in den Artikeln die Rede ist. Zeuge: Das weiß ich nicht. Angeklagter Keßler: Der Ausdruck stammt aus de? Zeit des Sozialistengesetzes her. Achtgroschenjungen sind Spitzel. Zeuge Bössel: Meine Beamten waren mit Gummischläuchen bewaffnet. Vors.: Die kennt ja jeder. Ich habe deshalb den Antrag des einen der Herren Vertheidiger, einen solchen Gummi- schlauch auf den Tisch des Hauses niederzulegen, abgelehnt. Rechtsanwalt Fr. Friedmann macht darauf aufmerksam, daß diese Gumniischlnuche von den Gerichten als gejährliches Instrument im Sinne des Gesetzes betrachtet würden. Vor- sitzender: Das kommt doch ganz auf die Anwendung an. Wenn ein Zuhälter mit einem solchen Schlauch eine Prostiluirle auf den Kopf haut, so ist der Schlauch ein gefährliches Werkzeug; haut er sie damit auf das Ende des Rückens, so ist der Schlauch kein gefährliches Werkzeug. Zeuge Bössel: Meine Beamten trugen auch Revolver; sie sind aber angewiesen, sie nur im äußersten Nothfall zu benutzen. Für gewöhnliche Falle genügt der Gummischlauch, den sie als kleine Handwaffe bei sich führen. Vorfitzender: Wes- wegen mußte von den Gummischlauchfchlägen Gebrauch gemacht werden? Zeuge: Wir waren in zwei Lokalen in der Nähe des Königsthors postirt. Zehn Minuten mochten nach Schluß der Versammlung verstrichen sein, da sah ich, wie sich an der Ecke des Friedrichhains am Thor eine kompakte Masse anhäufte, die den Schutzleuten nicht weichen wollten. Wie uns bekannt geworden war, planten die Ber, liner Anarchisten nach der Versammlung einen großen Temonstrationszug nach den Linden. Die Situation erschien mir nicht unbedenklich, ich glaubte, daß der Polizeilieutenant Arndt überrannt werden würde. Ich kam deshalb mit meinen Beamten von der Seite herbeigerannt. Es war ein großes Getümmel, die Massen spritzten aber sofort auseinander, und die ganze Aktion nahm kaum eine Minute in Anspruch. Wir zogen dann in zwei geschlossenen Trupps nach dem Alexanderplatz . Acht von unseren Beamten waren verwundet worden, zum Theil von den uniformirten Beamten selbst, die sie verkannt hatten, zum Theil von Privatpersonen. Vorsitzender: Woraus schloffen Sie, daß ein De- monstratiouszug gemacht werden sollte? Zeuge: Das war uns vorher bekannt geworden. Näheres darüber darf ich nicht aussagen. Ich hörte Rufe aus der Masse: Bluthunde! Acht- grofchenjunge! Die Beamten waren nach Art der Arbeiter ge- kleidet. Es handelte sich dabei darum, in der Menge Unsicher- hcit zu erwecken. Der Einzelne sollte nicht wissen, ob er einen Genossen oder einen Beamten neben sich habe. Zeuge giebt ans Befragen noch an, daß er Verletzungen. die durch die Gummischläuche hervorgerufen worden seien, nicht bemerkt hat. Mit Stöcken waren die Kriminalpolizisten nicht bewaffnet. Der nächste Zeuge, Schutzmann Schloefser, sagt aus, daß er mit scharfer Klinge habe einschlagen müssen: Er habe gekört, daß in der Nähe der Greisswalder Straße Jemand ein Messer gezogen haben solle. Schutzmann Borchardt sagt ähnlich aus. Vors.: War viel Janhagel unter der Masse? Zeuge: Behaupten kann ich nichls, aber es waren so ganz gewöhnliche Leute. Vors.: Die erhitzte Phantasie der Zeitungs- schreiber hat von ausgehungerten und blassen Gestalten gesprochen. toben Sie so etwas gemerkt? Was war ihnen mehr anzusehen: die orge um Arbeit oder die Sorge um Schnaps? Waren es aus- gehungerte oder wohlgenährte Leute? Es war wohl wieder eine Horde von jungen Leuten, wie sie die Straßen unsicher machen? Zeuge: Alte Leute habe ich nicht gesehen. Vorsitzender: Die Sache mit den hohlwangigen und hungrigen Leuten ist wohl ebenso Phantasie, wie die Geschichte von den zwei Gardeoffizieren, die aus der Pferdebahn von dem Demonstrationszug und von dem bereit gestellten Militär gesprochen haben. Vertheidiger Dr. Herz- selb: Dafür werde ich einen Zeugen stellen. Der nächste Zeuge, Schutzmann K a ch e r, ist von einen: Mann, den er gepackt hatte, am Kinn gekratzt worden. Der nächste Zeuge, der berittene Schutzmann Scherer, hatte den Austrag, den Bürgerfteig entlang zu reiten, um das Publikum im Fluß zu hallen. Junge Leute pfiffen und zischten. Er habe einen ge- wissen Meißner gepackt gehabt. Tie Menge habe geschrien: Loslassen"! Ein Kollege sei ihm zu Hilfe gekommen und habe ihm den Gefangenen abgenommen. Dann habe er blank ge- zogen und sich Luft geschafft. Auf Befragen des Rechts- anwalts F r e u d e n t h a l giebt Zeujje an, daß dieser Vorfall sich vor Schluß der Versammlung abgespielt hat. Der nächste Zeuge Journalist Franz Braam, ist Berichterstatter derPost". Er hat der Versammlung bis zum Schluß beigewohnt. Bor- sitzender: Welchen Eindruck halten Sie von der Versamm- lung? Waren viel jugendliche Burschen da? Z e u g e: Ja. Vorsitzender: Benahmen Sie sich frech? Zeuge: Nein. Es war ganz ruhig in der Versammlung. Vor­sitzender: Wie war es, als die Masse das Lokal verließ? Zeuge: Ich habe im Saal gewartet, bis ein großer Theil der Anwesenden herauswar. Ich habe aus dem Fenster ge- blickt. Die Masse zog ruhig ab. nur mit einem Male begann die Menge zu laufen. Nach meiner Auf­fassung kam Unruhe in die Leute hinein, weil ein Polizeihauptmann hin- und hersprengte. Als die Sache vorüber war, sah ich, wie ein Mann in der Neuen Königstraße mit einem Gnmmischlauch geschlagen wurde. Er kam vom Thore her und floh vor einem Manne, der ihn verfolgte. Der Verfolger strauchelte, während er zuschlagen wollte. Nun kam ein uniformirter Schutz- mann über die Straße gelaufen, packle den Verfolgten, stieß ihm mit der Faust in den Nacken und drei bis vier Mal niit den Füßen. Der Mann zuckte zusammen und fiel so halb hin. Das geschah, als alles schon vorüber war, und die Masse sich bereits verlaufen hatte. Ich ging mit zwei Kollegen den breiten Promenadenweg am Friedrichs- Hain entlang. Ein paar Schritte vor uns gingen ein paar Ar- beiter ebenso ruhig wie wir. Da kam ein Schutzmann aus die Arbeiter zu und schrie sie an: Wollen Sie gleich machen, daß Sie vorwärts kommen! Bilden Sie keine Ansammlungen! Der Zeuge A d a m i, Berichterstatter derKrenz-Zeitunz" ist zu spät zur Versammlung gekommen. Die Masse hat keinenradau- mäßigen" Eindruck aus ihn gemacht. Vors.: Marschirte ein Theil der Gesellschaft in geschlossenen Reihen? Zeuge: Es war ganz natürlich, daß eine Anfeinanderfolge der Marschirenden vorhanden war, weil die Masse aus dem Lokal zusammen heraus- kam. Wenn ich so sagen darf, das Publikumverzog sich", so- bald die Polizei in Sicht kam. Vorsitzende"«: Haben Sie Piügelszenen gesehen? Zeuge: Nein. Das forsche An- reiten der Schutzleute machte auf mich den Eindruck einer Attacke. Da, wo ich war, erschien mir das Eingreifen der Polizei überflüssig. Staatsanwalt: Wieviel Pferdefüße haben Sie denn gesehen? Zeuge: 40. Es waren 10 Be­rittene etwa. Nächster Zeuge ist der Oberstlieutenant Moritz von E g i d y: Ich habe den Saal mit dem Publikum zugleich verlassen, nachdem ich vorher in der Mitte des Saales gesessen hatte. Vorsitzender: Haben Sie gehört, daß der Polizei- Hauptmann Feist das Publikum aufgefordert hat, weiter zu gehen. Zeuge: Nein. Als ich heraustrat, fand bereits ein regel- rechtes Ablausen der Menge statt. Vorsitzender: Haben Sie etwas von der Thäligkcit der Polirei gesehen? Zeuge: Als ich aus dem Gebäude herauskam, stand eine Anzahl Schutz- lente da, durch die man hindurch mußte. Es war ein pein- liches Spießruthenlaufen. Ich ging mitten auf der Straße einige Schritte seitwärts vom Trottoir. Da sah ich, wie dicht hinter mir rechts ein berittener Schutzmann das Trottoir entlang kam, einen Passanten am Kragen ergriff und an das Gitter drückte, so daß der Mann seinen Hut verlor. Was die Veranlassung hierzu war, weiß ich nicht. Im selben Augenblick sah ich einen der Offiziere von unten heraussprengen. Dann brachen aus dem Thorwcg der Brauerei Schutzleute zu Pferde und zu Fuß hervor. Dieser Anblick sagte mir nicht zu. Ich bin in den Friedrichs- Hain selbst hineingegangen. Nach einer Viertelstunde kehrte ich zurück. Alles war jetzt ruhig, der Tamm war leer und ebenso der Fußsteig. Ein Arbeiter, der schlecht laufen konnte, wurde von den Schutzleuten heftig angelassen. Dann sah ich, wie Schutzleute mit gezogenen Seitengewehren einem anderen Arbeiter ins Haus folgten. Das sind die Thatjachen, die ich elber gesehen habe. Rechtsanwalt Dr. Halle: In Ihrem BlatteVersöhnung" sagen Sie über den Vorfall, daß die feind- >lige Erregung der deutschen Soldaten in Frankreich nicht so groß gewesen sei, wie die der Schutzleute. Sie schreiben ferner: Entkräftung und Furcht kennzeichneten die hierher gekommenen Menschen. Vors.: Wenn einer zur Feder greift, wenn man o was schreibt, da wird es etwas ausgeschmückt. Zeuge Oberst- .ientenant v. E g i d y: Ich muß entschieden dagegen Verwahrung einlegen, daß ich auch nur mit einer Silbe übertrieben habe. Vors.' Ich habe nur ganz allgemein gesprochen. Zeuge v. Egidy: Ich lehne die Anwendung deS allgemeinen Satzes auf meine Person entschieden ab. Ich habe absichtlich zwei Wochen gewartet, bevor ich den Artikel in meinem Blatte veröffentlichte. Ich wollte erst eine gerichtliche Vernehmung abwarten, auf die ich rechnete. Jedes Wort meines Artikels halte ich nicht nur aufrecht. sondern ich betone, daß jedes Wort dieses Artikels mit peinlicher Sorgfalt abgewogen ist. Vertheidiger Rechtsanwalt Fr. Friedmann: War es Ihr thatsächlicher Eindruck, daß ent- kräftete und vor Hunger gepeinigte Menschen in der Versamm- lung waren? Zeuge v. E g i d y: Ich halte alles bis aufs Minutiöseste aufrecht. Furcht und Entkräftung war der Aus- druck der Versammlung. Als die Versammlung aufgehoben wurde, erhob sich die Menge mit einer Ruhe, die geradezu einen peinlichen Eindruck auf jeden Unbefangenen machen mußte. Ich habe mich oft gefragt, ob denn die Annahme der Polizei, daß ein Vorhaben geplant sei, im Verhalten der Versammlung irgend welche Begründung hatte. Ich muß es benimmt verneinen. Ich habe mich ganz ruhig von der Menge hinaustragen lassen und habe nichts gesehen und nichls bemerkt, was zum Einschreiten der Polizei Anlaß geben konnte. Ich war ganz überrascht, als ich den Polizeiosfizier heraufsprengen und die Kolonne der Schutzleute aus dem Thore hervorbrechen sah. Staatsanwalt: Waren Sie wiederholt schon in einer Arbeitslosen- Versammlung? Zeuge: Ich war im vorigen Jahre in den Konkordiasälen. Staats» an w alt: War der Typus dieser Versammlung der- selbe, wie bei jener in der Brauerei Friedrichshain ? Zeuge von Egidy: In der Konkordia- Versammlung war mehr Leben darin. Ich bekam da wohl einen Eindruck von dem fürchler- lichen Elend, das im Volke herrscht, aber nicht den Eindruck der Furcht. Ein- viel tiefere Depression herrschte hier. Während der 1>/z 2 Stunden, die wir bis zum Beginne der Versamm- lung warten mußten, herrschte eine lautlose Stille im Saale. Der Saal war voll, aber nicht überfüllt, als die Thüren ge- schlössen wurden. Ich habe zahllose Volksversammlungen ge- sehen, die überfülller waren. Von einem Dranßensein der Menge haben wir im Saale nicht viel gemerkt. Ich hatte thal» sächlich das Empfinden des gänzlich Ueberraschten, als ich die Polizei herankommen sah, wozu nach meinem Empfinde» kein Anlaß vorlag. Vorsitzender: Wie so war Ihnen die lautlose Ruhe der Versammlung peinlich. Zeuge: Sonst zeigt sich Leben in der Versammlung. Man unterhält sich scherzend. Hier aber erhoben sich viele Hunderte bedrückt von innerer Sorge und verließen lautlos den Saal. Damit ist die Vernehmung dieses Zeugen beendet. Der nächste Zeuge, Dr. Badt, hat von seiner Wohnung in der Greifswalderftraße ans gesehen, wie die iliriminalbeamten 10 lS Minuten lang den Gummischlauch geschwungen haben. Er findet das Vorgehen der Polizei zu rigoros. Zeuge Bössel meint, daß die Aktion der Kriminalbeamten höchstens 2 Minuten gedauert habe. Zeuge Feist theilt mit, daß unter seinem Befehl noch zwei nicht nnisormirte Kriminalbeamte gestanden haben. Dann tritt die Mittagspaus e ein. Nach der Pause wird die Zeugenvernehmun g fortgesetzt. Zeuge Berichterstatter desNeichsboteu", Liebich. wird auf« gerufen, ist aber nicht anwesend. Zeuge Gärtner Kopsch: Ich habe Aufforderungen nicht ge- hört, wohl aber gesehen, daß die Säbel in der Lust blieben. Einen Polizeibeamten habe ich nicht schlagen jsehen. Zu Zu- sammenrottmigen ließ es die Polizei nicht kommen. Ich be- obachlete die Vorgänge von meinem Fenster aus und trat dann auf die Straße. 3 oder 4 Mal ist mit Gummischläuchen ge- hauen worden. Ich hörte, wie einer aus der Gruppe sagte: der Kerl müßte gehauen werden, bis er liegen bleibt. Ich weiß nicht, ob es ein Beamter war. die gingen gerade so angezogen wie die Arbeiter. Vors.: Waren viel jugendliche dabei? Zeuge: Wohl die Hälfte. Vors.: Dlar Lärm? Zeuge: Nein, es war eigentlich alles ruhig. Zeuge Gärtner Daum: Zu mir kamen ein paar Leute ins Haus und sagten: schützen Sie uns, die Schutzleute wollen uns tödtschlagen". Aus- Forderungen der Polizei habe ich nicht gehört. Zeuge Schuhmacher Liesgang: Ich' war draußen, als die Versammlung zu Ende war. Es kamen 2 Arbeiter in meine Wohnung, die sich verstecken wollten, ich kannte sie nicht. Ich ging mit dem Manne vor die Thür, da stand ein Schutzmann zu Pferde mit gezogenem Säbel. Er hieb aus den Mann los, cS kamen noch mehr Schutzleute Hinz», auch der andere Mann wurde tüchtig gehauen. Schließlich gelang es ihm zu entwischen. Zeuge Polizeilieutenant Kloß: Ich war in der Lands- berger Allee postirt. Dort ist es aber nicht zu Zusammenstößen gekommen. Zeuge Kommis Winkelmann ist in einem Geschäft in der Barnimstrabe angestellt. Er hat Aufforderungen zum Weiter- gehen gehört. Er sagt, es bildete sich sogar eine Kelte, die dann durchbrochen werden sollte. Zeuge Berichterstatter L i e b i ch war im Anftrage des Reichsboten" in der Versammlung. Die Leute saßen bewunde- rnngswürdig still da, als wenn vorher irgend etwas passirt wäre, irgend etwas in der Luft läge. Die Ver- sammelten gingen ruhig auseinander. Vorsitzender: Wurde nicht gesungen? Z e u g e: Vielleicht die Marseillaise . Das ist ja gewöhnlich so. Plötzlich sah ich, wie die Schutzleute in die Menge hineinritten, wir selbst ich und einige Kollegen mußten uns in Acht nehmen, daß wir nicht umgeritten wur­den. Wir gingen nun nach dem Königsthor. Dort sah ich erst, wie ein Mann von einem Geheimen verfolgt und mit einem Gmnmischlatich geschlagen wurde, ohne daß ich bemerkt hätte. daß der Beamte gereizt worden wäre. Ich sah, daß drei Schutzleute in die Menge hineingaloppirten und dort Verwirrung anrichtete». Das habe ich auch be- richtet. Polizei Hauptmann Feist wirft ein. daß nur er mit seiner Ordonnanz galloppirt sei. Zeuge Arbeiter A Hisel dt: Wir waren kaum aus dem Saale heraus, als schon gehauen wurde, ich bin noch so glücklich mit durch- schlüpft. Vors.: Sind Sie schon bestraft? Zeuge: Wegen Beleidigung und Körperverletzung. Vors.: Sonst nicht, auch nicht wegen Meineides? Zeuge: Nein! Der Zeuge wird vereidigt. Staatsanwalt B e n e d i x: Sagen Sie alle Vor- strafen. Zenge: Ich war zwei Mal 14 Tage und 3 Wochen in Rummelsburg . Kriminalkommissar Bössel verliest ein Strafregister. wonach der Zeuge zehn Mal, darunter mehreremal wegen schweren Diebstahls mit Zuchthans bestrast ist. Geburtstag, -Jahr und-Ort stimmen. Der Ze»ge bestreitet, auch jetzt noch, anders als angegeben vorbestraft zu sei». Staatsanwalt Benedix läßt die Aussage des Verdachts des Meineids wegen Protokolliren. Der Zeuge bestreitet wiederholt alles und giebt an, er könne nachweisen, daß er die ganzen Jahre hindurch in Amerika gewesen sei. Staatsanwalt Benedix: Der An- geklagte Z a ch a u wandte sich eben mit den Worten an mich: Herr Staatsanwalt, wenn nun dem Manne die Papiere ge» kohlen sind." Vertheidiger Rechtsanwalt F r i e d>n a n n will den Antrag auf Vertagung stellen, wenn der Zeuge wahr gesprochen, ser 'eine Aeußerung relevant, es solle erst festgestellt werden, ob er wirklich meineidig sei. Der Vorsitzende läßt den Rechtsanwalt nicht aussprechen. Es entsteht eine heftige Kontroverse. Der Staatsanwalt stellt den Antrag, den Vertheidiger wegen Ungebühr zu be st rasen. Der Präsident geht aber schließ- lich auf den Antrag nickt ein. Zeuge Kutscher R e g e l i n erzählt in drastischer Weise, wie namentlich die Geheime» mit den Gummischläuchengearbeitet" haben. Er sei geflohen. Eine Frau mit Mittagessen wurde umgerannt, daß gleich der Korb m weitem Bogen wegflog. Vors.: Haben Sie Schläge bekommen? Zeuge: Nein. Man mußte sich aber furchtbar in Acht nehmen. Vors.: Das ist natürlich allbekannt, wenn die Polizei die Menge vorwärts treibt. Zeuge: Ja, weshalb ist denn aber geschlagen worden?