Nr. 351. 33. Jahrg.
Abonnements- Bedingungen: abonnements. Breis pränumerando Bierteljährl 8,90 M, monatl. 1,30 ML wöchentlich 80 Bfg. frei ins Haus. Einzelne Nummer 6 Bfg. Sonntags. nummer mit illustrierter Sonntags. Beilage Die Neue Welt" 10 Bfg. Bost Abonnement: 1,30 Mark pro Monat Eingetragen in die Bost- Beitungs. Breisliste. Unter Areuzband für Deutschland und Desterreich. Ungarn 2,50 Mart, für das übrige Ausland Mart pro Monat. Bostabonnements nehmen an Belgien , Dänemart, Holland , Italien , Luxemburg , Bortugal Rumänien, Schweden und die Schweiz
Ericheint täglich.
5 Pfennig
Die Infertions- Gebühr
beträgt für die fechsgespaltene Kolonel geile oder deren Raum 60 Pfg., für bolitische und gewerkschaftliche Vereins. und Versammlungs Anzeigen 30 Big. Kleine Anzeigen", das fettgedrudte Bort 20 Bfg.( zuläffig 2 fettgedrudte Borte), jedes weitere Wort 10 Bfg. Stellengesuche und Schlafstellenan zeigen das erite Wort 10 Big., jedes weitere Wort 5 Bfg. Worte über 15 Buch. staben zählen für zwei Worte. Inserate für die nächste Summer müssen bis 5 Uhr nachmittags in der Erpedition abgegeben werden. Die Expedition ist bis 7 Uhr abends geöffnet.
Redaktion: SW. 68, Lindenstraße 3. Fernsprecher: Amt Morisplas, Nr. 151 90-151 97.
Freitag, den 22. Dezember 1916.
Viermaliger ruffifcher Anfturm gefcheitert.
-
Artilleriekampf an der Somme - Vergebliche Russenstürme an der Goldenen Bistrik in der Nachhutstellungen in Dobrudscha genommen.
-
Amtlich. Großes Hauptquartier, 21. Dezember 1916.( W. T. B.)
Weftlicher Kriegsschauplah.
Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht. Nördlich von Arras wurden englische Abteilungen, die in unseren vordersten Graben nach starkem Feuer eingedrungen waren, durch Gegenstoß hinausgeworfen.
Auf beiden Somme - Ufern begünstigte klare Sicht die Kampftätigkeit der Artillerie, die in einzelnen Abschnitten sich zu großer Heftigkeit steigerte.
Westlich von Villers- Carbonnel brachen GardeGrenadiere und ostpreußische Musketiere in die durch Wirkungsfeuer stark zerstörte feindliche Stellung und kehrten nach Sprengung einiger Unterstände mit 4 Offizieren und 26 Mann als Gefangenen, sowie einem Maschinengewehr befehlsgemäß in die eigenen Linien zurück.
In zahlreichen Luftkämpfen und durch unser Abwehrfener büßte der Feind im Sommegebiet 6 Flugzeuge ein. Heeresgruppe Kronprinz.
Bei zumeist geringem Artilleriefeuer keine Infanterietätigkeit größeren Umfanges; an der Aisne - Front wurden mehrere französische Patrouillen zurückgewiesen.
Deftlicher Kriegsschauplag. Front des Generalfeldmarschalls Prinz Leopold von Bayern.
Zwischen Dünaburg und Narocz- See nahm zeitweilig der Geschützkampf bedeutend zu. Angriffe russischer Abteilungen nordöstlich von Goduzischki und nördlich des Dryswjaty- Sees scheiterten verlustreich.
Am Stochod, nördlich von Helenin, versuchte der Russe vergeblich deutscher Landwehr Boden zu entreißen, der vor wenigen Tagen in die eigene Stellung einbezogen worden
war.
Front des Generaloberst Erzherzog Joseph .
Viermaliger russischer Ansturm bei Mestecanesci auf dem Ostufer der Goldenen Bistrit brach an der Wider
Vorstoß deutscher Seestreitkräfte. Berlin , 21. Dezember. Amtlich. Flandrische Seestreitkräfte brachten in der Nacht vom 19. zum 20. Dezember gelegentlich eines Streifzuges in den Hoofden den holländischen Dampfer Otis- Tetray, von Rotterdam nach England unterwegs, nach Zeebrügge ein. Da die Prüfung der Ladung ergab, daß der Dampfer keine Bannware führte, wurde er mittags wieder freigegeben und setzte seine Reise fort.
=
standskraft österreich - ungarischer Bataillone zusammen. Weiter südlich wurde der Gegner aus einigen Postenstellungen zurückgetrieben. Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls von Madensen.
In der Großen Walachei verstärkte sich das Artilleriefeuer am Gebirge.
Die Dobrudscha - Armee warf den Feind aus einigen Nachhutstellungen.
Mazedonische Front.
Deutsche Jäger hielten die vielumkämpften Höhen östlich von Paralovo im Cerna- Bogen gegen starke russische Angriffe.
Der Erste Generalquartiermeister.
Ludendorff.
Abendbericht.
Amtlich. Berlin , 21. Dezember. ( W. T. B.) Außer Artilleriefeuer in einzelnen Abschnitten auf feiner Front größere Kampfhandlungen.
Der österreichische Bericht.
Wien , 21. Dezember 1916.( W. T. B.) Amtlich wird verlautbart: Deftlicher Kriegsschauplas. Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls von Madensen.
7317
Jm Gebirge der Ost- Walachei erhöhte Artillerietätigkeit. Seeresfront des Generalobersten Erzherzog Joseph.
Auch gestern versuchten die Russen sich des Tunnel- Stüh punktes bei Mesticanesti zu bemächtigen. Fünf von starkem Artilleriefeuer begleitete Anstürme scheiterten an der zähen Ausdauer des tapferen. t. Landsturm- Gendarmerieregiments bei vortrefflicher Mitwirkung unserer Artillerie.
Heeresfront des Generalfeldmarschalls Prinz Leopold von Bayern.
Bei den 1. und f. Truppen verlief der Tag ruhig. Italienischer und Südöstlicher Kriegsschauplat. Nichts von Belang.
Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes. v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
Expedition: SW. 68, Lindenstraße 3. Fernsprecher: Amt Moritplat, Nr. 151 90-151 97.
Sozialdemokratie und Regierung.
Vor Jahr und Tag saß einmal im Lesesaal des Reichstags ein sozialdemokratischer Abgeordneter im Gespräch mit einem hohen Regierungsbeamten. Da öffnete sich die Tür, und es erschien Herr v. Heydebrand. Das Gesicht des hohen Beamten überflog eine leichte Röte, hastig nahm er eine vor ihm liegende Zeitung und tat, als ob er lese. Der Sozialdemokrat entfernte sich ohne Abschied und nicht mit dem Gefühl, eine Szene menschlicher Größe erlebt zu haben.
Das war die gute alte Zeit, von der mancher wünscht, daß sie wiederkehren möge. Und mancher kann es noch immer nicht verschmerzen, daß die Beziehungen zwischen Sozialdemokratie und Regierung nicht mehr unter der Kontrolle des Herrn v. Heydebrand stehen. Mancher Regierungsbeamter glaubt vielleicht auch heute noch, sich zu kompromittieren, wenn er fein Zeitungsblatt bei der Hand hat, mit dessen Hilfe er die Kluft der Weltanschauung markieren kann.
Die schwere Kriegszeit ist freilich zu solchen beschämenden Kindereien wenig geeignet. Vorgestern hat Lloyd George im Unterhaus gesagt, ohne die weiteste Unterstützung der Arbeiterschaft sei ein Sieg unmöglich, und bei einer früheren Gelegenheit hat derselbe Redner ausgesprochen, daß die deutschen Siege nicht von der preußischen Militärtaste", sondern von den deutschen organisierten Arbeitern erkämpft sind. Die deutsche Regierung kann nun diesen Arbeitern unmöglich sagen: Ihr dürft zwar an der Front unsere Schlachten gewinnen, aber ihr dürft uns nicht Unter den Linden grüßen".
Reste dieser Denkart sind aber noch immer erhalten geblieben, und auf sie spekuliert jener Teil der Presse, der die Regierung fortwährend bezichtigt, daß sie sich von der Sozialdemokratie beeinflussen lasse, der jeden Tag schreit, die Regierung müsse sich gegen dies und das erklären, was im ,, Vorwärts" gestanden hat, der immer aufgeregt und drohend verlangt, der Reichskanzler solle von der Sozialdemokratie abrücken.
-
-
Das gilt natürlich ganz besonders von den Fragen der Kriegs- und Friedenspolitit. Hier wird in geradezu denunziatorischer Absicht auf gewisse Uebereinstimmungen in den Richtlinien der Regierung und der Sozialdemokratie hingewiesen, und die Haltung der Regierung wird bekämpft nicht mit sachlicher Beweisführung, sondern mit der Betonung der gegebenen Parallelen als etwas Sozialdemokratisches oder sozialdemokratischer Herkunft Verdächtiges. Die ganz Schlauen aber schreiben, die Sozialdemofratie behaupte, daß die Regierung in der Frage der Kriegsziele auf ihrer Seite stünde, das sei natürlich nicht wahr, aber um den falschen Schein zu vermeiden, müsse die Regierung nun schleunigst eine Erklärung erlassen, um die Aufgeregtheit aller loyalen Gemüter zu beruhigen. Reden wir deutlich: Die Sozialdemokratie hat schon „ Seit der Schlacht bei Hastings ( Eroberung Englands durch die Normannen i. J. 1066) hat das Regierungssystem dieses gar in dieser Zeit! den Wunsch, nicht bloß zu agitieren, Landes keine solche Veränderung im Laufe von zwei oder drei sondern praktisch zu wirken, und das kann sie nur, indem sie Tagen erfahren. Das vor dem Parlament verantwortliche auf die Regierung einwirkt. Ja, wir wünschen, daß die Ministerium ist eine Junta( Revolutionsregierung nach spanischem Regierung die Politik treibe, von der wir glauben, daß sie Muster) von fünf Leuten. Der Ministerpräsident wird ins Parla- für unser Volk die nüßlichste ist, und das ist nun einmal die ment nur dann gehen, wenn es ihm paßt und Vergnügen macht. sozialdemokratische Politit. Und darum werden wir immer Derart ist die Lehre der Minister verantwort jede Annäherung an diese Politik im einzelnen loben und lichkeit vor dem Parlament mit einem einzigen fräftigen billigen und jede Entfernung von ihr tadeln und bekämpfen, Strich zu wenig mehr als einer tonstitutionellen eben deshalb weil wir diese Politik für die richtige halten. Fiktion eingeschränkt eingeschränkt worden. Das Haus der Ge- Von der Regierung aber erwarten wir, daß sie- nicht meinen hat nur mit drei verantwortlichen Ministern zu tun nach dem sozialdemokratischen Parteiprogramm aber ohne und nicht mit dem Ministerpräsidenten, sofern er Ansehen der Partei nach dem besten Wissen und Genicht die Geneigtheit hat, in eigener Person zu erscheinen und für wissen handelt. Findet sie, daß etwas, was die Sozialsich selbst und sein Kabinett zu antworten. Unter diesen Um- demokratie vorschlägt, im Interesse des Landes liegt, so ist sie ständen ist jede kontrolle des Unterhauses über die verpflichtet, der Anregung Folge zu geben. Sie darf sich nicht Verwaltung unmöglich. Zwischen dem Staatssekretariat, das der Feigheit schuldig machen, etwas nicht zu tun, weil es- Der Kammerausschuß, der mit der Prüfung der Vorlage nur die Befehle des Kabinetts ausführt, und dem Kabinett, das obgleich richtig und nüßlich doch sozialdemokratisch ist. Und beauftragt ist, die der Regierung das Recht geben soll, auf Befehle erteilt, aber nichts selbst tut, wird es, wenn das Haus sie sollte sich im Interesse ihrer eigenen Würde mit der größten dem Verordnungswege gewisse Maßnahmen zu treffen, be- seine Autorität auszuüben wünscht, in der Praxis unmöglich sein, Entschiedenheit gegen diejenigen wenden, die ihr eine solche schloß, es sei bis auf weiteres nicht erforderlich, die Regierung zu entdecken, wo wirklich die Verantwortung steckt." Erbärmlichkeit zumuten. zu hören. Er lehnte mit 24 gegen 2 Stimmen den GrundWir sagen nicht:„ Herr, wir danken dir, daß wir nicht gedanken der Vorlage ab, der dahin zielt, das Parlament sind wie jene!" Aber wir fragen: Darf man den Herren seiner konstitutionellen Befugnisse zu entkleiden. Der Senat hielt am 20. eine zweite fünfstündige Geheim- glauben, wenn sie sich über Despotismus anderswo entGeheim- rüsten?
Herr Briand hat in seinem Streben nach der Diktatur eine neue Schlappe erlitten, die sein Ministerdasein ernstlich gefährdet.
sigung ab.
Was aus der Diftaturvorlage und aus Briand selbst wird, ist sehr unsicher. Ueber ein Uebermaß von Freiheit hat man sich aber auch jetzt schon in der Republik nicht zu beflagen. Das hat erst kürzlich u. a. auch der französische
sammlung eine Resolution annahm, in der es heißt:
Der Verkauf der westindischen Inseln endgültig beschlossen.
-
C
Wird nun auf der einen Seite an die Regierung das törichte Ansinnen gestellt, sie solle alles, was von der Sozialdemofratie fommt, für schlecht erklären, so fordert man auf der
anderen Seite von der Sozialdemokratie, sie solle gegenüber der Regierung ebenso verfahren. Leute, die das verlangen, verwechseln den Begriff der Sozialdemokratie mit dem der fattiösen Opposition". Die faktiöse Opposition" sieht ihre Aufgabe darin, alles, was von der Regierung kommt, unbeMechanikerverband bestätigt, indem er in seiner Generalver- Kopenhagen , 21. Dezember. Der Reichstag hat die Vor- fehen herunterzureißen. Sagt die Regierung„ Weiß!", so sagt die fattiöse Opposition" Schwarz". Sagt aber die lage betreffend den Berkauf der westindischen Inseln nunmehr end- Regierung„ Schwarz", so sagt die faktiöse Opposition:" Es Die Versammlung protestiert aufs neue gegen das Regime gültig angenommen. Im Folkething stimmten 90 Abgeordnete dafür, ist eine Schmach und eine Schande, was die Regierung da der Zensur, die uns verbietet, auf unrichtige Dar- 16 dagegen, im Landsthing 40 dafür, 19 dagegen. In beiden Häusern sagt! Weiß! Weiß muß es heißen!" stellungen der Arbeitsverhältnisse in den Kriegswerkstätten zu stimmten die Konservativen gegen den Vorschlag. erwidern, Behauptungen, deren Quelle im Unternehmer- Der Widerstand der Konservativen und der sogenannten Bauerntum und im Unterstaatssekretariat für das Munitionswesen zu linken unter Führung Christensens gegen den Inselverkauf hatte befinden ist. fanntlich zu einer heftigen innerpolitischen Strise in Dänemart ge führt. Ihre Folge war die Bildung eines Koalitionsministeriums, Was Briand anstrebt, besitzt Lloyd George in reichstem in das auch Genosse Stauning eintrat und die Entscheidung der Maße. Wenigstens, wenn man der englischen Wochenschrift Frage durch Volts abstimmung. Die Voltsabstimmung ergab, " Truth" glauben will, die in ihrer Nummer vom 13. Dezember wie wir seinerzeit mitteilten, 289 694 Stimmen für und 157 596
schreibt:
Stimmen gegen den Verkauf.
Auf diese Weise kommt man dann dazu, die Regierung auch dann anzugreifen, wenn sie das tut, was man selber von ihr verlangt hat. Man kommt dann z. B. dazu, den 12. Dezember 1916 als einen schwarzen Tag" in der Geschichte der deut schen Arbeiterbewegung zu bezeichnen. Denn das, was die Regierung tut, ist ja immer das Verkehrte, auch wenn es dasselbe ist, was man am Tage zuvor als das Richtige ge priesen hat.