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üt. 18. 34. ZahrMg.
2. Krilige des Jnrairls" Knlmn WsbIM
Freitag. 19. Jamar l917.
Mbgeorönetenhaus. 51. Sitzung, Donnerstag, den IS. Januar 1917, IVA Uhr. Mm Ministe rtische: Lentze, v. Breitenbach, v. Loebell, Thdow. Die erste Lesung des Etats. Abg. Dr. V. Hcydcbrand(kons.): Zunächst einige Worte zum Etat. Erfreulich ist, daß aus den Stcuerzu schlagen des Jahres 1916 ein Teil des Defizits gedeckt werden konnte. Gegen eine weitere Erhöhung der -direkten Steuern bestehen ernste Bedenken. Unser Finanz- wesen ist auf gesunden Grundlagen aufgebaut, und wir tonnen ruhig in die Zukunft schauen. Anerkennung verdient, daß für den Wiederaufbau Ostpreußens   bisher fast 769 Millionen aufgewendet werden konnten. Rußlaird liefert die weggeführten Ostpreußen   noch immer nicht aus. die Armen sind weiter schutzlos dem Elend Preisgegeben. Möge den Russen gegenüber endlich von der Reichsregierung eine Sprache angeschlagen werden, wie jetzt gegenüber den Franzosen. lBeifall.) Mit den Waffen können unsere geinde uns nicht besiegen, und so hoffen sie, daß Mangel und Not, Unzufriedenheit und Uneinigkeit schließlich die Kräfte unseres Volkes lahmlegen werden. Auch diese Hoffnung muß zuschanden weichen.(Beifall.) Deshalb ein offenes Wort an die ländliche Bevölkerung. Sie hat es gewiß schwer bei dem Mangel an Arbeitskräften und angesichts mancher Verordnung, die nicht dos Richtige trifft. Trotz- dem muß sie m e h r l e i st e n als bisher, sie mutz mchrOpfer bringen als ihr vorgeschrieben find. Jetzt gilt es. die Probe auf das Sxempel zu machen, daß wir alle ein Volk von Brüdern sind. (Beifall.) DaS Bewußtsein von der Not dieser schwere« Zeit ist noch nicht in alle Teile der ländlichen Bevölkerung gedrungen. Man sollte die Antwort, die die Entente dem Präsidenten Wilson gegeben hat, allgemein anschlagen, damit man auf dem Lande überall er- kennt, was uns bevorsteht, wenn dieser Krieg verloren wird.(Sehr gut!). Die Landwirtschaft mutz beweisen, daß sie leisten kann, was sie versprochen hat. als sie Schutz und Förderung von'den anderen Ständen verlangte. lSehr gut!) Auch die städtische Bevöl- k e r u n g l e i d e t s ch w e r. Es ist ein trauriger Anblick, sehen zu müssen, wie Frauen nach ein paar Kartoffeln stehen und wie die städtische Bevölkerung für dir einfachsten Lebensbedürfnisse geradezu unerschwingliche Preise zahlen mutz. Es ist menschlich verständlich, wenn die Städter aus Unkenntnis dafür das Land verantwortlich machen. Jeder, der das Land kennt, weiß, daß das nicht richtig ist. Unsere Frauen müssen mehr als bisher leiden lernen ohne zu klagen. Was wir haben, ist wenig, aber das Wenige mutz so e i n a e t e il t-werden, daß jeder etwas hat und daß wir durchkommen können. Mtlitärisrfl) hat uns das verflossene Jahr ganz Gc- waltiges gebracht. Denken wir an die furchtbaren Angriffe, denen unsere Tapferen an der Somme ausgesetzt waren. Denken wir an die Rieseniämpfe b« Verdun   und an den glänzenden SiegeSzng unserer Truppen durch Rumänien  , den man wohl als das ur- eigenste Werk HindenburgS   bezeichnen darf.(Beifall.) Denken wir an die glänzende Seeschlacht am Skageurak und an die Leistung unserer U-Boote. Dann kann kein Dank innig und groß genug sein. Unsere Helden draußen müssen sich mit dem Gefühl begnügen. daß sie für Vaterland. Frmnkre'llwd- Dasein kämpfen. Das wird ihnen weitere Kraft geben. Aber wir wollen uns keiner Täuschung hingeben. Venn man die Antworten liest, die trotz der Kriegs- läge vnsere Keinde uns und Wilson gegeben haben, so muß man gewiß sagen, es ist schrecklich, obwobl man in gewissem Sinne eigentlich dankbar dafür sein mutz, daß sie die Maske haben, fallen lassen.(Sebr ' richtigl) Aber wir wollen uns nicht verhehlen, daß die anders Seite nocb eine gewaltige Kraftanstreirgung machen wird, die uns vor go- röalbge Proben stellen wird. Zwar bat man gegenüber den Prahle- reien der Gegenseite manchmal das Gefühl: daß die Kinder, die im Dunkeln beklommen sind, ein lautes Lied singen. Aber die feind- - lichen Regierungen, die die Verantwortung tragen, sind noch am Ruder und müssen wie ein Spieler, der verliert, alles auf die letzte Karte setzen. Die Worte,- die der Kaiser in dem Aufruf an das Heer und an das Volk gefunden hat, müssen dauernd in der Bevöl- kerung festgehalten werden.(Beifall.) Das preußische Volk steht binter seinem König wie ein Mann und wird ihm folgen auf dem Weg« zum Kampf und Sieg.(Lebh. Betfall.) Wir danken ihtn, daß er in meinem Appell die G e r e ch t i gk e i t unserer Sache be- tont hat. Dos war nicht überflüssig. Jetzt, wo wir die ganze Vor- geschichte des Kriege» kennen, ist es von den Engländern eine Frivo- lität ohnegleichen, wenn sie, die seit Jahrzehnten den Krieg voxbe- reitet haben, sagen, sie kämpften für Freiheit und Gerechtigkeit. Einigkeit im Innern tut uns not. deshalb will ich innerpolitische Fragen nicht erörtern. Jetzt kommt es nicht darauf an, Z u k u n f t s i.d e.e n a u s z u m a! e n, von denen doch kein Mensch weiß, wie sie sich später entfalten werden, und die letzten Endes dazu führen, daß die Gemüter erregt werden. Die Stunde braucht ein einiges Volk, wo ein Mann zum anderen siebt.(Sebr ricktigl) (Zuruf des Abg. Ad. Hofsinann: Wahlrecht! Gegcnrüfe rechts: DaS ist die Höhe!) Wenn wir den Sieg erfechten wollen, dann ist es unbedingt erforderlich, auch die Waffen anzuwenden, .die uns unserem fähigsten und stärtsten Gegner, England gegenüber, die Möglichkeit geben, den Sieg wirklich zu ge- Winnen.(Lebh. Beifall.) Daß muß ausgesprochen wer- den, länger darüber zu schweigen ist unmöglich. Wenn unsere militärischen Instanzen, die oberste Heeresleitung und . der Kaiser, es für angebracht und zeitgemäß erachten, von dem nnelngeschränktcn U-Vootkrieg den erforderlichen Gebrauch zu machen, dann wird daS deutsche und preußische Volk bereit sein, die Folgen zu tragen.(Stürmischer Beifall.   Abg. Ad. Haffmann: Wer g ich t Ihnen das Recht. das z u sagen?! jErneuter lebhafter Beifall.) Abg. Hoffmann ruft mehrmals:. DaS ist der helle Wahnsinn! Nach jedem Zwiichenrui setzt der Beifall um so stärker ein. Zurus rechts: Straßenjunge!) Die Zurufe des Abg Hoffmann stören mich nicht. Dieser Ton entspricht nicht der Lage, in der wir uns gegenwärtig befinden. Wir wollen siegen. Das ist die Voraussetzung für alles, was wir nach dem Kriege zu erreichen hoffen. Wenn man meint, es werde nachher alles so bleiben, wie es vorder war. und jedes Land habe seine eigenen Lasten zu tragen,, so ist das e i n ganz gewaltig er Irrtum. Wir müssen verlangen, daß wir an unseren Grenzen an.dersalsbishergeschützt jtnd. Wir können eS uns nicht zum zweitenmal leisten, daß wir in der Weise überfallen werden, wie eS geschehen ist. Die SchadloShal- t u n g. die unsere Gegner begehren, müssen w i r oerlangen(Leb- hafter Beifall.) Wir müssen fördern, daß unser Volksleben wieder so he gestellt werden kann, wie es vor dem' Uebcrfall gewesen»st, sonst stünden wir angesichts der angerichteten Verwüstung vor Ver- hältnissen. die unsere ganze Zukunft in Frage stellen. Darum werden auch wir Garantien verlangen, wie sie jetzt unsere Gegner fordern, und zwar nicht l'lvß für die Gegenwart, sondern auch für die Zukunft.(Beifall.) Wir wollen ein Volk bleiben, daS in der Welt feine Bedeutung hat. Was für
Unterlagen notwendig sind, wird sich entschei- den, wenn wir gesiegt haben.(Beifall.) Was uns im laufenden Jahre noch an Schwerem bevorsteht, weitz Gott   allein, wir aber wollen alle unsere Pflicht tun.(Lebhafter Beifall.) Abg. Herold(Z.) fordert Unterstützung für das Handwerk, den Kleinhandel, über- Haupt für den Mittelstand. Die Landwirtschaft hat Großes in diesem Kriege geleistet.(Beifall rechts.) Ein gerechter Ausgleich zwischen den Interessen der Ver- braucher und Erzeuger muß gesucht und gefunden werden. Wir haben iui Bewußtsein unserer Stärke die Friedenshand aus- gestreckt. Nach der Ablehnung durch unsere Gegner heißt es, alle Mittel zu Lande und in der Luft, auf und unter dem Wasser auszunutzen. Unsere U-Boote können noch viel mehr leisten.(Zustimmung rechts und in der Witte.) Wann dies geschehen soll, überlassen wir der Einsicht unserer Heeres­leitung. Wir halten durch bis zum siegreichen Ende.(Beifall.) Abg. V. Kardorff(frk.) fordert die Regierung auf, mit allen Mitteln dafür zu sorgen, daß unsere Gefangenen menschenwürdig behandelt werden. Zur polnischen Frage sagt er: Die Erklärung des Führers der polnischen Fraktion bat allgemein enttäuscht. Das wich- tigste ist hier eine Verständigung mit der katho- l i s ch e n Kirche über den Religionsunterricht. Der polnische Klerus hat sich während des Krieges durchaus ruhig und loval ver- halten. Wir müssen versuchen, ihn dauernd von der großpolnischen Bewegung loszulösen. Das liegt auch im Interesse des konfessio  - nellen Friedens. Ihn brauchen wir, um angesichts der ungeheuren Schwierigkeiten nach dem.Kriege innere Reibungsflächen nach Möglichkelt zu beseitigen. Wir haben volles Verständnis >sür die Entrüstung der Katholiken über die unwür- dige Lage des Papstes. Aus konfessionellen Gründen soll niemand zurückgesetzt werden. Auch wir find bereit, an der Reform des preußischen Wahlrechts mitzuarbeiten, wenn die Regierung uns eine solche Vorlage bringt. (Zuruf link: Wennl) Wir müssen versuchen, einen Ausgleuh und eine Verständigung zwischen den Parteien zu erzielen, die . auf dem Boden des abgestuften Wahlrechts stehen. Wird eine Por- läge gemacht, dann darf die Wahlreform jedenfalls nicht wieder lunter den Tisch fallen. Die Stellung des Herren- Hauses muß gewahrt bleiben. Die Lösung der Ernährungs- frage haben wir grundsätzlich beim falschen Ende angefaßt. Will man die Produknon heben, mutz man hohe Preise zahle». Freilich gibt es da eine Grenze. Das Wort Batockis, der Preis für eine Gans müsse erst auf 300 M. steigen, ehe eingegriffen würde, bedeutet geradezu eine Prämie auf die verbotene Berfüttc- rung von Brotgetreide.(Sehr richtig!) Nun zu den Kriegs- ziele». Wir müssen daS Vertrauen zur Obersten Heeresleitung haben, daß sie unbeirrbar und nicht aus Rücksichten auf Wünsche. die jenseits der Grenze des Erreichharen liegen, Kncgszicle aufstellt.(Sehr gut!) Und daß, wenn einmal der Frieden geschlossen wird, die Frage eines stärkeren Deutschland  von ihr sachverständig gelöst werden wird.(Bravo  !) Die Person. die heute an der Spitze der Obersten Heeresleitung steht, gibt unS dafür tue Garantie. Unser Friedensangebot war«ine große und sitlliche Tat, E S i st gut, daß es rm Reichstag nicht zu einer'Debatte darüber gekommen ist.(Sehr richtigl links und im Zentrum.) Wären dort weitergehende Kriegsziele aufgestellt worden, dann hätten, wir der Entente die Ablehnung unserer N ö t e s e h r leicht gemocht.(Erneute Zustimmung links und im"Zentrum.) So aber hat sich die Entente vor der ganzen Welt ins Unrecht gesetzt. Die Nationalliberalen liabcn sich in einem Schreiben an den Reichskanzler gegen die Ausschaltung des Reichstags in dieser Frage gewandt. Nach der Reichsverfassuna aber schließt allein der Kaiser den Frieden. Wenn der Reichskanzler gesagt hat. er würde den Reichstag hören. so hat er damit natürlich die Fühlungnahme mit den Partei- führern gemeint. Viel wird dabei wohl nicht herauskommen, denn der Reichstag   ist sich in diesen Fragen nicht einig. Scheide- mann ist nicht das deutsckie Bolk. aber Basser- mann und Graf Westarp sind eS auch nicht. Die Zu- sagen, die im Anfange Belgien   gemacht sind, sind durch das Verhalten der Belgier verwkrkt. DaS letzte Am e r i k a n e r f e st wird im Volke nicht verstanden.(Sehr richtig! bei den Freikonser- vativen.) Es kommt heute nicht auf Reden ap, foiidern auf Taten. Das Volk sehnt sich nach Frieden. Gebe Gott  , daß er bald kommt und ein deutscher Frieden sei. Möge dann der Geist der Verträglichkeit und Versöhnlichkeit, der Achtung der Heber- f ugungen auch der politischen Gegner über den Arbeiten dieses auseS walten.(Beifall.) Präsident Graf Schwerin-Löwitz: Es ist bemängelt worden, daß ich den Abg.». Pappen- heim wegen eines Zwischenrufs nicht zur Ordnung gerufen habe. Wenn der Abg. v. Hehdcbrand durch Unterbrechungen fort- während gestört wird, so muß unwillkürilch ein« Erregung ent- stehen. Dennoch rufe ich nachträglich den Abg. v. Pappen- heim zur Ordnung, ebenso aber den Abg. Hoff- mann, der den gleichen Zuruf getan hat. Ich möchte dem Abg. -Hoffmann und seinen engeren Freunden doch anheimgeben, zu erwägen, ob sie nicht dem ungeheuren Ernst der Stunde gebührend Rechnung tragen wollen, damit nicht im IluSland der falsche Ein­druck erweckt wird, daß in unserem Volke Uneinigkeit besteht. (Lebh. Bravo!)- Vizepräsident des Staatsministeriums v. Breitenbach: Die.Ablehnung unseres Friedensangebots durch die Entente hat auch, iu diesem Hanse nur das eine Gefühl ausgelöst: nun Kampf für unser geliebtes Vaterland bis zum äußersten.(Beifall.) Wir kämpfen Waffen gegen Waffen, aber wir käulpftn anch gegen die furchtbaren Welllügen der Feinde, gegen die Heucheleien, mit denen sie den Erdball um- spönnen haben.(Sehr wahr!) Bon dieser Kamvfesart unserer Feinde heben sich die Taten unserer Armeen und u n- I e r e r F l o t t e um so leuchtender ab. Wir beugen unser Haupt vor ihrem Heldentum und Opfermut.(Beifall.) Der Ernst und die Schwere des Krieges nötigt unS immer wieder zu der Ueber- legung: maS kann geschehen, um Deutschland   den Frieden zu bringen. Man hat nun die Verschärfung des U-Bootkrieges verlangt. Die Verantwortung hierfür liegt verfassungsrechtlich beim Reichskanzler, wo alle Fäden der hohen Politik zufammenf laufen. Im vaterländischen Interesse wäre es cm höchsten Maße erwünscht, wenn von der Bollsver'tretvng des führenden Bundes- staateS die Politik des Reiches nach Möglichkeit uirterftutzt würde. In unserer inneren Geschlossenheit liegt ein außerordentlicher Machtfaktor. Wer sich gedrungen fühlt, gegen die Politik des leitenden Staatsmannes Stellung zu nehmen und fein Ansehen nach außen zu erschüttern, der über- nimmt vor dem Volke und der Geschichte eine außerordentlich schwere Verantwortung.(Sehr richtigl links!) Es kann auffällig erscheinen, daß ein Volk mitten im furcht- barsten Kampf der Weltgeschichte sich Ziele steckt für die Z e i t» a ch dem Kriege. Ich sehe darin nicht ein Zeichen innerer Unruhe, sondern den Ausdruck des Vertrauens auf den erfolgreichen Aus- gang des Krieges, den Ausblick auf eine glückliche und hoffnullgs- volle Zukunft.(Bravo  !) Di o: u n g e h e u r e n E r« i g n i f s«
dieses Weltkrieg es werden an dem Ausbau und der Gestaltung unseres Staatswesens nicht spurlos vorübergehen können. Es wird sich immer nur u m d a S Maß handeln, über das sich Regierung und VolkSvertretnoig zu verständigen baben werden und um den Z c i t p u n k t, der sich der jeweiligen politischen Lage anpassen muh. Nicht etwa, daß unsere aesamien staatlichen Ein- richtungen einer grundstürzendep Aenderung bedürften. Der Aufbau unseres Staatswesens ist Jo fest und stark, hat das Blühen und Gedeihen des Landes so gefördert, daß man an grund- stürzende Aenderungcn nicht denken wird. Wenn Landtag und Re- gierung in diesem Sinne an die Reform der Gesetzgebung und Ver- waltung herantrete», wenn volle Gleichberechtigung ge- währt wird für alle geistigen Mitarbeiter an dem großen Friedens- werk, und wenn der reiche Quell der Volkskräfte heraussteigt und gefaßt wird, wo er sich zeigt, dann werden die furchtbaren Folgen der Weltkatastrophe gemildert werden. Heute aber leben wir nur der Gegenwart und müssen der Gegenwart leben. Wir verlangen vollste Anspannung aller physische» und mora- Iis che» Kräfte, äußerste Pflichterfüllung von jedem, um unseren Armeen zum endgültigen Siege zu verhelfen, auf den wir alle hoffen und den wir zuversichtlich erwarten.(Lebhafter Beifall.) Abg. Dr. Friedbcrg(naH): Der Abg. v. Kardorff hat unö hier eine Vorlesung über die Reichsverfasiuag gehalten.(Heiterkeit.) Wir halten es trotzdem für selbstverständlich, daß der Reichstag   in der wichtigen Frage dar Kriegsziele gehört wird. Interessanter als der neue Boranschlag ist die Rechnung für das Jahr ISlS. Damals hat der Finanzminister das Defizit auf 300 Millionen geschätzt, und darauf gründete sich seine Forderung von 100 Millionen neuer Steuern. Das Defizit war aber viel kleiner und auch nur ein rechnerisches. Da die Schätze w? erst abgegeben wurde, als das Etatsjahr sich bereits feinem Ende näherte, hätte sie nicht so sehr an der Wirklichkeit vorbeigreifen dürfen. Durch diese Art Finanzpolitik werden die im Lande vor- handenen Finanzqucllen vorzeitig abgegraben. Dem Minister v. Breitenbach kann der Vorwurf nicht erspart bleiben, daß er dem Ausbau der Wasserstraßen zu wenig Interesse entzogen- aebrackit hat. Hoffentlich geben die H e r r e n d e r R e ch i c n ihren Widerstand gegen diesen Ausbau angesichts der Verhältnisse, fvie sie sich jetzt entwickelt haben, in Zukunft auf. Welche vorbereitend cn Schritte-sind für die Neuorientierung" unternommen? Das alte Älassenwahlrccht hat vollständig abgc- wirtschaftet.(Sehr richtig! links.) Aus den Beratungen über die Berwaltungsreform ist nichts Erhebliches herausgekommen, während doch Reformen dringend nötig sind. Der Dissidentenfrage sollte der Unterrichtsminisicr mehr Interesse entgegenbringen. Die Kinder dürfen nicht zum Unterricht in einer Religion gezwungen werden, wenn die Erziehungsberechtigten das nicht wünsch»». (Bravo  ! bei den Nationalliberalen.) Finanzminister Dr. Lcntzc: Aus den Ausführungen des Vorredners klang der Borwurf, at» ob wir bei der Einbringung der vorjährigen Steuerquelle fahrlässig oder nicht ganz aufrichtig gehandelt hätten. Aber damals war der AuSgleichSfcuids ziemlich aufgezehrt, die Aussichten ganz unklar, daher mußten wir Vorsorge treffen. Die MiliiartranSporte haben schließlich zu einem erfreulichen Abschluß bei den Stgatseis en bahnen geführt.- Abg. Hachnicke Gp.): DaS Friedensangebot des Kaisers sowie der kaiserliche Aufruf noch der?lblehnung des Friedensangebots enffprachen der Lag« dir .Dinge und der Stimmung des Volkes. Auch hier im Parlament hat niemand die Zweckmäßigkeit dieser Maßregeln in Zweifel ge- zogen. Nur draußen ist das ganz vereinzelt geschehen. Deshalb sicteuen auch wir. daß wir es für richtig hielten, der Welt zu sagen, daß wir zu einem Frieden bereit sind, der Ehre, Dasein und EntwickelungSfähigkcit sichert. Wenn draußen die Frage nach der Schuld am Beginn des Krieges, die nach unserer felsenfesten Ueberzeuguna schon jetzt vor der Geschichte gelöst ist(Sehr gut! links) noch umstritten war, so ist jetzt doch offensichtlich, daß die Schuld an der Fortsetzung des Krieges a l l ei n den Feinden zuzuschreiben ist.(Lebhafte Zustimmung.) Auch die Wirkung auf die Völker der feindlichen Staaten kann nicht ausbleiben. ES wird die Stunde kommen, wo sie gegen ihre Regierenden die flammende Anklage schleudern, warum sie damals die Friedenshand zurückgestoßen haben.(Lebhaftes Sehr richtig!) Man hat getadelt, daß die Erörterung drS Friedensangebots im Reichstag verhindert wurde. Aber die Debatte ist damals nur vertagt worden, s i e w i r d st a t t f i n d e n. Damals galt es, Mißdeutungen im Ausland zu verhindern. So wurde ihnen jede Ausflucht für die Ablehnung genommen, die nun in ihrem ganzen nackten lln- reckt dasteht.(Sehr gut!) Die Ablehnungsnote ist gewiß unver- schämt, wie der Präsident meinte, sie ist aber auch das törich« teste und tollste diplomatische Akten st ück seit langer Zeit. Man bekannte sich darin zu Eroberungsplänen, deren Entbüllung bei uns den heiligen Zorn wecken und den festen Entschluß kräftigen mußte, sie zu verhindern zu Plänen, die unsere Bundesgcnosseii nur noch fester an unS schimedcn mutzten. Jetzt mutz jedes Opfer gebracht werden. Da hat. unö der Zlpprll des Herrn v. Hrydebrand an die ländlichen Kreise sehr sympathisch berührt und wir unterschreiben auch, was er den Städtern gesagt bat. UnserZiel kann nur sein eine Sühne, eine Wiedergutmachung der Verletzung des Völkercchts und eine-Bürgschaft gegen die Wiederkehr solch unge-- h eurer Geschehnisse.(Sehr gut! links.) Dazu ist er- forderlich eine bessere Sicherung unserer Grenzen und Freiheit zur Entfaltung unserer gesamten Volkskraft.(Bravo  !) Tie exrage der Anwendung der Tauchboote unterliegt der Ent­scheidung der militärischen und politischen Leitung, die dafür die Berontwortung habe». Eine B er schi eb u ng der V era nt- wortlich leiten wäre nach keiner Seite ratsam.(Sehr richtig! links.) Wir baben nun einmal kein purlmnentarisches System, wenn auch die Verbindung zwischen der Regierung und der Volks- Vertretung enger geworden ist. Eine einzelne Partei kann in dieser Frage unmöglich eine Berantwortnng übernehmen, noch weniger eine Volksversainmliing.(Sehr richtigl links.) Wir vertrauen darauf, daß die führenden Männer ihre Ent- Meidung in vollem Bewußtsein der Tragweite fällen werden.(Bravo  !) Werden dann bestimmte Entschlüsse ge- faßt, dann müssen Regierung und Vo't eins fein. Leidet ist nicht uberall die gleiche Zurückhsltuwz geübt worden. Die U-Bovtagita- tion hat sich vielfach zu einem persönlichen Kampf gegen de« Kanzler zugespitzt.(Sehr wahr! links.) Noch in den letzten Ziagen ist durch das ganze Reich ein Provinzblatt verschickt worden, das die aller- schwersten Angriffe gegen die Regierung enthält.(Hört! hört! links.  -) Wer bezahlt diese Agitation-? Wir sind mcht eingeschworen auf Personen.(Zuruf rechts: Na! Na!) Solange der leitende Staatsmann eine Politik treibt, die uns richtig erscheint, stehen wir zu ihm.(Zuruf rechts: Ist das Patriotismus?) Wir verbitten uns solche Zurufe, womit man die Lauterkeit unserer Anschauungen in Zweifel zieht.(Bravo  ! links.) Ein Verdienst des Reichskanzlers ist es. daß er in dieser Zeil mit de r A r b e i t e r sch a f t aller Richtungen Fühlung gesucht hat. Die Mühe hat sich wahrhaftig gelohnt.(Schr richtig! links.) Wie Wie dat