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Nr. 24.- 1917.

Unterhaltungsblatt des Vorwärts Dounerstag, 25. Januar.

Das Filmcafé."

Von Hans Brennert  . Sinter den großen Spiegelfenstern bestimmter großer Staffee­häuser der Innenstadt, wo vormittags oder am Abend Fremde und Beltstadtbürger friedlich sich beim Kaffee oder Pilsener einen, brodelt zu bestimmten Zeiten am Nachmittag und am Vorabend die Filmbörje.

Die Frühbörse, das ist die Börse von drei bis fünf: die Börse der Kinometerdichter, der Filmreporter, der Filmregisseure, und der Filmstars, die jede Kommerzienrätin und jeder Schufter junge fennt man tann ruhig fagen: die große Filmwelt.

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rationssälen und aus dem Naturtheater draußen auf Straße, Land­straße, Feld, Wiese, Dorf, Wald, Wasser kommen.

Sie haben ja nur den einen Menschen auf der Leinwand zu leben. Fiebrig erregt wird von der Aufnahme des Tages ge­prochen: von den Liebesabenteuern und der geschminkten Boudoir welt des geschminkten Gesellschaftsfilms, der immer der gefragtefte Filmartikel iſt.

Hier sizen wohlangekleidete Gentlemen mit Stabaliersgefte verschämte Warenhauseleganz und Konfektionsschick- Menschen Ladytypen, alte unterstandslose Komödianten, gefcheiterte Stava­liere, die hier einen Verdienst suchen, äugelnde Grisetten, die da leise flehen: Unsere tägliche Tasse Kaffee gib uns heute!" Denn alles fpäht nach der Tür, ob nicht der Hilfsregisseur eintritt, der für morgen sich einige Typen aussuchen will. Da geht die Drehtür ein langer, etwas grotester Herr stürmt herein. Das Glück in der Drehtür...1.

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Die feine Filmwelt der Statisten und Komparſen, der be sonders aufgezogenen Komparsen und der Herren Hilfsregiffeure brodelt später, wenn die Trupps aus den Ateliers oder von den Filmaufnahmen heimkehren und wieder wie alle Abend in das Filmcafé einfallen von fünf bis fieben. Die Frühbörse ist mehr eine Börse der Angekommenen, der Sofort stürzten fich von allen Tischen 50 bis 80 Menschen auf großen Berdiener, der schönen Filmfrauen und Filmweibchen und den mutigen Herrn, der hier Geschäfte machen will. Dicht gefchart, ihrer Manager, Regisseure und Direktoren, die tischweife in be- Stopf bei Kopf, umstehen sie das Mufifpodium. Er flüchtet alles stimmten Gruppen figen, zwischen denen sich hundert Fäden hin- ftürzt wie eine Meute hinterher: bis er furz, scharf, mit schneidiger und herspinnent. Stimme, fuchtelnd, gewählt hat, was er suchte. Hier in diesem Café der Vielzuvielen ist ein neuer Weltstadttyp zu finden: das Filmlind das Kinokind. Die Modelle für die kleinen Helden und Heldinnen der Kino­ftüde, in denen der Kinogast so gern auch Kinderszenen sieht herzige Kinderszenen...

Der große Kinometerdichter, der es die Woche nicht unter vier bis fünf Kilometern Detektivfilm macht, dreht am Fenstertische Zigaretten, erzählt von seiner Jagd und seinen Hunden, gießt hinter den roten Flatterschlips unendliche Mengen Stognat, Staffee, Waffer und verfauft zwischendurch den übernächsten Film, den er demnächst fchreiben wird, auf den bloßen Titel: Die grüne Lampe  " oder Das Phantom der Katakomben".

Serien

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dünne, nadte Beine aus furzen Rödden in niederen Halbwaden Hochaufgeschoffene, balbwüfige, viertelreife Kinogirls, die lange, Strümpfchen heraussteden, mit messingfarbenen Barrisonloden und breitfrämpigen Gainsboroughhüten und grisettenhaften Gebärden und unkindlichen Stimmen figen zwischen erwachsenen Filmdamen und den Freunden dieser Damen und löffeln Eis, verhandeln felb­ständig mit dem Kellner, während von den Großen halbe Worte und ganze Blide gewechselt werden, die sich nicht gerade um die Kinder am Tisch und löffeln Eis. Mit glänzenden Augen sehen sie morgige Aufnahme zu drehen scheinen.. Mitten in der tilben Hölle dieses Kinomodelmarktes figen die der großen Schwester nach, die, wie sie zu ihrer Freundin jagt, in einem benachbarten Konzertlotal nur einmal nachfieht", was" beute

Diese Eisengußkunst ist in ihrer Entstehung aufs engste mit dem eijernen Zeitalter der Befreiungsfriege verbunden. Während Mittel­alter, Renaissance und Barod den Eisenguß noch nicht zu Kunstwerken verwandten, wurden gegen Ende des 18. Jahrhunderts die ersten Ver­fuche auf diesem Gebiete vorgenommen. Aber die sich hierbei ergebenden großen technischen Schwierigkeiten fonnten nur allmählich überwunden werden, bis dann schließlich um 1800 die große Eisengußmode in Deutschland   einfegte, die eine Zeitlang selbst die Verwendung von Bronze und Edelmetallen in den Hintergrund drängte. So wurde denn 1804 die weltberühmte Berliner   Gießerei eröffnet, deren Pro­bulte noch heute hervorragenden Sammelwert haben. Besondere Verdienste uit die Volkstümlichkeit des. Eisengusses und seine Ver­wendung für die Friedhofskunst erwarb sich Schinkel, der hierbei auch Den Vorteil der Wetterbeständigkeit des Cifens betonte. Sein 1819 Nationaldenkmal errichtetes auf dem Kreuzberg   und seine gußeifernen Kriegerbenfmale wirkten vorbildlich. Ein Muster für das Berliner   bürgerliche Grabmal hat Schinkel in dem Entwurf zu dem Grabmal für Friedrich Hermstädt gefchaffen: eine der von ihm so geliebten antifen Stelen mit figurierter Balmettentrönung.

Der Grabmaltyp, der mittelalterliche Architektur und antife Blaftit verband, erhielt fich bis zu jener Zeit, die mit der Regierung Friedrich Wilhelms IV. abschließt. Die Formen jener Epoche sieht man noch an dem Grabmal der Familie Teicher auf dem alten Garnisonfriedhof. Ein seltener Grabmaltypus zeigte den nur mit dem Porträtmedaillon des Berstorbenen geschmückten drei­ſeitigen Obelisken, wie das Grabmal Fichtes auf dem alten Doretheenstädtischen Friedhof in der Chauffeestraße. Die Grabstelle beispiel ist das Denkmal des Schauspielers Ludwig Devrient   aus dem wurde in den verschiedensten Formen ausgebildet. Ein schönes Muster­alten Friedhof der franzöfifchen Gemeinde in der Chausseestraße, das ein fubiich ausgebildetes Altarpostament auf quadratischem Grundriß, zeigt. Später wurde die strenge rechtedige Poftamentform durch fannelierte Nundiäulen oder auch Zylinder eriezt. Schließlich triumphierte die guß­eiserne Stunft in den wegen seiner Wohlfeilheit verbreitetsten Grab­maltyp, dem ganz einfachen lateinischen Kreuz, das aber auch in den verschiedensten Formen vorhanden ist.

Ein Tunnelprojekt für den Bosporus. Der ungemeine Aufschwung, den der ganze mitteleuropäische

Die große Diva schwebt herein fie geht nur einmal durch das Café, ohne sich zu fegen, grüßt, nidt, lächelt, firedt ein paarmal die Fingerspigen hin fie wollte nur einmal fehen, ob nicht irgend­wie, irgendwoher ein neuer Stern im Aufglühen begriffen ist, der sie demnächst überstrahlen könnte. Der schöne Mann mit glattrafiertem Geficht und bezauberndem und wartet auf neue Aufträge. Er hat eben einen Film geipielt Scheitel, fabelhaft angezogen, fist Wirkung vor dem großen Spiegel und die Rellamen bezeichnen ihn als den größten Gentlemanspieler der gesamten internationalen Filmbranche: als den König der Alle diese Männer und Frauen find nur darauf gerichtet: gut los ist..." Und die Kinder und all diese Menschen, von denen viele Sandelsverkehr nach dem Orient durch den Ausbau der Bagdadbahn  auszusehen oder so schön zu sein, toie fich die fleine Näherin oder kaum den Kaffee zahlen tönnen, träumen mit Fieberaugen von der schon genommen hat und noch weit mehr in Zukunft nehmen wird, das Fräulein vom Bayerischen Viertel einen jungen Mann vorstellen, Zugustelt, in der sie sich täglich vor der Kamera des Operateurs läßt die bisherige direkte Eisenbahnverbindung nach Konstantinopel  der aussieht wie ein Graf, ein Kavalier, ein Millionärsfohn oder bewegen, von der Welt, wo man immer Auto fährt, wo Zigeuner als unzulänglich erscheinen, da der Bosporus ein Umladen der wie eine Dollarprinzessin oder wenigstens wie ein schönes, aber siedeln und das Leben ein ewiger Twostep ist. Wo es um die Frachten und einen Aufenthalt für die Reisenden nötig macht. Der reiches Mädchen. Liebe zwischen wunderschönen Gents mit schrägen Schultern und in unserem Verkehr mit Schweden   schon fest eingebürgerte Trajelt­verfehr wurde für den Bosporus daber schon lange in Nussicht ge­Ladies mit lodernden Asta- Nielsen- Augen geht und wo, wenn nommen. Die vorwärtsbrängende Technit hat aber die noch under­die Leidenschaft am totesten Lodert, Kinderhände, Kinderaugen, wirklichte 3bee durch fühnere Bläne überholt, die vielleicht von dem Kindesflehen die Taumelnden zur Reinheit zurückführen. Irgendwo mur am Nebentisch fist wohlgekleidet in fleinem biel erörterten und jetzt scheinbar gescheiterten Tunnelbau unter der Ulster ein stiller, fleiner, blonder Buriche mit blaffem, hübschem Straße von Calais inspiriert sein mögen. Der Bosporus   soll näm Knabengesicht. Er fist ganz ftia und rührt die Süßigkeit nicht an, lich auch untertunnelt werden; Europa   und Asien  , die durch Hellespont   und Schwarzes Meer   tiefflaffend auseinandergefeilt find, die man ihm vorgefest. follen einen trodenen Berbindungsweg erhalten, der eine seit histo­rischen Zeiten bestehende Schranke aufhebt. Wie der Prometheus" mitteilen fanm, wurden der Mitteleurop. Drient Handels- Union" bereits Pläne zu einem solchen Werk vorgelegt, die schon fach­männische Sichtung genofien haben. Jedenfalls muß uns heute dieser Ausweg glücklicher erscheinen als jener andere, scheinbar näher­liegende einer Ueberbrückung, der zumindest noch 660 Meter breiten Meerenge, die zudem an dieser Stelle die stattliche Tiefe von 19 Meter aufweist. W

Um fünf Uhr beginnt an anderer Stelle die Statiſtenbörse Badfische von fünfzehn bis neunundzwanzig Jahren, jugendliche Liebbaberfiguren, mondän hergerichtete Spielerinnen. Dazwischen Asphaltgrifetten.

Das ist das leble diefer Börse, daß sich vorläufig hier noch Filmwelt und Halbwelt zu berühren scheinen.

Der lange Gang, der von der Drehtür an der Straße bis in den größeren hinteren Raum führt, ist voll von erregten Menschen, die hin- und her fluten, am Musikpodium vorbei bis zu einem Schreibtische, hinter dem Abschlüsse und allerlei Registrierwerk ge­tätigt werden Stimmen, Gläserklirren, Tellerklappern, Zigarettendampf, Kommen und Gehen von Filmmenfchen, zum Teil in ungewöhnlicher Toilette, offenbar gerabewegs von der Aufnahme fommend im Frack oder Soireetoilette, in Sportdreß, Havelock, Cowboydreß oder im Schiffersonntagsstaat, mit Zylinder, schwarzer, weiter, langer Sammethose und filberknopfbefenter Jacke und alle find bemüht, fich die Linie und die Maske zu geben, die ettva das Engegement begünstigen könnten.

Hier geht es wilder her.

Die Luft der gespiegelten Säle ist voll von alledem, was bon den Affichen des Vorstadtlinos herab in schreienden Titeln auf die verwöhnten Nerven des Stientöpplers zu wirken sich bemüht. Die Herren aus dem Leben einer welt, wie sie das Sensationstino siebt und die von den Besuchern diefer Börse tagsüber gestellt werden, zittern noch nach in diesen Filmmenschen, wenn sie aus den Ope­*) Jn die Geheimnisse der Filmwelt führt ein luftiges und auch mit einem Schuß Satire durchsetztes Buch: Die zappeln de Beinwand"( Berlag Dr. Eysler u. Co., Berlin  .) Der Heraus­geber Mar Mack hat es verstanden, von Hans Brennert  , E. A. Du­pont, Rud. Kurz und Artur Landsberger   iigige, ironische, auf jeden Fall unterhaltliche Beiträge zusammenzubringen. Bildniffe von Kinogrößen, Abbildungen, die zeigen, wie Trids gemacht werden und allerlei amüsante Streubildchen beleben den Text. Das Film café" ist aus dem Buch.

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Es ist sehr möglich.

Bon Heinric 8fjolle. ( Schluß.)

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Er ist nicht hier wo man ihn hingesetzt. Er ist draußen irgendwo auf der Straße, wo die anderen Jungen spielen, murmeln für den Operateur mit feiner Kamera. oder mit Maifäfern handeln draußen in der Sonne, aber nicht

Denn was er bestimmt nicht begreift, ist, daß er immer wieder gefilmt wird, und daß gerade er sich auf dem Film nicht sehen darf, der nur für Erwachsene erlaubt ist.

wen?

Er muß ja Geld verdienen, haben sie ihm gesagt. Geld! Für

Kleines Feuilleton.

Eiferne Kunft auf Altberliner Friedhöfen.

Notizen.

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Borträge. Ueber Shakespeares Dthello" ein Sexual problem" spricht Dr. Erich Wulffen im Bund für Mutterschus am 27. Januar, abends 8 Uhr, im Architektenhause, Wilhelmi straße 91/92. Gäste willkommen.

Da die Eisengußkunft beute wieder nach einer langen Zeit des Ein neuer Sinfonifer. Von dem Dresdener Ton­Berfalls in weiteren Streifen gewürdigt wird, ist es nur billig, auf feger Baul Büttner wird demnächst eine G- dur- Sinfonie in den reichen Schch an Eisengußkunstwerken hinzuweisen, den die Alt- Dresdener Opernhaus zur Uraufführung gelangen. Diese sowie die berliner Friedhöfe bergen. Da diese lleberreste vergangener Epochen Sinfonien in F und Des erscheinen in Slavierauszug bei Leuder durch die ununterbrochene Großstadtentwicklung wahrscheinlich bald in Leipzig  . ganz geopfert werden follen, betont Wolfgang Schüß in einer Jeder fein eigener Schuhmacher. Die Leder­Besprechung der Berliner   eis ernen Friedhofskunst in der Zeit frife in Schweden   und die Schuhfnappheit, die sie im Gefolge hat, fchrift Kunst und Künstler"( Verlag Bruno Cassirer  ), daß man bat, nie gemeldet, bereits das Stockholmer   Lebensmittelamt gur diefe Werke von lokalistischem Interesse um so mehr schonen Gröffnung einer öffentlichen Reparaturwerkstatt für Schuhwaren follte, als nan aus ibnen sozufagen eine Geschichte unter Leitung von Fachleuten veranlaßt. Nun hat man sich in der Berliner   Blaftit in ihren Grundzügen zu erkennen vermag. Eine Gotenburg entschlossen, dem Beispiel der Hauptstadt zu folgen, oder Unterbringung dieser Grabmäler einzeln in verschiedenen Museume- vielmehr es noch zu übertreffen, indem man Sohlfurfe" einrichtet, räumen würde gerade den besagten Wert, der ihrer Gesamtheit zu in benen je 12 Perfonen gleichzeitig in der Wiederherstellung ihres tommt, zum Schaden gereichen. abgemußten Subzeugs unterwiefen werden.

einrückten und allenthalben die Napoleonischen Schöpfungen zerstört wurden, sagte jedermann: Stryt ist ein Prophet. Das ist immer das Schicksal der Weisern.

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Als man ihm einst über seine seltene Gabe ein Kompli ment machte, fonnte er sich des Lachens nicht enthalten. Man fann, sagte er unter Leuten, die schlechterdings blind sein Seine Ungnade unter der Regierung der Anmaßer( wie wollen, gang wohlfeil zur Würde eines Sehers und Weis­nun plöglich die verbannten Kaiser und Könige illegitimer fagers gelangen. Mit gesundem Menschenverstand und kaltem Ihr Herren, fuhr der Staatsrat fort, feid wohl alle im Herkunft hießen) gereichte ihm zur Gnade bei dem neuen Blut reicht man weit, wenn alle Welt in leidenschaftlicher Falle unseres Sultans von Aegypten  . Hätte man euch vor legitimen Landesfürften. Doch fehlte wenig, sein Sprich Heftigkeit widereinander rennt und sich über die Dinge, wie der Revolution gesagt, was ihr alle während derselben tun wort hätte ihn auch bei diesem wieder in übeln Ruf gebracht. sie sind, verblendet. würdet, ihr hättet es nicht geglaubt. Jezt habt ihr den Kopf Denn als der Fürst eines Tages den Staatsrat fühlen Könnten Sie uns nur Ihre Sehergabe mitteilen! sagte aus der Kufe gezogen und wollt nun nicht Wort haben, was ließ, man halte ihn für einen Achselträger, weil er bei allen einer seiner Bewunderer. ihr zur Zeit der Wunder dachtet, fühltet, lebtet. Sollten die Wechseln der Regierungen immer obenan geblieben wäre, ausgewanderten Bourbonen und Adeligen je wieder nach und daß er es folglich mit feiner treu gemeint haben möge, Butunit zu schauen, muß man rückwärts sehen, nicht vor­Es ist sehr möglich! gab er zur Antwort. Um in die Frankreich   zurückkommen, ich wette, sie halten die ganze Ge- antwortete der alte Mann ganz troceu nach seiner Gewohn- wärts. schichte feit 1789 für nicht geschehen, und stehen, wie der heit: Es ist sehr möglich; denn, setzte er schnell hingu, Brophetenspiegel. Rückwärts in die Vergangenheit, da hangt der Sultan von Aegypten, fröhlich vor der Stufe und betrachten indem er sich befann, ich war allezeit ein treuer Staatsdiener. bahin; ohnebem haben sie vom vielen Lesen der Bittschriften, Aber unsere Minister sehen nicht gern die Jammerjahre wie eine träumerische Selbsttäuschung. Das ist platter Widerspruch! rief der Souverän, wie Lobreden und diplomatischen Noten furzes, verdorbenes können Sie sich als einen treuen Staatsdiener proklamieren, wenn Sie heute einem rechtmäßigen, morgen einem unrecht­mäßigen Herrn den Hof machen?

Man lächelte. Nun, nun, sagten einige, der Herr Staatsrat mag in manchem recht haben, Aber sollte man im Ernst wohl denken, daß die armen Bourbonen je wieder zurückfommen? Das, gehört nun doch ins Reich der Un­möglichkeiten.

Hm, es ist sehr möglich! sagte Stryk. Und in der Tat erlebte er auch noch diesen Umschwung der Dinge, und wie alles wieder ins vorige Gleise der politischen Ordnung zurücktrat.

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Eben, weil ich mich immer beflis, fein Herrendiener, fondern ein Staatsdiener zu sein. Unter rechtmäßigen Herren oder übeldenfenden Herren ist es jedem redlichen Freund des Vaterlandes doppelte Pflicht, dem Staate zu helfen.

Was Staat? sagte der Souverän. Ich rede von der Regierung. Rönnen Sie die vom Staate getrennt denken? Rein, allergnädigster Herr; wohl aber die Person ge­trennt von der Regierung.

Der Umschwung tonnte für einen, Mann von Stryts Dentart nicht gefährlich sein, besonders da er bei dem Der Souverän warf einen finsteren Blick auf den Staats­Napoleonischen Monarchentum zuletzt abermals in Ungnade rat, und sagte: Das ist Revolutionssprache, die jest nicht gefallen war. Man erzählte sich: Napoleon   habe von seiner mehr gelten foll. Merken Sie sich das: Ich und der Staat politischen Sehergabe gehört. Sturz vor der Abreise des find ungefähr dasselbe. Sie sind nicht der Diener des Staats, Kaisers aus Frankreich   zum Feldzuge nach Rußland   ging sondern mein Diener für den Staat. einer seiner Generale zum Staatsrat und fragte ihn Der Staatsrat verbeugte sich schweigend. Nach einiger Zeit beiläufig, was er vont Ausgang des Feldzuges halte? ward er seines Alters wegen zwar vom Ante entlassen, aber - Der alte Geschäftsmann wunderte sich über die Frage, doch mit Beibehaltung seines Gehaltes. und wollte nicht antworten. Dem General kam dies fonder­

Gesicht.

Aber was sagen Sie von der jezigen Zeit?

Sie bleibt nicht, mit allem, was in ihr ist. Gegen diese Prophezeiung läßt sich nichts einwenden! sagte der Alte.

Also meinen Sie, die Unruhen und Aenderungen seien noch nicht zu Ende? Und doch ist der böse Geist unter die Ratten und Mäuse von St. Helena   verbannt. Woher sollte er wiederkommen? Oder glauben Sie, er oder seinesgleichen fönne wieder erscheinen und Sput treiben?

Der Staatsrat zuckte die Achseln: Es ist sehr möglich. Uebrigens hat der böse Geist nicht die südamerikanische, son­dern die französische   Revolution gemacht; er hat aber das, was die Revolutionen im menschlichen Geschlecht beschleunigt, mächtig befördert, weil er, seiner Dynastie wegen, dagegen fämpfte, nämlich gegen Wahrheit, Aufflärung, Freiheit, Recht, nicht nur bei den Franzosen  , sondern auch bei andern Bölkern. Das weckte auch die andern Völker. Nun will man aber wieder mit Waffengewalt, mit Inquisition  , Tortur, Nunziatoren, diplomatischen Pfiffen, Haarbeutelu, bar vor. Ich denke, wir feiern die Weihnachten in Peters. Auch in seiner Abgeschiedenheit von den öffentlichen Ge- Perücken, Spießrutenlaufen, Adelspatenten, Ordensbändern, burg  , sagte er; es scheint aber. Sie fürchten von der Unter- fchäften behielt er das einmal erworbene Ansehen und be- Staubbesen, ewigen Bündnissen, Zensurgefegen und dergleichen nehmung schlechtes Gelingen. Der Staatsrat zudte nach seiner fonders den Ruf eines politischen Sehers. Denn alle Staats- altlöblichen Dingen zum ewigen Frieden helfen. So geschah Gewohnheit die Achseln und verfegte: Es ist sehr möglich. veränderungen hatte er nach seiner Weise lange und mit auf es schon zur Seit Franklins und Washingtons, zur Zeit der Das brachte ihm Schaden. Er ist ein Narr! hieß es, und fallender Sicherheit vorausgesagt, so daß man sich gern mit Bastillen, zur Zeit der Davoufte und Palms. Dieselben Mittel fein Name verschwand ganz von selbst auf der Liste der einer Art Aberglaubens an ihn wendete, um seine Meinung und Ursachen werden dieselben Wirkungen haben. Darauf Staatsräte. Da aber die verbündeten Mächte in Frankreich   wegen der Zukunft zu erfahren. berlaßt euch.