Nr. 116.
Erscheint täglich außer Montags. Preis pränumerando: Vierteljährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 Mt., wöchentlich 28 Pfg. fret in's Haus. Einzelne Nummer 6 Pfg. Sonntags: Nummer mit illuftr. Sonntags- Beilage Neue Welt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 3,30Mt. pro Quartal. Unter Kreuz band : Deutschland u. Desterreich Ungarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3 Mt.pr.Monat. Eingetr. in der Post Zeitungs- Preisliste für 1894 unter Nr. 6919.
Vorwärts
11. Jahrg.
Insertions Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pfg., für Vereins- und Versammlungs- Anzeigen 20 Pfg. Inserate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochentagen bis 7 Uhr Abends, an Sonnund Festtagen bis 9 Uhr Vormittags geöffnet.
Ferusprecher: Amt 1, Nr. 1508. Telegramm- Adresse: Sozialdemokrat Berlin !
Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.
Mittwoch, den 23. Mai 1894.
Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.
Arbeiter! Parteigenossen! Trinkt kein boykottirtes Bier!
107
Ueber den evangelisch- sozialen thum so liebgewordene Sage auch von dem Frankfurter | Gesellschaft beinahe zur Klarheit entwickelt. Der bekannte
Kongres
I ich beseitigen werde. Es war erheiternd, diese dem Bürger- geschlossen. Dafür haben sich hier zwei Geister der frommen Referenten mit heiligem Ernste wieder vortragen zu Paul Göhre , aus seiner dreimonatlichen Fabrikarbeiterhören. Wenn doch die Herren eine schwache Ahnung davon schaft bekannt, und der Professor Max Weber , der sich wird uns geschrieben: hätten, wie fest überzeugt jedes unserer Gewerkschafts - durch seine Mitarbeit ant der Unternehmerenquete Zum fünften Male haben sich die Hüter des evans mitglieder von der unbedingten Nothwendigkeit einer des Vereins für Sozialpolitik" einen Namen gemacht hat. gelischen Glaubens vorige Woche in Frankfurt am Main politischen Bewegung ist und wie die eifrigsten Gewerk- Göhre, jezt Pastor in Frankfurt a. D., ist sich klar darüber, zu jener Veranstaltung versammelt, die sie evangelisch schafter gewöhnlich auch die eifrigsten Genossen sind. Der und spricht es offen aus: das Großgrundbesizerthum ist der sozialen Kongreß" tauften. Die Herren sind ja im Taufen evan gelisch- soziale Referent sprach von den Schwierigkeiten gegebene Gegner jeder Besserung der landwirthschaftlichen bewandert. Am vergangenen Sonnabend gingen die Ver- der Vereinsgesetzgebung in Deutschland . Glaubt er nicht, Arbeiterverhältnisse, und es muß daher, auch aus politischen handlungen mit allen ihren Nebenveranstaltungen, wie daß wir diese Echwierigkeiten noch etwas besser kennen, daß Gründen, ecrafirt( vernichtet) werden. Weber ist sich noch Studentenkongreß u. s. w., zu Ende. Stöcker, Naumann, fie jeden Gewerkschafter von der herrschenden Ordnung so klarer geworden: Freies Koalitionsrecht für die LandGöhre, Professor Wagner und Kulemann waren die gründlich klar gemacht worden, daß er die Eroberung der arbeiter, Anerkennung des Klassenkampfes auch auf diesem geistigen Helden des Kongresses. Einig haben sie vor fünf politischen Macht für sich und seine Klaffengenossen wünschen Gebiet, so sehr sich auch Stöcker und die kleinen Geister Jahren angefangen, theils aus ehrlichem Verständniß, mehr muß? Die Herren dürfen die Arbeiter nicht nach sich be des Kongresses aufbäumten wenn man nicht den Muth noch aus Angst vor der Sozialdemokratie, sich die Pflege urtheilen. Sie thun es aber thatsächlich. Weil es den Wenigsten hat, diesen beiden Dingen offen in's Auge zu schauen, einer speziellen Art bürgerlicher Sozialpolitik zur Aufgabe zu von den Evangelisch- Sozialen möglich ist, aus der wirthschaft so tappt man ewig im Dunkeln. Wir schenken Professor machen: diejenige, welche sich mit dem Amt eines lichen und sozialen Erkenntniß auch die praktischen Konsequenzen Weber für dieses muthige Geständniß gern seine Liebensevangelischen Pastors verträgt. An Warnungen und An- für ihr allgemeines Verhalten den herrschendenKlassen gegenüber würdigkeiten bezüglich der spießbürgerlichen" Leitung der griffen von links und rechts hat es ihnen seitdem nicht ge- zu ziehen, glauben sie, die Arbeiter blieben ebenfalls auf Sozialdemokratie er hat doch viel von uns gelernt, und fehlt. Von links wehrte sich das Unternehmerthum dagegen, halbem Wege stehen. Der Unterschied ist nur, daß die Ar- wenn er sich einmal ganz von allen Klassenvorurtheilen los daß auch noch die Pastoren den Sozialismus förderten". beiter nicht gefesselt sind durch Rücksichten und Vortheile, gesagt hat, wollen wir auch freundschaftlich mit ihm über Von rechts das feudale Agrarierthum, das eine moderne welche ein Geistlicher zu nehmen hat, daß sie infolge dessen die Führung unserer Partei reden. Dem evangelischArbeiterfrage nicht anerkennt, weil es noch auf dem Boden durchgreifen können und sich nicht scheuen durchzugreifen. sozialen Kongreß aber fuhr die Offenherzigkeit seiner steht, daß Arbeiter und Leibeigener dasselbe sei. Dazu So sind unsere Gewerkschaften thatsächlich nur Vorschulen beiden Berichterstatter über die Landarbeiter- Frage famen Reibungen zwischen den Evangelisch- Sozialen selber. für unsere Partei, und der evangelisch soziale Kongreß 10 die Glieder, daß er es ängstlich ablehnte,
-
-
"
Auf einem früheren Kongreß verglich Professor Wagner bestätigte dies, als ein harmloser Redner die Frage zu einen Beschluß zu dem ominösen Gegenstand สิน den derberen Pastor Naumann mit den" Jungen". Jetzt erörtern wagte, ob man nicht entweder mit unseren fassen- man will die gedruckten Enquete- Ergebnisse absind die Dinge schon so weit gediehen, daß sich deutlich Gewerkschaften oder mit den Hirsch- Duncker'schen in warten. Während dessen arbeiten wir eifrig auf dem zwei auseinander gehende Richtungen unterscheiden lassen. bestimmten Fragen zusammengehen könne. Mit den sozial- Lande weiter... Göhre, der junge Professor Max Weber und Kulemann demokratischen Gewerkschaften niemals! so lautete die So wird das Schifflein des evangelisch- sozialen Rons neigen zur radikalen sozialen Richtung, Wagner, Stöcker einstimmige Antwort, dann cher noch mit den Hirsch- gresses, von dem sich übrigens das Laienelement nach wie und Andere ziehen nach rechts und wollen das soziale Duncker'schen. Damit bescheinigte man uns nachträglich die vor fast ganz fern hält, hin und her geworfen zwischen der Programm immer nur als Aufputz des konservativen ge- innere Einheit unserer Bewegung und die Solidarität aller Sozialdemokratie und der bürgerlichen Unfähigkeit in brauchen. Naumann steht noch unentschieden in der Mitte. bürgerlichen Elemente der Sozialdemokratie gegenüber. Die sozialen Fragen. Ein Theil der geistlichen Passagiere So gestaltete sich das Bild auch auf dem neuesten Kongreß evangelischen Arbeitervereine mit ihren 75 000 Schäflein wird, wenn er es ehrlich meint, wie Wächter zu Frankfurt a. M. sind in der That der 60 000 Hirsch- Dunckerianer werth. bei uns landen müssen. Dem unentschiedenen Theil wird Aber selbst Arm in Arm trauen sie ihrer Kraft noch die bürgerliche Gesellschaft für das weitere Spielen mit nicht und rufen deshalb nach staatlich organisirten Ge- sozialen Dingen so kräftig auf die Finger klopfen, daß er werkschaften, nicht ahnend, daß auch in diesen wieder die reuig zu den Fleischtöpfen zurückkehrt und kräftig von der ttt Sozialdemokraten obenan stehen würden. Kanzel gegen die gottverdammte Sozialdemokratie donnert Die ländliche Arbeiterfrage war das andere Thema oder das heitle Thema nach Möglichkeit vermeidet. Dann des evangelisch- sozialen Kongresses, das uns angeht. Die hat auch der evangelisch- soziale Kongreß seine Schuldigkeit Pastorenenquete über die deutschen Landarbeiter- Berhält gethan als Angstprodukt, gezeugt von unserer mächtigen nisse, die man voriges Jahr unternahm, ist noch nicht ab- proletarischen Bewegung.
Zwei Fragen, die uns interessiven, standen da zur Verhandlung. Zuerst die Gewerkschaftsbewegung. Die Thätigkeit und der Umfang unserer zentralisirten Gewerkschaften machen den evangelischen Pastoren bange Furcht. Soweit sie ehrlich sind, müssen sie die Disziplin bei uns und den Eifer unsrer Genossen bewundern. Sie suchen sich aber einen Trost aus dieser Beobachtung: die alte Mähr davon, daß die Gewerkschaftsbewegung die politische Partei schwächen und schließ
Feuilleton.
Der Inde.
Deutsches Sittengemälde
aus der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts.
44
-
Er setzte einen ungeheueren Weinkrug an den begehrlichen Wasser!) tremulirte Dominikus dazwischen und griff nach Mund, schlürfte einen guten Schluck, und reichte das Trink- der Lampe:" Ihr habt jedoch den besten Augenblick ergefäß seinem Nebenmanne, nachdem er mit dem Aermel den wählt..." stammelte er fortfahrend:" Der Prior und die Rand abgewischt hatte. ,, Bibit ille, bibit illa!"( Er meisten Herren sind draußen in der Stadt und die Uebrigen trintt, und auch sie trinkt!) sang er weiter, jedoch sich selbsthm! fie sitzen oben am Spiel und Trunk, und unterbrechend durch Rede und Frage:" Trinkt herzhaft, haben mehr zu thun, als sich um den verdammten Rezer Ihr Männer,' s ist vom Guten! Bibit servus cum ancilla. zu bekümmern, dem Ihr eine unverdiente Ehre erweisen ( Es trinkt der Knecht mit sammt der Magd.) So! wollt."" Laßt uns aufbrechen!" mahnte Dagobert in so! jetzt sagt an... was steht zu Diensten?"„ Ei, ständig, schob dem Pförtner das gewaltige Schlüffelgebund Ein fettleibiger Klosterbruder stand vor den Ein- Dominik! habt Ihr denn bereits vergessen, was wir aus- in die fehltappende schwammige Faust, und ihn selbst vor tretenden mit Lampe und Schlüsselbund, und grüßte machten?" fragte einer von Dagobert's Begleitern entgegen, sich her zur Thüre." Et pro papa et pro rege!" fie, wie der bildlich dargestellte Fasching, mit wankenden während der junge Mann einen ziemlich vernehmlichen:( Und für den Vater und für den König!), intonirte Knien, Brühetriefendem Munde, und in Weineslust ver- Schafskopf!" laut werden ließ. Der trunkene Frater 30g der Mensch mit einer Löwenstimme, da sie in den Kreuzkehrten Aenglein. D weh!" flüsterte Dagobert den Be- dem Offenherzigen ein scheel Gesicht, vergaß aber auf der gang traten. Um des Himmelswillen, schweigt!" flüsterten gleitern zu, von denen indessen der zweite zuversichtlich auf Stelle die Beleidigung, und fiel wieder in sein voriges ihm die Nachschleichenden zu; er ließ sich jedoch nicht irre den Pförtner zutrat, und ihn also anredete:" Ihr erinnert Lied: Bibit abbas cum priore!( Es trinkt der Abt mit machen, schlürfte in seinem Elefantenschritte fort, und von Euch wohl noch meiner, Frater Dominikus! Da sind die dem Prior.) Hm! wenn mir recht ist... hm! hm! seinem: Bibunt omnes sine lege! hallte das Gewölbe Freunde, von denen ich Euch gestern sprach, und hier der bibit coquus cum factore( Es trinkt der Koch mit dem wieder. Alles blieb auf dieses, wahrscheinlich zu dieser Zeit Beutel, der der Eurige wird, sobald Ihr unsern Wunsch Verwalter)... Was wollt Ihr sagen... helft mir doch gar nicht ungewohnte Geplärre ruhig; nur im fernen Reerfüllt."-Der Pförtner lächelte freundlich aber ungewiß, wieder ein wenig auf die Spur, Ihr Herren!... et pro feftorium war ein wüstes Gejohle hörbar, ein Beweis, welchen schob den Hauptriegel vor die Thüre, und summte die erste rege( Und für den König). Bum Donner!" unter Geschäften der Konvent oblag, und eine gute Vorbedeutung für Zeile des damals berühmten und von den Gelehrten häufig brach ihn der warmblütige Dagobert:" Wir wünschen den die drei Fremdlinge, deren Vordermann sie eine lange Treppe, gesungenen Fastnachtsliedes:„ Edit Nonna, edit Clerus!" armen gefangenen Mann heimzusuchen, den Du zu hüten von mehreren Pforten verschlossen, hinunterführte, an deren ( Die Nonne ißt, es ißt der Klerus!) Wollt Ihr nicht hast, und ihm zur Fastnacht ein wohlgemeint Geschenk zu Ende seitwärts eine ganz niedere mit Eisen schwer beins Stüblein treten?" setzte er mit schwerer Zunge hinzu: bringen."-Go! so!" erwiderte der Pförtner, fich be- schlagene Thür öffnete, und die Besucher hindurchkriechen es ist warm darinnen, und wir können daselbst weiter dächtig im Kreise umschauend, und das Käpplein lüftend: hieß. ,, Bibunt primum et secundo"( Trinken Sie erstens und plaudern." Sind wir denn um des Plauderns willen Der Rezer verdient's gar nicht, daß wackere Leute ihn zweitens) summte er währenddessen, und rief dann in das hier her gekommen?" fragte Dagobert leise die Seinen: heimsuchen. Et pro rege et pro papa( Und für den König tiefgewölbte Kerkerloch hinein:" Steht auf von Eurem Was treibt denn der verwünschte Frater?" Die Begleiter und für den Papst).. Macht voran!" drängte Stroh! verruchter Abtrünniger donec nihil sit in fundo ermahnten ihn durch Zeichen zur Geduld. Ad elendum einer von den andern: Den Lohn habt Ihr empfangen.( bis nichts mehr im Keller ist) und Ihr, meine Herren, nemo serus!"( Zum Elend kommt niemand zu spät)-An der Thüre des Gewölbes tönnt Ihr unserer harren; faßt Euch kurz." Dagobert schauderte, da er beim hein brummte der Frater gleichmüthig fort, und machte seinen in einer halben Viertelstunde ist's abgethan, und Ihr habt der Lampe das entsetzliche Gefängniß gewahrte, in wel, m Gästen einen unbehilflichen und unsicheren Reverenz. das Geld verdient wir unser Gelübde gelöst. Baudert ein Unglücklicher mit langem Barte und in dürftiger Kleidung Wollt Ihr Euch nicht niederlassen, meine werthen Herren nicht. Es ist keine Gefahr dabei. Eure Vorgesetzten" einem rechtlosen Urtheil entgegen schmachtete. Vater und Freunde? Ein Tröpflein Weins schadet nicht." ,, Bibunt vinum sine aqua!"( Trinken Sie Wein ohne Johann! Vater Johann!" riefen des Jünglings Begleiter
-
"
"
-
-