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Mr. 72.- 1917.

Unterhaltungsblatt des Vorwärts it, 14. Mär

Bagdad .

felten

Nach den Höfen

schieden ist.

läßt

Mittwoch,

er­

el Gazel als die älteste berühmt ist. Die Dichamah el Merbichamiah Bege stehen." Judessen dauerte es noch nahezu anderthalb Jahr zeigt noch leberreste alten Arabastenwerts aus der Zeit der zehnte, ehe die erste Probefahrt des großen Zeppelinschen Luftschiffes abbajitischen Stalifen. Die Wohnhäuser von Bagdad sind aus Back bewies, daß auch der größte Gelehrte sich irren fann. Die Märchenstadt des Orients. ftein erbaut und haben nur ein Erdgeschoß mit darüber Die romantische Phantastif der Märchenwelt von Tausend und liegender Terrasse. Selten öffnet sich ein Fenster nach der Was die Zikade fingt. nur die Vergitterung erblidt man eine Nacht ummebt diese Stadt, in deren Geschichte sich der Auf- Straße durch leber die schönen Beobachtungen Thilo Krumbachs an Zifaden stieg und der Glanz der islamitischen Herrschaft widerspiegeln. Doch einen pähenden Männer- oder Frauenkopf. die einst weltberühmte Stadt- Harun al Raschids, des großen und Gärten sind die kleinen Fenster aber zum Deffnen ein- in Istrien berichten Naturwissenschaften". Im Sommer 1916 Hat Kalifen , zehrt seit Jahrhunderten von der Vergangenheit und der Gr- gerichtet; in den Häufern der Wohlhabenden sind diese oft rumbach eine Reihe von Zikaden des nördlichen Mittelmeerufers in innerung. Die Brachtbauten und die schimmernden Baläste der weiträumigen Höfe mit Springbrunnen geziert, und schattige Bäume ihren Lebensgewohnheiten, namentlich aber hinsichtlich ihres Ge­fanges beobachtet. Die Strophe bon Tibicina haematodes, abbasidischen Stolifen find längst verschwunden; nur Ruinen zeugen erheben ihre Kronen weit hinaus über die flachen Dachterrassen. einer die sommerlichen Buschwälder bewohnenden Zifade, heute noch von vergangenem Glanz und von einer Macht, die sich Denn so lebhaft auch das Treiben in den Straßen der Stadt ist, innert manchmal an Scherenschleifergeräusche, manchmal wieder dereinst von Bagdad aus über das weite Reich Mohammeds und irgendwelche intimeren Aeußerungen des türkischen Lebens tommen feiner Anhänger erfiredte. Nur einzelne Moscheen, mächtige Türme doch dem fremden Besucher nicht zu Gesicht. Dieses Leben ist, an das Lied der Heidelerche. Sie dauert immer 16 Sefunden, und drei alte Stadttore sind noch aus der Zeit erhalten, da Bagdad zumal bei der türkischen Bevölkerung, ganz auf die Häufer und um dann nach einigen Sekunden von neuem anzuheben. Während des die größte und prächtigste Stadt des ganzen Orients war, aus der Höfe beschränkt, und von der auf 200 000 Seelen geschäßten Be. Singens läuft das Tierchen kokett hin und her. Eine andere gitade. Zeit, in der Surun al Rashid Gesandte mit schimmernden Schäßen völkerung von Bagdad gehören mindestens 150 000 zu den Belennern einen Schrei aus, das zunächst wie ein Zaubfroichlied anmutet; ins Abendland an den Hof Karls des Großen schickte. Das Bagdad des Islam. An zweiter Stelle unter der Bewohnerschaft stehen die doch ist die Aehnlichkeit mit den Stimmäußerungen des Laub­von heute liegt auch keineswegs au der Stelle der alten Märchen- Juden, deren es 40 000 in Bagdad gibt; der Reft wird von Christen frosches nur oberflächlich. Bei ganz genauem Hinhören läßt sich stadt; der neuere und größere Teil liegt am öftlichen Ufer des gebildet, meist Armenier und Griechen. Tigris , während sich die Ruinen des alten Bagdad an der Weftseite Die Stadt Bagdad wurde im Jahre 754 gegründet. Harun at der einzelne Schrei" app " in vier Teile zerlegen, die nach der Art des Biertaktmotors mit dem Zon auf dem ersten Teile auss des Flusses finden, wo auch die Zitadelle liegt. Beide Teile sind Rashid erweiterte um das Jahr 800 die anfangs auf das westliche gestoßen werden. Von diesem vierteiligen Schrei macht das Tier burd eine 200 Meter lange Schiffbrüde mit einander verbunden. Tigrisufer beiäränkte Siedelung durch einen neuen Stadtteil am einen fast diabolischen Gebrauch: es wiederholt ihn beim warmen Die bentige Hauptstadt des gleichnamigen Bilajets Bagdad zeigt Dstufer des Stromes und legte die erste Schiffbrücke über den Tigris Sonnenschein in der Minute 200mal und übt ihn ohne Unter­das typische Gepräge aller mohammedanischen Siedelungen in Asien ; an. Im 10. und 11. Jahrhundert hatte Bagdad feinen größten ihre Straßen find eng und winfelig; in frummen Windungen ziehen Glanz und Reichtum erflommen. Es war zu jener Zeit unbestritten brechung Viertelstunden, halbe Stunden, ja ganze Stunden hindurch. In den nach Süden gewandten Abhängen der immergrünen sie sich zwischen den charakteristischen Häusern des Drients hin, die die bedeutendste Stadt des Erdkreises und feine Bevölkerung wurde Buschwälder und der Weingärten ertönt das frohe Gezwitscher der mit ihren fchmalen und engen, vielfach vergitterten Fenstern Ge- hit zwei Millionen Seelen angegeben. Aber wenn auch dieje Cicada plebeja, das wie ein Ammerliedchen Hlingt. Die Strophe heimnisse ahnen lassen, die hier nicht verborgen sind. In dem Ziffer sicherlich sehr übertrieben war, so beweist der linfang des dauert 11 Sekunden und beginnt sofort wieder von neuem. Sie ist langen und heißen Sommer dieser Breiten wirbeln, wenn der alten Stadtbildes noch unzweifelhaft die außerordentliche Größe auf einen einzigen Ton gestellt, innerhalb dessen sie herabfintt. trodene Wüstenwind mit seinem Gluthauch von Süden weht, ge- und Bedeutung der damaligen Kalifenstadt. Sie war der Siz Aber der Zon ist von einer merkwürdigen Fülle. Das Tierchen waltige Staubwolfen durch die ungepflasterten Gassen; lomint im hoher Bildung und Gelehrsamkeit, ungemein entwickelten Kunst verfügt übrigens noch über andere Töne: wird es ergriffen, so stößt Herbst bie Regenzeit, so verwandeln sich diese Straßen in echt gewerbes und eines den ganzen Orient beherrschenden Handels. es einen starten Schrei aus, der von dem Gesange durchaus ver­orientalische Salammivege. Derlei gehört zum Orient, und auch Die ausschmückende Phantasie mag dem Glanze der Kalifenstadt Bagdad macht in dieser Hinsicht keine Ausnahme von dieser Regel. Dimensionen und Einrichtungen angedichtet haben, die in Wirklich- Den Ziladengefang mit dem Dhr richtig zu erfassen, ist übrigens Cines freilich hat die alte Stalifenstadt vor allen anderen feit auch nicht annähernd vorhanden gewesen sein mögen. Trotzdem, schwer, und noch schwerer ist es, das Gehörte selbst wiederzugeben. mohammedanischen Gemeinivesen voraus: ihre berühmten Bazare. daran kann kein Zweifel herrschen, war Bagdad in jenten Zeiten ein Auch die Kotenschrift der menschlichen Musik reicht dazu nicht ans. Sie bilden die leste fichtbare Erinnerung an die große Vergangen Gemeinwesen, das an Glanz und Bedeutung wohl nur dem Rom Manche der Zikaden sind ziemlich schen und nicht ganz einfach zu beit der Stadt; alles, was der Orient an Softbarkeiten, an insider Kaiserzeit vergleichbar gewesen sein fami. Zwei furchtbare Ber­beobachten, andere dagegen durchaus nicht. So far man auf lerischen und phantastischen Erzeugnissen, an Dingen des Gewerbe- wüstungen durch die Mongolen, im Jahre 1258 und 1401, im Cicada plebeja zugehen, und wenn dies ohne Hast geschieht, fleißes bervorbringt, findet sich hier in schier erdrüdender Fülle. letzteren Jahre durch Timur , ließen Bagdads alten Glanz und Reich­cinem das Lierchen ruhig herantreten, und went Diefe Bazare find feine engen Wagazine, teine unseren abend. tum in Schutt und Aiche hinsinien, und von diesen beiden Schlägen man ihm den ausgesiredten Finger nähert, steigt Tändischen Läden ähnelnde Berkaufsstätten. Es sind mächtige, lange hat sich die Stadt nicht mehr völlig zu erbolen vermocht. Am und weite Gänge, die mit gewölbtem Mauerwerk gedeckt sind, und 25. Dezember 1638 eroberte Sultan Murad IV. Bagdad von den arglos darauf und musiziert weiter. In der Gefangenschaft kann durch die sich ununterbrochen der bunte und lärmende Verkehr des Berfern mit Sturm, und seither ist die Stadt im türkischen Besis eingefangene, waren immer früh schon der Erschöpfung nahe und man nach Krumbachs Erfahrungen die Ziladen nicht halten. Abends Orients wälzt. Da sieht man die loftbarsten persischen und geblieben. lebten auch in der Sonne nicht mehr auf. Das Lied der Bitadent indischen Teppiche; da liegen perfifche Schals aus, von einer Pracht berglimmt mit der sinkenden Sonne. Nachts ist es stummi. Erst ber Farben, wie man sie im Abendlande faum je zu sehen bekommt. der junge Morgen erweckt es zu neuem Leben. Dann geht's wie Da werden eigenartige indische Stoffe aus Seide und Baumwolle ein Schrei durchs Gehölz am Hange, und hunderttausende wetteifern feilgehalten; da blizen in edelsteingeschmüdten Scheiden kostbare miteinander an unermüdlichkeit, an Eifer und Kraft im Werben mit Damaszener Klingen, liegen phantastisch lange Reiterpistolen neben ihrem Lied, so lange die Sonne scheint. modernen Schußwaffen; da sieht man echten Mousielin aus Mosul , der Stadt, die diesem Gewebe seinen Namen gegeben hat; da wird das berühmte rote und gelbe Leder feilgehalten, das zu den ge­schäßtesten Erzeugnissen der Industrie von Bagdad gehört. Und in mitten dieser Schätze des Orients feblen nicht die Erzeugnisse der Industrie des Abendlandes. Bom gediegenen Fabrifat bis zum billigen Massenschund ist alles vertreten, was irgendwie in diesem Lande gebraucht wird und verkäuflich ist. Auch in den Karamaniercien, den Chanen, deren Bagbat etwa dreißig bat, wird ein schwunghafter Handel mit den verschiedenartigsten Produkten des Morgen- und Abendlandes ge­trieben. Hier ist der Markt für die Güter, die die großen Karatanen aus Perfien und Afghanistan , aus Indien und aus den Kaufajuständern nach diesem großen Handels und Stapelplatz bringen; von hier aus nehmen auch die Waren des Abendlandes mittels der Karawanen Emil Milan is an einer Zungenentzündung, die er sich ihren Weg in die entlegenen Gebiete Borderafiens. Groß ist in Und dann war die Erklärung, die der Gelehrte gegeben, durch als Folge feiner, auch in Kriegszeiten, Bortragsreifen zugezogen, Bagdad der Handel mit Landesprodukten. Datteln, Reis, Brots eine halbe Zustimmung um so vernichtender. Er hat bewiefen, im Krankenhause gestorben. Noch nicht 58 Jahre alt. Unfer einziger getreide, Schafwolle, Ziegenbaar, Galläpfel, Gummi und Bälle daß ein großes Luftschiff einfach ein Ding der Unmöglich großer Vortragsfünstler ist mit ihm dabin. Milan bewies durch die geben in großen Mengen nach dem Abendlande; prächtige Früchte feit jei, aber zugegeben, daß ein fleines wohl denkbar sei. lebendige Tat, daß der Vortrag von Gedichten und Erzählungen aller Art fauft man in den Bazaren und Karawanjereien Ein großes Luftschiff babe, so hatte Helmholtz ausgeführt, eine feine eigenen Geseze hat, daß es nicht genügt, Schauspieler zu ſeint und überall, bei den fliegenden Händlern, die die Stadt weite Oberfläche, und wenn man es mit Maschinen vorwärts zu und über die bühnenmäßige Stimmfähigkeit zu verfügen. Er Lam durchziehen und in monotonem Singsang ihre Waren anpreisen. bewegen suche, so reibe sich die vorbeistreichende Luft an diefer auch irgendwie vom Theater, er hatte auch einige Dramen gefchrieben. Denn alles gedeiht unter diesem gefegneten Himmelsstrich, obwohl Oberfläche, und diese Reibung müsse, je größer das Schiff sei, um Aber dann hatte er feinen wahren Beruf erkannt und sich mit ganzer die einstige Frugtbarkeit des Zweiftromlandes seit Jahrhunderten so stärker werden und schließlich die Entwidelung einer nennens Kraft darauf konzentriert: gute, gewichtige Literatur vorzu verfiegt ist. Jmmer weiter hat die Wüste ihre Fangarme auswerten Geichwindigkeit ausschließen. Was nugie es nun dem tragen. ОБ er aus der Bibel, aus Goethe , Kleist geftredt; ihre Sandwogen haben längst die fruchtbarsten Land- Grafen Zeppelin, daß sich sein fleines Modell bei allen Vor- oder Keller rezitierte immer frei er erfaßte das fizice Mesopotamiens verschüttet, und die künstliche Bewässerung ist führungen als tadellos erwies; das Gutachten, das Helmholz auf Kunstwesen in seinem Kern, schuf es neu und gab cs verfiegt. Aber dort, wohin das belebende Naß noch bringt, wachsen Wunsch des preußischen Kriegsministeriums abgegeben hatte, stand mit der schlichten Sachlichkeit eines ernsten Dieners am Wort. Datteln und Feigen und alle anderen Früchte des Drients in dauernd entgegen, denn, wenn auch Zeppelin sofort nach dem Seine Art ging manchem nicht ein, der durch die Unarten unserer ippiger Fülle. Die brennend heiße Sonne in diefem Lande bringt Tode von Helmholz eine neue Prüfung seiner Erfindung herbei Schauspielervortragenden im Geschmad verborben war: durch ihre fie zur Reife, und die schönsten Zitronen und Orangen, duftende zuführen wußte, die neuen Experten konnten sich doch nicht ent- tumultuarische Dramatisiererei, die jeden Stil zerreißt, und durch Granatapfel und füße Limonen, Aprifoien, blaue Pflaumen und schließer, sich mit dem Gutachten des großen Physikers in Widerspruch ihre Manieren, die sie an Stelle des Werkes ausbieten. Milan war Maulbeeren werden überall in Bagdad in Fülle feilgehalten. zu setzen. der Meister seines Faches, und so hatte man ihn denn auch als Lehrer der Vortragstunst an die Universität berufen, wo er zahl reiche Hörer die Kunst der Rede und die Beherrschung der Stimm­mittel lehrte.

Unter den Banwerken der Stadt find neben der halb ver fallenen Zitadelle und dem Konat des türkischen Generalgouverneurs einige Moideen bemerkenswert, von denen die Dichamah el Suth

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Der Polizeimeister.

Ein russischer Polizeiroman

von Gabrhela Zapolska.

Jm Restaurant brannte nur noch eine einzige Kerze, die den großen Saal matt erleuchtete.

Lagejem zog Juzia an den Falten ihres Tuches an sich. Rede schnell!" begann er, indem er sie fest anjah. " Heute war Besuch bei deinem Herrn?"

" Ja!"

Biel?"

Ziemlich viel, lauter Herren!"

" Ich weiß! Ich lenne auch die Namen. Es handelt sich barum, was fie gesprochen haben."

Juzia zögerte.

Sie haben Starten gespielt."

Lagejem stampfte auf.

,, Du lügst!" sagte er ,,, rede die Wahrheit!" Juzias Kinn begann zu zittern.

Bei Gott ... das Fräulein ließ mich nicht ins Zimmer. Sie trug alles selbst hinein... der Herr hatte ihr angesagt, niemand hineinzulassen."

Da haben wir's! Aber du hättest hineingehen müssen!" zischte er, und seine Augen blisten auf.

Ich bin auch hineingegangen!"

un?"

,, Sie sprachen Leise."

" Du hättest horchen follen!"

Er durchbohrte das Mädchen mit drohenden Blicken. ,, Na, Fräulein Juzia," begann er wieder, Sie wollen wohl durchaus ein Buch haben?"

Juzia wich erschrocken zurück.

Herr Polizeimeister," begann sie mit veränderter Stimme, sie haben nicht viel gesprochen. ich..." " Was denn?. was?"

...

Zeppelin und Helmholt.

-

Notizen.

Beim Tode Zeppelins ist die Erinnerung an all die schweren Kämpfe wieder wadh geworden, die er zu bestehen hatte, um mit seinen Ideen durchzubringen. Zeppelin hatte seine Erfindung längst vollbracht, fand aber nirgends materielle Unterstügung. Bergeblich ging er im eigentlichsten Sinne des Wortes betteln, und überall tard er abgewiefen, bom preußischen Kriegsministerium, von der Theaterchronik. In der Voltsbühne geht am Haute finance, überall, denn überall stüßte man sich auf ein ver- Freitag Anzengrubers Komödie Der G'wissenswurm in nichtendes Gutachten, das einer der bedeutendsten Gelehrten, Helm- Szene, Sudermanns Johannes" Tragödie, die Mittwoch holb, über die Zeppelinschen Pläne abgegeben hatte. Helmbols hatte als Neuheit in den Spielplan des Schiller- Theaters Charlottenburg auf­wiffenfchaftlich nachgewiesen, daß die deen Zeppelins allem Natur- genommen wird, ist seit 18 Jahren nicht mehr in Berlin gegeben worden. gefeß widersprechen, und Helmboly war ja nicht nur der größte Physiler Deutschlands , dessen Stimine also in dieser Frage ein un­bedingtes Gewicht haben mußte, er hatte sich auch ganz speziell und eingehend mit dem Problem der Luftschiffahrt befaßt und hatte eine Schrift Theoretische Betrachtungen über lenfbare Luftballons" ver­öffentlich. 3wat war Heimholt feit 1994 tot, aber fein Rame hatte eine zu große Bucht.

Zeppelin hat, als diese neuen Gutachten gegen ihn ausfielen, geäußert: Den lebenden Helmholz hätte ich vielleicht noch über­zeugen können, der tote wird meiner Anerkennung noch mehr im ,, Sie sprachen... von einem Protest.. oder wie das heißt... den wollten sie unterschreiben."

Haben Sie unterschrieben?" fragte er feuchend. " Ja! Alle der Reihe nach! Ich habe es durch die Portieren­spalte gesehen. Manche haben gesagt: Wir werden's ihm zeigen...!"

Was noch? Was noch?""

Die große Berliner Kunstausstellung fann nicht, wie beabsichtigt war, in den Ausstellungshallen am Zoo statt­finden, und wird nun wohl wieder in die Akademie der Künfte sich einzwängen müssen.

Der Vortrag des Prof. Schleich, der für Mitt woch in der Urania angelegt war, muß verfdoben werden.

Das Tuch war von Juzias Kopf geglitten. Die auf gelösten Zöpfe umrahmten ihr blasses Gesicht. In der rosa Battistjade, in die sie eilig geschlüpft war, sah sie nicht wie ein Dienstmädchen, sondern wie eine Warschauer Rokotte niederen Ranges aus. Sinaida betrachtete sie mit prüfen­dem Blick.

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,, Was haben Sie uns vorgeredet?" fagte sie nach einer " Sie sagten noch, daß sie sich mit dem Gouvernement... Beile. Das soll ein Dienstmädchen sein? Ei, Tagejet, Sie und sonst nichts." sind ja ein Don Juan ! Sie haben das Fräulein wahr. scheinlich unglücklich gemacht, und jetzt schlagen Sie sie noch Blöglich begannen Tränen über ihre Wangen zu fließen. obendrein. Das darf nicht sein!" " Ich sage kein Wort mehr!"

Sie verstummte erschöpft.

Was haben sie noch gesagt? Rede!"

" Ich weiß nicht!"

Sie näherte sich Juzia lächelnd.

,, Weinen Sie nicht, Fräulein, es ist schade um Ihre Augen. Er verdient Jhre Tränen nicht. Kommen Sie lieber

Sie sprach mit erhobener Stimme, in höchster Erregung. mit uns, Sie werden sich beruhigen." ,, Billst du das Buch?"

Sie schrie laut auf.

Lagejem stürzte auf sie zu und stopfte ihr den Mund zu. Schweig, du Biest!"

Er zitterte vor But bei dem Gedanken, daß bei Horsfi gegen ihn eine Verschwörung angezettelt wurde, und daß dort womöglich etwas vorging, das er nicht verhindern fonnte. Schweig!"

Er drückte seine Hand unbarmherzig auf Juzias Mund. Da öffnete sich die Tür des Séparés. Die halb betrunkenen Sängerinnen erschienen, von Juzias Schrei herbeigelockt.

Was machen Sie denn?" fragte Sinaida, weshalb quälen Sie dieses Mädchen?"

Tagejew bemühte sich, sein Gleichgewicht wieder zu ge­

winnen.

Ich das hat nichts zu sagen..." stammelte er. Aber Juzia eilte zu den Frauen, als suche sie bei ihnen Schutz.

" Ich bin unschuldig!" ftöhnte fic. Sinaida begann zu lachen:

Sie scheinen sehr galant gegen Frauen zu sein," begann fie ironisch, wenn es auch ein Dienstmädchen ist, immerhin Lagejem rückte immer näher an sie heran und starrte ist es ein Weib, und Sie schlagen fie mit der Faust ins auf ihre zuckenden Sippen, als wollte er ihr die Worte heraus- Geficht! Das ist nicht hübsch! Weinen Sie nicht, Fräulein, ziehen. er ist nicht böse!"

Bei diesen Worten stieß fie die Sür zunt Séparé auf und zog Juzia mit hinein. Tagejeto folgte ihnen mütend mit Sinaidas angeheiterter Schwester.

,, Nehmen Sie ein Glas Seft! Trinken Sie, Liebste!" bat Sinaida lachend. Auf sein Wohl!"

Aber Juzia schlug ihre großen, schwarzen Augen auf, in denen sich ein früher unbekannter Ausdruck immer deutlicher widerspiegelte. Es war ein Rest von jenem Edelmut, der in jeder Menschenseele wohnt.

,, Trink doch, Mädchen, das ist Seft! Du hast vielleicht noch nie welchen getrunken?... Stofte mal, das ist kein Gift!" Aber Juzia wies das ihr angebotene Glas mit einer entschiedenen Gesté ab. " Ich mag nicht!" sagte sie durch die zusammengepreßten Zähne. Seht mal an!" rief die Sängerin erstaunt. Tagejem hatte inzwischen seine Selbstbeherrschung wieder gewonnen. Scher dich fort!" schrie er und wies Juzia die Tür. Das Mädchen verließ das Séparé und trug in ihrem Innern Haß, Verachtung und eine tiefe hoffnungslose Ver­zweiflung davon. Zum erstenmal im Leben hatte Fräulein Juzia" der Champagnerbecher mit Widerwillen fortgestoßen. ( Forts. folgt.)