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Nr. 119.

Erscheint täglich außer Montags. Preis pränumerando: Biertel­jährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 Mt., wöchentlich 28 Pfg- fret in's Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags- Nummer mit illustr. Sonntags- Beilage Neue Welt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 3,30mt. pro Quartal. Unter Kreuz­ band  : Deutschland   u. Desterreich Ungarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3 Mt.pr.Monat. Eingetr. in der Post Zeitungs- Preisliste für 1894 unter Nr. 6919.

T

Vorwärts

11. Jahrg.

Insertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzetle oder deren Raum 40 Pfg., für Vereins: und Versammlungs- Anzeigen 20 Pfg. Inferate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Erpedition ist an Wochen­tagen bis 7 Uhr Abends, an Sonn­und Festtagen bis 9 Uhr Vor­mittags geöffnet. Fernsprecher: Amt 1, Nr. 1508. Telegramm- Adresse: nozialdemokrat Berlin  !

Berliner   Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Sonnabend, den 26. Mai 1894.

Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

Arbeiter! Parteigenossen! Trinkt kein boykottirtes Bier!

Die

Nicht- Interpellanten.

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auch nicht einen Schritt gethan, um den Prozeß vom 8. und ihren Vortheil, als Dortchen Lakenreißer, Falstaffs Freundin 9. Mai 1894 im Landtage zur Sprache zu bringen. Kindliche Ge- einst um ihre Keuschheit gegen den Fähndrich Pistol. Jedennoch müther ließen sich weismachen, die Deutschfreisinnigen würden unsere Polizei ist eine bürgerliche Einrichtung, wonach der durch eine Interpellation den Fall Brausewetter zur Er- liberale Spießer ebenso schmerzlich ruft, wie der hinter­Es muß recht schlecht um die Aussichten des Bierrings örterung stellen, die Regierung nöthigen Stellung zu nehmen, pommersche Krautjunker: sie ernsthaft beurtheilen bedeutete bestellt sein. Wie anders ist sonst die schwarzgallige Laune den Justizminister dazu drängen, sich über preußisch- deutsche die Sonde in die heutigen Zustände überhaupt einführen. der Freisinnigen Zeitung zu erklären? Das Drgan des Rechtsprechung zu äußern. Die Gelegenheit war günstig, Und beileibe nicht nach oben" anstoßen, nur ja Herrn Eugen Richter   bemüht sich, die Sache der Rösicke die Deffentlichkeit, die nach Herrn Brausewetter nicht auf den leisen Sohlen des Beschwichtigungs Hofraths und Genossen dem großen Publikum als die lauterste und existirt", ist auf das Tiefste durch die Vorgänge jenes Pro- einherfäuseln und Klassenvorrechte, Klassenverwaltung, löblichste hinzustellen und erschöpft sich in leidenschaftlichen zesses bewegt. Eine Partei, die vorgiebt, volksthümlich zu lassenjuftiz nicht antaften. So flüstert ein Aus­Angriffen auf die Sozialdemokratie. Nun muß sogar der fein, hatte hier die Pflicht, einzugreifen, die Mängel und erwählter dem andern in die deutschfreisinnigen internationale Bergarbeiter- Kongreß herhalten, damit man Schäden der Judikatur zu kennzeichnen und den verhängniß- Midasohren, daß Herr von Richthofen  , Hinterpommerns den Widersachern etwas am Beuge flicke. Der ganze Streit- vollen Zusammenhang zwischen Polizei und Rechtsprechung auserlesener Sproß, sehr gut angeschrieben sei bei Hofe, viel­handel zwischen den Brauereibesitzern und der Berliner   in ein helles Licht zu setzen. leicht so gut wie" Phili", der Troubadour unserer Diplo Arbeiterschaft sei, so spricht das leitende Blatt der frei Aber haben denn die Deutschfreisinuigen die durch matie, und daß gewisse Dinge ein Rührmichnichtan seien. finnigen Volkspartei der Tante Voß nach, künstlich hervor- glaubwürdige, durch konservative Zeugen bekundeten schmäh- Darum ließ die Heldenschaar der vereinigten Wadel­gerufen worden, um bie öffentliche Aufmerksam- lichen Ausschreitungen am Friedrichshain   einer parlamen- strümpfe und Wasserstiefler Tag um Tag verstreichen, ohne teit von dem Mißerfolge abzulenken, den wir tarischen Kritik unterzogen? Untersteht nicht das Berliner   das öde Einerlei der Kanaldebatten durch eine Interpellation auf dem Bergarbeiter Rongreß erlitten hätten. Wir Polizeipräsidium dem preußischen Minister des Innern, ist zu unterbrechen, die Hand an die offenen Schäden legt. Jezt tönnen uns solche Fehlschläge gefallen lassen. Sie nicht das Abgeordnetenhaus die natürliche Bühne für eine war der Augenblick da, die Mißstände der Polizeiverwaltung gleichen alle dem Fiasko, das wir, nicht etwa das edle Besprechung der Ereignisse vom 18. Januar 1894? Die und der Justiz rücksichtslos darzulegen und das System, woraus Brüderpaar Richter- Bachem, in den munteren Bufunfsstaats- weißen Bloufen, die, als falsche Arbeitslose, den die Uebel naturnothwendig entspringen, zu geißeln. Aber Verhandlungen davongetragen haben. Der Teutschfreifinn Gummischlauch unterm Kittel, Verwirrung und Unruhe" unser Liberalismus müßte nicht der Liberalismus, daß heißt würde seine wirthschaftspolitische Aufgabe, die Interessen unter die Versammelten bringen sollten, werden sie nicht eine auf diesem verrotteten System beruhende Gruppe, sein, des beweglichen Kapitals zu fördern und zu vertheidigen, aus dem Etat des Grafen von Gulenburg bezahlt? Ist wenn er nicht die Jufettentaktik des Sichtodtstellens gerade gar schlecht lösen, stünde er auch bei dieser ernsten Aus nicht die Berliner   Polizei den preußischen Steuerzahlern in jetzt unentwegt" durchführte. Hier ist Rhodus  , hier tanzt einandersegung zwischen Unternehmerschaft und Arbeitern die Fütterung gegeben? Sind nicht Berliner   Bürger mit Herr Richter nicht. nicht auf Seite der natürlich nur im Stande der Nothwehr Säbel und Todtschläger mißhandelt worden? Uns trifft nicht der Vorwurf, jemals einer Selbst­befindlichen Sudhausbarone." Der Landtag war damals so gut wie heute versammelt, täuschung über das Verhalten des Liberalismus verfallen Aber so anerkennenswerth es ist, daß Herr Eugen aber keine fortschrittliche Maus rührte sich, die tapferen zu sein. So überrascht uns auch nicht das jüngste Richter den Plusmachern mit volksparteilichem Muthe Boltsmänner" schwiegen als echte Klassenvertreter im Schildaer Stücklein des Deutschfreisinns, der nichts vers sekundirt, so giebt es doch auch noch andere zu verrichtende Benfusparlament. Hier aber hieß schweigen sich zum Mit- säumt, auch den Rest des Kredits, den er beim Volke geschäftspolitische Arbeiten. In der That, es genügt nicht, schuldigen machen. Sie überließen es der Sozialdemokratie genoß, frevelmüthig zu zerstören. die deutschfreisinnigen Philister, das bei Siechen, Pschorr des Reichstags, im Verlaufe des Nothstandsdebatte, den und Klausner kneipende Spießbürgerthum zu einem Wett- 18. Januar zu brandmarken. trinken der dem Boykott verfallenen Biere aufzufordern und die sturmerprobte Fahne" des Liberalismus voll und ganz" durch ein Meer von Schultheiß  -, Happoldt, Knoblauch- Bier voranzutragen.

Die Herren schweigen, dieselben, die beim Boykott am Lautesten schreien, sie schweigen und neigen sich gehorsam vor der Gewalt wie die Verschnittenen des Serails. Wer schweigt, stimmt zu, sie sind die Komplizen der Polizei, sie billigen durch ihr liberales Schweigen den Fall Brause­

petter.

Freilich, es waren ja nur Arbeitslose, die zusammen geritten und durch Eisen, Huf und Gummischlauch versehrt worden sind, und die feige Rücksicht ist ein Wiertzeichen des liberalen Bürgerthums. Hat nicht die Partei einen Artikel in ihrem Programm: So schließt sich Glied an Glied in der Kette, und die Aber da enthüllen sich ja eben die Schwierigkeiten " Wahrung der Rechte des Volkes," fißt nicht im Ruhe des Friedhofs herrscht beim Falle Brausewetter so ihrer Lage. Herr Brausewetter ist nur ein Typus, er preußischen Hause der Abgeordneten eine deutschfreisinnige gut wie bei dem schneidigen Aufritt der Schußleute am spiegelt recht grell allerdings und in auffälligen Farben Fraktion, ist nicht Herr Eugen Richter  , der Boltsmann", Friedrichshain  . Handelte es sich um eine Angelegenheit, bestimmte soziale und politische Zustände wider, er ist das Mitglied des Abgeordnetenhauses? wo dem Geldbeutel des Großbürgers Gefahr drohte, um Endergebniß einer Entwicklungsreihe, die folgerichtig so sich Am 1. Juni soll der Landtag geschlossen werden. Bis eine Einkommensteuer, um eine Vermögenssteuer, dann bilden mußte in der polizistisch- feudalen Atmosphäre der zu diesem Augenblicke aber hat die deutschfreisinnige Gruppe kämpfte die freisinnige Gruppe eifriger und spizer noch um fapitalistischen Gesellschaft Preußisch- Deutschlands.

Feuilleton. Der Jude.

Deutsches Sittengemälde

aus der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts.

Bon C. Spindler.

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werfen. Die von dem Kaiser und ihrem Gatten ihr An- die sanfte Herablassung und Bescheidenheit des Fräuleins vertraute nahm nun die erste Stelle in ihrem Hauswesen zu beloben, und machte schließlich dem Gatten fund, daß ein. Sie war das Ziel aller kleinen Sorgen und Rück- die Fremde ihn morgen auf ihrem Gemache erwarten werde sichten geworden. Bart und anspruchslos bot ihr Katharine um ihm einen Auftrag von hoher Wichtigkeit anzuvertrauen 47 ihre dienstfertige Freundschaft, und empfahl ihrer Güte das Flammen schlugen nun aus dem bisher bleichen Gesichte aus dem Schlummer erwachte Kind. Bilger sah dies alles des Herrn von der Rhön, und Katharinens Unbefangenheit mit an und freute sich der Milde seines gefürchteten Be- konnte nicht umbin, diesen schnellen Farbenwechsel zu be suchs; aber diese Freude war im Grunde nur die scheue Hoff- merken. Was ist Dir, guter Rudolf?" fragte sie be­nung anf einen besseren Ausgang. So unbefangen und sorgt, bist Du frank? Dein Antlig ist bald Gluth, bald Asche Des Wildmeisters Hausfrau empfing die Kommenden heiter auch seine Büge schienen, wenn der Wohlanstand ver- Du fieberst. Rede doch, reiße mich aus meiner Angst. auf der Schwelle des Schlosses mit gaftlicher Freundlich- langte, dem Gaste einige Worte der Theilnahme zu schenken, Der Wildmeister lächelte verlegen und versuchte es, teit. Wallrade erwiderte ihren Gruß auf dieselbe Weise, oder auf irgend eine gleichgiltige Frage desselben zu ant ihrer Besorgniß zu spotten. Gi, lieb Weib, wo dentst Du und wandelte an Katharinens Hand zu der Wohnstube, worten, so finster wurde sein Auge, so sturmbewegt sein bin?" erwiderte er, so gefaßt als möglich:" Mir ist wohl, woselbst ein einfaches Mahl bereitet war." Fürwahr," Herz, wenn er sein Kind in den Armen der Fremden sah; troß einem, und Du wirst mir's glauben, wenn ich Dir sprach das Fräulein mit zuvorkommender Sanftmuth, die wenn er vernahm, mit welchen Schmeicheltönen sie das jage, daß ich jetzt noch nach den Fallen sehen will, die ich den Herrn von der Rhön wohlthätig anregte: Ich weiß Mägdlein kirrte, mit welcher Bereitwilligkeit das Kind im Zwinger   stellte. Ich vernahm vorhin einen Laut, wie nicht, edle Frau, wie ich zu einer genügenden Entschuldigung ihre Liebkosungen erwiderte. Ihm war, als müffe er da- das Gebelle eines Fuchies. Gewiß hat der Feind unseres gelangen soll, daß ich mich so störend in Euer Hauswesen zwischen treten, sein Eigenthum an seine Brust drücken, um Hühnerstalles, dem ich so lange nachgestellt, die Schnauze dränge. Wahrscheinlich verdanke ich nur der auserlesensten es vor böjem Bauber zu retten; aber fraftlos fant der auf- oder eine Klaue in der Falle gelassen. Geh' indessen zu Fürsprache den biederen Willkommen, der mich in Eurem gerichtete Nacken, und die ausgestreckte Hand, sobald Wall Bette; ich fomme bald zurück." Katharine wollte ihn fleinen Familienkreise schon im Augenblick meines Eintritts radens Blicke auf ihn fielen, und seine Gattin in ihrer von diesem späten Rundgange abwendig machen, allein er heimisch macht. Bergebt daher der Ueberlästigen."- unschuldigen Fröhlichkeit betheuerte, ihre Tochter habe sich blieb unbeugsam bei seinem Vorhaben. Ihm ward leichter, Bilgers Chewirthin antwortete auf diese bescheidenen Worte außer den Eltern noch niemand so liebevoll genähert, als da er in der freien Luft stand, und der Nachtfrost tühlte aus der Fülle ihrs guten Herzens, und ein gutes Ber  - ihrer werthen Gastfreundin. Erst spät trennte man sich. wie ein weicher Balsam seine glühenden Bulse. Er löschte ständniß, wie es öfters zwischen Frauen sich befestigt, Katharine geleitete das Fräulein auf ihr Gemach, und ver- die Leuchte, die des Mondes Schein entbehrlich machte, wenn auch nur durch luftgewebte Bande- spann sich auch richtete den Zofendienst bei ihr, während der Wildmeister und wandelte dem Mauerschatten des schmalen

hier an.

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Die Fremde wußte durch alle kleine Künste, die im weiten Armseffel bei düsterer Lampe Schimmer, einsam 3wingers nachdenkend und überlegend dahin, bis ihn endlich sich unbemerkt in Gespräch und Thun   entfalten, das Ver- und unruhig sich bald hin und her warf, bald mit ver- im Dahinlaufen auch die Bewegung verließ, und er sich un­trauen der Hausfrau zu erringen, und sich über das Ge- schränkten Armen wehmüthig und kummervoll vor sich hin- willkürlich fest in die dunkle Ecke schmiegte, welche das vor­müth derselben ins Klare zu sehen. Katharine, dies einfach fab. Die kurze Viertelstunde, binnen welcher sein Weib springende Marienbild am Brunnen bildete. Während er herzlichgute Wesen, schlicht, wie das Kleid, das sie trug, abwesend war, dünkte ihm eine Ewigkeit, und mit einer nun sich in unbeweglicher Fühllosigkeit seinen trüben Ge­aber auch rein wie dieses, verhüllte nicht lange den Spiegel besonderen Aengstlichkeit, schlecht verhehlt, um desto auf- danken überließ, hörte er jenseits des Verhau's am Graben ihrer Seele, ohne daß sie daran gedacht hätte, einen Blick fallender jedoch, suchte er in den Augen der Zurückkehrenden einen leisen Werdaruf, und das Gesumme zweier Männer­unbescheidener Neugier in die Augen des Gastes aul zu lesen. Katharine konnte nicht Ausdrücke genug finden, um stimmen, das im Anfang unverständlich, dem aufmert­