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Nr. 92. 84. Jahre.

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Zentralorgan der fozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: SW. 68, Lindenstraße 3.

Ferniprecher: Am: Morisplas, Rr. 151 90-151 97.

Dienstag, den 3. April 1917.

Expedition: SW. 68, Lindenstraße 3. Fernsprecher: Amt Moritplas, Nr. 151 90-151 97.

Winistersturz im Gerichtsfaal.

Ein Skandalprozeß.

Wien , 2. April. Die Nachmittagsblätter melden: Bei der heutigen Verhandlung im Prozeß Kranz wurde der Justizminister Dr. Freiherr von Schenk als Zeuge vernommen. Freiherr von Schenk gab die Erklärung ab, daß er, bevor er als Zeuge feine Aussage mache, fich zu der Mitteilung veranlaßt sehe, daß er sein Amt in die Hände des Kaisers zurüdgelegt habe. Er habe das getan, um auch den Anschein zu vermeiden, daß er als oberster Leiter der Justizverwaltung den Gerichtshof beeinflussen fönnte. Die Erklärung des Justizministers rief größte Bewegung im Saale hervor.

Am Donnerstag hat vor dem Wiener Strafgericht ein Prozeß begonnen, der Desterreich in atemloser Spannung hält und ein politisches Ereignis ersten Ranges geworden ist. Der gewesene Präsident der Allgemeinen De­pojitenbank Dr. Kranz und der Leiter der Bahnabteilung derselben Bank Dr. Freund, sind in Gemeinschaft mit eini­gen anderen Angeklagten grandioser Wuchergeschäfte be­schuldigt. Nach der Anklageschrift wurden bei der Versor­gung des Heeres und der Munitionsfabriken mit Bier 562 000 Kronen verdient. Rum wurde mit 11,92 Kronen für den Liter gekauft, um zu einem Preise von 22 bis 26,80 Kronen verkauft zu werden. Gewinn 541 000 kronen bei einem Umsatz von 48 000 Litern. Marmelade wurde für 3,20 Kronen gekauft und für 3,75 bis 4,35 Kronen verkauft, wobei sich ein Gewin von 150 000 kronen ergab. Him- beersaft wurde für 3,20 Kronen gekauft und für 3,60 Kronen das Kilogramm verkauft. Der Gewinn bei diesem letzten Geschäfte war vergleichsmäßig gering, er betrug nur 3122 Kronen.

Dr. Kranz, Dr. Freund und ihre Helfershelfer find wucherischer Preistreiberei angeklagt. In dem Prozeß traten drei Tatsachen scharf hervor: Erstens: daß eine große Bank Warengeschäfte macht, die keinesfalls mehr in den Bereich das Bankgeschäftes im eigentlichen Sinne gehören. Zwei­tens: daß die altbekannten Wiener Privatbankiers Gebr. Reizes mit der ihr nahestehenden Allgemeinen Depofitenbank in nicht durchaus einwandfreien Geschäften stehen. Ein Ge­winn von 420 000 kronen, der aus den Wuchergeschäften stammte, ist auf das Syndikatskonto gebucht worden, d. h. auf das Konto, auf dem die Geschäfte stehen, an denen die Gebr. Neizes oder andere Banken mitbeteiligt sind. Die 420 000 kronen stammen aber aus einem Geschäfte, welches die Depositenbank für sich allein abgeschlossen hat. Durch diese Verbuchung wurde der Gesamtheit der Aktionäre zu­gunsten eines einzelnen Großaktionärs, nämlich der Gebr. Reizes, ein Teil des Bankgewinnes entzogen. Der verant­wortliche Direktor, Raiserlicher Rat Adolf Schönwald, wurde in der Gerichtsverhandlung wegen Betrugsversuchs verhaftet. Die dritte ins Auge springende Tatsache ist, daß die Beziehungen zwischen Dr. Kranz und dem früheren wirt­schaftlichen Hilfsarbeiter des Kriegsministers Rittmeister Lustig alles andere als geklärt sind. Lustig kannte das Biergeschäft des Kriegsministeriums mit Dr. Kranz, er war als Berater zugezogen worden. Lustigs Mutter betreibt nun in Saaz ein Hopfengeschäft und trat mit Dr. Kranz in ge­schäftliche Beziehungen. Zur Orientierung schrieb ihr der Sohn, der im Kriegsministerium an dem Biergeschäft Anteil hatte, in einem Briefe die charakteristischen Worte: Die Gefälligkeiten, die ich Dr. Kranz leisten mußte, werden Deine Position stärfen." Ritt­meister Rustig versuchte diesen Worten einen harmlosen In­halt zu geben. Aber niemand wird ihre Vieldeutigkeit an­zweifeln fönnen.

Aber alles das macht noch nicht die Sensation dieses Prozesses aus. Diese liegt vielmehr darin, daß zwei mit der Untersuchung dieses Geschäfts betraute Offiziere ihre Aussagen schriftlich firierten und daß dieses von ihnen unter­schriebene Protokoll von dem Kriegs-, dem Handels­und Justiz minister, wie Lustig aussagt, mit roter Tinte ohne Vorwissen des Gerichts, der An­geklagten und der aussagenden Offiziere abgeändert wurde.

Das Gericht beschloß am Sonnabend die Verneh­mung der Minister, die sich vom Kaiser der Pflicht der Amtsverschwiegenheit entbinden ließen. Unter größter Er­regung der Zuhörer ist am Montag der österreichische Justiz­minister Freiherr von Schenk als Beuge vernommen worden. Vor seiner Vernehmung gab er die Erklärung ab, daß er sein Amt in die Hände des Kaisers zurückgelegt habe, um auch den bloßen Anschein zu vermeiden, daß er als oberster Leiter der Justizverwaltung den Gerichtshof beeinflussen wolle. A u ch der Kriegsminister Generaloberst von Krobatin hat demissioniert. Ueber das Schicksal des Handels­ministers von Spizmüller ist zurzeit noch nichts be­fannt.

Mit überzeugender Wucht zeigt der Prozeß, daß ein flag­loses Funktionieren der Verwaltung und eine ausreichende

Ausschaltung schädlicher Einflüsse nur möglich ist, wenn die

Deffentlichkeit im Parlamente ein Sprag. Zur Zur Aufklärung nach Rußland.

obrihrer Wünsche und Beschwerden hat, wenn es eine Stelle gibt, an die die 8ensur nicht herankann. In dem Prozesse Kranz ist weit mehr als das wucherische Ge­baren einer österreichischen Bank enthüllt worden. Mit leuch tender Klarheit wird es allen, die sehen und hören wollen, offenbar, daß der schleunigste Zusammentritt des Reichsrats und seine freie Stritit Staatsnotwendigkeiten sind. www.

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Gefechte westlich von St. Quentin . Vereitelter französischer Angriff bei Ripont. Russischer Angriff im Uz- Tal abgeschlagen. Erfolg am Dojran- See. Amtlich. Großes Hauptquartier, den 2. April 1917.( W. Z. B.)

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Weftlicher Kriegsschauplak.

Zwischen Arras und Aisne haben sich gestern und ernent heute morgen Gefechte entsponnen, vornehmlich zwischen den von Bapaume auf Croisilles und auf Cambrai führen­den Straßen sowie auf beiden Somme - Ufern westlich von Saint Quentin .

Engländer wie Franzosen setzten starke Kräfte ein, die in­folge unserer Artilleriewirkung mehrfach zurückfluteten und nur unter erheblicher Einbuße, auch von 50 Gefangenen und einigen Maschinengewehren, unseren befehlsgemäß ausweichenden Truppen Boden abgewannen.

Auch zu beiden Seiten des Dise- Aisne- Kanals und auf ber Hochfläche von Bregny kamen französische Angriffe in der vollen Wirkung unserer mit dem Gelände bis ins Einzelne vertrauten Batterien nur verlustreich und wenig vorwärts.

In der Champagne hielt das Vernichtungsfener unserer Ar­tillerie gegen die Bereitstellungsgräben einen Angriff der Fran­zosen gegen die Höhen südlich von Ripont nieder.

Deftlicher Kriegsschauplatz.

Front des Generalfeldmarschalls Brins Leopold von Bayern . An der Düna wurde ein russischer Vorstoß durch Feuer bereitelt.

Westlich von Luck holten bei Swinjuchy unsere Sturmtrupps mehrere Gefangene aus den feindlichen Gräben. Front des Generaloberst Erzherzog Joseph .

An der Ludowa in den Waldkarpathen zerstörten unsere Er­kunder bei einer ihrer zahlreichen Streifen ein vom Feinde an­gelegtes Tretminenfeld durch Sprengung.

Gegen die Grenzhöhen zu beiden Seiten des Uz- Tales setzten die Russen nach starker Artilleriewirkung zu einem Angriff in 7 Kilometer Breite an. Ihre Sturmwellen brachen in unserem Fener, an einer Stelle im Nahkampfe, zusammen. Kleinere Vor­stöße seitlich des Hauptangriffs scheiterten gleichfalls. Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls von Madensen Nichts Neues.

Mazedonischen Front

In der Seen Ebene blieb ein feindlicher Erkundungsvorstoß ergebnislos.

Südwestlich des Dojran- Sees drang ein Sturmtrupp in die englische Stellung, machte einen Teil der Besagung nieder und fehrte mit mehreren Gefangenen zurück.

Der Erste Generalquartiermeister.

Ludendorff.

Abendbericht.

Amtlich. Berlin , 2. April. Abends. Außer den gemeldeten Gefechten im Somme - und Dise­Gebiet keine besonderen Ereignisse.

Der österreichische Bericht. Wien , 2. April 1917.( W. T. B.) Amtlich wird verlantbart: Deftlicher Kriegsschauplah Bei der Heeresfront des Generalobersten Erzherzog Joseph vielfach erhöhte Kampftätigkeit.

Jm Slanic- Tal wurde ein schwächerer, südlich des Uz- Tales ein starker russischer Vorstoß unter erheblichen Feindverlusten ab­geschlagen. In den Waldkarpathen arbeiteten unsere Auf­ttärungsabteilungen mit Erfolg.

In Ostgalizien und Wolhynien keine besonderen Ereignisse. Italienischer und südöstlicher Kriegsschauplatz. Unverändert.

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes von Hoefer, Feldmarschalleutnant.

Republik und Monarchie.

In allen Ländern hat der bürgerliche Imperialismus den Versuch gemacht, die proletarisch- revolutionären Bestre­bungen vor seinen Wagen zu spannen. Inwieweit dieser Ver­such geglückt oder mißlungen ist, soll hier nicht untersucht wer­den, Aber in allen Ländern hat sich für die Sozialdemokratie die gleiche schwierige Lage ergeben. Sie soll den Imperialis­Mus daheim bekämpfen, sie soll aber dabei auch nicht die Ver­bündete des Imperialismus auf der anderen Seite werden.

Wie die deutsche Sozialdemokratie dieses schwierige Pro­blem zu lösen versucht hat, ist bekannt. Daheim wird sie wegen ihrer Friedensarbeit von Eroberungspolitikern und Bis- ans- Ende- Kriegern als ihr gefährlichster Feind bekämpft. Draußen behauptet man von ihr aber, sie hätte sich dem bürgerlichen Imperialismus mit Haut und Haaren verkauft. Beschuldigungen, die in der Hiße eines Bruder­kampfes unbedacht erhoben wurden, dienen dazu, diese Be­hauptung zu stüßen, die Verständigung zwischen den sozial­demokratischen Parteien der verschiedenen Länder zu hinter­treiben, die Verwirrung zu steigern, die Friedensaussichten zu verschlechtern.

Jezt soll aber die russische Sozialdemokratie vor den Wagen des bürgerlichen Imperialismus gespannt werden, und als Baumzeug verwendet man dabei sehr geschickt die demokratische Ideologie. Den russischen Sozialisten wird gesagt, der Kampf der Entente sei ein Kampf um die Demo­kratie, und er dürfe nicht ruhen, solange nicht Deutschland Republik geworden sei.

Nach Behauptungen der französischen Presse soll auch Genosse Tscheidse erklärt haben, das russische Proletariat tönne erst nach der Absetzung der Hohenzollern mit Deutschland gehen.

Dazu sei folgendes bemerkt:

Zunächſt: Die Forderung nach der deutschen Republik fann nur von den Deutschen selbst, nicht aber von Russen, Franzosen, nicht von Untertanen" des Königs von Eng­land oder des Königs von Italien erhoben werden. Kein Volk hat das Recht, einem anderen seine Staatsform mit Ge­walt aufzudrängen, und kein Volf tut flug, wenn es einen solchen Versuch unternimmt, weil diese Staatsform eben da­durch, daß sie bloß aufgedrängt wird, auch entwertet wird. Jetzt soll das russische Volk durch allgemeine Abstim­mung darüber entscheiden, ob es monarchisch oder republi­kanisch regiert sein will. Wir deutschen Sozialdemokraten werden uns sehr freuen, wenn diese Entscheidung zugunsten der Republik ausfällt, aber den Gedanken, daß diese Ent­scheidung durch äußere Gewalt getroffen werden sollte, halten wir für absurd. Was für Rußland gilt, gilt auch für Deutsch­ land .

Weiter: Ueber die Wünsche des deutschen Volkes hin­sichtlich seiner Staatsform sind wir einigermaßen unterrichtet. Bei den letzten Reichstagswahlen im Januar 1912 wurden in geheimer Wahl 12 188 000 Stimmen abgegeben, davon waren 4 238 000 sozialdemokratisch. Daß alle Wähler, die sozial­demokratisch stimmten, überzeugte Republikaner waren, möchten wir keineswegs behaupten; daß die restlichen 7 949 000 Wähler es nicht waren, darf man wohl als gewiß annehmen. Im Reichstag sind von 397 Abgeordneten 286 entschiedene Monarchisten. Unter solchen Umständen gibt es für eine demokratische Partei wie die Sozialdemokratie nur eine Mög­lichkeit: ihre Grundsätze zu vertreten und der Mehrheit ihr Recht werden zu lassen.

Man soll also die Stärke der Monarchie in Deutschland nicht unterschäßen. Ueber ihre Zukunft wollen wir nicht prophezeien. Nur das eine soll gesagt sein: Findet die Mon­archie in dieser Zeit fluge Ratgeber, dann kann sie sich für alle absehbare Zeit sichern und festigen. Das deutsche Volk ist in seiner Mehrheit nicht antimonarchisch, es ist aber zweifellos in seiner Mehrheit demokratisch gesinnt, es will das gleiche Wahlrecht zu allen Vertretungs­förpern, es will Selbstverwaltung und par­Iamentarisches System. Kurz, es will das, was in anderen Monarchien längst verwirklicht ist. Gegnerin dieser Reformen ist nur eine dünne Schicht, die vorgibt, sie wolle die Monarchie schützen, die aber in Wirklichkeit nur um ihre eigene Herrschaft kämpft.

Sobald die Monarchie die Wünsche des Volkes erfüllt, ist aller republikanischen Agitation der Boden unter den Füßen weggezogen. Die Frage, ob Monarchie oder Republik , würde dann noch viel weniger Diskussionsthema sein, als sie es jetzt schon ist. Und alle Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß es so kommt. Wenn auch noch Schwierigkeiten zu über­winden sind, so werden sie voraussichtlich sogar schon in fürzester Zeit überwunden werden, ohne eine Spur von ge­waltsamem Umsturz und ohne Sturz der Monarchie.

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Die Methoden des politischen Fortschritts sind in den