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Unterhaltungsblatt öes vorwärts
Donnerstag, 19. Juli
/lus Zinnlanös Gesihichte. Zu seiner Nnabhängigkeitserklärung. Das Unglück der Finnen war seit jeher, das; sie ein GrenBoll bildeten. So waren sie in unablässigen Kriegen der Zankapfel zwischen den beiden mächtigeren Nachbarn, lind immer wieder wurden auf ihrem Boden blutige Kämpfe ausgefochten. Es lag auch in der natürlichen geschichtlichen Entwicklung, daß Finnland , längst mit der schwedischen Herrschaft ausgesöhnt, schließlich an Nuszland überging, das im Laufe der Jahrhunderte außerordentlich erstarkt war und den einst mächtigeren schwedischen Nachbar an Macht und BolkSreichtum weit überflügelt hat. Stammverwandt sind freilich die Finnen so wenig mit den Nüssen wie mit den Schweden ; sie gehören dem uralaltaischen Völker- stamm an, aus dem in Europa neben den Finnen nur noch die Ungarn und die Türken hervorgegangen sind. Die finnische Sprache weist dann auch nur an die Idiome dieser beiden Völker Anklänge auf. Als in der Zeit der Völker- Wanderung die Vorfahren der heutigen Finnen weit aus dem Südosten guer durch das heutige Nußland zogen, um sich auf der Landenge zwischen deni Ladogasee und dem Finnischen Meer« busen seßhaft zu machen, lebte in dieser Gegend vermutlich ein gotischer Stamm, der aber von den Einwanderern verdrängt wurde. Allmählich breiteten sich diese Einwanderer am Ufer des Finnischen Meerbusens aus. bis sie schließlich das ganze Land besetzt hatten. Luch auf der Südseite des Finnischen Meer- busenS setzten sich finnische Stämme fest, die Esthen, Liven und Kuren. Diese sind jedoch im Laufe der Jahr« hunderte in stärkerem Maße als die Finnen nördlich des Meerbusens mit slawischen Volksteilen in Verbindung gekommen, so daß auch deren Sprache eine vom Finnischen wesentlich abweichende Ent- Wicklung durchgemacht hat. Daß die Finnen durch anderthalb Jahr- lausende hindurch ihre völkische Eigenart fast unverfälscht haben be- wahren können, das ist hauptsächlich dem Umstand zuzuschreiben, daß ihr Wohnsitz als das nördlichste aller Kulturländer der Erde landschaftlich in sich abgeschlosien und so überaus entlegen ist. Ihre staatlichen Einrichtungen waren während der ersten Jahr- hunderte noch sehr primitiv, und wenn schwedische Könige auch schon im v. und 10. Jahrhundert EroberungSzüge nach Finnland unternommen haben wollen, so ist doch geschichtlich nicht erwiesen, daß Schweden zu so früher Zeit bereits die Herrschaft im Lande gehabt habe. Erst um die Mitte des 12. Jahrhunderts eroberte König Erich der Heilige den südwestlichen Teil Finnlands und erbaute zum Schutze des eroberten Gebietes das Schloß Abo. Es war ein Kreuzzug, den der schwedische Herrscher unternommen hatie; er blieb aber ergebnislos, und erst ein Jahrhundert später konnte das Christentum in Finnland festen Fuß fassen. Es war der schwedische Neichsverwescr Birger Jarl , der die Finnen endgültig unterwarf. Die Schweden behandelten Finnland milde und führten dort die gleichen, freien und volkstümlichen Ein- richtungen ein, wie sie in Schweden schon herrschten. Ilm die Mitte des 14. Jahrhunderts konnten die Finnen sogar an der Wahl der schwedischen Könige teilnehmen. Ein ein- heimischer Adel entstand, und die Bischöfe waren Finnen. Der be- deutendste unter ihnen war Magnus Olai Tawast<1412—1450), zu dessen Zeit die katholische Kirche in Finnland ihre ganz« Macht und Pracht entfaltete. Unter Gustav Wasas Negierung<1ö28— lövv) wurde in Finnland die Neformation eingeführt; unter Gustav Adolf kämpften Schweden und Finnen auf Deutschlands Schlachtfeldern. Dann kamen für Finnland auf lange hinaus schwere Leidenszeiten, die Kämpfe zwischen Schweden und Russen, die nach zahlreichen Kriegen und blutigen Schlachten, wobei Finnland mehrfach den Be- sitzer wechselte, im Jahre 1800 zum endgültigen Uebergang des Groß- siirstentums Finnland an Rußland führten.
Wie öle Klayiker entlohnt wnröen. Es ist noch nicht solange her, daß daS Wort von der brotlosen Kuvst auch inb ezug auf Dichter und Literaten seine Geltung hatte, und erst die neueste Zeit hatte in dieser Hinsicht Wandel geschaffen. Man weiß, daß unsere beliebten Erzähler allein für den Erst- abdruck ihrer Romane von den großen Zeitungen und Zeitschriften Honorare beziehen, die lief in die Zehnlausende gehen, und selbst ein mäßig beliebter Autor vermag sich, sofern er etwa in geschäft- lichen Dingen nicht gar zu weltfremd ist. von seiner Feder recht
auskömmlich und standesgemäß zu ernähren. Wie alles, so ist eben in unseren Tagen mit seinem weit entwickelten Verlagswesen auch der Marktwert der Literatur ganz außerordentlich gestiegen; würden die Dichter, die vor hundert Jahren gelebt haben, heute wieder unter uns erscheinen, sie würden nicht wenig erstaunt sein über die Entlohnung, die in unseren Tagen der geistig Schaffende findet. Noch ungleich schlechter waren die Schriftsteller früherer Jahrhunderte daran. Zu Luthers Zeiten galt ein Honorar von sechs Groschen für den Druckbogen als höchst anständige Bezahlung. Voß bot im Jahre 1779 seine Homerübersetzung für zwei Taler das Exemplar zur Subskription an, weil ihm kein Verleger drei Taler für den Druckbogen bezahlen wollte. Klopstock erhielt für die ersten Gesänge seines.Messias" nur zwei, für die letzten, nachdem der Anfang des Epos großen Er- folg gehabt hatte, zwölf Taler für jeden Druckbogen. Schiller und Goethe waren die einzigen deutschen Dichter, die schon damals von ihrem Verleger Cotta ein für jene Zeiten sürstliches Honorar er« zielten. So erhielten Schillers Erben von Cotta für das Verlags- recht sämtlicher Werke des Dichters die Summe von 100 000 Talern ausgezahlt, während Goethe und seine Erben von dem gleichen Verleger nahezu S00 000 Taler an Honoraren bezogen. Bessere Honorare als in Deutschland wurden in früheren Zeiten in England den bedeutenden und beliebten Dichter» bezahlt. So hatte Shakespeare , als er auf der Höhe seines Ruhmes stand, ein Jahreseinkommen von etwa 400 Pfund Sterling. also 8000 Mark, eine Summe, die aber damals die gleiche Kaufkraft besaß, wie in unsereir Tagen 80 000 Mark. Während Milton sich für jeden Druckbogen seines.Verlorenen Pa- radieseS" mit fünf Pfund begnügen mußte, brachte Gibbon seine Römische Geschichte nicht weniger als 20 000 Pfund ein. Lord Bstron bezog innerhalb von fünf Jahren von seinem Verleger Murray 18 000 Pfund. Geradezu lonigliche Honorare aber wurden Lord Beaconsfield und Alfred Tennyson zuteil. Von englischen Tages- schriftstcllern ist in der zweite» Hälfte des vorigen Jahrhunderts wohl Stanley am besten bezahlt worden, besten afrikanische Reise- schilderungen einen der größten buchhändlerischen Erfolg« des vorigen Jahrhunderts gebildet haben. Unsummen verdient auch Rudyard Kipling ; Theodor Roosevelt hatte es dank der Bombenreklamen, die er für sich zu niachen wußte, fertiggebracht, daß der Ver- lag des.Outlook", an dem er nach der Rückkehr von seiner afrikanischen Jagdexpedition Redakteur wurde, ihm einen Dollar Honorar für jede Zeile zahlte. Auch Eugöne Sue, der unr die Mitte des vorigen Jahrhunderts in Frankreich geradezu verschlungene Vielschreiber, bezog für die Ver- öffentlichung seiner Romane in der Pariser Presse ein Zeilenhonorar von 1 Frank. Sue nutzte diese Honorarvereinbarung in gerissener Weise aus, indem er seine Figuren andauernd in ganz kurzen, ab« gehackten Redewendungen spreiben ließ, derart, daß zahlreiche Zeilen nur ein oder zwei Worte, oder gar nur ein Fragezeichen oder irgendeinen einsilbigen Ausruf enthielten. Deni Verleger wurde das schließlich zu bunt, und er ließ diese einsilbigen Sätze fort- laufend setzen, ohne stets, wie der Dichter vorgeschrieben hatte, eine neue Zeil- zu beginnen. Dagegen sträubte sich wieder der Dichter, und als ihni das nichts nützte, griff er zur Selbsthilfe, indem er die Zeitung mit den Fortsetzungen des bereits im Erscheinen begriffenen Romans, der noch nicht fertiggestellt war, warten ließ und so in größte Verlegenheit brachte. Schließlich kam dann doch eine Eini» gung zustande._ Dunöesrat, Nationalrat und Stänüerat. Während wir in Deutschland unter dem Bundesrat eine Körper- schaft verstehen, wird in der Schweiz das Wort, ebenso wie Nationalrat und Ständerat, auch für ein einzelnes Mitglied einer solchen Behörde gebraucht. Da im Anschluß an den Rücktritt des Bundesrats Dr. Artur Hoffmann diese Siamen jetzt häufig gebraucht werden, dürfte manchem ZeirungSleser eine Erklärung der der Schweiz eigentümlichen Verfassungseinrichtungen erwünscht sein. Die Schweiz , die früher ein eidgenössischer Staatenbund, d. h. eine Vereinigung selbständiger Republiken war, wurde 1848 in einen Bundesstaat umgewandelt. Die 25 Einzelstaaten oder Kantone sind aber insoweit souverän geblieben, als ihre Selbst- berrlichkeit nicht durch die Bundesverfassung beschränkt ist. Politische Bündnisse zwischen den Kantonen sind verboten und nur dem Bunde steht das Recht zu, Bündniste und Staatsverträge mit dem Ausland einzugehen, Krieg zu erklären und Frieden zu schließen. Die oberste Gewalt wird durch die Bundes-
Versammlung ausgeübt, die aus zwei Kammern, dem Nationalrat und dem Ständerat, besteht. Der Nati�onalrat ver« tritt die Nation und wird aus Abgeordneten des Schweizer Volkes in direkter Wahl gebildet. Auf je 20 000 Einwohner entfällt ein Mitglied, so daß bei einer Bevölkerung von 3 781 000 der National- rat jetzt aus 189 Mitgliedern besteht, die auf 3 Jahre gewählt sind. Der S t ä n d e r a t vertritt dagegen die eidgenössischen Stände, d. h. die Kantone, und besteht aus 44 Abgeordneten, d. h. je zwei aus jedem Kanton und je einem aus jedem Halbkanton. In einzelnen Kantonen wählt die gesetzgebende Behörde sKantonsrat, Großer Rat), in den übrigen das Volk die Mitglieder des Ständerats. Beide Kammern beraten getrennt. Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse find nur gültig, wenn beide Körperschaften ihre Zustimmung gegeben haben. Dem Volk ist noch insofern ein direkter Anteil an den Arbeiten der Gesetzgebung gewährt, als es eine Abstimmung des ganzen Landes über Gesetzentwürfe verlangen kann. Wenn 50 000 Schweizer Bürger durch ihre Unterschrift einen Gesetzentwurf beantragen, so muß dieser zur allgemeinen Abstimmung sReferendum) gebracht werden. Handelt es sich um einen dem Parlament bereits vor- liegenden Bimdesbeschluh oder Bundesgesetzentwurf, so genügen schon 30 000 Unterschriften oder die Forderung von 3 Kantonen. Der Bundesrat ist die oberste leitende und vollziehende Behörde, also die Regierung, die aus sieben Mitgliedern besteht, aber jetzt auf neun erweitert werden soll. Die einzelnen Mitglieder. die wir als Minister bezeichnen würden, aber dort Bundesräte heißen, werden von der Bundesversammlung in gemeinsamer Sitzung gewählt. An der Spitze stehen der Bundespräsident und der Vize- Präsident, die auf je ein Jahr gewählt werben. Jedes Mitglied hat ein besonderes Departement, doch geht die jeweilige Entscheidung stets vom Bundesrat als der Gesamtbehörde aus.
Alkohol als für ekerlegenöe Hühner. Ein französischer Geflügelzüchter versichert in einer Fachzeit- schrift, daß Hühner, denen man Wein verabreicht, eine ganz be« sonders große Anzahl von Eiern legen. Zwölf je 18 Monate alte Hennen wurden in zwei Abteilungen geschieden, von deren erster jedes Tier morgens 80 Gramm Körnerfutter, mittags 100 Gramm gekochte Kartoffeln, abends 50 Gramm Brot, dazu Grünfutter nach Belieben bekani. Die gleiche Fütterung wurde den Hennen der zweiten Abteilung gereicht, doch erhielten diese noch je 100 Gramm Wein täglich. Das Getränk wurde ihnen mit Brot verabreicht, das mit dem Wein zusammen eine Art dicker Suvpc bildete. Das Er- gebni« war erstaunlich. Die Hennen der ersten Abteilung legten im Oktober je vier Eier, im November eins, im Dezember� keinS und im Januar 22. Die anderen acht Hühner, die ihre tägliche Weinration erhalten hatten, legten hingegen je 23 Eier im Oktober, 57 im November, 44 im Dezember und 48 im Januar, übertraien somit ihre enthaltsamen Schwestern um 143 Eier. Das gleiche Experiment wurde darauf mit zwei Hühnerserien, von nur aö-t Monate alten Tieren mit dem gleichen Ergebnis wiederholt. Notizen. — Wanderung einer Jnfanteriekugel in ein Menschen herz. Am 25. Okiober des vorigen Jahres wurde ein Artillerist mit einem Beckenschusse im Lazarett eingeliefert: am 2. November traten starke Atembeschwerden und Lungenschmer- zen auf, man dachte an Lungenentzündung, deren Symptome schritten fort, und am 14. November trat der Tod des Mannes ein, der zur Leichenöffnung eingeliefert wurde. Das'Ergebnis der Untersuchung war nun, daß in der rechten Herzkammer ein russi- scheS Jnfanteriegeschotz steckte, das freibeweglich an der Rückwand lag. Irgendeine Verletzung oder Vernarbung war an den Herz- muskcln nicht aufzufinden, und die Untersuchung des übrigen Kör- pers bewies, daß das Geschoß durch den Blutkreislauf ins Herz geschleppt worden war. Der Einschuß lag auf der rechten Rückenfcite oberhalb der Darmbeinschaufel; das Geschoß war in die untere Hohlvene gelangt, die eine linsengrotze Oeffnung auf einer Seite zeigte. Offenbar war die Wucht des Geschosses nur gering gewesen, denn die andere Wandung dieser Ader war unverletzt. Dann muß das Geschoß mit dem Blutstrome durch den rechten Vorhos des Herzens in die rechte Kammer gespült worden sein, und hier war es hängen gsblieben. — D i e Warschauer Hochschule soll im Oktober wieder eröffnet werden. Alle frühereu Studenten müssen sich neu immatri- kulieren lassen.
/toöers hjarmfteö.
Von Jakob Knudsen . Von Vrejby! dachte Anders. Ja, da waren sie ja ge- recht. Aber obwohl es in Wirklichkeit nur wenige Meilen bis Vrejby war, wurde für sein Denken doch daraus eine Art von Paradies außerhalb der Welt. Sonst war also die ganze Welt ein einziges großes Asyl der Ungerechtigkeit. Es war so beängstigend, daß nur sein Vater eine Ausnahme machte. Denn wenn er nun den Glauben an den verlöre!— Anders schien es wohl wiederum, als sähe er gleichsam zu alleroberst ein Stück blauen Himmels. Doch die Vorstellung glitt gleich wieder weg, ohne daß er sich eigentlich etwas dabei ge- dacht hätte.— Im Lauf des Nachmittags hatte Per Hjarmstedt seine Handelsgeschäfte„weiter im Osten" abgeschlossen und hielt nun wieder mit dem Wagen an der Wahlstelle.— Die Wahl war zu Ende und die zwei Kragclunder Männer kamen wieder zum Mitfahren auf den Wagen. Sie waren ein wenig an- getrunken und überaus gesprächig. „Ja, wir haben ja trotzdem für den Rechtskandidaten ge- stimmt," räumte Jens Hvam ein. „Ja, das habe ich mir wohl denken können," sagte Per Hjarmstedt.„Ihr wärets ja wert, daß ich euch alle beide vom Wagen runterschmisse." „Gewiß, das ist ja so verständlich. Aber— äh— Teyffen, der bat uns so im allgemeinen darum, und da— da haben wir ja auch an das gedacht, was Du uns gesagt hattest, Pier, — daß es sich gleich bleibe."-- „Ihr solltet ja doch nach eurer Ueberzeugung stimmen." „Ah, das sollten wir ja auch— aber— äh— als eS darauf ankam, da hatten wir ja keine Ueberzeugung, und Teysscn, der kann uns nun später doch ein ganz Teil an- haben, wenn ers sich mal in den Kopf setzt." „Dann könnt ihr ihm wohl später auch was anhaben." „Ach, mit dem Kriegswesen ist daS nicht so leicht." „Nein, aber auf dem Nacken könnt ihr ihn euch alle herumtanzen lassen; dann seid ihr sicher, daß kein Krieg daraus entsteht I"— Anders konnte es wohl leiden, seinen Vater so etwas sagen zu hören. Dann fühlte er sich sicherer in seinem Glauben an Pers Gerechtigkeit. Der Tanghof war in früherer Zeit ein kleiner Herrenhof gewesen. Doch nun war da nichts andres, was daran �cr- innerte, als vermeintliche Spuren von Gräben um den Hof
herum, das unverhältnismäßig große Wirtschaftsgebäude, das mit seinen Giebeln weit über den Ost- und Wcstflügel hinausragte, und endlich ein paar mächtige Lindenbäume, deren Wipfel ganz gewiß voni Winde weggeweht worden waren, deren Stämme und untere Zweige aber von mehrhundcrt jährigem Alter zeugten. Wenn man sie sah, mußte man an ein Haupt denken mit kahlem Schädel, aber mit kräftigem, buschigem Haarwuchs um Schläfen und Nacken. Ging man zwischen diesen beiden Linden durch, so trat man gerade auf die Haupttür des Wohnhauses zu. Links war die Küche, rechts lagen die Stuben.— Nur eine„Stube" war auf der linken Seite der Haustüre; das war Per Hjarm- steds„Kammer".— Dieses Zimmer hatte nur eine Tür, und niemand durfte es betreten außer dem Mann und der Frau selber. Sie durfte eigentlich auch nicht eben viel mehr als es betreten. Durfte ganz und gar nicht an die Papiere oder Papierfctzen rühren, die da bunt verstreut lagen, zusammen mit zerbrochenen Hufeisen, abgefallenen Matrizen. Pferde- gcschirresten, Harkcnzähnen, Tüderpflöcken, angesammelten Gänse- und Hühnerfedern, Tauenden, Bindfadenresten und andern Kleinigkeiten, auf dem Tisch, auf Wandbrettern, auf der offenen Schatullklappc und auf Stühlen. Sie durfte den Fußboden reinmachen, aber an etwas anderes wurde sie nicht herangelassen da drinnen. In den Stuben auf der anderen Seite des Ganges herrschte eine Ordnung, die man sogar einzuatmen schien, sie machte die Luft leicht; eine Reinlichkeit, die dem Eintretenden gleichsam zu Herzen ging, weil man fühlte, daß sie ein Be- dürfnis der Seele war, ein angeborener innerlicher Drang bei dem Menschen, von dem sie ausging. Nie wurde ein böses Wort zwischen Per Hjarmsted und seiner Frau gewechselt; aber von seiner Seite wurde un- endlich viel Anlaß dazu gegeben. Wenn ein Mann mit seinem Stecken dasteht und in einem Ameisenhaufen stochert, so sagen oder tun die Ameisen nichts, um es zu hindern. Aber niit unverdrossener Emsigkeit und Schnelligkeit bessern sie den Schaden aus, der angerichtet wird; bei jedem rücksichtslosen und zwecklosen Schlag oder Stoß, der mit dem Stock ausgeführt wird, versammeln sie sich auf der Unglücksstättc und bauen auf mit Fleiß und Kunstfertigkeit. Wenn Per Hjarmsted zur Nachmittagsvesper vom Felde heimkam, konnte er schrecklich ausschauen, besonders bei feuchter Witterung. Seine Holzschuhstiesel waren dann ganz bis zum Schaftrand hinauf mit Lehm bedeckt, dasselbe war mit den Knien und den Hinterstückcn seiner Hosen der Fall.
Seine Hände waren schwarz und sein Gesicht feuchtglänzend vom Schweiß und Schlickerwetter; es war nicht viel niehr davon zu sehn als die kleinen, braunen Augen, die große, gebogene Nase und die etwas hervorstehenden Backenknochen; der Rest war mit weiß-brauncn Bartstoppeln oder langen, grauen Haarzotteln bedeckt.— Ohne sich irgendwie zu reinigen oder das Schuhzeug zu wechseln, ging er nun in die Wohnstube hinein, wanderte auf seine seltsam unruhige, wolfsartige Weise in der Stube hin und her, so daß Lehm und Erde im ganzen Zimmer verstreut wurden und setzte sich dann, wenn der Kaffee kam, unten am Tische nieder, die Mütze im Nacken. Er nahm seine kurze Holzpfeife aus dem Mund und stellte sie in die Ecke der Ruhebank, steckte ein paar Stück braunen Zuckers in den Mund, beugte sich tief auf die Tischplatte nieder und schlürfte den Kaffee ein. Bei dieser Gelegenheit war er fast immer ganz stumm und seine Augen waren stier, der Ausdruck abwesend. Wenn seine Frau den Kaffee vor ihn hingestellt hatte, drehte sie sich um und betrachtete den Fußboden, indem ihre dunkeln Augen langsam hin und her glitten unter dem Rande der halb niedergeschlagenen Augenlider, und dann konnte ihr blasses Gesicht einen ganz erstaunten Ausdruck annehmen, trotzdem eS durchaus kein neuer Anblick war, was sie sah,— aber der Ausdruck ihres Gesichts war nun ein- mal immer ein wenig erstaunt. Dann ging sie, ohne ein Wort zu sagen, zur Tür hinaus und kam mit Kehrschaufel und Flederwisch zurück und schickte sich an. die Lchmklumpen und Schmutzlachen, die des Mannes Holzschuhe hinterlassen hatten, vom Boden zu beseitigen.— Und es kam vor, daß er dasaß und ihr bei dieser ihrer Ar- best zuschaute; aber ob er eigentlich sah, was sie tat, war schiser zu entscheiden. Gewöhnlich saß er wohl, während er Kaffee trank, und dachte über seine Rechnungen nach, wie er sich denn auch gerne nach dem Kaffee auf seine„Kammer" begab.— Aber nicht immer ging er sofort da hinein; manchmal konnte er seine Pfeife nehmen und am Wohnstubentisch sitzen und rauchen; dann spuckte er breit und gedankenvoll auf den Fußboden, von wo soeben die Spuren der Holzschuhe ent- fernt worden waren.— Manchmal wich das Verschleierte aus seinem Ausdruck, und er kannte erwachen. Doch es geschah nicht in der Art, daß er zur Erkenntnis deS Unpassenden gelangte, das in seiner Aufführung lag; dieser oder jener bemerkenswerte Zug aus seincin letzten Handel mochte ihm eingefallen sein und er konnte seiner Fran davon erzählen— wie sie da so auf dem Fußboden lag— in sachlich interessiertem und auch überaus freundlichem Tone. (Forts, folgt.)