Nr. 134.

Erscheint täglich außer Montags. Preis pränumerando: Viertel­jährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 Mt., wöchentlich 28 Pfg. fret in's Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags- Nummer mit illustr. Sonntags- Beilage, Neue Welt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 3,30mt. pro Quartal. Unter Kreuz­ band  : Deutschland   u. Desterreich Ungarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3 Mr.pr.Monat. Eingetr. in der Post- Zeitungs- Preisliste für 1894 unter Nr. 6919.

Vorwärts

11. Jahrg.

Insertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzetle oder beren Raum 40 Pfg., für Vereins- und Bersammlungs- Anzeigen 20 Pfg. Inferate für die nächste Nummer müffen bis 4 Uhr Nachmittags in ber Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochens tagen bis 7 Uhr Abends, an Sonns und Festtagen bis 9 Uhr Bor mittags geöffnet.

Fernsprecher: Amt 1, Nr. 1508. Telegramm- Adresse: Fozialdemokrat Berlin Berliner  

Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Mittwoch, den 13. Juni 1894.

Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

Arbeiter! Parteigenossen! Trinkt kein kein boykottirtes Bier!

Frauenpeitscher vor Gericht.

Bahn und Bachmann sind Beamte, die sich in Ausübung einer Amtsthätigkeit begriffen glaubten."

Die sächsischen Richter sind damit nur den bewährten|„ Dafür seid Ihr auch Unterthanen, und die Herren Ueberlieferungen deutscher Rechtspflege treu geblieben. Auch preußische Richter vor ihnen haben sich ebenso verhalten. Der Fall Bachmann- Bahn und seine gerichtliche Erledigung hat eine überraschende Familienähnlichkeit mit dem Fall Roten han, der sich im Jahre 1882 in Niederschlesien abspielte. Damals hatte ein Amtsvorsteher ein aus der Schule bereits ent­lassenes vierzehnjähriges Mädchen wegen irgend eines Vergehens unter offenbarem Mißbrauch seiner Amtsgewalt als Schul­vorsteher mit zwölf Stockschlägen auf das entblößte Gesäß be strafen lassen und zur besseren Anleitung des Exekutors ihr höchst eigenhändig einen Probehieb

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Wer es sich zur Aufgabe machen wollte, alle jene Symptome zu sammeln, die beweisen, daß unsere Rechtspflege Ist es denn aber nicht weit schlimmer, wenn ein Bes den Volksanschauungen über Recht und Unrecht vielfach amt er den Gesetzen, ja sogar seiner eigenen Amtspflicht zu entgegenstrebt, hätte alle Hände voll zu thun. Tag für Tag wider handelt, als wenn ein Unterthan sich gegen die Ges bricht eine neue Blüthe dieser Gelehrtenjuftiz auf, Tag für feze vergeht? Gehört es nicht auch zu den Amtspflichten Tag steigt ihr Duft gen Himmel; man muß schon eines Beamten, die Grenzen seiner Befugnisse zu kennen? mit einem juristischen Stockschnupfen behaftet sein, Daß sie Beamte sind, verschlimmert in meinen Augen ihre um das nicht zu merken. Wir haben vor Kurzem erst Unthat. einige solcher Blüthen zerpflückt, um nachzuweisen, daß sie " Halt! Nun ist's aber genugj! hör lieber auf zu räs nicht vereinzelte Absonderlichkeiten, sondern typische Erzeug­Jagdhieb, würde sonniren, sonst läßt Du Dich zu volksthümlichen Kenne nisse des Juristenrechts sind, von dem viele unserer Richter der humorvolle Herr Staatsanwalt Benedig sagen mit zeichnungen jener Männer verleiten, und dann kannst beherrscht werden. Wir können nicht allen diesen Erscheinungen der gutsherrlichen Reitpeitsche versetzt. Der Hirschberger Du die Erfahrung machen, daß Dich Fahrlässigkeit in gleicher Ausführlichkeit nahe treten, wir hätten sonst Staatsanwalt, rücksichtsvoll und wohlwollend, wie nun in der Wahl Deiner Ausdrücke nicht vor schwerer Strafe nichts anderes zu thun, als Kommentare zu Richtersprüchen einmal die preußischen Staatsanwälte sind, hielt wegen Beamtenbeleidigung schüßt, daß eine schwerere zu schreiben; aber von Zeit zu Zeit müssen wir doch die Amtsüberschreitung des Freiherrn von Rotenhan Bestrafung wegen Gebrauch eines unbedachten Worts Deiner diese dokumentarischen Beweise der Gelehrtenjustiz zer für eine so läßliche Sünde, daß er eine Anklage wartet daß er eine Auflage wartet, als sie jenen Beamten wegen Züchtigung einer gliedern. überhaupt nicht für geboten hielt. Erst die erregte öffent- hilflosen alten Frau unter Mißbrauch der Amtsgewalt zu Es erregte nicht geringes Aufsehen, als vor einiger liche Meinung nöthigte den Justizminister, die Erhebung theil geworden ist. Denke an die fünf Monate Gefängniß, Zeit aus dem gemüthlichen Sachsen die Nachricht tam, daß der Anklage zu veranlassen. Doch mit der Milde, die den die es gesetzt hat wegen Kritik der Gummischlauchmänner und in der guten Stadt Lommaßsch ein Armenhausvorsteher Richter ziert, verurtheilte auch das Hirschberger Landgericht ihrer Auftraggeber. Für Dich und Deinesgleichen mit Eurem eine 64 Jahre alte Armenhäuslerin, weil sie mit einem den peitschenschwingenden Amtsvorsteher nur zu 110 Mart beschränkten Unterthanenverstande giebt es in der Regel keine Echwibbs nach Hause fam, zunächst ohne viel Federlesens Strafe. mildernden Umstände, wenn Ihr Eurer Entrüstung zu freien förperlich mißhandelt hatte und daß dann der Bürgermeister Wie ist so etwas möglich?" fragt bei solchen Vor- Spielraum gewähri. Dir würde es nichts nützen, wenn Dr. Zahn am andern Tage der Sünderin in aller Form kommnissen der in deutscher Rechtspflege bislang noch Du glaubst in der Wahrnehmung berechtigter Intereffen zu Rechtens 15 Stockprügel versehen ließ. Es wurde sogar in wenig bewanderte Mann aus dem Volke. Wenn ich eine handeln. Die alte Armenhäuslerin ist nicht Deine Großs bürgerlichen Blättern die schüchterne Mahnung laut, diese 64jährige Frau oder ein 14 jähriges Mädchen falten mutter, und das Mädchen aus Buchwald war nicht Deine brutale Mißhandlung einer hilflosen alten Frau, deren Blutes in solcher Weise züchtigen würde, reichte da Geld- Tochter. Deren Schicksal geht Dich gar nichts an. Mund widerwärtiger Eindruck durch den offenbaren Mißbrauch strafe aus zur Sühne meiner Ünthat? Müßte ich vielleicht halten und Steuer zahlen das ist Deine Unterthanens der Amtsgewalt verstärkt wurde, möge die gerichtliche Sühne nicht auf Wochen oder Monate nach Rummelsburg   oder pflicht. Ich allein sorge dafür, daß Recht und Gerechtigkeit finden. Plößensee übersiedeln?" walten im neuen Reiche der Gottesfurcht und guten Sitte, Ja, lieber Mann", erwidert darauf die Frau Juftitia ich, die Frau Juftitia preußischer Observanz, die doch preußischer Observanz, das waren auch Beamte, die jene von allen staatserhaltenden Zeitungen und sonstigen Büchtigungen angedeihen ließen, und die haben in dem Ordnungsstügen Jahr aus Jahr ein über den Schellendaus Glauben gehandelt, daß sie ein Recht dazu hätten. Da gepriesen wird als ein leuchtendes Muster der Unpartei­nimmt denn das Gericht wohlwollend Fahrlässigkeit und lichkeit für Mit- und Nachwelt!" mildernde Umstände an."

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Die Lommatscher Frauenmißhandlung hat die gericht­liche Sühne gefunden. Das Dresdener   Landgericht hat den Bürgermeister Zahn zu 60 M. und den Armenhaus Vor­steher Bachmann zu 20 M. Strafe verurtheilt. Mit der Milde, die den Kläger ziert, hatte die Staatsanwaltschaft nur ein Vergehen aus Fahrlässigkeit in dem Amtsmißbrauch und der Frauenmißhandlung der beiden Lommaßscher Würdenträger zu erkennen vermocht und der Zubilligung mildernder Um­stände selbst das Wort geredet, und mit der Milde, die den Richter ziert, hat der Gerichtshof mit schonender Hand diesem rücksichtsvollen Antrage gemäß erkannt.

Feuilleton.

Der Inde.

Deutsches Sittengemälde

aus der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts.

Von C. Spindler  .

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Nun, wenn ich zehnmal bei der Mißhandlung einer Frau geglaubt hätte, daß ich im Rechte sei, was würde mir der Einwand wohl nügen? Verurtheilt man uns nicht zu Hunderten mit dem Hinweis auf den Rechtsgrundsatz: Unkenntniß der Geseze schüßt nicht vor Strafe?"

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Ja, so hat sie stets gesprochen und wird sie stets sprechen, die deutsche Frau Justitia  , so lange wir noch in einem Klassenstaate leben.

Doch zunächst hat Frau Juftitia das Wort in Sachen Leist.

fragte Wallrade. Rüdiger ist zurück", berichtete die Magd, Bruder angelangt, und brütet sicher in geheimer Stille ihrer Bestürzung faum Herr werdend.- Burück?" fragte Verderben gegen mich. Ihm muß ich ausweichen zu ge Wallrade wiederum, und ein heller Schein überstrahlte legener Zeit, und selbst zu Wiesbaden   und an Willhilds ihre Büge: Ich gehe, ihn zu sprechen. Stehe Du mittler Wohnorte die Waffen suchen, deren ich bedarf, um Mar­weile hier der Elenden bei, und bringe sie zur Ruhe."- garethen zu vernichten. Denn- falsch ist ihr Spiel; Mit einem höhnenden Abschiedsblick rauschte sie zur wie sollte ich den Buben nicht kennen? Warum wäre er Thüre hinaus, vor welcher der Knecht Rüdiger wartete. so scheu und furchtsam gewesen, da er mich nur sah? Sie wintte ihm in die Seitenstube. Sag' an Deine Welch ein seltsam Verhängniß ihn auch hieher, gerade in Mär," begann sie zu dem Manne. Gesagt ist sie bald," dieses Haus geführt haben mag ich will es benügen. Ratharine fant mit einem dumpfen Laut vom Sessel erwiderte derfelbe.„ Es hat alles feine völlige Richtigkeit. Zuerst diene er mir als Hebel zum Sturze meiner Feindin; zur Erde, und mitleidige Ohnmacht schloß ihr Auge. Der Knabe, von dem Ihr Kunde haben wollt, ist wirklich dann erst soll auch ihn meine verzögerte Nache ereilen. Aber das Mitleid stand an ihrer Seite nicht. Wallrade derjenige, wofür er ausgegeben wird."-Nicht möglich!" Che ich aber die Fahrt antrete, die mir Gewißheit ver­leistete ihr keine Hilfe, sondern lächelte tückisch in das Un- fiel Wallrade ein:" Du lügft!"" Ihr dürft mich einen schaffen soll, wo Margarethens Sohn hingekommen, muß glück, das sie angerichtet. Mit grausamem Uebermuth heftete Lügner fchelten," versetzte der Breitgestirnte gleichmüthig: ich noch ein Gift bereiten, das ich in Diether's Wunde streuen fie die wilden Augen bald auf das arme Weib zu ihren Ihr seid meine Herrschaft, und ich Euer halseigener Knecht. kann, um sie nie verharrschen zu lassen. Füßen, bald auf dessen, in weichen Kissen schlummernde Aber trotzdem konnte ich zu Wiesbaden   nichts anderes Um Gottes Barmherzigkeit willen, laßt mich zu ihr!" Kind. Grimmiges Rachegefühl verzog ihr Gesicht, hob di herausbringen. Die Frau Willhild, von welcher mir Else jammerte eine klagende Stimme draußen, und Bilger's fühn arbeitende Brust. Die Hände schlug sie befriedigt zus erzählte, da ich sie Eurem Gebote gemäß, geschickt aus- Gattin stürzte mit aufgelöstem Haar und zerrütteten Ge sammen, und murmelte höhnend zwischen den Zähnen e forschte, hat richtig Herrn Diethers Junker erzogen, und wändern zu Wallraden herein. Ich konnte sie nicht auf­Der Streich ist gefallen! Fast stehe ich am Biele. Er- ihn verwichnen Herbst zur Stadt gebracht. Keine Seele halten!" versicherte die zagend nachfolgende Zofe, da sie in flüchtig wie ein Aechter; sie, losgerissen von allem, in: in ihrem Wohnorte und zu Wiesbaden   weiß anderes da- Wallraden's finsterem Blicke den Zorn über die unverhoffte meiner Gewalt: sein Kind mein Opfer, wehrlos hingegeben, von zu berichten. All meine Mühe war umsonst."- und unwillkommene Störung las. Verweint, bleich, mit meiner Vergeltung! So mußte es fommen. Leben muß Schon genug," versetzte Wallrade: Du bist ein Büffel, wankenden Knieen nahte sich Katharine dem Fräulein, das er zu seiner Dual, und wenn auch die kühnste Verzweiflung und ich werde selbst an Ort und Stelle sehen, ob Du durch einen Wink die Dienerin entfernte; sie ergriff des ihn wieder zum verlassenen Herde triebe, verstohlen, um jeden meinen Auftrag ausgerichtet, wie ich's begehrt." Das Fräuleins Hand und sah sie mit dem Ausdrucke unaus­Breis seine Lieben noch einmal zu sehen, die Stätte öde steht Euch frei entgegnete Rüdiger, wie oben; aber, ob sprechlicher Wehmuth an. Was willst Du, Katharine finden, und nicht wissen, wo sie athmen, die ihm theuer find. Ihr gleich der Herr seid, und ich nichts gegen Euch vor von der Rhoen?" fragte Wallrade hart und abgeschlossen. Vergehen muß er nun langsam in fruchtlosem Jammer; stelle, so werdet Ihr doch finden, daß ich Recht habe."-Verbirg mich vor meiner eigenen Schande!" schluchzte vergehen muß aber auch sie an der trägen Gluth fressenden Nachdem er sich entfernt, überlegte Wallrade, mit Ernst Katharine, und nenne den unglücklichen Namen nicht, der Grams; und erblassen muß die Tochter in meinem Schoß, und Fleiß, wie alles sich zu ihren schnöden Zwecken fügen mich einst selig machte, und nun meine gunze Zukunft vers verwelten an dem Genusse des Wermuthsbechers, den ich müsse. Diese schwüle Gewitterhige kann nicht von Be- giften wird." Wie soll ich Dich denn also nennen, ihr reichen will vom Sonnenaufgang bis zum Abendroth. stand ſein", sprach sie zu sich selbst; bleibe ich länger, so Unselige?" fragte Wallrade wie zuvor. Hab' ich denn Dies zu vollbringen helfe mir das Unglück, das so gerne tommt es zur Fehde zwischen der Stiefmutter und mir. mein Recht auf Deine Freundschaft verloren?" flagte feindselig des Menschen Geschick zu untergraben bereit ist!" Den offenen Bruch muß ich jedoch vermeiden, bis ich ihr Ratharine: An Deinem Bujen fand ich Trost über des Die Zofe trat hier in die Stube, und bebte zurück, hart ans Leben fann. Jest treibt mich die Vorsicht von Gatten Verlust, als er mich und sein Kind so schnöde da sie die erblaßt dahin Gesunkene ersah. Was soll's?" hinnen, denn nach dem, was Katharine sprach, ist mein verlassen hatte; Deinem Bureden folgte ich, als ich unseres

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