Nr. 297. 34. Jahrg.
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Redaktion: SW. 68, Lindenstraße 3. Fernidrecher: Am: Morisplas, Nr. 151 90-151 97.
Montag, den 29. Oktober 1917.
Expedition: SW. 68, Lindenstraße 3. Fernsprecher: Amt Moritplas, Nr. 151 90-151 97.
Neue
100000 Gefangene, 700 Gefchütze.
Die italienische Front bis zur Adria im Wanken.- Deutsche Truppen in Cividale . Artilleriekampf in Flandern und am OiseAisne Kanal. Vorstöße am Chemin- des- Dames abgewiesen. Amtlich. Großes Hauptquartier, 28. Ottober 1917.( 2. Z. B.)
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Weftlicher Kriegsschauplah. Seeresgruppe Kronprinz Rupprecht.
In Flandern war die Feuertätigkeit längs der Pfer- Riederung wiederum stärker als früher, insbesondere bei Digmube.
Zwischen Blankaart- See und der Straße Menin- pern schwoll der Artilleriekampf zeitweilig zu großer Heftigkeit an. Morgens griff der Feind an der flachen Einbruchsstelle füdwestlich des Houthoulster Waldes erneut an, ohne größere Vorteile 18 am Vortage zu erzielen.
Heeresgruppe Deutscher Kronprins. Am Dise- Aisne- Kanal verstärkte sich die Feuertätigkeit bei Brancourt und Anish- le- Chateau. Nachmittags sticken starke französische Kräfte tiefgegliedert am Chemin- des- Dames öftlich von Filain und nordwestlich von Braye gegen unsere Linien vor; fie wurden überall blutig abgewiesen.
Bei Souain , Tahure und Le Mesnil in der Champagne führten unsere Stoßtrupps erfolgreiche Unternehmungen durch. Auf dem östlichen Maas - Ufer unterhielten die. Franzosen Starkes Feuer auf die von uns im Chaume- Walde kürzlich ge= ponnenen Gräben,
Auf dem
und an der
Deftlichen Kriegsschauplah
Mazedonischen Front
feine größeren Kampfhandlungen.
Italienische Front.
Die schnelle Weiterführung des gemeinsamen Angriffs am Isonzo brachte auch gestern volle Erfolge.
Italienische Kräfte, die unseren Divisionen den Austritt aus dem Gebirge zu wehren suchten, wurden in kraftvollem Stoß zurückgeworfen.
Abends drangen deutsche Truppen in bas brennende Cividale , die erste Stadt der Ebene, ein. Die Front der Italiener bis zum Adriati schen Meere ist ins Wanten gekommen; auf der ganzen Linie sind unfere Korps im Nach drängen.
Görz , die in den Ifonzo- Schlachten vielumkämpfte Stadt, ist heute früh von österreichisch - ungarischen Divisionen genommen worden!
Die Zahl der Gefangenen ist auf mehr als 80 000 geStiegen, die Zahl der Geschüße hat sich auf mehr als 600 erhöht. Der Erste Generalquartiermeister. Lubendorff.
Abendbericht.
Berlin , 28. Oftober 1917, abends. Amtlich. In Flandern lebhafte Feuertätigkeit bei Dirmude dam Houthoulster Walde.
Am Dise- Aisne- Kanal bei Filain örtliche Kämpfe. Im Osten nichts Wesentliches.
Die italienische 2. und 3. Armee find im Rückzuge nach Westen.
Unsere Verfolgung ist vom Gebirge bis 3um Meer in schnellem Fortschreiten.
An Gefangenen sind bis jetzt 100 000, an Geschüßen über 700 gezählt.
Der österreichische Bericht. Wien , den 28. Oftober 1917.( W. T. B.) Amtlich wird berlautbart:
Heute früh haven unsere Truppen Görz besest. Bom Kastell wehen nach einjähriger Feindesherrschaft wieder- wie feit langen Jahrhunderten unsere Fahnen. Die Jtaliener ind über den Isonzo gewichen.
00
effet eines
Gestern ist von unserer Isonzofront die lette jest zweieinhalb Jahren ebenso glorreich als opfervoll geführ
ten Berteidigungstampfes gefallen.
Sowohl auf der Karst - Hochfläche als im Görzer Abschnitt wurbe zum Angriff übergegangen.
Die Italiener hielten unserem Ansturm nirgends stand. Am Südflügel wurde Monfalcone durch unsere Vortruppen ge= wonnen. Oberhalb von Grodisca stürmte in der britten Morgenstunde Major Mocfary an der Spize feines tapferen Roeszeger Jäger- Bataillons Nr. 11 über die brennende Isonzobrüde auf das rechte Ufer hinüber und entriß dem Feinde den Monte Fortin.
Auf dem Kaftell von Götz hißten Abteilungen des Karlovacer Infanterieregiments Nr. 96 um 2 Uhr früh unsere Fahne.
In rascher Feinbverfolgung wurde westlich ber befreiten Stadt der Ifonzo übersetzt und die Höhe Podgora erftiegen. Die Hochfläche von Bainfizza- Heiligengeift liegt- ben Monte Aut inbegriffen hinter unserer Front. Bei Plava erzwangen fich unsere Truppen in erbitterten Kämpfen den Uebergang über den Fluß.
Cividale ist in deutscher Hand. Ungeftüm vorwärts' drängend, allen Widerstand des Feindes brechend, gewannen unsere Berbündeten hier den Ausgang in die Benezianische Ebene.
Die geschlagenen Armeen des Herzogs von Aosta und des Generals Capello baben bisher 80 000 Mann an Gefangenen ringebüßt. Die Zahl der erbeuteten Geschüße wird gering auf 600 geschätzt.
Deftlicher Kriegsschauplah und Albanien . Nichts von Belang.
Wien , 28. Oktober. Amtlicher Abendbericht vom 28. Dt
tober. Der Sieg der Verbündeten über das italienische Heer greift immer tiefer. Die Zahl der Gefangenen übersteigt 100 000, bie Beute an Geschüßen wird auf 700 geschänt.
Der Chef des Generalfabes.
Berlin , 28. Oktober. Amtlich. Nördlich Ostende tren zende leichte Streitkräfte des Gegners wurden am 27. Oktober nachmittags gleichzeitig von unseren Torpedobooten mit Artillerie und einer großen Zahl von Flugzeugen mit Bomben angegriffen. Obwohl der Feind beschleunigt nach Westen abmarschierte, wurden ihm mehrere Treffer beigebracht. Die eigenen Streitkräfte find unbeschädigt zurüdgekehrt.
Der Chef des Admiralstabes der Marine.
Zur Krise.
Stalien erlebt in diesen Tagen die bitterste aller Enttäuschungen. Die mühseligen, mit so viel Triumphgeschrei aufgepuzten Erfolge von elf verlustreichen Offensiven, die mageren Gewinne fast dreier Kriegs- und Leidensjahre des Volfes fortgeblasen und vernichtet in ebensovielen Tagen! Man wird an das Schicksal des Sisyphus gemahnt, wie es uns Homer schildert, des Mannes, der zur Strafe seiner Sünden in der Unterwelt den Stein bergauf rollen muß. Aber che er den Gipfel erreicht, übermannt ihn die Schwerkraft:
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Hurtig mit Donnergewalt entrollte der tüdische Marmor. Wenn der große griechische Seelenkenner dieses Schicksal als besonders grausame Höllenstrafe hinstellt, so will er uns damit vergegenwärtigen, daß nichts den Menschen seelisch mehr zu martern imstande ist, als der plößliche Zusammenbruch eines mit langdauernder äußerster Anstrengung errungenen Erfolges.
Die italienischen Eroberungspolitiker, die in Ruhm und Machtbegierde den Krieg Italiens gegen seine bisherigen Bundesgenossen entfesselt haben, wird niemand wegen ihres Sisyphusloses bemitleiden. Sie ereilt das verdiente Geschick. Es, steht fortab in der Weltgeschichte als warnendes Beispiel für alle, die den Krieg als ein ge= minnbringendes Geschäft ihrem Bolke anpreisen und aufzwingen wollen.
Aber wir sparen uns jeden wohlfeilen Sohn und Spott gegen Personen, die ohnehin gerichtet sind. Wir wenden unseren Blick auf das italienische VoIf, das als Opfer jener Männer zu den unsäglichen Leiden, die ihm der Krieg bisher schon gebracht hat, jezt auch noch die Leiden der Niederlage hinnehmen muß.
Das italienische Volk war und ist in seinen Grundtiefen gewiß so fried fertig wie irgendein anderes. In diesem Urteil darf man sich auch nicht irremachen lassen durch jene Szenen, die sich zu Kriegsbeginn in den Straßen der italienischen Städte abgespielt haben. Einmal weiß man ja nie, welchen Bruchteil des Volkes eine in den Straßen lärmende aufgestachelte Menge wirklich umfaßt( während die Andersdenkenden sich eingeschichtert in den Häusern halten), und das gilt zumal, wenn der Kriegsheberische Terrorismus wohlwollende behördliche Förderung erfährt. An der ,, Vaterlandspartei " erleben wir ja selber zur Stunde allerhand Beispiele dafür, mit welchen Mitteln der Reklame, der Massenhypnose usw. chauvinistische Parteien arbeiten, und es ist einem in Unwissenheit gehaltenen Volfe wie dem italienischen nicht allzu schwer anzurechnen, wenn ein Teil von ihm für kurze Zeit diesen raffinierten Einflüssen erliegt.
Das italienische Volk hat sich jedenfalls schon vor den jüngsten Kriegsereignissen aus eigener Kraft von der hypnoti. schen Umgarnung der Kriegsheber freigemacht, dafür sprechen laut und deutlich die Aufstände in Turin und Mailand , die Stimmungsberichte aus Nord- wie Süditalien. Wie wird ießt die schwere Niederlage der Armee auf dieses Volk wirken? Man darf nicht nur wachsende Niedergeschlagenheit und Kriegsmüdigkeit als zu erwartende Folgen des deutsch - österreichischen Sieges in Rechnung stellen. Wenn wir das italienische Bolt als friedfertig in seinem Wesen bezeichneten, so wissen wir andererseits genau so gut, daß es keineswegs aus vaterlandslosen Gesellen" besteht. Das italienische Volk bat, ähnlich wie das deutsche , eine lange schmerzliche Periode der nationalen Zerrissenheit und der Fremdherrschaft überwinden müssen, ehe es das Gut der nationalen Einheit und Unabhängigkeit in schweren Kämpfen errang. Dieses Gut ist ihm daher über alles teuer, und es würde sicher genau wie das deutsche Volksein Letztes daranseben, ehe es sich ein Titelchen davon entreißen ließe.
Die Boffische Zeitung" bringt in ihrer Sonntagsnummer die Mitteilung, es werde zwar von vertrauenswürdiger Seite bestätigt, daß der Kanzler sein Abschiedsgesuch eingereicht habe, es sei aber durchaus nicht als sicher anzunehmen, daß der Kaiser das Abschiedsgefuch genehmigen werde. Vielmehr habe es den Anschein, als ob einzelne Persönlichkeiten in der Umgebung des Raisers mit allen Mitteln darauf hinanbeiten, die jeßige Reichsleitung in ihrer Gesamtheit, unbetümmert um die schwerwiegenden Folgen, die sich baraus ergeben können, im Amt zu erhalten. Die Lage werde dem Kaiser nach wie vor so dargestellt, als ob die Parteien fich mit einer Sinauszögerung der Lösung der Krisis schließlich abfinden würden. Während auf der einen Seite geflissentlich die Parteiführer in der Stimmung erhalten würden, als ob ihren Wünschen bei der in Fürzester Zeit erfolgenden Umformung ber Regierung Gehör geschenkt werden soll, werde auf der anderen Seite die dadurch her vorgerufene Tatenlosigkeit dazu benußt, um an der höchsten Stelle bie Situation und die Folgen der Nichtannahme des Entlassungsgesuchs, des Kanzlers in falschem Lichte darzustellen. Trifft diese Nachricht zu, dann wird der Kaiser von gewissenlosen Personen in unverantwortlicher Weise irregeführt. Es wäre ihm jedoch leicht, Zweifellos werden jetzt aber die italienischen Kriegsheberdie Wahrheit zu ergründen, wenn er die Fraktionsvertre- zum letzten Rettungsanfer greifen, indem sie durch den Einter zu sich beriefe. bruch der feindlichen Heere in die oberitalienische Ebene die Unter den Kanzlerkandidaten war auch Graf Sertling ge- nationale Unversehrtheit Italiens für bedroht erklären. Wenn nannt worden. Nun stellt sich aber heraus, daß er nicht einmal in sie damit Glauben finden, so ist es sehr wohl möglich, daß das Bayern seine Leute richtig beisammen halten kann. Zwischen dem italienische Volf in einer mächtigen Aufwallung seines starken Finanzminister v. Breuning und dem Verkehrsminister Unabhängigkeitsgefühls sich zum äußersten Widerstand gegen b. Seidlein sind Unstimmigkeiten entstanden, wobei die Libe- die ihm vermeintlich drohende Fremdherrschaft erhebt, daß also ralen und Sozialdemokraten gegen Seidlein aufmarschierten, wäh- die Niederlage seinen Kriegswillen stärkt und daß daraus rend Graf Hertling auf Seite des Verkehrsministers zu stehen abermals die Gefahr einer Verlängerung des Krie scheint. am merschmidt( Lib.) gab im Landtag dem wet- ges erwachst. nisterpräsidenten die Schuld, daß es zum offenen Konflikt zwischen
den Ministern gekommen sei und Hertling entschuldigte sich ziemlich Demgegenüber ist es Aufgabe unserer Politik, flar zü beLahm mit anderen Dienstgeschäften. weisen, daß auch der denkbar glänzendste Sieg in Italien Graf Hertling ist schon wegen der ablehnenden Stellung, die feine enderung in der Friedenspolitik er zum Barlamentarismus und zur Selbständigkeit Eljak- Lothrin- Deutschlands und seiner Verbündeten herbeigens als Bundesstaat einnimmt, für die Mehrheitslinke unmöglich. führt, wie sie in der Reichstagsresolution vom 19. Juli 1917,