Konfiskation! Am Sonntag, so wird uns berichtet, wurdeRoseuthalerstraße 33 im Vorsaal zur Versammlung der Berlinersreireligiösen Gemeinde die von buchhändlerischer Seite ausge-legten Schriften von einem Kriminalschutzmann einer Durchsichtunterzogen. Der betreffende Beamte suchte sich von den Schriftenu. a. aus: Die Proletarier, Der Sozialismus in der deutschenArmee, Die erste Lieferung von Mackay: Die Anarchisten, Dersozialdemokratische Staat, Sozialdemokratie und Antisemitismus,Die Polizei� und die Arbeitslosen. Auf Mitnahme von frei-religiösen Schriften, welche in großer Anzahl ausgelegt waren,und auf die Prachtausgabe von Schiller's Werken, 4 Bände ge-Kunden, verzichtete der betreffende Beamte. Nach Aussage desBeamten sind die Broschüren nur mitgenommen,„um zu sehen,was�ausliegt". Die Notiznahme von Titel und Verlag betreffen-der Schriften genügte dem Beamten nicht. Auf Verlangen er-folgte Bescheinigung, voin 13. Polizeirevier unterstempelt, daßdie obengenannten Schriften abgeholt sind.Der in Berlin verhaftete Nechtsauwalt T. war nichtin Berlin, sondern in Dirschau ansässig und seine Festnahme er-folgte bekanntlich auf Ersuchen des dortigen Amtsgerichts.T. hatte sich als Konkursverwalter mehrerer Unterschlagungenschuldig gemacht.Vermißt wird seit dem 9. d. M. der 41 Jahre alte TischlerAlbert Dehmel, der in der Frankfurter Allee III wohnte. Er hatblondes Haar und braune Augen, einen blonden Schnurrbart undträgt eine Brille.Ein scheußlicher KiudeSmord beschäftigt seit Sonntag dieKriminalpolizei. Gegen Mittag wurde in einem Graben auf derMöricke'schen Wiese beim Markgrafendamm ein grauer Futtersackgefunden, an dem noch Haferkörner und Häcksel hingen. ImInnern befand sich die Leiche eines Knaben, dessen Hals miteineiig scharfen Messer bis an den Wirbel durchschnitten war,so daß der Kopf nur noch leicht am Rumpfe hing. Die Leichewar unbekleidet. Die Thal ist zweifellos an dem Fundorte nichtverübt worden. Die Nachforschungen haben bisher zu keinemErgebniß geführt.Auö der beste» der Welten. Wegen Arbeitslosigkeit ver<suchte am Sonnabend Morgen um 2 Uhr der 40 Jahre alteArbeiter Wilhem Falbe sich das Leben zu nehmen. Er sprangaus dem zweiten Stock des Quergebäudes in den Garten, desGrundstücks Rüdcrsdorferstr. SO, ohne eben den gesuchten Tod zufinden. Innerlich schwer verletzt, wurde er mittels eines Lück-schen Krankenivagens nach dem Krankenhause im Friedrichshaingebracht.Ein Nmstaut, der angiebt, ein direkter Nachkomme desGenerals Vogel von Falkenstein zu sein, macht der Charlotten-burgcr Polizeibehörde zu schaffen. Derselbe, ein Mann in derMitte der dreißiger Jahre, wurde in vollständig reduzirtem undsinnlos betrunkenem Zustande am Sonntag Nachmittag in derKanlstraße aufgefunden und, da er unfähig war selbst seinenWeg fortzusetzen, in das nächste Charlottenburger Polizeireviereingeliefert. Nachdem der Sistirte vernehmungsfähig geworden,erklärte er, wie schon einleitend gesagt, Vogel von Falkenstein zubeiße» und ein Enkel des Generals zu sein. Der Jnhaftirte, derüber seine sonstigen Familienverhältnisse und seine Wohnungjede Auskunft verweigerte, mußte schließlich dem Polizeigefängnibzugeführt werden. Ob man es in der That mit einem Sproßdieses altadligen Geschlechts oder mit einem Schwindler zu thunhat, der sich nur diesen Namen beilegt, um etwa längeres Unter-kommen im Gesängniß zu finden, dürfte die eingeleitete Unter-suchung ergeben.ArgeS Gedränge gab's am Sonntag wieder einmal in derUmgebung des Schlöfles. Während die Arbeiterschaft sich aufdem Wege nach Friedrichshagen befand, ging unter Entfaltunggrößtmöglichsten militärischen und kirchlichen Gepränges dieGrundsteinlegung des neuen Domes von statten. Da gegen den„Umsturz" nichts Erwähnenswerthes gepredigt wurde, so könnenwir von einem ausführlichen Bericht über die Feier Ab-stand uehine». Das- eigentliche Berlin schien, mit Aus-nähme derjenigen, die alles mitmachen müssen, spärlichvertreten zu fein; man sah hingegen viele Bauern.Die umwohnenden Hauswirthe hatten sich diese prächtige Ge-legeiiheil, ihre Loyalität aus billige Weise zu dokumentiren, selbst-verständlich nicht entgehen lassen und fleißig bunte Fahnenherausgesteckt. Recht interessant aber war es anzusehen, wie manden„Giftbaum"— die Börse— eigens zu diesem Zweck aufgeputzt hatte.— Auf der einen Seite des Wassers das snnkel-nagelneue„Gotteshaus"— zu zehn Millionen Mark—, auf deranderen der ehrwürdige Mammonstempel: wird das nicht sehrgut zu einander passen?Neinickeudorf. In welcher gewaltsamen Weise man derSozialdemokratie den Boden abzugraben denkt, zeigt folgenderVorfall welchem man den bekannten Spruch beisetzen könnte„Werandern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein." Der Vorsitzende deshiesige» Gasttvirthsvereins, Herr Bötticher, hatte im vorigen Monat«in: Versammlung sämmtlicher(östlichen) Saalbesitzer einberufenund zwar zu dem Zweck, uns sämmtliche Säle zu verweigern,doch fand er trotz seiner ganzen Ueberredungskunst kein willtgesOhr und alle Mühe war umsonst. Herr Bötticher ist der Wirthdes Sceschlößchen dahier, Marktstr. 1 und 2. Aus seinem Verhalten darf wohl geschlossen werden, daß ihm der Besuchsozialdemokratisch gesinnter Arbeiter sehr unangenehm wäre.Polizcibericht. In der Nacht zum 16. d. M. wurde ausdem Kloset des Ringbahnhoses Potsdamer Bahnhof ein etwaVO Jahre alter Mann mit durchschnittenen Pulsadern und be-reite bewußtlos vorgefunden. Er wurde nach der Charitee ge-bracht.— Am 16. d. M. versuchte ein Mann, sich aufdem Jerusalemer Kirchhof am Grabe seines Vaters zuerschießen.— Am 17. ds. Mls. Morgens fiel einim ersten Stock eines Hauses am Weidenweg mitAnsbesserungs- Arbeiten beschäftigter Maurer mit deram offenen Fenster stehenden Leiter um, stürzte aus den Bürger-steig hinab und erlitt schwere Verletzungen.— Auf einem Grund-stück am Markgrafendanun wurde Mittags die Leiche eines neu-geborenen Kindes mir einer tiefen Schnittwunde am Halse auf-gefunden.— An der Ecke der Berg- und Jnvalidenstrape geriethNachmittags eine 77 Jahre alte Frau unter die Räder einesEeschästsivagens und erlitt einen Rippenbruch.— Am 16. und17. d. M. fanden fünf kleine Brände statt.WitterungSiiberficht vom 18. Juni.Wetter-Prognose für Dienstag, de» 19. Jnni 1894.Etwas kühleres, veränderliches, vorherrschend wolkigesWetter mit leichten Regenfällen und mäßigen westlichen Winden.Berliner Wetterbureau.Geviifcks-Beiltmg.Unter dem dringenden Verdacht, Depots und Gelder imBetrage von etwa 30 000 M. unterschlagen zu haben, ist imJanuar d. I. der Buchhalter Emil Schubertb verhaftetworden. Der Angeklagte war seit 20 Jahren in dem Bankgeschäftvon Mahler und Pietsch angestellt. Eines Tages wollte einSchutzmann sein bei der Firma hinterlegtes Depot abheben, eswar nicht zu finden und der Angeklagte gestand seinem Chef ein,daß er das Depot unterschlagen habe. Als man ihm näheraus den Leib rückte, gab er zu, auch noch andere Unter-schlagungen in Gesammthöhe von etwa 30 000 Mark be-gangen zu haben. Er war auch ohne viel zu bestreiten,sofort geständig und der Hauptverhandlungstermin konntesehr bald angesetzt werden. In diesem Termin zeigte es sichaber, daß die Sache keineswegs so einfach lag, vielmehr erschienes nothwendig, die Bücher dem gerichtlichen Sachverständigen,Bücherrevisor Engelmann zur sorgfältigen Prüfung zu über-weisen. Das Gutachten desselben gewährte erst ein klares Bildder ganzen Sachlage und es stellte sich heraus, daß man es beidem Angeklagten nicht mit einem rafsinirten Verbrecher, sondernmit einein überaus schwachen Menschen zu thun hatte, der, umDienst-Vernachlässigungen zu vertuschen, die gewagtestenSchiebungen unternommen hat, die zu beherrschen er schließlichnicht mehr iin Stande war. Er hat nachgewiesenermaßen beiverschiedenen Kunden, die bei der Firma spekulirten, es an dernöthigen Kontrolle bezüglich des Verhältnisses der Unterlage zudem Umfange der Spekulationen fehlen lassen. Da er darausVorwürfe und Entlassung aus seiner Stellung befürchtete, beganner mit den erwähnten Schiebungen, die darin bestanden, daß ermit dem Gelde der Firma Spekulationsgeschäfte unter demNamen der Kunden machte, um auf diese Weise wieder gut zumachen, was er durch seine Nachlässigkeit verschuldet hatte.So nahm er verschiedentlich Geld aus der Kasse, um Papiere da-für zu kaufen, dann wieder verkaufte er Papiere und legte dasGeld dafür in die Kasse, spekulirte auch wohl selbst einmal mitdem Gelde der Firma unter fingirtem Namen. Schließlich hat erAngesichts des chaotischen Wirrwarrs, den er angerichchtet, seinenKops vollständig verloren. So viel ist gewiß, daß er die ganzenManipulationen nicht aus Eigennutz oder um das Geschäft zuschädigen ausgeführt hat. Er hatte gehofft, daß die Kursesteigen würden und er das Geschäft durch den Gewinnwürde schadlos halten können. Zu seinem Unglück sind nun aberdie Kurse gefallen und daraus hat sich ein Verlust für die Ge-schäftskasse herausgestellt. Als die Sachlage klar gestellt wordenwar, hat Herr Pielsch sofort Schritte zu gunsten Schuberth's beider Staatsanwaltschaft unternommen, die Anklage war aberbereits erhoben. Trotzdem 14 Unterschlagungs- und zwei Be-lrugsfälle vorlagen, beantragte Rechtsanwalt Dr. S ch w i n d tdoch mit Rücksicht auf die ganze Sachlage und die Persönlichkeitdes Angeklagten eine möglichst gelinde Strafe und Anrechnungder Untersuchungshaft. Der Gerichtshof erkannte auf siebenMonate Gefängniß und rechnete vier Monate auf dieUntersuchungshast an.AnS Kiel berichtet das Hamburger„Echo": In der Straf-.kammersitzung am letzten Freitag wurde Dr. Rüger aus Elber-selb, der wegen Gotteslästerung sich verantworten sollte, außerStrafverfolgung gesetzt, nachdem Kreisphysikus Dr. Joens erklärthatte, daß der Angeklagte bereits seit zehn Jahren geisteskranksei. Trotzdem aber Hai man den bedauernswerthen Mann niehr-fach zu Gefängnißstrafen verurtheilt. Auch zu der Verhandlungam Freitag wurde er aus dem Gefängniß in Elberfeld vorgeführt.Wenn Dr. Joens Recht hat, woran zu zweifeln wir nach derEntscheidung des Gerichts keine Ursache haben, dann muß mandoch fragen:„Gehört ein Geisteskranker in's Gefängniß?"Sozisle Llebevstihk.Der Verein für Sozialpolitik. Die nächste General-Versammlung des Vereins für Sozialpolitik wird am 28. und29. September d. I. in München abgehallen werden, und zwarsollen diesmal die Frage der industriellen Kartelleund das ländliche Vererbungsrecht behandelt werde».Der Verband deutscher Schneider und Schneiderinnenhat nach Bekanntgabe der„Fachzeilung der Schneider" in216 Städten Filialen errichtet. Gewiß ein guter Beweis für dieEntwickelung der Organisation.Zum Boykottgeschrei schreibt der Chemnitzer„Beobachter":Augenblicklich geht durch die„gutgesinnte" Presse ein ge-waltiges Geschrei über die Sozialdemokratie, welche Gastwirthe,die ihre Lokalitäten wohl anderen Parteien, nicht aber uns zurVerfügung stellen, boykottirt. Man verlangt von den Richterndie weitestgehenden Urtheile, um uns mit ver ganzen Schweredes Gesetzes zu treffen. Da wollen wir den Entrüsteten einmaleine Nuß zu knacken geben. Uns ist folgendes, von der Militär-behörde an jeden Soldaten der Garnison Chemnitz übergebenesSchriftstück in die Hände gefallen:Verbotene Lokale der Garnison Chemnitz.(Folgen 53 Wirthschaftcn.)Hier haben wir also achtundfünfzig Gewerbebetriebe, derenBesuch die Militärbehörde den Soldaten verbietet. Aus der Listestand auch die„Hermannsburg". Nachdem aber der Wirthschleunigst den„Beobachter" abbestellte,-ist sein Name gestrichenworden. Ferner„Stadt London". Aber auch Herr Schreiberist ja zu Kreuze gekrochen und— sein Name wurde gestrichen.Dagegen setzte man Häßler's Restaurant aus den Index— seit-dem unser Genosse Eckardt das Lokal hat. Wir fordern nun dieArbeiter von Chemnitz und Umgegend auf, gerade die auf derListe verzeichneten Lokale bei ihren Ausgängen zu besuchen, dieWirthe und Geschäftsleute zn unterstützen. Den Gegnern aberrathen wir, den großen'Mund nicht so voll zu nehmen, wenn sieüber sozialdemokratischen Boykott schreien. Man steht, sie habenvor der eigenen Thürc zu kehren.Als Motto setzt der„Beobachter" diesem Artikel dasFolgende vor:„Wer den Gewerbebetrieb eines Anderen dadurch zu störenoder zn beeinträchtigen unternimmt, daß er öffentlich durchRede oder Verbreitung von Schriften oder durch Anschlagoder sonst in össentlicher Weise dazu auffordert, aus einem be-stimmten Geschäftsbetriebe keine Waaren anzukaufen oder dortzu bestellen, beziehentlich in einem bestimmten Geschäftslokalenicht zu verkehren, wird— insoweit nicht eine Bestrafung nach360u des Reichs-Slrafgesetzbuches einzutreten hat— miteld bis zu 150 M. oder mit Haft bis zu 14 Tagen bestraft.(Bekanntmachung verschiedener sächs. Polizeibehörden.)Lörrach. Ein Opfer des Klassen st aateS. Einsehr bedauernswerther Fall ereignete sich in der Nähe unsererStadt, der im allgemeinen Interesse weiteste Verbreitung ver-dient. Beim Kaiserl. Postamt Steinen war ein 163/4 Jahrealter Beamter seit 4 Wochen als Gehilfe angestellt, mit einemMonatsgehalt von 30 M. Die Auslagen für Wohnung undKost betrugen 37 M. monatlich. Beim Dienstantritt erhielt ervon seinen Eltern 15 M. Zuschuß. Nachdem der junge Mannschon einige Tage kein Taschengeld mehr hatte, entwendete erden Briefträgern Postwerthzeichen im Betrage von 7 M. undsetzte sie in Geld um. Sein Vorgesetzter(Kaltenbach), ein ehe-maliger Feldwebel, überführte ihn dieses Vergehens undentließ ihn sofort aus dem Dienste, was ihn in denTod trieb. Vor seinem Tode schrieb er seinem Vor-gesetzten, daß er ihm seinen Kopf für sein Vergehen zuFüßen lege, daß er. der Vorgesetzte, allerdings richtiggehandelt habe, er hätte aber auders handeln können, ohne ihnin den Tod zu treiben. An seine nun untröstlichen Eltern richteteer folgenden Brief:„Lörrach, meine Todesstadt, den 3. Juni 1394. Meine liebstenEltern! Diesen Bries seid so gut und behaltet ihn auf so langeIhr lebt, denn er ist von Eurem nun in Gott zur Ewigkeitgehenden Sohne Konrad, der die Worte seines braven Vatersund seiner lieben Mutter vergessen und auf Abwege gegangenist. Liebste Eltern! Wegen kleiner Vergehen bin ich heute fürimmer aus dem Dienste entlassen worden. Ich will Euch gestehen,was der Grund hierzu war. Ich hatte nämlich schon Sonntagkein Geld mehr; deshalb habe ich dem Briefträger Freimarkenentwendet und in Geld umgesetzt. Dabei wurde ich vom Amts-vorstand ertappt, der es der Oberpostdirektion anzeigte, woraufich heute früh aus dem Postdienst entlassen wurde.In meiner Verzweiflung habe ich den festen Vorsatzgefaßt, mich heute Abend dem Zuge 317, von Baselher kommend, unter die Schienen zu legen, um meinemlasterhaften Leben ein Ende zu machen. Weint nicht, sondernverdammt mich! Ich habe Euch, meine Liebsten, nur geschrieben,daß wenn Ihr einstens wieder an mich denken möchtet, Ihr einkleines Andenken von mir habt. Seid doch so gut und kümmertEuch nicht darüber, Ihr thut es mir zu Liebe. Also, lieber un-glücklicher Vater, Mutter und Geschwister, ein Wiedersehen injener Ewigkeit, wo es keinen Kummer und keine Thräne mehrgiebt, möge Euch beruhigen. Amen! Meine letzten Worte.Euer Konrad. Im Grabe rst Ruhe. Laßt mich in Konstanz be>erdigen und besucht auch meine Grabstätte,-j--j--s"Ob durch solche Vorkommnisse die Postbehörden noch nichtüberzeugt werden, daß sie die Pflicht haben, ihre Beamten fürihre Arbeit so zu lohnen, daß sie nicht durch Roth zu Vergehengetrieben werden! Erhebt dieser Fall nicht eine furchtbare Anklagegegen eine Gesellschastsorganisation, wo selbst Behörden die Arbeitso gering bezahlen, daß damit bei den allerbescheidensten An»sprüchen nicht auszukommen ist. Das Amtsblatt, der„OberländerBote", sucht diese„göttliche Weltordnung" mit folgendem zu be«sckönigen:„Der entlassene Postbeamte Dieter von Konstanz legtesich gestern in Verzweiflung über seine Entlassung zwischenHaagen und hier auf die Schienen und wurde so vom Zugeüberfahren, daß sein Kopf glatt vom Körper getrennt wurde.Hätte der junge Mann religiöses Gefühl und Mannesmuth be-seffen, so würde er ein neues, besseres Leben begonnen haben."Unmittelbar an diese Notiz reiht sich folgende:„Der vor wenigenTagen hier beerdkgte Soldat war wegen anderer Vergehen wieder-holt, und auch schon wegen Fahnenflucht einige Monat in Strafeund stand in zweiter Klasse. Da derselbe die Garnison ohneUrlaub verlassen hatte, so war abernralige Fahnenflucht anzu-nehmen; daß unter solchen Umständen eine quasi offizielle Be«theiligung irgend eines Truppentheils, auch eines Bezirks-kommandos, an der Beerdigung ausgeschlossen ist, dürfte wohlJedem, der Militär war, bekannt sein." Wie vielsagend sinddiese beiden Notizen, die das Amtsblatt nebeneinander bringt!Bei der Reichspost muß an den Gehältern so gespart werden,daß unmöglich damit auszukommen ist und die Millionen,welche diese Reichspost alljährlich erübrigt, also an diesen Hunger«löhnen ihrer Beamten erspart, sie werden dem Moloch Mili-carismus zugeführt. Der Militarismus, der dem ganzen VolkeMark und Blut aussaugt, er muß bestehen, so lange die gegen»wärtige„sittliche Weltordnung" besteht und die Amtsverkündigermüssen diese„sittliche Weltordnung" loben und preisen, so lange— die Amtsverkündiger bestehen.NuS Kopenhagen wird uns telegraphirt: Ein Streik derArbeiter in einer Dampfweberei steht bevor, deshalb ist Zuzugvon Baumwoll- und Damastwebcrn von Kopenhagen fernzuhalten.Nähere Auskunft ertheilt I. I. Möller, Thorsgade 33, IVin Kopenhagen.DaS Elend in Sizilien. Aus Palermo, sowie andernStädten Siziliens, treffen sehr ungünstige Nachrichten über dieLage der Arbeiter ein. Ganze Häuser stehen leer, Arbeiter ziehenauf den Feldern umher und nähren sich von Pflanzen. Auföffentlichen Plätzen versammeln sich Frauen und Kinder undbejammern in lauten Worten das Elend. Die Polizei muß fasttäglich Plakate entfernen, welche zur Revolution und Brand-stiflung auffordern. In Tavare sind Tausenden von Schwefel-gruben-Arbeitern ohne Beschäftigung; dieselben zogen gesternnach Racolminto und forderten die dortigen Arbeiter auf, dieArbeit niederzulegen, wenn nicht Alle lohnende Beschäftigungfinden.Dertmfickjkes:Hochwasser. Aus Tr op pa u wird berichtet, daß in zahl-reichen Gemeinden Hochwasser eingetreten ist, drei Weichselbrückensind bereits weggerissen, die Eisenbahnbriicke bei Tesche»� istgefährdet. Das Hochwasser der Oder erreichte vier Meter überNull, die Brücken in Karwin, Darkau und Koukolna find ge-sperrt und die Kommunikation unterbrochen. Die GemeindenPiosek und Nukopetz haben stark gelitten; zahlreiche Felder sindüberschwemmt. Die Stadt Schwarzwasser, sowie die umliegen-den Gemeinden sind in höchster Wassersgefahr. Eine KompagnieInfanterie, sowie eine Abtheilung Feuerwehr sind dahin abge-gangen; seit früh hat der Regen nachgelassen. Das Wassersällt.— Eine Herold-Depesche meldet aus B u d a p e st: Ausallen Landestheilen treffen beunruhigende Nachrichten überdas Unwetter der letzten Tage und die durch dasselbehervorgerufenen Schäden ein. Besonders große Verheerungenwerden aus dem Waagthal in Ober- Ungarn gemeldet.Viele Brücken sind weggerissen; der Eisenbahnverkehr ist theil-weise unterbrochen. Durch Schnee und Hagel ist in vielenGegenden die Ernte völlig vernichtet. Auch Verluste anMenschenleben sind zu beklagen. In Bielitz an der galizisch-schlesischen Grenze dauert das Hochwasser fort. Die Olsa undWaag sind aus den Ufern getreten und haben mehrere Ort-schaften unter Wasser gesetzt.Die Pest iu Hongkong. Nach einer beim Kolonialamteingelaufenen Depesche belrägl die Zahl der bis jetzt in Hongkongan der Pest Gestorbenen 1900, darunter 2 englische Soldaten.Acht erkrankte Soldaten sind wieder genesen. Die Zahl derEinwohner, welche die Stadt verlassen haben, wird aus 80 000geschätzt.. Der von der Seuche hauptsächlich heimgesuchte Stadt-theil ist gesperrt worden. Die letzten Meldungen lauten be-ruhigender. Ueber die Pestepidcinie wird dein„British MedicalJournal" berichtet:„Die jetzt hier wüthende Bubonenpest ver-breitet sich von Person zu Person. Es muß Berührung stattfinden.Ueberbevölkerung und Schmutz bilden die Hauptursachen der Ver-breitung. Hongkong besitzt ein gutes Abzugssystem und ist jetzt eingesunder Ort, soweit es den europäischen Stadttheil anbetrifft. Indiesem hat sich die jPestj fast gar nicht geltend gemacht. Die Ueber-bevölkerung der Kuliquartiere dagegen ist, vom europäischen Ge-sichtspunkt betrachtet, fast unglaublich. Auch die Sitten derKulis sind derartig, daß es der größten Anstrengungen bedürfenwird, die Epidemie zu unterdrücken. Solche Maßregeln werdenschon jetzt ergriffen und Soldaten desinfiziren die sämmtlichenHäuser. In den übrigen chinesischen Städten, wohin die Flächt-linge von Hongkong die Epidemie wahrscheinlich eingeschleppthaben, wird es nicht anders aussehen. Namentlich Canton, wodie Straßen Tags über mit Leuien besäet sind, wird viel zuleiden haben. Offene Abzugskanäle laufen durchs jede Straßeund die ganze Stadt starrt vor Schmutz. So ist es in denmeisten chinesischen Städten. Von Hongkong aus kann sich diePest leicht über ganz China verbreiten."Dauerredner Fräukel. Mit vielem Vergnügen haben wir,so schreibt man uns aus Königsberg i. Pr., vernommen, daßDr. Fränkel die Geschichte von den 7 Petroleumlampen und demBuchbindermeister Aßmann noch nicht vergessen hat. Vor etwa2 Jahren bereiste Fränkel Ostpreußen und schmückte seine drei-bis vierstündigen Rede-Uebungen damit. Wo der Mann hieraufgetreten ist. da hat er in des Wortes verwegenster Bedeutungseine eigene Partei todtgeredet.