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Nr. 342 im
Unterhaltungsblatt ües vorwärts
§re!tag, 14. Dezember
Zur Naturgeschichte öer Brüllaffen. Von Georg vrandeS(Kopenhagen  ). InPolitiken  " lesen wir die nachstehende politische Satire aus der Feder deS berühmten dänischen Schrift- stcller«: Ter Brüllaffe(Mycetet seniculus) gehört zu der Familie der breitnasigen Affen, ist von kräftiger, untersetzter Gestalt, hat einen grogen�lopf und ein blasenartig autgedunieneS Zungenbein, das ferner Summe gewallige Kraft und unerhörten Umfang verleiht. Der Brüllaffe verbringt den größten Teil ieineS Lebens mit Brüllen; während der übrigen Zeit frifet und schläft er. Die Brüllaffen spielen in der Zoologie eine verhältrffßmShig untergeordnete Nolle, dafür aber eine umso größere in der Politik. Der politische Brüllaffe unterscheidet sich von dem zoologischen in erster Linie durch den Geldbeutel, den er sich füllen laffcn lann, und in zweiter L'nie dunb das Gehirn, das sehr leicht erregbar ist. Der politische Brüllaffe prägt sich genau das Schlagwort ein, das man ihn gelehrt bat und wird nie müde, mit flammender Begeisterung die politische Formel seiner Partei zu wiederholen, die er aus voller Limgenkratt in die Welt hinausvrüllt. ES ist bekannt, daß der Brüllaffe sich zu diesem seinem Geschäft mit Borlieb« auf eine möglichst hohe Stelle setzt, da er sich sagt, daß man ihn umso weiter vernehmen werbe, je höher er jeweils sitzt.... Mit Vorliebe tritt der politische Brüllaffe als sogenannte .öffentliche Meinung' in der Tagespreise auf, wo er dann nicht mehr über eine, iondern über 20000, 50 000, 100000, ja, wenn er Lord Aoitkcliffe heißt, gor über mehrere Millionen von Stimmen verfugt. Er bringt mit ihnen ein derart fürchterliches Gebrüll her- vor, daß kein Laut der Welt sich damit zu meffen vermöchte und Asrnunff und gesunder Menschenverstand in panischem Schrecken die Fluch! ergreifen. Den Schaden, den der Brüllaffe mit dieser seiner Begeisieruug häufig anrichtet und der sich schlechterdings nicht be- schreiben läßt, pflegt er stet« erst nach dem Gebrüll zu erkennen, was eine keiner besonderen Eigenarten ist. Der politische Brüllaffe geht also mit der Presse durch Dick und Dümi; sc richtig in«einem Element fühlt er fich doch erst, wenn er die tchnmenden Fittiche der Zensur über sich merkt, die unbarm- herzig je»r� Regung gesunden Menschenverstandes unterdrückt, der des Brüllaffen Todfeind ist. I« der bleiernen Totenstille, die ent- steht, wenn d>e Zensur den letzten Funken von Vernunft erstickt und den letzten selbständigen Gedanken niedergestreckt hat, erbebt der politische Brüllaffe seine weithin schallende Stimme und dirigiert die Presse als Orchester. Die Kirche war zu der Zeit, da sie jede Ketzerei rücksichtslos unterdrückte, zweifelsohne eine imvoiante Macht. Die Presse aber, in die von der Zensur befohlene Uniform gezwängt, ist die mäch- tigste Gt»ßm»ch, der»«lt. A» der Kirche wurde nnr einmal in der Woche geprehig«. die Presse predigt jeden Tag. ja vielfach sogar zweimal täglich. Zur Kirche mußten die Leute exira hin- gehen, die Presse aber kommt selbst zur Tür hereinspaziert oder wird unter der Tür bereingeschoben. Kein zoologischer Brüllaffe möchte sich so schmal machen.... E« ist eine alte Eifahrung, daß es stetS die polltischen Brüll« offen sind, die in bewegten Zeiten an die Spitze der großen Staaten treren. Sie versehen ihr Geschäft dort mit großem Eifer und Stimmaufwand, bis cS sich emeS TageS als notwendig erweist, sie zu entfernen, wenn ander? die gepeinigten Zahörec unter den Böllern wieder zur Ruhe kommen sollen. Bei allem Respekt vor den gegenwärtigen Lettern der eurovälschen sowohl wie der ameri- kaniichen Politik kann ich nickt umhin zu betonen, daß die jetzigen Zeitläufte den Brüllaffen so günstig sind, wie noch nie. Wie lange wohl noch...? (Deutsch   von 53. P. Larsen)
vom flgitator zum General. Krhlenko, der von der bolschewikischen Regierung zum Ober- kommandierenden des russischen HeercS ernannt wurde, war bis zu dieser Ernennung nur Fähnrich und verrichtete eigentlich nur al« Unteroffizier Kriegsdienst. Er gehörte zu den eifrigsten Anhängern der antimilltaristiichen Ideen und ihrer Propaganda. Die Warschauer ZeitungKurier PolSte' gibt folgende bio- graphische Schilderung dieses bisher ganz unbekannten ManneS, der so plötzlich in den Bordergrund der Sreigniffe gerückt wurde. Kiylenka ist 83 Jahre alt. Er entstammt einer russischen Familie, die lange Zeil in Polen   ansässig war. Er ist in Lublin  geboren, wo sein Bater in einem Branntwein-Zovamt Angestellter
war, ohne Aussicht auf Beförderung, da seine sozialistischen Ansichten seinen Vorgesetzten ein Dorn im Auge waren. Ter junge Krylenko legt« 1902 auf dem Subliner humanisti« scken Gymnasium seine Reifeprüfung ab und erhielt die.Goldene Medaille', die bedeutende Privilegien für Studien in Ruß- land verleiht. Dann besuchte er die Universität in Petersburg  . Während der ersten Revolution betätigte er sich ai» sozialdemo- tratischer Agitator unter dem Namen.Parteigenosse Abraham'. Als ausgezeichneter Redner und überzeugter Partcigenoffe war er bestens bekannt und nahm infolgedesien trotz seiner Jugend eine leitende Stellung in der revolutionären Bewegung ein. Bereit« damals trat er für Lenin   ein und in einer Zeilschnft.In Banden der Orthodoxie' wandte er sich gegen den sozialistischen   Dogmen- glauben der.Alten' und ließ in dieser Schrift seine antimilita- ristisch« Ueberzeugung klar zutage treten. Trotz vielfacher Verfolgungen gelang es Krylenko, feine juristischen Studien zn beenden und von der historischen Fakultät ein Abgangszeugnis zu erhalten. Da die Regierung ihn infolge seiner vorhergegangenen Betägigung im Auge behielt, ward es ihm nicht möglich, die RechtSanwaltSlaufbahn einzuschlagen, wie er wollte. Um aus keinen Fall in Not zu gerate», kehrt« er zu seiner Familie in Liiblm zurück und oab dort Stunde» in russischer Sprache und Gesckiibte an einer polnischen Privaischule. Zur selben Zeit hielt N<b Lenin in Krakau   auf, um die Verbindung mit Krylenko nach Möglichkeit aufrecht zu erkalten. Um dem Freunde näher zu fem. ließ sich Krylenko   in dem russischen Grenzstädtchen SoSnowice al» Sprachlehrer nieder, jedoch die Arme der heimlichen Polizei erreichten ihn auch hier, und eine« schönen Tage« wurde ihm verboten, seine Lehrtätigkeit in Privatschulen auszuüben. Krylenko brauchte nun seine Arbeitslosigkeit, um seiner Wehrpflicht zu genügen. Anfang? ging es nickt ohne Konflikte ab, aber nach und nach scheint der Antimilitarist ein mustergültiger Soldat geworden zu sei». Erst kurz vor Kriegsausbruch wurde er entlassen. Er reist« sogleich ins Ausland zu seinem Freund Lenin   und blieb bei ihm in der Schweiz  bis zum Ausbruch der Revolution.
Kunstblätter zu Weihnacht. Wo alles rar wird, weiß mancher nicht, wo? er zu Weihnachten schenken soll. Sind doch auch die Kinderbücher schon von den Ver- legem zugewiesen worden, so daß die Buchhandlungen nur eine be- stimmte Anzahl erhielten. Glücklicherweise gibt es ohne Bezugschein aber auch noch die schönen farbigen Kunstblätter, wie sie besonders Leubner und Voigtländer   herausgegeben und die Kunstwanblätter und Mappen, die zu wahren Kunstgenüffen einladen. Au« dem Teubner-Berlag sind besonders zu empfehlen: Land- schakisbilder wie z. V. Bolkmann» Wogende« Kornfeld. BieseS Scheidender Tag. LicbmannS Alte Rheinbrück« bei Laufenburg  , Oswalds Maientag, Bauriedl» Frühling im Gebirge. Weber« Herbstsegen. KampmonnS»aldau us«. Weiler Bilder auS Deutsch- land« malerischen Städten wie Rümberq. Roihenburg, Dresden  . Danzig  , Stralsund  , femer Bilder au« dem Volksleben, Blumen- stücke ivie HerrmannS Blumenmartt m Holland  , Friese und Märchen- bilder. Auch die markigen Charakterköpfe Karl Bauer« sowie Diesten- backs formschöne Schattenbilder(das Einzelblatt 7S Pf.) sind hier zu liennen. Auch einige Neuerscheinungen sind hinzugekommen. So Moritz v. SÄivind« Wartburg-Wandfrieie(93X41 Zenti­meter. Preis 5 M.). die längst zum deutschen   Nationaleigentum ge- hören, und die nun in farbiger Ausführung vollkommen getreu den Eindruck der Originale hervorrufen. Zunächst sind erschienen: Wart Berg, du sollst mir eine Burg werden, Landgraf werde hart. Treu« Mannen sind die beste Mauer, Der gerechte Landgraf. E. Sckuppe zeigt uns auf seinem Blatt Auf der Wackl im Schützengraben einen Feldgrauen am Ausguck, das Gewehr im Anschlag, den scharf gespannten Blick in die Ferne gerichtet. Ueber all diese Bilder und viele andere noch gibt der neu- erschienene Katalog mit farbigen Wiedergaben von' 200 Blättern (Preis 30 Pf.) Auskunft. Der Berlog liefert auch aus eigenen Werkstätten geschmackvolle jedem Bilde angepaßte Rahmen. Experiment tmö Gravitationstheorie. Mitten im Toben des Wellkrieges schickt sich die Wissenschaft an, ein« Tat de» Frieden« vorzubereiten, die für daS menschliche Naturerkennen von der weittragendsten Bedeutung zu werden ver- spricht. Gilt e« doch die Richtigkeit der Einstein schen Gravitations­theorie durch den Versuch zu beweisen. Ueber diese Theorie ist auch im.Borwänö' seinerzeit berichtet worden, soweit sich dies in ge-
meinverständlicker Weise und ohne Anwendung höherer Mathematik ermöglichen ließ. Ist nun die Ansicht Einsteins   vom Wesen der Schwerkraft richtig, so muß ein Lichistrahl, der durch ein von dieser Kraft be- berrschteS Feld(Gravitationsfeld) geht, von seiner gradlinigen Bahn abgelenkt werden; diese Bahn muß dann eine Krümmung erleiden. Bereits im Juli des Jahres 1914 war von der Berliner   Stern- warte eine Kommiision nach der Krim   entsandt worden, die experi- mentelle Beobachtungen in dieser Richtung anstellen sollte. Leider mußien die Gelebrien infolge des Ausbruch« de« Krieges unver- richteter Dinge zur Heimat zurückkehre». Nun solle» die Versuche. wie Dr. O. Virck vom Physikalisch-astronomischen Observatorium in Potsdam   in der.Naturwissenschaftlichen Zeilschnft' mitteilt, wieder aufgenommen werden, und zwar gelegentlich der im Mai deS Jahres 1919 stattfindenden totalen Sonnenfinsternis. Es werden bereit? heute die Vorbereitungen zur phoiographi- schen Austrabm« de« Sternenhimmels der verfinsterten Zone ge- troffen, durck welche man den fraglichen Beweis zu erbringen ge- denkt. Al« Operationsfeld ist nach Virck das äquatoriale Brasilien  am geeignetsten. Hoffentlich ist bis dahin da-Z friedliche Zusammenarbeiten der Nationen soweit gesichert, daß die Beobachtungen von einer inter­nationalen Kommission unternommen werden können, welcher Um- stand allein für möglichst einwandfreie Ergebnisse der Untersuchungen Sicherheit zu bieten vermag. vr. Zl. I?. Notizen. Karl Sternheim   las am Mittwoch in der Berliner Sezession   auf Einladung der ZweimonatSschrist Marsya«. Er gab Satirische« in seiner kalten, höhnischen Act. Man ivürde sich das ? �fallen lasse», wenn hinter den Dingen eine Welt, eine Persönlich- cit stände. Aber daS menschliche Ich. daS man spürt, ist dürftig. kleinlich und überdies durchaus überheblich. Sternheim leitet das Recht zum Spoit nur au« der eigenen Anmaßung ab. Einer ohne jedes GeniemfchaftSempsinden. nur in fein enges, selbstisches Ich eingeschlossen,, bespöttell jedcS Gefühl, erniedrigt jeden Gedanken. Sein Witz blendet manchmal; aber er ist kalt. Sein innerstes Wesen ist Lieblosigkeit. In der ersten Gelckichte pries er das Be Hägen deS Gleichgewicht«, da« durch ökonomisch« ErnährungS- Methode erzengt tvird. Störend in diesem harmonische» Da sein wirken nur die großen.Metaphern'; das. was andere geistige und Gefühlswerte nennen, und die zweite Geschichte,Heidenstamin', war gegen den Gesinnungswandel mancher Leute im Kriege ge- richtet. Sternheim erzählt in einem unmöglichen, gekünstelien Deutsch. Seine DarstellnngSweise ist unam'chaulich, ahstrukt. Die Stoff« sind aewaltsam zurechtgerückt. Heidenstamm war die beste Sache. Der Typ au« den, bürgerlichen Heldenleben, den er hier hin- stellt, ist nicht übel getroffen. Aber im ganzen: ein Literat, kalt, lieb lo« und überheblich. Märchenvorlesung. Am Sonntag, den 16. d. M. wird Fried«! Hintze in der Oeffenilichen Lesehalle der Deutschen Gesellichast für ethische Kultur, Rungestr. 28, Weihnachtsmärchen vorlesen. Anfang 4 Uhr. Eintritt ftei. «- Theaterchronik. Im Tentschon Theater veranstaltet .,?) a s j u n g« D« u t s ch l a n v". die neue Gesillschaft zur Pflege junger Dichtung, am Donntag, den 23., die Uraufführung von Reim Herd Sorge» dramatischer SendungDer Bettle c". Der VorwärtS-Abreißkalendcr für 191S, ein guter alter Bekannter, ist auch dieses Jahr trotz Kriegsnot und Papiermangel wieder erschienen. Das EinrahmungSbild.ist besow der« aktuell; zeigt den jugendschönen Geniu« der Zeit, wie er den finsteren Kriegsmächten das abgelaufen! Stundenglas vorhält. So kündet es den Anbruch einer hellen Zukunft. Im übrigen ist die Ausstattung die gewohnte alte, nur daß die Datenzahlen der Sonntage besonders hervorgehoben sind. Bor allem bietet die Rück- feite wieder eine solche Fülle politiich-staiistischer Notizen gewerk- schaftlicher und konsumgenoffenlchaftlicher Uebersichten, von trefflich gewählten Gedichten, Aussprüchen, Zitaten, daß mancher dieses wertvolle Material sich sammeln wird. Jeder Tag bietet etwas zum Nachdenken, zum Vergegenwärtigen oder zum künstlerischen Ge- nießen. ES gibt keinen zweiten Kalender, der dem ausgeklärten Ar- beiler ein so treuer und vielseitiger Gefährte für da« ganze Jahr wäre. Leider ist der Kalender bei seiner Ausgabe auch in diesem Jabre so gut wie vergriffen, trotzdem die Vorwärtsdiuckerei, in deren Verlag der Kalender erscheint, den verspätet einlaufenden Be stellungen durch bedeutend erhöhte Anflage Rechnung zu trage« glaubte.
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Die welsihe Nachtigall. Der Roman eines sterbenden Jahrhundert». KZj®cm Franc«. Mag die Jungfer nicht einen Augenblick eintreten? So lang's Unwetter währt, hat's keine Gefahr, und der Student mächt' ihr so von Herzen danken und sie könnt' und sollt' ihm noch manches raten, wie wir ihn am besten wegbringen.' Sie bedachte nichts und ging mit in die Stube des Herrn Schnurbein  . Dort saß der Peißer in einem überaus komischen Auf- zug. Den», da er klein und Herr Schnurbein   lang ge- wachsen war. paßten ihm dessen alte Kleider, die er nun an- hatte, gar nicht. Wohl konnte man sich helfen, indem man die semmelblonden Pantalons abschnitt, aber dem blauen flrack konnten die Schultern nicht enger gemacht werden und seine Schöße hingen an dem Männchen bis weit unter die Knie herab. Aber das beachtete jetzt niemand, am wenigste« Peißer selbst. alS er aufsprang, so gut das sein verrenktes Bein er- laubie, und ohne Scheu seine Retterin in die Arme nahm und ihr beide Hände abwechselnd küßte. ..Jungfer SeyboldSdorf. der Schnurbein   hat recht, sie ist ein Engel mein Rettftngsengel," stammelte er. ..Aber Peitzer, waS schwatzt er da wieder," fiel verlegen der Kommis ein. Aber Regina gab ihm zaghaft die Hand, während sie mit der andern die deS Studenten nahm und sagte: Nein. Peißer, sein wahrer Rettungsengel steht da der Herr Schnurbein   ist ein wirklich guter Mensch." Und sie sah mit einem bewundernden Llick auf Schnur- beüi. daß dieser die Augen zu Boden schlug und vor innerer Äerlegenheit daS denkbar unpassendste tat, nämlich hinausging und die beiden allein ließ Das benutzte Peißer sofort z» einer Frage: Wo ist Reinhard? Kann er nicht kommen? Ut er gar Befangen?" setzte er angstvoll auf Reginas sichtliche Verlegen- eck hinzu. Reinhard weiß überhaupt nichiS. Er Hat'S nicht wollen?' sagte sie leise. Reinhard weiß nichts? Sie hat es allein gemacht?" Ihm blieb der Mund offen. Ja. Vir haben uns gestritten. Cr glaubt jener mehr
als mir. Er glaubt, ich tauge zu nichts. Alles ist die andere." Wem glaubt er mehr, wer ist die andere?' Die Baronin Dury." Dury? Wer ist das? Ist das nicht eine Sängerin, so eine welsche Nachtigall?" Ja dieselbe, die Sie wissen schon die vom Herzog. Im FranziSzischlössel wohnt sie und Reinhard ist bei ihr, MichalanSky hat ihn hingeführt." Peißer sprang ans. Ihm wurde blutrot vor den Augen. MichalanSky? Der Hundl" Ja der ist daS Subjekt der Baronin." Tränen drangen ihr aus den Augen. Erst jetzt, da sie davon sprechen konnte, löste sich von ihr der Bann, der sie bisher stark erhalten. Jetzt war sie wieder das schwache kleine Mädchen. Aber bevor noch Peißer antworten konnte, sprang Schnur- bein aufgeregt in die Stube. Mamzcll SeyboldSdorf man sucht sie. Geh sie schnell heim. Vom anderen Fenster sieht man in den Spitalhof. Dort steht ihre Tante mit der Jnspektormarie.' Regina wurde sich Plötzlich ihrer höchst gefährlichen Lage bewußt. Sie zitterte am ganzen Leibe kaum hatte sie noch einen Händedruck für Peißer und schon führte sie Schnurbein   behutsam die finstere Treppe hinab; so sorgsam und liebevoll hielt er ihren Arm, daß sie herausfühlte. was sie diesem unbeholfenen großen Menschen war. Und sie selbst fühlte sich auch geborgen und sicher in seiner Nähe. Acngstlich spähte er die Straße entlang. Niemand war zu sehen. Da ließ er sie schnell aus dem Psörtchcn. Es regnete nicht mehr, aber schwere Wolken verbreiteten vorzeitige Nacht. Auf den Straßen glänzte da und dort eine Pfütze. Sie hatie Glück. Ohne jemandem zu begegnen, kam sie nach Hause. Ungesehen schlüpfte sie beim Gartentor ins Haus. Dort ivar schon der Vater da. Wo kommst Du her?" knurrte er sie an. Seit Herrn Schnurbeins Weggang lvar er fast stets verdrießlicher Laune, denn nichts im Geschäft wollte mehr klappern Hab' schon d'PcPitant' auSg'schickt nach Dir, schauen wo d' steckst. Sie is zu der Lcbzelterschen und zuni Spittelver- Walter gangen, obst noch dort bist." Tort war ich ja," jagte sie so unbefangen alS möglich, bin aber von dort noch in d'Kirchen zu St. Ulrich gangen s'ist ja heut' der Jahrtag vom seligen Tonerl." So, so," brummte begütigt der alte Herr. Aber die
Tante glaubte nicht an den Jahrtag deS seligen srühvev storbenen Brüderchens. Als sie allein waren, nahm sie die Nichte streng vor. Du Regerle, S' isch net wahr mit der Kirch'». S* is sa um die Zeit gar net offen. Die Marie hat au g'fagt. Du wärst schon lang weggange.... Regerlc, wo bischt jetzt Du gwen? WaS sind daS für G'schichten?" Da schlug Regina die Augen zu Boden und sagte trotzig: Ich war auch nicht bei St. Ulrich.... Wir haben unS gestritten.... Und da war ich... bei Reinhard. Aber er war nicht da... Nur stockend brachte sie die Unwahr- hcit heraus. Die Tante schlug die Hände über dem Kopf zusammen. Aber Kind GottcS, wie unvorsichtig! Dein Ruf! Wann Dich jemand g'jchn Hütt'?" Und dann gleich voll Neugierde: Z'weg'n was habt Ihr denn g'stritte? Ich Hab' Dir'S ja gleich ang'fche." Doch Regina schüttelte den Kopf. Laß' mich, Tain', ich kann jetzt nicht davon reden." Sie blickte in die Ferne, wie wcmr sie dort eine Er- scheinung sähe: Aber von heute hängt viel ab in meinem Leben." Dann sckloß sie sich in ibr Zimmer ein und schrieb. Danach schlich sie zum Vertrauten Franz... Eine halbe Stunde später gab der ihr beim Abendbrot einen Wilik. Aus der Treppe trafen sie sich. Da gab ihr der tapfere kleine Stift den Brief zurück und berichtete mit naivem Eifer: Da ist da§ Billett zurück. Ter Herr Sekretär war net da.... Aber ich Hab' herausbekommen, wo er ist. Er hat eine Botschaft bekommen vom Herrn Professor in der alten Anatomie und ist sofort hingangen. Das ist ganz sicher, denn der Pflederer Karl hat ihn selber g'sehen dort hinein- gehen."... Regina nahm den Brief, ging in ihr Zimmer und setzte sich an den Tisch. Der Frost lief ihr über den Rücken und zugleich war ihr zum Ersticken heiß. Was hatte sie getan? Wie war doch alles gewesen? War das nicht ein Ficbertraum? Schon sah sie sich selbst verhaftet, im Gefängnis, in gräßlicher Nacht. Aber nein, hell und gütig leuchteten zwdi Augen darin und eine grundehrliche Stimme sprach Liebes und Gutes zu ihr. Sie verstand nicht, was... aber ihr Herz schlug bei diesem Klang. Und die Augen und die Stimme gehörten zu dem Herrn Schmn- bein....(Forts, folgtl