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fr. 24-1918

Unterhaltungsblatt des Vorwärts

Der verhexte Kleiderschrank.

Von Karl Bröger .

Auch in unseren Kleiderschränken sind Kriegsschauplätze. Heftige Schlachten gegen Mangel und Teuerung werden auf dieser Walstatt gefchlagen und wie bei jedem Kampfe gibt es auch hier Opfer. Die fchwerer oder leichter verwundeten Röcke und Hosen, Kostüme und Blusen tönnen aber nicht verabschiedet werden. Sie müssen Dienst tun, solange der letzte Faden hält.

Aber unsere Kleiderspinde sind auch verhert. Ist dieser ein wahres Museum von oft geflictem Urväterhausrat, so jener ein Stabinett von bezugscheinlosen Pellen", die oft ein kleines Vermögen darstellen.

Weil wir Kulturmenschen alle uur wandelnde Kleiderspinde sind, sonderlich in dieser Jahreszeit, bleibt die innere Verfassung unferer Garderoben nicht verborgen. Hundert fleine Komödien, die nicht selten im Kern Tragödien find, werden auf Straße und Platz vorgeführt. Wollt ihr einige sehen?

Die VI. Matrosen Halbflottille.

In der Straßenbahn. Mir sigt ein junges Mädchen gegen­über im Sonntagsstaat. Typ: fleines Ladenfräulein oder Ma­schinenschreiberin. Die Fähnchen aus stumpf glänzendem Seiden­taft Inistern bei jeder kleinen Bewegung. Man mißt wenigstens zehn Grad unter Null. Verfroren huschelt die schlanke Gestalt in ihrer Ede. Zuden, das manchmal um die Schultern läuft, verrät deutlich die innere Temperatur des netten Geschöpfes.

Jin ganzen Anzug ist das trampfhafte Bemühen erkennbar, den Traum jedes kleinen Ladenfräuleins von großer Toilette zu er­füllen. Der schwarze Filzhut ist sicher auch kein Heuriger Haje. Zu anderen Zeiten würde er wohl längst seinem Lebenszweck als Bogel fcheuche genügen. So ist er großartig aufgedünftet, mit bunten Heinen Rosetten verziert und rund um den inneren Kopfteil läuft ein marineblaues Band

In Goldbuchstaben steht darauf gedruckt: VI. Matrosen- Halb­flottille.

Ich war willens zu lächeln, doch ein Blick des Mädchens hielt mir die Mundwinkel nieder. Er schien mir zu sagen: Zweifle nicht so sehr an meinem Geschmack. Ich wüßte schon Bänder, die beffer auf einen Jungmädchenhut passen. Aber die gibt es nicht mehr." Ich vermied, weiter auf das Band zu guden, und stieg Der Herr Professor.

bald aus.

Jeden Abend unterhalten wir uns über die Lebensführung der Festbesoldeten im Krieg. Der alte, grauhaarige Herr ist sonst ein gemütliches und umgängliches Haus, aber er wird scharf und kritisch, wenn er von den Sorgen seines Standes spricht. Es müßte mehr geschehen für die Beamten und gegen festes Gehalt Arbeitenden. " Teuerungszulagen? Ganz schön und gut. Was hilft mir aber ein Zulage, wenn jede Ware um das Dreifache meiner Zulage steigt? Ich bin 35 Jahre im Dienst und war mit meinem Aus­fommen immer zufrieden. Jetzt kann ich es nimmer sein. Als Beamter kommt man doch anständig gekleidet daher. Ich habe immer auf forrekten Anzug gesehen. Nun ist mir alles gleich. Schämt der Staat sich nicht, dann bin ich auch jeder Scham ent­hoben." Er sieht allerdings nicht staatsmäßig aus, der gute, alte Herr. Die Hoie fällt in Harmonitafalten auf die Schuhe, am Rock sind überall Spiegel und der weiche Filz ist vielleicht ein Gipfel von Landstreichereleganz, für einen föniglichen Professor aber doch nicht die gemäße Kopfbedeckung. Eben holt er ihn vom Nagel, schüttelt ihn mit altfränkischer Grandezza and geht unter allseitigem Stühlerüden der Türe zu. Der Prolet im Belz.

Als ich ihn zum ersten Wale fah, mußte ich auf der Straße stehen bleiben. Ich konnte einfach nicht anders.

Da stieg der Händler- Willi über die Schneehaufen, Sechzig­Mart- Stiefel am Fuß und einen feudalen Bibi auf dem struppigen Rotkopf. Was Wunder hing aber zwischen Fuß und Kopf: ein echter, tadelloser Belzmantel mit diskreter Verschnürung. Kostenpunkt rach meiner schleunigen Schätzung fünfhundert Em!

Verlegen grinsend lüftete Willi den Schieberhelm und unsicher wanderten seine Augen am Aermel des prachtvollen. Gewandstückes entlang. Er hopste mit aufgekrempelten Hosen über einen Schnee­hügel und schlug scharfe Richtung nach der Stammfneipe ein, in jenem eigentümlich wippenden und wiegenden Gang des Menschen, der tagsüber zwischen Drehbänken pendelt.

Händler- Willi macht Munition. Ich führe das nicht an, weil ich ihm seinen Belzmantel neide. Ginge es nach mir, dann hätte jeder Proletarier längst feinen Pelzmantel, denn das ist im Winter stets eine angenehm warme Sache. Auch um die Repräsentation wäre mir nicht bang. In diesem Punkt denke ich mit Sancho Panja: Gibt

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Töchter der Hekuba .

Ein Roman aus unserer Zeit von Clara Biebig. Vor dem Anschlag am Bahnhof drängte sich stündlich die Menge. Von den bleichen Gesichtern las man die Unruhe ab: schrecklich, dieses Fernab- und doch Mittendarin- Sein! Dieses fiebernde Haschen nach Nachrichten, dieses gierige Lauschen auf alle Gerüchte. Was konnte nicht alles geschehen fein zwischen heut und gestern, zwischen dieser Minute und jener! Minuten waren jegt Ewigkeiten. Man sprach ge­dämpft.

sich doch wieder heran.

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Donnerstag, 24. Januar

mir mein Herr nur eine Grafschaft. Sie sei nun flein oder groß, ich Mit dem Glockenschlag betritt er den Sigungssaal, mit als letter werde sie schon au regieren wissen."

Selbstbildnis.

berläßt er ihn. In ewig gleicher Ruhe und Haltung sitt er jeine Zeit mit der Pflichttreue des alten Militärs ab, unbe­fümmert darum, ob ein nationalliberaler Kollege auf dem goldenen Eigentlich gebe ich jetzt ein Bild meines Kleiderschrankes. Es Mittelstrange halsbrecherisch über die Abgründe des Für und Wider schaut darin aus wie in Sodom und Gomorrha, nachdem es Pech balanciert oder ein Sozialdemokrat die Milch der frommen Den­und Schwefel geregnet hatte. Ich müßte ganz verzweifeln und die kungsart zum Kochen bringt. Boshafte Gemüter könnten behaupten, große Zeit vielleicht im Bett erleben, wärst du nicht, mein einziger er schläft. Aber ich möchte wetten, daß er nur in sich schaut, in Hoffnungsanfer, mein Trost in dieser Trübsal, du, meine braune, eine Zeit, die er beffer verstanden hat als die heutige. Noch scheinen schön gerippte Manchesterhose. ja die Säulen seiner Welt so fest zu stehen wie die Säulen, die das Vor sechs Jahren hab ich sie um gutes Geld gekauft. Ein Dach über seinem Haupte stützen. Aber er hört wohl auch, wie die 3wanziger ging seinerzeit darauf, aber es ist die beste Stapitals- Sprecher seiner Partei die Totenwinde des alten Preußens vor anlage, die mir in meinem Leben bisher geglückt ist. den Fenstern orgeln. Zusammen mit der Manchesterhose befize ich noch ein zweites Und das neue Preußen, das mit den Fahnen neuer Ideale Kleinod: ein Paar schöne, lange Wadenstrümpfe, denn eine Manchester - zur Ablösung vor den Toren steht? Für ihn ist es zuviel verlangt, hose ohne Wadenstrümpfe ist eine Hand ohne Finger. daran zu glauben.

Siegreich bestehe ich alle Anfechtungen der Zeit in meiner Manchesterhose und den Wadenstrümpfen. Die Hose ist nicht um­zubringen. Sie wird noch meine Kinder überleben. Gewinnt sie doch mit jedem Jahr mehr Widerstandskraft und Selbständigkeit. Schon heute steht sie auf eigenen Füßen und fällt nicht zusammen, stauche ich sie einmal fräftig auf den Boden.

Wäre sie doch auch verstellbar! Denn ich bin Vater von zwei wilden Buben, die nichts von schwerer Kriegszeit wissen wollen und ihren Hosenböden Leistungen zumuten, die ein schlechter und rechter Papierstoff nun einmal nicht verträgt.

raden hat kein Mensch, obwohl so ein richtiger, unbeschwerter Tag Wir sind in den Tagen des Faschings. Große Lust zu Maste­fröhlicher Narrheit bitter nottut.

Die schwere, tragische Narrheit der Zeit hat uns zu Mummen­schanz gezwungen, der nur bitteres Lächeln aufkommen läßt.

Verstadtlichung der Schankwirtschaften.

Warum ist das Zebra gestreift?

az.

Die auffallenden Streifen des Zebra können keine blinde Laune der Natur sein. So liegt die Frage nahe, auf welche Weise fie ihrem Träger dienlich sind. Bei den Wildefeln der Wüste z. B. wirkt die gelbe Farbe als Schutzfärbung. Das lirwildpferd wiederum ist durch die bräunliche Färbung seiner Umgebung angepaßt; feine schwarzen Beine lassen darauf schließen, daß es meist auf schwärz lichem Boden steht.

Notizen.

Gegen die Schlußfolgerung, daß die Streifen der Zebraart ebenfalls eine solche Schutzfärbung darstellten, hat sich auffallend. aber schon Darwin geäußert; er bemerkte, die Streifen feien zu Die Ansicht Darwins wurde aber neuerdings verworfen. Dr. Th. Zell teist in leber Land und Meer" darauf hin, daß die Streifen des Zebras in weiter Ent fernung vollkommen verschwinden. Dadurch lassen sie sich aber noch nicht. als Schußfärbung erklären, denn ein streifenloses Zebra würde natürlich noch viel unsichtbarer sein. Eine andere Begrün­dung lautete, daß ein zur Tränkte gehendes Zebra durch die Schatten Wie die Zentralstelle des deutschen Städtetages mitteilt, dürfte der Uferpflanzen mit seiner Umgebung verschmelze. Auch dies ist die Berstadtlichung der Schankwirtschaften und des Ausschanks nicht stichhaltig, da der Hauptfeind des Bebras, der Löwe, ein nächt alkoholischer Getränke in der Gemeindefinanzpolitik der nächsten Zeit wäre. Der Berichterstatter führt nun aus, daß er bei einer Arbeit liches Raubtier ist, und da zur Nachtzeit die Streifung gleichgültig eine bedeutende Rolle spielen. Die in den Kreisen der Kommunal- über das Pferd endlich auf die wahrscheinlichste Begründung dieser politifer oft erörterte Frage geht in Deutschland zurück auf die An­regung des Reichskanzlers an die Bundesregierungen vom 25. Juni Schußfärbung gekommen sei. Wesentlich ist dabei, daß das Bebra 1912, den Gemeinden durch die Aufnahme einer entsprechenden Be- au den ausgesprochenen Nachttieren gezählt werden muß. Die Zebras stimmung in die Gewerbeordnung die Möglichkeit zu gewähren, Bäumen aufstellen. Die Schatten der Bäume stimmen dann völlig schlafen am Tage in den Mittagsstunden, wobei sie sich zwischen ortsstatutarisch festzusetzen, daß der Betrieb der Gaſt- und Schant- mit ihren Streifen überein, so daß die sonderbare Art der Schutz­wirtschaften und des Kleinhandels mit Branntwein und Spiritus lediglich entweder für Rechnung der Gemeinde durch angestellte Be- färbung endlich nachgewiesen zu sein scheint. amte oder durch gemeinwirtschaftliche Gesellschaften zu erfolgen habe. Es wird nach den in Norwegen und Schweden in großem Um­fange gemachten Erfahrungen behauptet, daß wahrscheinlich die deutschen Gemeinden über ein Fünftel ihrer Ausgaben aus dem Branntweinverkauf, ein weiteres Fünftel aus dem Bierausschant Von einem Besucher einer der legten, nicht mehr premierenhaft zu­werden decken können, wobei die Ausfälle an Gewerbe- und Betriebs- gestutzten frohen Abende" erhalten wir folgende kritischen Anfragen steuern sowie an Einkommensteuer( infolge Veränderung der Kon- an den Goethebund, von deren Beantwortung die Begeisterung der zefsionen) schon in Abzug gebracht sind. Bevölkerung für diese Veranstaltungen wesentlich abhängt: In einzelnen Gegenden hat man mit Gemeindewirtschaften 1. Warum hat dieser Abend in einer ungeheizten Sommers gute Erfahrungen gemacht, so im Kreise Recklinghausen im Ruhr- Bierbumsbarade stattgefunden? 2. Warum läßt es der Goethebund gebiet. Dort ist eine ganze Anzahl Gemeindegasthöfe errichtet worden, zu, daß der Dekonom Bier verschenkt, wenn vier Fünftel der die aber hauptsächlich den Zweck haben, den Aikoholgenuß zu bekämpfen. Zuhörerschaft aus zwölf- bis sechzehnjähriger Jugend besteht? 3. Wer Diese alkoholfreien Wirtschaften werden schon seit Jahren start besucht. ist für die Programmauswahl verantwortlich? Das Programm Mit solchen Gasthöfen mögen sie von Gemeinden oder gemein- bringt nämlich auch nationalistischen und sentimentalen Kitsch, nüßigen Gesellschaften errichtet werden wird man sich gewiß auch in der luftige Teil bringt paprizierte Stabarettkost! Das bietet der andern Gegenden befreunden. Was aber die Uebernahme anderer Goethebund der Jugend als geistige Erfrischung! 4. Warum werden Wirtschaften seitens der Gemeinden betrifft, so stößt diese zum Teil die Abende so endlos ausgedehnt? Es empfiehlt sich eine Kürzung auf grundiäglichen Widerstand: viele Sozialpolitiker vertreten näm- des Programms. Um 10 Uhr stand noch ein Einafter und eine lich den Standpunkt, daß es nicht Aufgabe der Gemeinden sei, Ge- weitere heitere Nummer auf dem Programm. winn aus dem Vertrieb von alkoholhaltigen Getränken zu ziehen, mit andern Worten: die Trunksucht zu fördern. Wenn man aber andererseite bedenkt, daß zwischen Trinken und Trunksucht ein Unterschied ist und daß man bei uns doch wohl nicht ein Alkohol­verbot einführen wird, wie in gewissen nordamerikanischen Staaten, so dürfte der Plan der Verstadilichung der Wirtschaften doch nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen sein.

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Der alte Herr mit dem Bismarckkopf.

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Die frohen Abende" des Goethe Bundes.

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Sind die Veranstaltungen in der Tat nur für die Jugend ge­plant, so darf man ihr nicht Zumutungen stellen, denen selbst ein Großer nicht gewachsen ist.

- Urania. Im großen Auditorium beginnt am Freitag eine Vortragsreihe zu sehr ermäßigten Abonnementskarten. Bus nächst spricht Prof. Dr. Kaiser über den Kreislauf des Stidstoffs in der Natur und seine Bedeutung für die Volkswirtschaft".

W

- Deutscher Monistenbund. Freitag, 25. Januar, abends 8 Uhr, spricht im Humbser- Bräu, Tauenzienstr. 7/ II, Wer öfter Gelegenheit nimmt, die Tribünen des preußischen Bergin über den gegenwärtigen Stand der Zellforschung( mit Abgeordnetenhauses zu betreten, dem ist er sicher schon aufgefallen: Lichtbildern). der alte Herr mit den breiten Schultern, dem starken schneeweißen Die Kalbstopf Verwertungsgesellschaft. Bart, den buschigen Brauen und dem kahlen Kopfe. Er erinnert an Aus der Times": Junggeselle ohne Anhang, großer Liebhaber von IHN", dessen Namen heute die Deutsche Zeitung" unberufen für Kalbstöpfen, die aber nur ungeteilt abgegeben werden, sucht, da es ihre Popanzpolitit gebraucht. Damit ist aber auch seine Auffällig- ihm unmöglich ist, einen Kalbstopf allein zu verspeisen, einen oder feit erschöpft das von und zu" ist ja in diefen Hallen feine mehrere Teilnehmer, die dreimal die Woche mit ihm Kalbstopf essen Seltenheit und im übrigen ist der Kern seines Wesens Passivität. würden.

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Mein Gott, Gretchen, du noch hier? Was machst du denn hier?" " Ich warte." Die Dietrich veränderte ihre Stellung nicht.

,, Komm doch nach Haus!" Gertrud wollte sie mit sich ziehen. Das seltsam verstörte Gesicht erschreckte sie. Ich bring dich bis an deine Tür. ,,

aufzuheben, sie schritt rasch mit ihr fort. Sie wagte nicht aufzublicken, ein Gefühl der Scham trieb ihr das Blut in die Wangen : es saben ja alle Leute nach ihnen. Aber die andere im Stich lassen, das wollte sie nicht.

VI.

Die vom weißen Ralfstaub der Champagne wie die Aber die Dietrich widersetzte sich, unsanft wehrte sie die Müller bemehlten Männer hatten ausgelitten, nun hatte es Freundin ab. Sie wendete ihr nicht einmal den Blick zu, Ruhe da gegeben. Die Feinde waren nicht durchgekommen. unverwandt starrte sie die Treppe hinauf. Gott sei Dank! Ein Aufatmen ging wie frische Erhebung Oben wurden ein paar Gestalten sichtbar. Auf den durch alle Seelen. Was machte es nun, daß der Winter ge­verschränkten Händen von zwei Samaritern sitend, die Arme kommen war und mit ihm Kälte und Grau? Man glaubte um deren Nacken gelegt, wurde ein an den Beinen Ver- bestimmt, jetzt hoffen zu können, und hoffen macht warm und Margarete Dietrich fehlte am Bahnhof nie. Sie las jeden bände zu Klumpen gewordenen Füße hingen schlaff herab, bis dahin Geduld! wundeter die Treppe hinuntergeschafft. Die durch dicke Ver- auch hell. Int Frühling war der Krieg zu Ende, nur noch neuen Anschlag und las ihn dann nochmals, als verstände sie Man fing jetzt an, den Krieg recht zu spüren. Nicht, daß ihn nicht recht, und dann kaufte sie sich die neueste Zeitung. man fah blutige Tücher. Sie las die, ging ein paar Schritt weiter und kehrte dann Die Dietrich stutte, ihre Augen flackerten auf, Gertrud man nicht schon längst viel erduldet hätte, aber das große nochmals zurüd. Ram ein Verwundetentransport, so drängte wegstoßend, stürzte sie plöglich mit einem gellenden Aufschrei Leid war ein Geschick gewesen, gewaltig gleich dem Donner Es half nichts, daß man sie zurück­dem Verwundeten entgegen:" Da ist er!" sie sich dicht heran. des Himmels, vor dem die Kreatur sich schweigend duckt; jetzt Der Verwundete hob für einen Augenblick den Kopf, der kam das kleine Leid mit Nadelstichen. Mehl und Brot wies Die Verwundeten dürfen nicht belästigt werden durch ihm auf die Brust gesunken war, sein müder Blick streifte wurden knapp. Startoffeln im Brot, das schmeckte nicht; die Neugier des Publikums! man stieß sie, sie drängte teilnahmlos die auf ihn Zustürzende. man stieß sie, sie drängte man wurde auch nicht satt davon. Daß man nicht so­Vielleicht, daß mein Bräutigam dabei ist mein mit einem Buff seiner Schulter die Dietrich zur Seite: was Plaz da!". Die Träger wurden grob. Der eine stieß viel Brot haben konnte, wie man wollte, schürte den Hunger. , Es geht aber immer noch, schrieb Frau von Voigt an Bräutigamach bitte, lassen Sie mich doch!" Mit weit­ihren Mann. Ich selber spüre die jetzigen Entbehrungen geöffneten Augen sah sie jedem Soldaten ins bleiche Gesicht. sollte denn das heißen? Verzweifelt schüttelte sie dann den Kopf: Das ist er nicht!" Sie freischte laut auf: Mein Bräutigam!" nicht, sie dünken mich noch flein. Ich bin ja so dankbar, daß ,, Ach was! Man hatte Mitleid mir ihr: die suchte nach ihrem Bräu- Fräulein!" Sie sind wohl nich ganz bei Trost, du mir bewahrt bliebst und daß ihr jetzt in Ruhestellung seid Die Träger gingen ruhig mit ihrer Last nach der gewaltigen Anstrengung in der Champagne. Es gibt tigam, die Arme. jekt Stunden, in denen ich wieder freier atmen, sogar einmal Keine Nacht, in der Verwundete angezeigt waren, daß Nein, er war es nicht! Die Hände vors Gesicht schlagend, froh sein könnte, aber Lilis Geschick drückt mir zu schwer auf die Dietrich nicht am Bahnhof gestanden hätte. Sie wartete brach sie in Schluchzen aus. die Seele. Rossi ist seit Wochen ständig in Gefechten an der Stunde um Stunde, auf der untersten Stufe der Treppe Der nächtliche Bahnhof wurde lebendig: was war denn Tiroler Front; er schreibt ihr selten.' stehend, die hinauf zum Ferngleis führte. Den Rücken lehnte hier los, wer schrie denn hier so? Neugierige kamen herzu- Lili lag heute auf ihrem Sofa, sie fieberte leicht. Des fie gegen die Seitenwand, den Kopf streckte sie vor, unver- gelaufen. Von Bahnsteig herunter kam der diensttuende deutschen Winters war sie zu lange entwöhnt gewesen, die wandt sah sie hinauf. Sie fröstelte in der zugigen Nacht. Wachmann: Was machen Sie denn hier für'n Radau!" ewige Naßkälte hatte ihr Husten und Schnupfen gebracht. Und So fand sie Gertrud Hieselhahn, die heute sehr spät, Die Dietrich hatte sich auf der Stufe der Treppe der tiefhängende graue Himmel machte sie schwermütig. Ach. erft gegen Mitternacht, von Berlin kam. Sie war sehr niedergekauert, sie war zusammengefunken. Der Wachmann nur ein bißchen Blau, ein bißchen wärmende Sonne und müde, doch wer durfte jetzt danach fragen? Sie hatte den faßte fie bei der Schulter: ach so, das war ja die, die einen Brief!

weiter.

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Ehrgeiz, es weiter zu bringen, nur nähen brachte auch zu immer hier wartete! Gehen Sie, gehen Sie," drängte er Die letzte Nachricht ihres Mannes war vom Ende Dt­wenig ein. So nahm sie nach der täglichen Arbeit noch den gutmütig, jetzt kommt kein Zug mehr, gehen Sie doch nach tober gewesen. Nun hatten starke Gefechte an der Grenzbrücke Abendkursus in einer Handelsschule, sie mußte für den Winter Hause." bei Schluderbach stattgefunden. Ach, sie erinnerte sich dieser eine größere Stellung finden, wenn sie mit dem Kleinen nicht Komm, Gretchen, komm," drängte auch Gertrud. Sie Brücke so genau! hungern wollte. faßte die Schluchzende unter die Arme. Es gelang ihr, sie

( Forts, folgt.)