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wenn es nicht bald zum Frieden kommt. Niemand wird un? im Ernst zumuten, die Bedingungen Wilsons unbesehen anzunehmen. Daß dies geschieht, will auch in Deutschland niemand, kein Mensch will es. Aber Verhandlungen werden ja doch geführt, um eine Ver� ständigung zu erzielen. Diese Punkte akzeptiert man, jene lehnt man ab, über das Ganze einigt man sich. Wäre dem nicht so, so müßte ja jeder Streik bis zum Weißbluten geführt iverden. Wenn wir uns mit den Gegnern an einen Tisch sehen und sie stellen uns Forderungen, zu denen wir sagen Nein, was werden dann die Gegner tun? Sie werden sich überlegen, ob sie unZ zwingen können, diese Forderungen zu ersüllen. Und wenn sie einsehen, daß sie das nicht können, dann werden sie daraus verzichten. Man muß auf beiden Seiten auf Illusionen verzichten, deren weitere Verfolgung noch Ströme von Btut kosten wird. Man wird Frieden schließen müffen auf dem Boden richtig gesehener Tatsachen. Und die sind so, daß weder wir noch die anderen irgendwelche Ver- gswoltigungSabsichrcn durchsetzen körnen. Wir erleben jetzt auch noch, um das nicht zu vergessen, das seltsame flämische Zwischenspiel, also ein Gegenstück im Westen zu Kurland . Lassen Sie die Finger davon. Die volle ehrliche Wiederherstellung Belgien ?, auch seiner staatlichen Selbständigkeit ist unsere Ehrenpflicht. W i r stehen zu dem. wa§ der Reichskanzler Be th man n Hollweg darüber am 4. August lS14 gesogt hat. Ich hätte dringend gewünscht, daß der Reichskanzler in bezug auf Bei- gicn ganz klar und offen gesagt hätte: wir sind bereit, eS heraus- zugeben, natürlich unter der Voraussetzung, daß die Gegner ihrer- seits ihre Pläne auf die Antastung der deutschen Integrität auf- geben. Genau mit demselben Recht, mit dam der Reichskanzler die belgische Angelegenheit nicht vorwegnehmen lassen will, können die Gegner sagen, daß sie die Frage der deutschen Integrität (hier kommt auch die Kolouialsrage in Betracht)nicht vorweg- nehmen" lassen, solange sich nicht Deutschland zur Herausgabe Belgiens bereit erklärt bat. Auf diese Weise kommen wir keinen Schritt vom Fleck. Ich muß leider von der Rede des Reichskanzlers sagen, daß aus ibr mehr ein gelehrter StaotSjurist und zünftiger Diplomat spricht, denn ein großer Staats- mann, der sich die Ausgabe gestellt hat, der blutenden Welt den heißersehnten Frieden zu bringen. Gehelt wir einem Versuch nicht an? dem Wege, der der Welt ohne neue Lpfer vielleicht das Ende aller Greuel bringen könnte? Wir müssen alles tun, um die für die Frühjahr?- kämpfe Gezeichneten zu retten. Wir müssen alles tun, was mit der Ehre und der Zukunft des Reiches vereinbar ist, um der Menschheit neue Massenopfcr zu ersparen. Vergessen Sie auch dies nicht: die Stimmnng der Massen ist sehr ernst. Die ErnährungZschwierigkeiten sind bei uns gewiß nicht ge- ringer als in England und Frankreich . Das Treiben der Reaktion im preußischen Abgeordnetenhans steigert den KonfliktSstofs in bedenklicher Weise. Darüber muß vollständige Klarheit geschaffen werden. Lassen Si« die Verhandlungen im Osten scheitern und werden die Erwartungen im Westen getäuscht, was' dann? Ich will diese Gedanken nicht weiter autspinnen, aber dies sagen: Wir Sozaldemokraten wollen alles tun für unser Volk und unser Land. Aber wir werden nie daran denken, unsere Haut für eine Regierung zu Markte zu tragen, van der wir vielleicht die Ueberzeugung gewinnen müßten, daß sie ihre Pflicht dem Balke gegenüber nicht erfüllt.(Lebh. Beifall b. d. Soz.) Abg. Fischbeck(Fortschr.): Wollte die Regierung daS Selbst« bestinimungSrecht der Volker nickt auerkennen und auf Annexionen nickt verzicklen, dann hätte die Regierung nickt erst nack Brest- L i t w S k gehen brauchen. Redner kritisiert fckarf das Treiben der A n»« x i o n i st e n, die in leicht erkennbarer Absicht die Ge- fährdung de» Thrones an die Wand»nalen. Wenn dieBosstscke Zeitung' den gleichen Standpunkt einnehme, so könne er sagen, daß seine Partei mit diesem Blatt nichts zu tun habe. Die polnische Frage mag man anfassen wie man will, eine ideale Lösuna wird.nie herauskommen. Eine unzweideutige Kund. gebung der Völker in Kurland und Livlond liegt noch nicht vor, der Volkswille muß dort erst verkündet werden. Die sofortige Zurücknahme der Truppen ist nickt möglich. In Rußland ist heut« an du Stelle der einen, eine andere Gewaltregierung getreten, des- halb müssen wir gewappnet bleiben. Deutschland muß aber immer wieder«brlich betonen, keine Annexionen zu wollen. Die Militärs habe» sich der Politik der Regierung zu fugen. Unerhört sei da« Treiben einer gewissen Presse, die das Gerücht vom Rücktritt Ludendorss» in die Welt setzte, um Stimmung für ihre Pläne zu machen. Kein Zweifel, standen militärische Kreise hinter diesem Gerücht. Wir hoffen, daß wahr bleibt, daß auch im Osten ein Friede im Sinne der Mehrheitöresolution de» Reichstages erstrebt wird. Auffällig ist, daß General Hoffmann überhaupt in die Lage kam. in Brest die bekannte Rede zu halten. Aus den letzten Kundgebungen Wilsons und Lloyd Georges drang doch ein Ton heraus, der beachtlich ist. DaS bat es dem Reichskanzler ermöglicht, ruhig und klar zu antworten. Ueber einen Teil der Vor» schlag« Wilson« bestehe Ueberein st immun g. Man müsse aber neuerdingß sagen: die elsafe-kothringischr Frage ist für unS keine Frag«. Kein Fuß breit deutschen Landes darf abgetreten werden, insbesondere auch nicht die deutschen Gebiete, die von Polen bewohnt' find. Diese Frage könne nicht unter da» Prinzip des Selbstbestimmungsrecht« der Völker gebracht werden. Sonst müßten auch die Völker sich loslösen können, die sich England im Laufe der Jahrhunderte angegliedert hat. Wenn Wilson anerkennt, daß auf keiner Seite Eroberung e» stattfinden sollen, dann ist der Tag gekommen, daß man mit Amerika verhandeln kann. Die ganze Welt sehnt sich nach dem Frieden, de« Elend« soll genug sein, da» über die Welt hereingebrochen ist. Soll auf die Zerstückelung Deutschlands ver- ßichtet werden, dann ist der Grund für Friedensverhandlungen gegeben. «bg. Dr. Ttreseman«(natl.) wendet sich gegen Scheide» mann, der ein verzerrtes Bild vom U-Boot-Krieg ent- worfen. Seine Rede mag von ehrlichem Friedenswillen getragen worden sein, dem Frieden aber habe sie nicht gedient. Der U-Boot-Krieg habe gewirkt und e» sei falsch, zu sagen, er habe u»S nur die Feindschaft Amerika « ein- getragen. Die Revolution in Rußland ist ein« Folge der deutschen Siege. Daß si» Graf Czernin mit dem Programm Wilson»«inverstanden erklärt habe, sei in dieser Form nicht zutreffend. Dringend zu wünschen wäre, daß von deutscher maßgebender Seite vfter das Wort ergriffen würde, um den feindlichen Staatsmännern zu antworten. Diese antworten sofort, die deutschen Staatsmänner büll'.en sich wochenlang in Schweigen. Damit verderhx man die Stimmung im Volke. Au« der Rede Lloyd Georges klinge direkt das Gegenteil einer Friedensbereftschaft heraus. Scheidemann habe einen falschen Weg eingeschlagen, als er versuchte, die Botschaft Wilsons in Ziffern auszulösen. Die feindlichen Slaatsmännoc sind Meister in der Kunst, ihre Forderungen in identistische Phrasen einzuhüllen. denen ein gewiffer Eindruck nie versagt bleibt. Selbst im Wege der Verständigung dürfe kein Fußbrett Boden« abgetreten werden. E« unterliege keinem Zweifel, daß Wilson der Aufteilung der Türkei das Worr geredet habe. Darauf könne sich Deutichland unter leinen Umständen einlassen. Das Verlangen, Polen einen Aus- weg nach dem Meer zu schaffen, konnte nur ans Kosten Deiilichiands geschehen. Daraus könne kein deutscher Staatsmann eingeben. Wir denken nicht an die Annexion Belgiens , aber die S e I b st ä n d i g- keit Flandern« sei ein Ziel, von dem man nicht ablassen könne. Der Rat von Flandern hat sich längst dafür ausgesprochen, den Flamen dürfe der Weg zur Selbständigkeit nicht

verlegt werden. Solche Bewegungen müffen stets von einer intellektuellen Oberschicht getragen werden. In Brest-LitowSk siei nicht alles nach Wunsch gegangen. Die heutigen Weltprobleme haben die Grenzen der Parteien ge- sprengt. Zu den Annexionisten gehören nicht nur Fortschrittler, sondern auch Sozialisten. Das alte Rußland besteht nicht mehr, es löst sich in einzelnen Staaten auf. es ist also falsch, zu sagen, daß mau mit Ruhland im allgemeinen aus guten Fuß J»mmen müsse. Das polnische Problem hätte nnrn bei den allgemeinen Friedensverhandlungen lösen müssen. Heute stehen wir vor einer Tatsacke, die uns zwingt, im ein engeres Perhältnis mit dem Baltikum zu gelangen. Das selbständige Polen lverde seinen Feind in Deutschland erblicken, da« ihm den Ausgang zum Meere vertvehrt. Von einem guten Verhältnis könne unter diesen Umständen gar keine Rede sein. Schon deshalb müssen mir mit Kurland und Livland in ein enges Verhältnis kommen. In beiden Äänbevn habe man diesen Wunsch geäußert, man dürfe aber die Entscheidung darüber nicht in die£>ände der Analphabeten legen. Deshalb muß der Ausdruck des Willens der Landes- rät« in Kurland und Livland als die präsumtiv« Willensmcinung dieser Völker gelten. Man kann nur völlig mit dem Verhalten un- serer Unterhändler in Brest - Awwsk einverstanden sein. Die An- griffe auf di« Unterhändler müssen auf das schärfst« verurteilt werden. Im Brest mußte man zu der Auffassung kommen, daß der Friede verschleppt werden sollte, deshalb war das Austreten des Generals Hofsmann begreiflich und berechtigt. Die Mitwirkung der militärischen Leitung, auch bei dcr Erörterung polst tischer Fragen, könne nicht entbehrt werden..Kein Zweifel, daß toir mit unseren Bundesgenossen einig bleiben wollen, das werde aber erschwert durch Angriffe, wie sie!>aS WienerFremdeublatt" gegen BiUow richtete oder wenn Angriffe auf die Oberst« Heeres- leitung unwidersprochen bleiben. Wir alle ersehnen den Friede-ir, wenn aber noch Opfer gebracht werden müssen, dann trifft die Schuld nicht Deutschland . Die Wefterverhandlung findet Freitag früh 10 Uhr statt.

Mgeorönetenhaus. Erregte Szenen. 115. Sitzung, Donnerstag. 24. Januar, vormittags 11 Uhr. Am Ministeriisch: Dr. Drews. Auf der T'geSctdnung steht zunächst ein Antrag rechtsstehender Abgeordneter betr. die Sicherstellung des Rechts der Staatsbeamten auf politische Betätigung. In seiner ursprünglichen Fassung hatte dieser Antrag auch die Zurück- nähme des Erlasses des llstinisterS des Innern über die Betätigung der Beamten in der Baterlandspartri gefordert. Der Ausschuß Hai einstimmig den Antrag angenommen, mit der Revision, daß innerhalb der Diensträüme. aus dienstlichem Wege, oder sonst durch Ausnützung der D'.enstgewalt die politische Betätigung versagt sei. Abg. Frhr. v. Zedlitz(sk.) beantragt Zurückweisung der An- gelegenheit an den Ausschuß zwecks schriftlicher Berichterstattung. Abg. Ad. Soffmann(Unabh. Soz.) widerspricht. Die Vater- landspartei will offenbar in der Zwischenzeit weiter auf die Brester Verhandlungen einwirken. DaS Menetekel in Oesterreich sollte als Warnung dienen. Sie tanzen auf einem Vulkan.(Lärm.) Selbst ein Scheidemann hat mit der Opposition gedroht. Wir stehen wie in Oesterreich zehn Minuten vor einer Katastrophe.(Großer Lärm.) DaS Volk hat eS satt, weiter in den Krieg gehetzt zu werden.(Lärm und Pfuirufe.) Der Vize- Präsident ruft den Redner zur Ordnung.) Frhr. v. Zedlitz(fk.): Die Anoelegenheit hat mit der Frage der Vsrthandlungen nicht» zu tun. Niemand will die Angelegenheit verschleppen, aber ohne mündlichen oder schriftlichen Bericht auS dem Ausschuß ist eine sachgemäße Behandlung unmöglich. Vizepräsident Dr. Lohma»»: Wenn ein schriftlicher Bericht nicht vorliegt und ein mündlicher nicht gsgeben werden kann, muß geschäftSordnungSaemäß die Absetzung des Gegenstandes von der Tagesordnung erfolgen. Abg. Winkler(k.): Wir sind für Rückverweifung. Abg. Ad. Hoffman«(Soz.): Wenn das auch In der Geschäfts- ordnmig steht, so ist da» Hau« doch jederzeit souverän. Wenn Sie nicht unserem Rate folgen, übernehmen Sie die Beranttvortung für alle?, was kommt.(Lärm und Zurufe: Gehen Sie doch zu den BolscheivitSl) Auf den Reichskanzler wird in unerhörter Weife eingeivirtt.(Zurufe: Zur Sache!) Der Reichskanzler ist auch ei» Beamter, und wir wollen diese Einwirkung zur Herbeiführung einer bestimmten politischen Betätigung verhindern. (Gelächter.) Sie wollen da» Volk weiter in den Krieg hetzen und neue Millionen opfern.(Großer Lärm und Pfuirufe. Dcr B-gepräfident ruft den Redner wiederum zur Ord­nung.) Abg. Fuhrma»»(natl.): Wir würden auf schriftliche Bericht- erstattung verzichten, wenn ein mündlicher Bericht gegeben werden könnte. Aber daS erklart der Berichterstatter für unmöglich. Mit den Brester Verhandlungen hat dieser harmlose Vorgang nichts zu tun. Abg. Ad. Hoffman»(Nnobh. Soz.): So harmlo« ist die Sache nicht. Seit dem Beschluß de« Ausschusses sind acht Tage verflossen. In diesen acht Tagen haben sich in Oesterreich Ereignisse abgespielt. die auf den Ausschuß vielleicht Eindruck gemacht hätten.(Wider- spruch.) Aber wen die Götter verderben wollen, den schlagen sie mit Blindheit. Abg. Boislh(natl.): Der Vorredner irrt. Die AuZschußsttzung hat vorgestern abend stattgefunden und sämtliche Lorgänge in Oesterreich waren bekannt. Die GeschäftSordnungSauSsprache wird durch Schlußantrag ge- schloffen. Gegen die Stimme des Abg. Hofftnann wird mit den Stimmen aller anderen Parteien die Angelegenheit an den AuS- schütz zurückverwiesen. E» folgt die erneute Beratung des vom Herrenhaus abgeän- dert zurückgekommenen WohnungSgesetzeS. Der Ausschuß hat nur zwei Senderungen formaler Natur vor- genommen. In einer kurzen Debatte erklärt Abg. Hirsch(Soz-)! Wir stimmen der Vorlage zu, trotzdem unsere Wünsche namentlich in bezug auf die Wohnungsordnung und die WohnungSaufsicht nicht erfüllt worden sind. Schlietzlich wird die Vorlag« in der Fassung de» Ausschusses einstimmig angenommen, ebenso da» BürgschaftSsiche- rungSgesetz. Gin Antrag Andre» für schleunige Maßregeln gegen die Hoch- Wasserschäden im Kreise Geestemünde , im Nahetal und an- der«! Gebieten de« Rhein « und seiner Nebenflüsse, wird einstimmig angenommen. Anträge der Konservativen und dcZ ZenttumS wünschen Maß- nahmen zur i Bcrgröhcrung der Kartoffelanbaufläche und Bereitstellung von Saatkartoffeln- Sämereien und Düngemitteln. Der Ausschuß hat die Anträge in einer Fassung angenommen, worin die Regierung ersucht wird!. die Versorgung der Landwirl- schast mit den nötigen Düngemitteln und Saatkartoffeln und der Gärtnereien mit Gemüsesamen und anderen Sämereie:: für die bevorstehende Frühjahrsbestellung ohne Verzug sicherzustellen, 2. ein«»esenlliche Vergrößerung der Kartoftelanlxiufläche zur Sicherung de» gesteigerten Verbrauch» für das laufende Fahr her- beizuführen, insbesondere durch Zusicherung eines ausreichenden

Zuschusses zur Beschaffung von Saaigui für die gegenüber 1017 vergrößerte Anbaufläche. Landwirtschaftsminister v. Eise»hardt-Rothe: Bei der Lersor- guilg der Landwirtschaft mit Düngemitteln und Gemüsesamen ist alles Mögliche geichchen. Auch zur Zahlung von Prämien, um eine reichlichere Kartoffelerzeugung durch vermehrten Anbau zu er- zielen, hat sich die Regierung jetzt entschlossen. Es sollen die Men- jjen des verwandten Saatgutes zugrunde gelegt werden. Die Haup:- lache wird sein, daß gutes Saatgut verwandt wird. Die näheren Aussührungöbestimmungen müssen der Verwaltung überlassen bleiben. Die Bevölkerung mutz möglichst schleunigst darauf hinge- wiesen werden, daß die Vermehrung des ÄortoftelanbauS unbe­dingt erforderlich ist und daß dazu auch finanzielle Beihilfe gegeben wird. Abg. Braun(Sog.): Dem ersten Teil des Kommissionsantrags stimmen wir zu, weil in der Tat alles getan werden mutz, um der Landwirtschast die Vorbedingungen für Auftechterhaltunq und Steigerung ihrer Produktion zu gewähren. Vor allem mutz die Landwirtschaft mit den notwendigen künstlichen Düngemitteln versorgt werden. Ferner muß auck gegen den Wucher, der jetzt mit Sämereien getrieben wird, eingegriffen werden. lSehr wahr!) Es werden einfach die Preise für ausländische Sämereien, auch für die im Inland erzeugten Sämereien verlangt. Man kann es natür- lich dem Samen nicht gut anseben, ob er aus dem Aus- oder In- land stammt Dcr aus dem Ausland bezogene Samen dürfte daher nur unter strenger staatlicher Kontrolle vertrieben werden, und der inländische Samen muß billiger werden.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Was die Förderung des Kartoffelanbaues an- betrifft, so sind die Breis e, die heute den Kartoffelerzeugern gc- zahlt werden, völlig ausreichend. Das hat selbst der Prä- sident des Kriegsernährungsamts unter Berufung auf landwirt - fchaftliche Sachverständige in der Kommission erklärt. ES liegt daher gar kein Anlaß vor, den Kartoffelerzeugern in Form von Prämien weitere materielle Vorteil« zuzuführen, man solle viel- mehr zum Anbauzwang schreiten, wenn die notwendige Menge von Kartoffeln nicht erzeugt wird.(Zuruf rechtS: Undurchführ- bar!) Nun. ebenso wie die Wehrpflicht und die Hilfsdienstpflicht durchführbar ist, ebenso durchführbar muß auch die Anbaupslicht sein. Oder wollen Sie etwa sagen, daß die landwirtschaftlichen Kreise nicht bereit sind, ohne Prämien ihre vaterländische Pflicht zu erfüllen, wi« daS andere Kreise dcr Bevölkerung in dieser sckwe- ren Zeit tun müssen? Nur dann wäre der Anbauzwang ein Schlag ins Wasser!(Sehr ivahr! bei den Sozialdemokraten.) Wir lehnen jedensalls auS grundsätzlichen und praktischen Bedenken den zweiten Teil des Kommissiontantrages ab, der eine Prämie fordert für die Landwirte, die ihre Anbaufläche an Kartoffeln vermehren. Dieser Anreiz durch fortdauernde Preissteigerungen hat in den 3)4 Jahren der Kriegswirtschaft kläglich versagt. Diese Anrcizpolitik hat lediglich die Folge gehabt, daß die Lebensmittel iminer teurer und knapper geworden sind, hat allem die Gewinn- sucht angereizt.(Sehr wahrl bei den Sozialdemokraten.) Wird die Anbaufläche um 500 000 Hektar vermehrt, so ergibt ssch eine Liebesgabe für die Landwirte von 70 Millionen. Das ist bei den Niescneinnahmen, die die Landwirtschaft jetzt hat, sicher nicht notwendig. Daher wäre trotz der 70 Millionen der notwendige Mehranbau noch gar nicht einmal sichergestellt, denn wer bewahrt uns davor, daß die Landwirte, die im vorigen Jahre hinreichend Kartoffeln angebaut haben, im nächsten Jabre nicht ihre Anbau- fläche verringern und statt diesen Oelfrüchte bauen, die ihnen mehr einbringen. Dann wird man wieder eine Erhöhung der Kartoffel- preise verlangen, und so ist das Prämiensystem eine Schraube ohne Ende.(Sehr ivahr! bei den Sozialdemokraten.) Wo soll da« nötige Saatgut herkommen? Eine Menge Kartoffeln werden zweifellos nach wie vor verfüttert und große Mengen Kartoffeln werden der Bevölkerung im Schleichhandel zu hohen Preisen zugeführt, weil die jetzt gewährten 7 Pfund nicht ausreichen. Meine frühere Behauptung, das, auch der Regie- rungsprä sident von Düsseldorf den Gemeinden seines Bezirks 400 000 Zentner Kartoffeln zum Preise von 10 bis 12 M., also über den Höchstpreis, angeboten hat, hat mir Herr v. Waldow inzwischen bestätigt. Allerdings sind die Kartoffeln nicht über den Höchstpreis an die Verbraucher abgegeben worden, aber das ist nur möglich, wenn die Gemeinden zulegen. Da ist e» notwendig, die Quellen deS Schleichhandels zu verstopfen und die Kartoffeln dort zu nehmen, von wo sie noch fort« setzt dem Schleichhandel zugc- führt werden. Der konservative Redner in der Kommission hat erklärt, seine Freunde lehnten jede Verantwortung ab, wenn die geforderten Prämien nicht eingeführt würden. Dieser vor- hüllten Streikandrohung gegenüber erkläre ich, daß wir jede Verantwortung ablehnen für die Folgen, die sich aus der Fortsetzung dieses Liebesgabensystem» ergeben, nämlich eine ständige Bereicherung der Erzeuger und eine ständige AuS- beutung der großen Massen des Volkes.(Bravo ! bei den Sozial- denwkraten.) In der Debatte wenden sich verschieden« Redner gegen den von Braun geforderten Anbauzwang. Abg. Jany(k.): Für den Anbauzwang hat sich der Abg. Braun im Ausschutz auf da» Vorgehen Friedrichs des Großen berufen, der den Anbau der Kartoffel erzwungen hat. Was der Abg. Braun will, ist doch nur ein ArbeitSzwang gegen Hoch st lohn. Warum will er daß nicht auf die Arbeiter in den Fabriken an- wenden. Die Prämien sind notivcndig um die erhöhten Ar» beitölöhnc(!) zu zahlen. Nur die Kartoffeln hoben unS das Durchhalten ermöglicht. Ohne ausreichenden Zollschutz hätten wir in Deutschland nicht einen KartoffÄanbau, der den dritten Teil der Wellproduktion ausmacht. Die Anträge des Ausschusses werden angenom» m e n. Das SchätzungsamtSgcsetz sowie daS Gesetz zur Förde» rung der Stadt schaften wevden in der Fassung des Herren- hauieS angenommen. Damit ist die Tagesordnung erledigt Vizepräsident Lohmann schlägt vor, die nächste Sitzung am 20. Februar abzuhalten mit der Tagesordnung: 2. Lesung einer Reihe von EtatS. Abg. Ströbel(Unabh. Soz.): Ich beomtrage, morgen eine Sitzung anzuberaumen zur Beratung de» Antrags Fuhrmann betr. die' Sicllung der Beamtrn zur BaterlandSpartei. Die Gärung des Volkes ist, wie Sie wissen, aufs höchste gestiegen durch den TerrorismuS, der von den Alldeutschen getrieben wird. Wohin die törichte Politik des Volksbetrug« führt, haben Sie an Oester- reich gesehen.(Große Unruhe rechts.) Vizepräsident Dr. Lohmann: Der Antrag ist geschäftSordnungS - mäßig gar nicht zulässig, da der Antrag Fuhrmann bereit« an eine Kommission verwiesen ist und gar nicht mehr vorliegt. Abg. Ströbel(Soz.): Dieser Beschlutz kann sehr wohl um- jjestotzen werden. Abg. Freiherr v Zedlitz: DaS Vorgehen des Herrn Ströbel beweist, daß die Herreu gar nicht beabsichtige», sachlich über die Materie des Antrags Fuhrmann zu sprechen, sondern daß sie ledig- lich die Gelegenheit benutzen wollen zu agitatorischen Reden nach außen; wenn auch nicht absichtlich, so besorgen sie doch tatsächlich damit die Geschafteun serer Feinde.(Sehr wahr! rechtsZ Abg. Ströbel(Unabh. Soz.): Diesen Vorwurf weise ich zurück. Tie Geschäfte der Feinde werden vielmehr besorgt durch den un- sinnigen TcrroriSmuS der Alldeutschen. Wenn sich die Er- r c g u n g wie in Oesterreich auch vc i uns c n t l ä d r. so ist das Ihre Schuld.(Sehr gut! bei den Unabh. Soz. Unruhe rechts.) Der Antrag Ströbel wird abgelehnt. Schluß: 5H Uhr.

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