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Nr. 143.

Erscheint täglich außer Montags. Preis pränumerando: Viertel­jährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 Mt., wöchentlich 28 Pfg. fret in's Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags: Nummer mit tllustr. Sonntags- Beilage Neue Welt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 3,30mt. pro Quartal. Unter Kreuz­ band  : Deutschland   u. Defterreichs Ungarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3 Mt.pr.Monat. Eingetr. in der Post Beitungs- Preisliste für 1894 unter Nr. 6919.

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11. Jahrg.

Insertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pfg., für Bereins- und Versammlungs- Anzeigen 20 Pfg. Juferate für die nächste Nummer müffen bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochens tagen bis 7 Uhr Abends, an Sonn­und Festtagen bis 9 Uhr Vor mittags geöffnet.

Fernsprecher: Amt 1, Nr. 1508. Telegramm- Adresse: Sozialdemokrat Berlins  ,

Berliner   Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Arbetter!

Sonnabend, den 23. Juni 1894.

Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

Parteigenossen! Trinkt kein boykottirtes Bier!

Macht und Gewalt.

I.

Welche Taktik müssen die Sozialisten bei ihrem Kampf für die vollständige Befreiung des Proletariats befolgen?

Es ist klar, daß diese Taktik durch örtliche Verhältnisse noth­wendiger Weise beeinflußt wird. Nichtsdestoweniger muß aber die sozialistische Partei, als eine internationale Partei, einige all­gemeine Grundzüge haben, die trotz aller Verschiedenheiten der Umstände des Ortes und der Zeit unerschüttert bleiben.

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Ein revolutionäres Mittel ist dasjenige, welches uns unserem Ziele, der Revolution, näher bringt. Ist dies wahr und in diesem Falle ist ein Zweifel ausgeschlossen- danu folgt mit zwingender Logik daraus:

1. Daß eine Handlung durch und durch revolutionär sein fann, ohne auch nur im Entferntesten dem Aufruhre, der Revolte zu gleichen. 2. Daß der Aufruhr, die Revolte jedesmal anti revolutionär ist, wenn sie anstatt uns unserem Ziele zu nähern, uns nur weiter von ihm entfernen. Wer nicht blind ist, sieht, daß grade dies Lettere die Wirkung der anarchistischen Revolte ist.

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Schleudern die Genossen" bald hier bald dort eine Bombe, oder stacheln sie Streifende zu Gewaltthätigkeiten auf, so erreichen sie damit weiter nichts, als daß sie die Reaktion fräftigen, was so viel heißt als: fie schaffen neue Hindernisse für die proletarische Bewegung. Die anarchistische Revolte, wie gewaltthätig fie auch fei, ist also nur ein anti revolutionäres Mittel.

Ich muß zunächst bemerken, daß wir nicht von dem Endziel der internationalen sozialistischen   Partei sprechen, das hinreichend bekannt ist, sondern von der Taktik oder, wenn man will, von den Mitteln. Das Ziel und die Mittel sind zweierlei und ob­gleich die Mittel dem Biel entsprechen müssen und obgleich, wer das Biel will, auch die Mittel dazu wollen muß, so bedienen sich doch die politischen Parteien sehr oft solcher Mittel, die ihrem vor geftecten Biel nicht entsprechen. Das findet sich auch in der Geschichte des Sozialismu   3. Robert Dwen und Fourier verfolgten unb estreitbar revolutionäre Ziele, glaubten aber mit friedlichen Mitteln sie erreichen zu können. Dieser Widerspruch zwischen dem Ziel und den Mitteln ist eine der schwächsten sie in Wirklichkeit ist. Seiten des utopistischen Sozialismus.

Unser Sozialismus verdiente nicht den Namen: wissenschaft­licher Sozialismus, den ihm selbst die Feinde geben, wenn wir uns nach derselben Richtung hin versündigten, wenn zwischen unserm Ziel und unseren Mitteln ein Widerspruch beſtünde. Mix müssen auch den leisesten Schatten eines solchen Widerspruchs entfernen.

Es ist zu wenig gefagt, wenn wir schlechthin fagen: unser Ziel ist ein revolutionäres Biel. Es ist im höchsten Grade re­volutionär, es ist das revolutionärste aller Ziele, die jemals die Menschheit gekannt hat. Und entsprechend diefer im höchsten Grade und im innersten Wesen revolutionären Ziele müssen auch die Mittel revolutionär sein; fie müssen die revolutionärsten sein, deren sich jemals die Neuerer bedienten.

Welches sind nun aber diese Mittel?

Die Anarchisten antworten: Revolutionäre Mittel find un gefeßliche Mittel! So lange Ihr Euch noch an den Wahlen betheiligt, Eure Gewählten noch, im Interesse des Proletariats, diese oder jene Reform der Bourgeoisie abzuringen suchen, so lange Ihr noch Gefeßen Rechnung tragt, die Euch das freie Wort, diese oder jene Handlung verbieten, so lange habt Ihr mit der Revolution nichts gemein, seid Ihr nichts als Gesetzes menschen und friedliche Reformer.

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Das revolutionäre Handeln beginnt erst da, wo man die Gefeße nicht befolgt, also beim Aufruhr, bei der Revolte entweder der einzelnen Person oder der Masse. Und je mehr Ihr nach der Seite des Aufruhrs nnd der Revolte neigt, um so revolutionärer werdet Ihr."

Das ist eine klare Antwort. Es gilt zu prüfen, ob sie auch richtig ist. Es liegt auf der Hand, daß für die Anarchisten revolutio näre Mittel und Revolte vollständig gleichbedeutend, eins find. Ist aber diese Jdentifizirung( Einerleierklärung) berechtigt?

Feuilleton. Der Inde.

Deutsches Sittengemälde

aus der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts.

Von C. Spindler  . Biertes Kapitel.

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reaktionären Maßnahmen, vermittelst derer unsere Feinde uns zu verderben bemüht sind, gegen die Urheber selbst und machen uns stärker, als wir vorher waren. Daraus folgt jedoch nicht, daß wir solch reaktionäres Handeln unterstützen sollen.

Außer allem Zweifel ist es, daß der Kapitalismus, überall da, wo er herrscht, die Reaktion hervorruft, daß er aber auch die ökonomischen Elemente der neuen Gesellschaft vorbereitet und, indem er Proletarier schafft, zugleich seine eigenen Todten­gräber erzeugt. Allein darum sind die Herren Unternehmer doch feine Revolutionäre. Treiben sie die wirthschaftliche Bewegung zu einer, für die jetzige Ordnung unheilvollen Lösung, dann thun fie es, ohne es zu wollen, unbewußt. Ihre bewußte Thätig. feit ist im Gegentheil eine fonservative; so viel an ihnen liegt, thun sie alles, um die jetzige Ordnung vor jedem Angriffe der Un­zufriedenen zu bewahren, und häufig lassen sie die Proletarier Angriffe dieser Art sehr theuer bezahlen. Es leuchtet ein, daß eine solche Thätigkeit nichts gemein hat mit der Aufgabe der

Revolutionäre.

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Es ist leicht, den Denkfehler zu erkennen, der die Anarchisten So kommt es, daß die Anarchisten, b. h. die ehrlichen, die ihre Revolte für das gerade Gegentheil dessen halten läßt, das jenigen, die feine Lockspizel find deren, nämlich der Lock­spizzel, es sehr viele in dieser Gesellschaft giebt Nehmen wir irgend eine Revolution, ganz gleich welche, die Bestrebungen für die Revolution sind, aber in Wirts in ihren des siebzehnten Jahrhunderts in England, in Frankreich   die lichkeit nur der Reaktion dienen. Und umgekehrt sind die evolution zu Ende des achtzehnten Jahrhunderts, oder von Kapitalisten für den bestehenden Zustand( den status quo), 1830 oder 1848 bei all diesen Revolutionen finden wir eine d. h. dafür, daß alles beim Alten bleibt, in Wahrheit aber vers ganze Reihe von Gewaltthätigkeiten- Aufruhr, Barrikaden, Kämpfe, stärken ſie, ohne es zu wollen, die Revolutionsarmee. Die Ginen Blutvergießen. Diese bei jeder solchen Revolution unvermeid- find Aufrührer", Leute der, Revolte" lichen Gewaltthätigteiten verleiten die Genossen" zu einem Konservative; und beide sind gleich weit davon entfernt, die Anderen lächerlichen Irrthum, den sie wie folgt begründen: weil bei Revolutionäre zu sein. allen Revolutionen Gewaltthätigkeiten vorkommen, so genügt es, Gewaltthätigkeiten zu begehen, um die Revolution zu beschleu­nigen". Das ist, wie wenn Jemand sagte: Weil man sich der Regenschirme beim Regen bedient, brauchen wir nur dieses nüh liche Instrument aufzuspannen, um das Wasser vom Himmel fallen zu machen". Die ganze anarchistische Lattik gründet sich auf diesen sonderbaren Trugschluß. Sie ist nur zu Einem gut, nämlich zu zeigen, daß es nichts Einfältigeres giebt, als die gewaltsamen Mittel mit den revolutio nären Mitteln zu identifiziren.

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Wir haben es schon gesagt: revolutionär ist das Mittel, welches uns unserem Ziele, der Revolution, näher bringt. Eine revolutionäre Handlung ist somit eine Handlung, welche die der heutigen politischen und sozialen Ordnung zur Stütze dienenden Kräfte schwächt und die Kräfte der Anhänger der kommenden Ordnung vermehrt.

einen Seite die Kraft der Revolution vermehrt und auf der Eine revolutionäre Thätigkeit ist diejenige, welche auf der anderen sie bewußt vermehrt, in der von denen, die sich der Revolution widmen, gewollten und vorher überlegten Art.

Mit Hilfe der Fabrikgesetzgebung der tapitalistischen Auss beutung Schranken sehen, innerhalb dieser Schranken die Politische Defonomie( Nationalökonomie) der Arbeit über die des Rapitals fiegen machen, das heißt die ökonomische Lage eines Landes im Sinne der Revolution ändern. Eine Thätig­feit, die dieses Ziel verfolgt, ist also eine revolutionäre, gleich­viel welche Form sie annehme, einerlei, ob sie ihr Ziel mit Gewaltmitteln oder auf dem Wege der gefeßlichen Agitation erreicht.

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Mehr noch. Je stärker das Proletariat wird, um so leichter wird es ihm auch, ähnliche Reformen auf friedlichem und gesez­lichem Wege zu erlangen. In den Goldbergwerken von Sibirien  Die Kräfte dieser beiden Kategorien hängen in letter Linie sind die Arbeiter vollständig in den Händen der Unternehmer, von der ökonomischen Lage jedes einzelnen Landes ab, deshalb die sogar unglaublich ist jedes Handeln, das diese Lage in dem Sinne abändert, daß zu peitschen. Gewaltthätigkeiten sind für diese Unglücklichen das das Recht haben, sie mit Ruthen sie die Kräfte der Anhänger der zukünftigen neuen fozialen Drd- einzige Mittel, fich vor der schlechten Behandlung der Kapitalisten nung vermehrt, ein revolutionäres Handeln wenigstens in zu schüzen oder wenigstens dafür zu rächen. Die west­seinen Folgen. Aber sagen, daß eine Handlung in ihren europäischen und die nordamerikanischen Arbeiter brauchen o I gen revolutionär sei, heißt noch nicht sagen, daß sie auch nicht ihre Maschinen zu zerstören, damit ihre Herren der Revolutionäre würdig sei. sie nicht schlagen tönnen. Sie haben zahlreiche gesehliche In der That wenden sich sehr oft, ja immer die Mittel, um gegen ihre Ausbeuter zu kämpfen. Sich dieser

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sie im Freien. Ei, welches ist denn jenes Gebäude dort Tisch rein machte, die Raße vom Ofen, die Lieblingshenne an der Anhöhe?" fragte Vollbrecht, da sich zu ihrer Linken vom Fensterbrett jagte, und einen ledernen Sorgenstuhl ein Haus zeigte mit einem Thürmlein, dessen farbig Biegel herbeischleppte für den lieben Gast. Dagobert sah sich, der dach luftig leuchtete im Mittagstrahl. Dagobert blickte hin, Knabenzeit eingedent, in dem kleinen Gemache um, das und hielt sein Roß an. Sieh doch," sprach er: das ist ihn heimisch ansprach mit allem, was darinnen stand und der Schellenhof, der meinem Vater zusteht. Eine Meierei, lag. Da waren noch die alten Schränke zu schauen, und auf welcher ich als Knabe manch heitern Tag verlebt. der mächtige Tisch mit dem knaufigen Gestell, und die Es ist schon recht lange her, seit ich das wohnliche Haus binte Truhe, und das Himmelbett mit den blau und weiß zum letztenmale gesehen, und ich verspüre eine Lust in mir, geflammten Vorhängen, und der Weihkessel an der Thüre, die alte Crescentia zu begrüßen, die dort als unsere Schaff- und das Kruzifir zwischen den Fenstern, und selbst die Wo ist das Auge, das schärfer nerin haust, und manch liebes Mal meinen Gaumen mit Dreifönigskreuze über dem Eingang standen wieder da, fäbe, als das der Liebe? Wo einem Becher Milch, oder mit saftigen Kirschen erquickt hat. mit Kreide angemalt, wie vor Zeiten. die pand, die kräftiger schirmte, Da wir eben keinen absonderlichen Zweck vor Augen haben, glücklich!" sprach Dagobert, all die veralteten Herrlichkeiten ,, Hier war ich als die des Liebenden? Er hütet sein Kleinod mit freudigem dächte ich, wir ritten an den Hof hinan." Gesagt, gethan. musternd:" Glücklicher als jezt; und jene Glückseligkeit Muthe und nimmt es auf mit In kurzer Frist hatten die Pferde den breiten Landweg, der verdanke ich" Dir, gute Frau." Ei, warum solltet Ihr einer Welt, die ihn widerstrebt! zum Gebäude führte, gemessen, und die Reiter stiegen an denn jetzt nicht eben so viel und doppelt so viel Freude 2. der mit Reben umkränzten Pforte ab. Zwei krummbeinige haben, denn sonst?" fragte Crescentia  , ihm gutmüthig auf Dagobert war noch immer nicht einheimisch in seines Dachshunde, die im warmen Sonnenscheine auf den Stufen die Hand klopfend:" Ihr verdient's ja, glücklich zu sein; Vaters Hause geworden. Diether hatte zwar viel von lagen, umkreisten bellend die Pferde, und über die Halb- das fagt mir Guer gesundes und wackres Angesicht, und ge= seinem mürrischen Wesen abgelegt, aber seine Freundlichkeit thüre des Hauses lehnte sich ein altes aber freundliches wißlich seid Ihr brav geblieben, wie Ihr's war't. Ach,"" war Novembersonne. Er schien den Sohn eher zu meiden, Gesicht, den Ankömmling mit Vergnügen bewillkommnend. sagte oft mein Seliger: wenn ich's nur erleben könnte, als zu suchen, und der fröhliche Ostersonntag war vor der Grüß Dich Gott, alte Magd!" sprach Dagobert treuherzig, den kleinen Junker als unsern Herrn zu sehen. Thüre, ohne daß er seinem Dagobert nur ein einzig Mal und reichte ihr die Hand: Sieh, es freut mich in der Vater ist zwar gut, aber zehnmal besser würde der Sohn."" gefagt hätte, ob es ihn freue, daß ihn der Papst frei- Seele, daß ich Dich lebendig und munter antreffe, wie einen Nun freilich," fuhr sie fort mit einem Seufzer: diese gesprochen,- ob nicht. Der Sohn blieb daher ungern in rüftigen Wächter. Kennst Du mich denn noch?" Ei, Beit hat mein Alter nicht erlebt; er würde sie auch nicht Sem Hause, wo er nur trübe Gesichter sah, denn auch wie sollte ich nicht?" antwortete die Frau mit vieler erlebt haben, wenn er noch so alt geworden wäre; wir Margarethe war von einer unbeugsamen Schwermuth be- Rührung, und die Pforte weit öffnend: An meinem alten wußten damals noch nicht, daß Eure Mutter, der Gott fallen. Die zwei Tage, die er bei den Eltern zugebracht, Körper sind die Augen noch das beste. Ein Gesicht, wie gnädig sein wolle, Euch der Kirche verlobt habe."- Gott waren ihm schneckenlangsam hingekrochen, und zerstreuung das Eure, vergißt sich auch nicht so leicht. Tretet ein, erhalte Guch meinen Vater noch lange," erwiderte Dago­zu suchen, befahl er seinem Vollbrecht, der's vorgezogen lieber Junker Dagobert, tretet nur einen Augenblick ein in bert, einen besseren Gebieter findest Du schwerlich wieder." hatte, bei dem leutseligen Herrn zu verbleiben, die meine Klause."- Der Jüngling folgte ihr bereitwillig, Mag sein," versetzte Crescentia   trocken ,,, das bessere, Pferde zu fatteln, und einen Luftritt mit ihm zu machen. und ließ sich's in dem engen Stüblein gefallen, wo Cres  - sagt ein Sprichwort, kommt nicht immer nach. Der lange Knecht war's wohl zufrieden, und bald trabten centia mit Schürze und Borstwisch Ordnung schaffte, den Schwester, das Fräulein Wallrade, war kürzlich hier."

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