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Nr. 39

1918

Unterhaltungsblatt des Vorwärts

Freitag, 8. Februar

wo ein jeder treiben darf, wozu von Haus aus Trieb und Fähig- Ausdauer wurden allseitig anerkannt, und durch das verständnisvolle stande ist."

Natorp über den Aufstieg der Begabten. feit in ihm selber liegt, worin er daher das Beste zu leisten im Entgegenkommen seiner Vorgesezten wurde es ihm ermöglicht, täg­

In der Deutschen Schule, der wissenschaftlichen Monatsschrift des Deutschen Lehrerveremus, nimmt der Marburger Universitäts­Lehrer Professor P. Natory Stellung zu den Fragen des Aufstiegs der Begabten und der Schulorganisation in Ausführungen, die in tveiten Kreisen auf Beachtung und Zustimmung rechnen können. Die bisherige Schule hat nach seinem Urteil auf allen Stufen, von der Hochschule bis zur Volksschule, für die Begabten viel zu wenig getan. Auf der Universität findet wissenschaftliche Begabung und wissenschaftlicher Trieb wohl genügende Anregung, eine volle gegenseitige Durchdringung wissenschaftlicher und beruflicher Aus­rüstung ist aber nicht erreicht worden, weil viel zu viele zur Universität lommen, die zu wissenschaftlichem Studium und zu den Berufen, auf die es vorbereitet, die inneren Vors ausießungen nicht mitbringen, die weder freien Trieb noch echte Begabung dazu befizen. Die Reifeprüfung an den höheren Lehranstalten, deren Aufgabe es sein sollte, eine zulängliche Vor­bildung zu den Hochschulstudien sicherzustellen, bietet diese Sicher stellung nicht und tann sie nicht bieten, solange dabei die allge meinen Schulforderungen den Ausschlag geben. Die Verschiedenheit der Begabungen fomnit in der Prüfung so wenig wie in dem gleich mäßigen, immer gleichmäßiger werdenden Durchschnittsbetrieb unferer Massenschulen zu ihrem Recht. Auf diese Weise verkümmern allzu viele, nicht gerade allerhöchste, aber doch tüchtige Begabungen oder werden wenigstens ungebührlich zurückgehalten. Erschwerend kommt hinzu, daß der Lehrer seine Schüler in der Regel zu wenig kennt, um ihnen bei ihrer Berufswahl ein befugter Berater sein zu

tönnen.

Den entscheidenden Grund sieht Natorp aber darin, daß ganz allgemein bei der Wahl der Schule nicht so sehr auf die besondere Begabung des Schülers und die durch diese bestimmte Berufswahl. als vielmehr darauf gesehen wird, daß der Schüler in einen Beruf tommt, der ein gewisses gesellschaftliches Ansehen genießt und eine erwünschte Lebensstellung verspricht. Es handelte sich somit bisher immer nur um den Aufstieg in die höhere Gesellschaftsschicht, nicht um den Aufstieg der Begabten. Die verhängnisvolle Folge ist, daß in die Berufe, die die höchsten Anforderungen an allgemein geistige, ins­besondere wissenschaftliche Befähigung stellen. die verhältnismäßig Ileinste Zahl wirklich Befähigter hineinkommt. All diesen Mängeln unseres innersten geistigen Lebens und Kräfteverbrauchs. den Schaden der geistigen Blutzirkulation unseres Boltes aufs allerernsteste nachzus benfen und, nachdem sie solange schon aufgedeckt sind, ihnen auch endlich wirksam abzubelfen, ist jetzt dringendste Notwendigkeit. Jede Strait sollte an die Stelle kommen, wo sie ihr Bestes leiſten tann und muß. Dazu ist aber unerläßlich ein solches System unseres Bildungswesens, welches wirklich jede Begabung zu erfassen, für das, was sie am besten zu leisten vermag, richtig auszubilden und dafür bereitzustellen geeignet ist. Dazu aber ist das bis jetzt herr schende System eben unbedingt untauglich; es muß geändert werden, oder wir werden erliegen.

Es gibt aber feinen andern Weg der Gesundung als den der Einheitsschule. Die deutsche Schule muß so eingerichtet werden, daß fie jeder Eigenart der Begabung die Möglichkeit bietet, sich so frei und eigen, wie es mit einer Schulorganisation überhaupt ver­einbar ist, zu betätigen und durch tüchtige Leistung sich zu be­weisen, um dann den Weg der weiteren Ausbildung angewiesen zu befommen, der gerade ihr am besten weiterhilft. Das Wie der Ausführung mag wohl noch viele Versuche fordern, ja eine un erichöpfliche Fülle größtenteils bisher unerkannter und unange­rührter Fragen einschließen. Die neue Schulorganisation fann auch nicht von heute auf morgen durch einen Ausschuß ausgearbeitet und auf dem Verordnungswege eingeführt werden, Natorp schlägt

Eine verdächtige Gesellschaft.

lich mit Hilfe seines Fahrrades mehrere Male das Laboratorium Dr. Hindhedes zu erreichen, um dort seine nur aus Wassergrüße bestehenden Mahlzeiten einzunehmen. Eine andere Verfuchsperson war ein ehemaliger Patient Dr. Hindbedes, der ihn wegen eines langjährigen inneren gallensteinartigen Leibens fonsultierte. Die Grüße Ich erzähle Tatsachen, schreibt ein Mitarbeiter des Pariser Ernährung machte in turzer Zeit einen blühenden, gesunden und L'Douvre". Die Portierfrau schöpfte zuerst Argwohn. An be- leistungsfähigen Menschen aus ihm. Diese neuen Ernährungs stimmten Abenden in der Woche tat sich etwas bei den Leuten im versuche Dr. Hindhedes beweisen den hohen Nährwert der Grüße, Erdgeschoß. Gegen neun Uhr abends fand sich ein Besucher nach die bei einem Stilogramm etwa auf 3700-3800 Stalorien geschäzt dem andern ein. Sie klopften direkt au, traten durch die nur an Der im Vergleich zu anderen Nahrungsmitteln gelehnte Tür und gingen erst spät in der Nacht wieder zum Haus außerordentlich niedrige Preis der Grüße, die im gebrochenen Zu heraus. Die Portierfruu wollte sich hängen lassen, wenn da nicht stande der gewalzten vorzuziehen ist und des größeren Wohl­etwas dahintersteckte. Welchen anderen Zwed konnten diese ges geschmades wegen auch von Dr. Hindhede gebrochen verwendet heimnisvollen Zusammenfünfte wohl haben, als hinter verhängten wurde, ist ein weiterer und sehr wesentlicher Umstand, diesem wert­Fenstern irgend einem verbotenen Hazardipiel zu frönen! Ihre patriotische Pflicht, die standalösen Vorgänge zur Kenntnis der vollen Nahrungsmittel auch in anderen Ländern, besonders aber Polizei zu bringen, fam ihr von Woche zu Woche flarer zum bei uns in Deutschland mehr Ansehen und besseren Eingang als Boltsnahrung zu verschaffen.

Bewußtsein.

Der Polizeifommissar nahm die Sache fehr ernst. Wit noch zwei anderen Inspektoren drang er eines Abends in Begleitung der Portierfrau in die Spielhölle ein, in der nur zu seiner nicht geringen Verwunderung tiefste Finsternis herrschte.

Und doch sind sie alle da! schwur die Portierfrau hoch und beilig. Sie werden dunkel gemacht haben, wie sie uns tommen hörten. Der Polizeikommissar drehte das Licht an, und siehe da, fünf­zehn Personen beiderlei Geschlechts faßen rund um einen Tisch herum, mit steinernen Gesichtern wie die Pharaonen auf ihren Gräbern. Auf dem Tisch selbst war nichts zu sehen. Auch nicht das mindeste. Diese Entdeckung verblüffte nicht wenig die hohe Polizei, der es nicht unbekannt war, daß selbst zu dem einfachsten Spielchen drei Karten oder Würfel gehörten.

Im Namen des Gesezes, sagte der Polizeikommissar, was tun sie hier? Wir warten das Ende des Krieges ab, erklärte falt einer der Fünfzehn. etwas, das einem strategischen Plan gleich iah. Die Polizeibeamten saben unter den Tisch, und da fanden fie Auch die Karte Europas , wie sie 1920 aussehen würde, war da in großen Strichen gezeichnet. Die Beamten nahmen das Protokoll auf und schleppten die Verschwörer zur Wache.

Es bedurfte einiger Zeit, bis festgestellt war, daß die strategi­ichen Zeichnungen von dem Geiste Napoleons herrührten. Falls beim Eintritt der Beamten sich gerade Bismard gemeldet hätte, wären die unglückseligen Spiritisten womöglich noch des Einver­ständnisses mit dem Feinde angeklagt worden.

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Der Nährwert der Gerstengrühe.

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was

werden kann.

Kann man Petroleum durch Sodazusatz strecken?

Vielfach wird dem Petroleum, das in Lampen verbrannt wird, Soba oder auch wohl Kochsalz zugesetzt, und dieser Zusap, so wird behauptet, sei eine richtige Streckung des Petroleums und verlängere bessen Brenndauer. Läßt sich diese Annahme nun wissenschaftlich begründen? Tas Kgl. Materialprüfungsamt Berlin hat diese Frage jüngst untersucht und ist, wie der Prometheus" mitteilt, zu bem Ergebnisse gelangt, daß an dieser Streckung des Petroleums wirklich etwas wahres ist: die Brenndauer wird tatsächlich verlängert, aber einen wirklichen Vorteil hat der Verbraucher dabei doch nicht. Durch Vermischen von Petroleum mit Soda wird zwar ein ge­ringerer Stundenverbrauch des Brennstoffes erzielt, aber der Del­verbrauch für die Lichteinheit wird größer als bei reinem Petroleum. Die angebliche Betroleumersparnis bei der Streckung des Leuchtöls mit Soda erklärt sich also daraus, daß die Brenndauer auf Kosten der Helligkeit verlängert wird. Tatsächlich hat der Verbraucher so­gar einen Nachteil dabei, denn die Abnahme der Helligkeit ist größer, als der Berlängerung der Brennzeit entspricht. Wer aber eine so hellbrennende Petroleumilampe hat, daß er ihr Licht ab­Schwächen kann, ohne dadurch beeinträchtigt zu werden, mag das Verfahren der Streckung mit Soda immerhin anwenden.

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Notizen.

-Ein Kriegsmuseum. Das preußische Kriegsministerium ( Armeeabteilung) hat seit einiger Zeit mit den Vorarbeiten für eir nach dem Kriege zu errichtendes errichtendes Kriegsmuseum beschäftigt. Wir aber, schließt das Blatt, möchten dafür eintreten, daß man Echon jest sollen Maßnahmen getroffen werden, die für ein solches den Epirinsten Gedankenfreiheit gibt. Wir sind selbst dafür, daß Museum wichtige zu Werte erfassen. Zu diesem Zweck werden an den der Staat den Spiritismus auf alle Weise begünstige. Denn seine Fronten wie in der Heimat Gegenstände gesammelt, die ein Anhänger find ruhige Bürger, die niemand etwas zuleide tun und lebendiges Bild des Strieges der Nachweit überliefern können. sich ganze Stunden hindurch sill verhalten und schweigen fönnen. Der Maler Gustav Klimt ist 56 Jahre alt in Wien Auch treiben sie feinen Mißbrauch mit dem einzigen Gegenstand, gestorben. In ihm verliert die österreichische Segession, die freilic deffen sie sich bedienen, machen also weder ein Spielchen auf dem nie die Bedeutung der Berliner Segeision hatte, ihr vielgefeiertes Tisch, noch trinken, schreiben oder addieren sie auf ihm. Ganz ab- und vielumiämpftes Haupt. Klimt hat die Ausösung der Malerei Er erhob das Ornament und das Spiel gesehen davon, daß sie dem Staate wertvolle Dienste burd) die ins Deforative bollendet. Und Stohlenersparnis leisten, deren sie sich befleißigen. schließlich am meisten bei den verkürzten Brot und Mehlrationen mäldes. mit allen raffinierten und zerfließenden Reizen zum Inhalt des Ges Als er den Versuch machte, diese, wenn man will: ins Gewicht fält fich Tee und Kuchen befinden. die Geister gehen nie in einen Tisch, auf dem byzantinische Art auf das monumentale Wandbild zu übertragen. fcheiterte er. Die ihm übertragenen Wandgemälde für die Wiener Universität wurden ihm nicht abgenommen. Klimts Bedeutung be­steht in den Anregungen, die er in dem jungwiener Stunstgewerbe Dr. Sindhede, der bekannte dänische Ernährungsforscher auslöfte. Seine schillernde Begabung zerflattert wie die Farben der und Vertreter einer vorwiegend vegetabilischen, weniger eiweiz- Seifenblase, die er auf seiner Palette hatte. haltigen Ernährung, bat, wie dänische Blätter berichten, neue Er­Auf eine neue Fettquelle weist der schwedische nährungsversuche mit Gerstengrüße gemacht, die ein außerordentlich Naturforicher Dr. Wesenberg- Lund hin. In dem Blankion, der auf günstiges Ergebnis batten. Gekochte Grüße ist schon von altersher der Oberfläche der See schwimmenden mifroitopischen Pflanzen- und in Dänemark ein wohlbekanntes Boitsnahrungsmittel, das mit reich- Tierorganismen, ist nach ihm eine überaus reiche Fettquelle ent­lichem Wilchzusatz sehr schmackhaft bereitet werden kann und in dieser halten. Fische, Ceevögel, die großen Seesäuger nützen sie bereits. Zubereitung in den nordischen Ländern, besonders auf dem Lande, Der Menich wird es lernen müssen, fie direkt auszubeuten, nicht erst ein bewährtes, fräftiges, tägliches Nahrungsmittel bildet. Im den auf dem Umwege der immer mehr verschwindenden Waltiere. Natorps Ausführungen, deren leitende Gedanken wir hier eigentlichen Nährwert der Grüße festzustellen, mußte Dr. Hindhede Amerikanischer Betoniciffbau. Der Bau von wiedergegeben haben, sind ein tapferes Bekenntnis zu der Forde den Milchzusatz ganz fortlassen, und es gelang ihm, seine Betonschiffen, der zuerst in nordischen Werften versucht wurde, soll rung der Einheitsschule, geboren aus tiefer Einsicht in die Not Bersuchspersonen, die mit größtem Eifer und Interesse au iegt auch in den Vereinigten Staaten in großem Maßstabe unter­unferer Schule und getragen von heißer Liebe zu unserem Volke. der Sache das Gelingen ermöglichten, mehrere Monate lang nommen werden, Während bisher die Betonschiffe verhältnismäßig Alle, die unser Volt lieb haben, sollten erkennen, daß das beilige ausschließlich mit Wassergrüße, die nut durch Fruchtzusab fleine Fahrzeuge von nur einigen hundert Tonnen Tragfähigkeit gemeinsame Gut der deutschen Schule von den schwersten Gefahren und Zuder schmackhaft gemacht war, zu ernähren und bei sind, haben mehrere Werften an der Küste des Stillen Ozeans ben bedroht ist, daß ein lebendiger Quell jetzt verstopft ist, den es zu voller Kraft und Gefundheit zu erhalten. Die eine männliche Bau von Betonschiffen von mehr als 1000 Tonnen begonnen. Das öffnen gilt, damit aus ihm unerschöpfliche belebende Bäche und Berinchsperson war fogar während der ganzen Verfuchszeit zum größte unter diesen neuen Schiffen soll eine Tragfähigkeit von 4500 Ströme durch ihren ganzen Organismus sich ergießen: der Quell Militärdienst einberufen und mußte schwere Schüzengraben- Tonnen haben. Ein Schiff soll innerhalb drei Monaten fertiggestellt jener inneren Freiheit und Freudigkeit, die nur da aufkommen kann, erdarbeiten verrichten, 8 kilometer vor der Stadt. Seine Kraft und werden.

daher vor, daß zunächst eine einzelne nicht zu große noch zu fleine, wohlhabende und bildungsfreundliche Stadt oder ein kleines Land führend voranginge, den Versuch in der erreichbaren Reinheit durch­führte und die Möglichkeit der Sache durch die Tat bewiese. Das Beispiel müßte dann notwendig Nachfolge finden, da felbft in furzer Frist sich zeigen würde, daß durch die allgemein erhöhte Tüchtigkeit aller und jeder Leistung die zweifellos hohen Kosten sich ficher bezahlt machen.

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Töchter der Hekuba.

Ein Roman aus unserer Zeit von Clara Wiebig . Von der Dombrowski war nichts zu sehen, der einsame Flur des Hauses gähnte dunkel. Als Gertrud die Tür ihrer Stube aufschloß, empfing sie das Weinen ihres verlassenen Kindes.

IX.

Wenn Rudolf Bertholdi noch nicht zu dem Mädchen ge­sprochen hatte, das ihn das schönste und beste auf Erden dünkte, so war es nur ein kleiner Rest von Bejinnung noch, der ihn zurückhielt er war noch so jung. Die Emilie nahm ihm diesen leßten Nest. Er sah sie weinen.

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B.

Wenu

zog? Heiß wallte es in ihr auf. Heut bar sie nicht sanft­mütig, heut war sie zornig: es ivar unzart, unbescheiden von Annemarie. Nie hätte sie das von der erwartet. Rudolf wieder fort war, würde sie ernst mit ihr darüber sprechen.

Emilie weinte schon all die Tage. Sie bemühte sich zwar, Hedwig Bertholdi fühlte nicht, daß sie ungerecht war. Es ihre Tränen vor der Herrschaft zu verbergen, zumal vor Herrn bäumte sich in ihr auf gegen das Mädchen, das sie vordem Bertholdi, aber als dieser wieder abgereist war, tat sie sich doch so verwöhnt hatte. Wenn Annemarie dem Sohn nicht nicht mehr den gleichen Zwang an, die gnädige Frau wußte entgegengefommen wäre, würde der gar nicht so sein. Aber ja schon um ihren Kummer. Und die jungen Herren war es nicht natürlich, daß ein junger Mensch den Kopf ver­Bei Bertholdis traf ein Brief von Frau von Loßberg würden nichts davon merken, die hatten beide ihre Augen liert, wenn man ihm solche Augen macht? Als er in den Krieg ein. Sie bat, man solle es Annemarie schonend mitteilen, wo anders. Aber Rudolf fragte. Das Mädchen war schon zog, war er noch das reine Kind gewesen, er hatte vordem daß der älteste Bruder, der schon vor längerer Zeit auf den ein paar Jahre im Hause, es hatte ihm oft geholfen, einen kaum Gelegenheit gehabt, sich mit Mädchen zu beschäftigen- Balkan abkommandiert war, in Mazedonien am Vardar vom dummen Knabenstreich zu verbergen; früher hatte sie immer dieses hier war ja auch die reine Kinderei, Gott sei Dant! Es Typhus befallen worden sei. Er hatte zwar schon selber aus lachend ihre weißen Zähne gezeigt, nun fiel ihre Veränderung war gut, daß das Zusammensein der beiden nicht mehr allzu dem Lazarett in Sofia geschrieben, aber seine Schrift war so doch auf. lange dauerte. zittrig, wie verlöschend, daß man die früher so fräftige Hand Emilie schämte sich- die volle Wahrheit konnte sie doch An was die Mutter sonst mit Schrecken gedacht hatte, gar nicht wiedererkennen konnte. Frau von Loßberg schrieb einem so jungen Menschen nicht sagen. So erzählte sie ihm dem sah sie jest mit einer gewissen Beruhigung entgegen: ganz ruhig. Dieser Aelteste war der Stolz ihres Mannes ge- denn, wie sehr sie sich gräme, daß sie ihren Schatz nicht ge- dem Ende des Urlaubs. Dann hatte auch die Sache ein wesen, ein tüchtiger Difizier mit glänzenden Aussichten. Es heiratet hätte, ehe der in den Krieg zog. Nun hatte sie Tag Ende. Und sie beschloß, sich in Geduld zu schicken. würde schon wieder besser mit ihn werden, im großen und Nacht keine Ruhe und die ewige Sehnsucht nach ihm. Mit dem Bestreben, dem Sohn ihre Enttäuschung nicht bulgarifchen Lazarett war er gut aufgehoben, die Königin Ach, die Sehnsucht! Und dabei füllten sich ihre Augen wieder selber hatte dem deutschen Offizier Blunten geschickt und mit Tränen.

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merken zu lassen, lächelte sie ihm entgegen, als er jetzt zu ihr ins Zimmer trat. Sun, mein Junge, tommst Du mal ein bißchen zu mir?" Sie wollte ihn neben sich ziehen, auf den weichen Diwan. Er aber setzte sich ihr gegenüber. Sein Gesicht glühte, strahlte etwas aus seinen Augen, was sie stubig machte. Nun?" Sie sah ihn erwartungsvoll an. Er hatte zum Sprechen angesetzt und dann doch wieder geschwiegen. Es wurde ihr unbehaglich. Was willst Du denn?" fragte jie ein wenig gereizt. War sie denn zum Fürchten, daß er sich nicht mit der Sprache heranstraute?

es

Wein. Aber die Kämpfe in Mazedonien würde er wohl nicht Mitleidig sah der junge Mann sie an: das hübsche Ge­mit zu Ende führen helfen, und das schmerzte die Mutter für sicht war schmal geworden, lange nicht mehr so rund und den Sohn. frisch. Und dann nichte er verständnisvoll. Ja, das war Annemarie weinte, als Frau Bertholdi ihr den Brief dumm von ihr gewesen, sehr töricht. Wenn man sich so lieb mitteilte ihr lieber, guter, schöner Jörg Aber dann tröstete hat, heiratet man sich eben. Sinnend sah er einen Augenblick fie sich bald wieder: es ging ihm ja schon besser. Ihre Ge- vor sich nieder, über sein noch fast fnabenhaftes Geficht mit danken waren mit anderem beschäftigt und ihr Herz auch. dem sprossenden Flaum jagten allerlei Empfindungen; dann Was sich anfänglich wie ein Spiel angelassen hatte, richtete er sich auf mit einem Ruck wie in einem festgefaßten schien rasch Ernst werden zu wollen. Fünf Tage war Rudolf Entschluß. Mit beiden Händen zog er den Uniformrock stramm Bertholdi erst hier, und schon glaubten die beiden zu wissen, und dann ging er raschen Schrittes aus dem Zimmer ,, Was ich will? Ja, id) will etpas!" Er neigte sein daß fie sich angehören müßten, angehören fürs Leben. Noch war Annemarie?- glühendes Gesicht gegen sie, seine Augen suchten bittend die hatte er nicht zu ihr gesprochen, aber seine Blicke, die sich an Die Mutter saß allein in ihrem Zimmer, ein wehmütiger ihren: Mutter, Annemarie und ich lieben uns. Wir haben sie hingen, sagten es ihr deutlich. Sie wartete nur darauf, Ausdruck lag auf ihrem Gesicht. Nun waren die Söhne da, uns eben ausgesprochen sie will mich, ich will sie. Ich will ihm an den Hals zu fliegen. Sie war ohne Nachdenken, ihre beiden Jungen wie hatte sie sich gefreut! Und nun sie hereinrufen." Er wollte zur Tür eilen. ohne Besinnung, alles fieberte an ihr. Mit Entsetzen ging sie war es doch nicht so, wie sie es sich gedacht hatte. Sie sprang auf und hielt ihn zurück: Nein, nein, laß!" abends zu Bett: wieder ein Tag vorbei! Er hatte nur vier- die Stirn fraus, ihre Augen blickten finster: Annemarie hatte Und dann fuhr es ihr heraus, herb gegen ihren Billen: Kein zehn Tage Urlaub. Ein heißer Blutstrom durchschoß sie, mit sich zwischen sie und ihrem Jüngsten gedrängt. Er hatte nur Wunder, daß ein junger Mensch sich verliebt, wenn man ihm dem ganzen Leichtsinn ihrer achtzehn Jahre schob sie alle Augen für das Mädchen. War Annemarie nicht im Zimmer, so entgegenkomunt! Mein Sohn, du wirst dich noch oft ver­anderen Gedanken von sich, es gab für sie teine Bedenken, wurde er unruhig, brach das Gespräch ab, ging ihr nach. lieben. Das geht vorüber ein Jugendtraum fie dachte überhaupt nicht nach. Ein rosenroter Schimmer Hatte er denn so wenig Liebe für seine Mutter, daß er das Kinderei!" übergoß ihr die Tage: so würde es bleiben, ewig, ewig. fremde Mädchen, das er erst so wenige Tage kannte, ihr vor- l

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Sie zog

eine

Corts. folgt.)