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Nr.HH 35. Jahrgang
Seilage öes vorwärts
Donnerstag, 11. �pril 1H1S
weitere polenüebatte im Herrenhaus.
30. Sitzung. Mittwoch, den 10. Tvril 1018, vorm. 11 Uhr. Am Ministertische: Dr. Drew?, v. Eisenhardt-Rothe, t>. d. B u s s ch e. Tie Beratung der Anfiedlungsdenkschrist wird fortgesetzt. Hierzu liegen dor der Antrag deS Ausschusses auf Sicherung der Grenzen und der Antrag von Kleist, bei zukiinfligen griedensschliisien unbedingt Kriegsentschädigung zu fordern. Fürst Radziwill: Die AnsiedlnngSkommiffion ist ein Bestandteil der anti- Volnischen AuSnah Niegesetzgebung, sie verstöstt gegen die Gleichberechtigung. Wir nehmen die Denkschrift nicht zur Kenntnis und protestieren gegen den dahingehenden Antrag. Der Antrag betreffend Sicherung der Grenzen will auf die Regierung einen gewissen Druck ausüben, obwohl der Reichskanzler, die in, Deutschen Reich   maßgebende Regierungsgewalt, erklärt hat, an der Zweilaiserprotlamation und an den Richtlinien der Reichstags« Mehrheit f e st z u h a l t e n. Ich kann nicht annehmen, daß die Mehrheit dieses Hauses sich mit der Reichspolitit in Gegensatz setzen wollte. Der po.lnische Staat besteht erst im Prinzip. In Brest  -Litowst mußte die kaiserliche Regierung widerspruchslos den blutigen Hohn Trotziis hinnehmen, wo denn der König diese? Königreichs und die Grenzen dieses Staates seien. Es hat in der Geschichte kein Bor- bild, daß man über die militärische sicherstellung dieser noch gar nicht existierenden Grenzen hier Forderungen aufstellt. Eine Bor- bedingung für unsere fteudige Zustimmung der Befreiung vom Zarismus ist, daß da» Land nicht der Verarmung zugeführt wird. In weitgehendem Maße ist aber die Bevölkerung Polen  » vom Rege» ia die Traufe gekommen. sHört! hört! Bewegmrg.) Die Ausnahmegesetze find bisher erst zum geringen Teile außer Kraft gesetzt. Die Zusage, daß es geschehen soll, verzeichnen wir mit Dank, aber die Erklärungen der Polen   im Abgeordnetenhaufe kann bei dieser Sach- läge nicht als borrende Auflehnung bezeichnet werden. Die Be- Handlung der Cholm frage im ukrainischen Friedensvertrag hat in, ganzen polnischen Volk« große Erregung hervorgerufen. Ueber Landstriche, von denen die entscheidenden Stellen gar nichts wissen, wird ganz dilettantisch verfügt. Das durchaus einheitliche Litauen   wird ohne erkennbaren Grund in zwei Teile geteilt, wovon der eine der bolschewistischen Anarchie ausgesetzt, der andere von deutschen Truppen besetzt ist. Als Vertreter der Ukraine   trete» zu- meist jüdische Studenten auf, auch solche auS Ostgalizien, die die ukrainische Agitation betrieben haben, der auch der galizische Statthalter Graf Potocki   zum Opfer gefallen ist. Die beste Sicherung der Grenzen wird erreicht, wenn ein st a r k e r volni scher Staat geschaffen wird, nicht ein Pufferstaat, in dem sich gewaltige Rachbarn«in Rendezvous geben und, wie jetzt, das Land verwüsten. Für ein« solche Zukunft danken wir. Minister des Innern Dr. DrewS: Die Grundsätze der preußischen Polenpolitik find bier sehr skeptisch beurteilt worden. Die Regierung verfolgt aber kein anderes Ziel, als daß sie sich der Hoffnung hingibt, unter dem gewaltigen Eindruck des Weltkriege» wird sich die Zahl der Polen   vermehren, die sich auf den B o d e n d e S vreußischen Staates stellen wollen. Zur Herbeiführung dieses Ziele» haben wir noch einmal die Hand zur Bersöhnung geboten. Man hat demgegenüber ver- wiesen auf gewisse Aeußerungen polnischer Abge- o r d n e t e r im Reichstag und im Abgeordnetenhaus. Ich gestehe ganz offen: wenn die überwiegende Mehrheit deS volnischen Bolkes in Preußen dauernd so denken würde, wie jene Abgeordneten gesprochen haben, dann wäre aller Liebe Müh' umsonst. sSehr richtig I) Aber e» gibt unter den Polen   Kreise, wenn es auch nur ein« Minderheit ist, die auf einem anderen Standpunkt stehen. Deren Stimme baben wir in diesem Hause gehört. Aus den drei Reden der Polen  hier klang der ernste Wille zum preußischen Staat heraus. Mit Leuten, die den ernsten Willen zum preußischen Staat baben. kann man sich verständigen. Tun wir das nicht, dann wird in der Ostmark ein Kampf bis aufs Messer entbrennen. Wir dürfen die Gelegenheit de« Weltkriege«, der unser ganzes Volk >iufs tiefste erschüttert und der so viele, die bisher dem Gedanken eine» starken preußischen Staate» ablehnend gegenüberstanden, ein
Hegen üas ßrauenftimmrecht. anderes Denken gelehrt hat, nicht vorübergehen lassen, ohne den ehrlichen Versuch zu macheu, zu besseren Verhältnissen zu kommen. Ein paradiesischer Friede wird auch dann in der O st mark nicht herrschen. Noch immer werden Wünsche unerfüllt bleiben. Aber da? kann nicht ausschlaggebend sein, wir müssen versuchen, zu besseren Zeiten zu kommen, (Zuruf: Allgemeines Wahlrecht!) Wir müssen unsere Polenpolitik so einrichten, daß sie nach menschlichem Ermessen die Gewähr der Dauer in sich birgt.(Zurufe: Wahlrecht!> Gegenwärtig wird die Polenpolitik getragen von der überwiegenden Mehrheit dieses Hauses und im Abgeordnetenhause von einer Mehrheit, die fich ergibt aus einer Zusammensetzung der Parteien des nach den gegenwärtigen Wahlen gewählten Abgeordnetenhauses. Nun stehen wir vor einer Acndcruug des Wahlrechts. (Zurufe: Leider!) Die Regierung gibt sich keinem Zweifel darüber hin, daß die gegenwärtige Mehrheit für die Ostmarken- Politik nicht mehr die Mehrheit der Zukunft im Abgeordnrtenhause sein wird.(Unruhe.) Das würde auch dann der Fall sein, wenn nicht daS gleiche Wahlrecht Gesetz würde, sondern das von den Konservativen beantragte und durchgesetzte Plural wähl- recht.(Zurufe: Das wollen wir auch nicht!) Auf alle Fälle wird in Zukunft die gegenwärtige Ostmarkenmehrheit im Abgeordnetenhause nicht niehr bestehen.(Zurufe: Leider!) Deshalb muß man doppelt und dreifach darauf Bedacht nehmen müssen, eine Politik zu finden, die trotzdem die wicbtigsten Lebensinteressen unserer O st in a r k für die Zukunft sichern. Zu diesem Zweck müssen wir Abstand nehmen von iolchen Maßnahmen, die den Polen   etwas verbietet, was den Deutschen  nichts schadet, und deshalb am meisten den Charakter eines Aus- nahmegesetzes tragen und verletzend wirken müssen. Wir müssen auf der anderen Seite daS Deutschtum positiv fördern durch allerlei B e r g ü n st i g u n g e n auch in g e l d- licher Beziehung. Im Abgeordnetenhause habeu große Parteien, die der bisherigen Kampfpolitik in der Ostmark ab- lehnend gegenüberstandeii, erklärt, daß sie geneigt sind, auf diesen Boden zu treten. Diese Parteien aber brauchen wir für die Btl- dung einer Mehrheit in einem anders zusammengesetzten Ab- geordnetenhause.(Unruhe.) Gerade unter dem Eindruck des Weltkrieges hat sich in den weitesten Bolkskreisen die Ueberzeugung gefestigt. daß in der Ostmark die Erhaltung deutschen Wesens unumgänglich notwendig für die Sicherung unseres Vater- landes ist. tZuruie: Nana!) Wenn darum die Regierung eine mildere Politik in Aussicht genommen hat, so ist das durch- aus keine utopische Politik(Widerspruch), sondern eine gesunde und vernünftige Realpolitik(Lachen), eine Realpolitik des Möglichen und dauernd Erreichbaren. Dauernd erreicht werden kann und wird dann, daß Preußen auch in Zukunft das bleiben loird, was seine sgroßen Könige aus ihm gemacht haben: kein Nationali'.ätenstaat, andern ein einheitlicher, geschlossener und kräftiger National st aat.(Vereinzelter Beifall und Zischen,) Oberbürgermeister Hasse-Thorn: Das kommende Wahlrecht be- unruhigt unS in den Grenzbezirken am meisten. Die Ver- s ö h n u n g S p o l i t i k ist gegenüber den Polen   genau so verfehlt, wie gegenüber unseren erbitterten äußeren Feinden. Graf V. Galen: Ich freue mich, daß ein Versuch der Ver- ständigiing mit den Polen   gemacht wird. Die Forderung einer aus- reichenden Krieg Zeutsch ädigung halteich für eine Selbst- Verständlichkeit. Fürst Salm-Horstmar: Die Politik der NarSgiebigkeit den Polen  gegenüber hat sich als verfehlt erwiesen. Gegen die Ansiedlnng kriegSbeschädigter Polen in der Ostmark ist nichts einwenden. Im übrigen aber muß durch Gesetz verhindert werden, daß auch nur ein Zoll breit deutschen   Bodens in polnische Hände übergeht. Die jetzt in den Ostmarken lebenden Polen   sollten nach Kongreßpolen umgesiedelt werden. Da wir zweifellos in den Polen   unS feindliche Nachbarn haben werden, müssen all« notwendigen militärischen Grenz i'icherun gen getroffen werden. Leider lyerkt mau noch immer in unserer Polenpolitik die Hand deS Vaters der ReichStagsresolution, dieses Mannes, der politisch so viel auf dem Kerbholz hat. der an einem Diebstahl beteiligt gewesen ist. der so wenig vertrauenswürdig ist, aber trotzdem leider heute noch immer von dem Ministerium sür auswärtige Angelegenheiten
zu wichtigen politischen Missionen im In- und Auslands benutzt wird. Präsident Graf Arnim-Boißenburg: Ich bitte doch, persön- liche Bemerkungen gegen Abgeordnete zu unter« lassen. Wohin soll eS führen, wenn die Herren sich in den Parlamenten gegenseitig angreifen! Fürst Salm-Horstmar: Dann will ich diesen Gegenstand ver- lassen. Bedauerlich war das Wort des Fürsten Radziwill, die Polen   seien vorn Regen in die Traufe gekommen, was nach dem Zusammenhang sich nur aus die Militärverwaltung beziehen konnte. Fürst Radziwill ist noch heute Angehöriger der deutschen Armee. Wie verträgt sich mit dieser Stellung eine solche absällige Aeußerung: Polen   muß von unseren Kriegslasten einen gebührenden Teil zu tragen belommen. Aber auch von unseren übrigen Feinden müssen wir Kriegsentschädigung verlangen. Sie sollen zahlen, bis sie schwarz werben, damit sie sür mindcstonZ 100 Jahre geschwächt find. Das Bleigewicht der Milliarde», von dem Herr Helfferich sprach, sollen nicht wir an unseren Beinen herumschleppen, sondern unsere Feinde. Fürst Radziwill  : Mich für daS künftige Königreich Polen zu intercssiren, habe ich wohl ein Recht, da meine Familie seit vielen Jahrkunderlen dort angesessen ist. Als Inhaber der deutschen Reichs« fürstenwürde habe ich wohl ein Interesse daran, mit meine» Besitztümern auö dem Bereich der gegenwärtigen bolschewistischen Rc- gierung herauszukommen. Ter Vorredner bemängelte den Aus- druck, wir Pole» seien auS dem Regen in die Traufe gekommen. Er sollte doch aber so viel Interesse sür die Zeitgeschichte behalten haben, um zu wissen, daß infolge deS politischen Verbrechen? der Teilung PoleuS die Polen   am aller« schwersten durch die Kriegsereignisse betroffen sind. in- dem sie gezwungen sind. Brüder gegen Brüder zu kämpfen. Man soll endlich aufhören, darüber zu reden, daß die Polen   eine illoyale Haltung in militärischer Beziehung bewiesen hätten. Damit verlangt man gewissermaßen, daß die Polen   in der russischen Armee ihren Treueid aus die russische Fahnehätte u brechen sollen. Eine solche Forderung liegt weit ab von konservativer Ge- sinnung. Die Polen   habeu in Preußen ihre Dienstpflicht getan, sie haben sie in Rußland   getan und tu» sie auch in Oesterreich  . Graf von Behr-Bchrenhof: Bei der Feststellung der Grenzen müssen auch die inilitärischen Sicherheiten gewahrt werden. Was hier Hindenburg   und Lndendorff sagen, das ist tausendmal mehr wert, als die Danlbarkeit der Polen  . Damit schließt die Aussprache. Oberbürgermeister Körte-KöiiigSberg gibt in seinem Schlußwort eine eingehende Schilderung dor zweitägigen Verhandlungen. Dank gebührt dem Minister für die klare entschiedene Erklärung in der Frage der militärischen Grenzsicherung. Darauf wird die E u t s ch l i e ß um g deS Ausschusses über die militärischeu Sicherungen mit dem Zusatzantrage von Kleist über die Kriegseiilschädigung gegen wenige Stimmen nngenommen. ES folgt da» Kriegsgesetz zur Bereinsachung der ,Ber« w a I t u n g. Der Ausschuß verlangt in einer Entschließung eine Aenderung der Städteorduung, die die stimmberechtigte Mitarbeit von Frane» in städtischen Deputationen ermöglicht. Graf von der Schulenburg-Grünthal erhebt Einspruch gegen die Sliininberechtigung der Frauen in städtischen Deputalioneu. Wir haben grundsätzltch gegeil das Stimmrecht der Frauen schwere Bedenken. Oberbürgermeister Scholz- dharlottenburg bittet, den Frauen auch da? Stimmrecht zu belassen. Graf Bchr: Wir sind dagegen. ES wäre ein Schritt zum allgemeinen Frauenstimmrecht. DaS Stimmrecht dcr Frauen wird gestrichen und die E n t« f ch l i e ß u n g dann angenommen. Damit ist die Tagesordnung erschöpst. Die nächste Sitzung findet am 25. April zur Beratung des Gesetzentwurfs auf Ver­längerung der Legislaturperiode statt. Die Beratung des Haus- Haltsplans wird erst im Juni stattfinden. Es folgt eine geheime Sitzung. Alle Anwesenden, die nicht Mitglieder des Hauses sind, müssen Saal und Tribünen verlassen, die Türen werden verschlossen.
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Pioniere. Roman aus dem Norden von Ernst Didring  . Dritte? Kapitel. In diesem Winter si�irdc die Strecke bis Tornehamn fertig, und nun konnte�man, wenn man Lust hatte, einiger- nlaßen ruhig mit dem Schlitten von Rombaksbotten in Nor­ wegen   durch das Hundal und über den Katterat bis zum Vassijaure hinunterfahren. Hatte man Glück, so verlief die Fahrt gut und man kam mit einigermaßen heilen Gliedern in Tornehamn an. Waren die Götter ungnädig gesonnen, so hatte man sehr große Aussicht, mit einer Schneelawine zusammen die Berg  - hänge mit Pferd und Schlitten hinunterzustürzen und erst spät im Frühling etliche hundert Meter ttefer wieder ans Tageslicht zu kommen. Trotz diesen kleinen Mißständen wurde der Weg viel be­fahren. Die Ingenieure fuhren oft nach Norwegen   hinunter, und ebenso die kühne Frau Boman, die gerade am Weihnachts  - abend ganz unerwartet bei ihrem Mann erschien und den Ingenieuren eine Feierstunde bereitete, bloß dadurch, daß sie ein weißes Tischtuch über den Eßtisch deckte. Landström schimpfte schon auf die Ueberkultur, die sich breitzumachen begann. Der norwegische Weg wurde stark begangen von den elenden Mähren  , die die schweren Transportfuhren bis Toruehanin schleppten, und von den alkoholhungrigen Ar- beitern. Sie hatten iogar einen besonderen kleinen Richtweg biL Narvik, wo der liebliche Nektar zu bekommen war. Ein paar von ihnen waren immer auf der Tour nach Norwegen  in irgendeinem Austrag, besonders seit die Arbeiten auf dem Bahndanim selbst begonnen hatten und die Baracken in Tornehamn sich mit Leuten füllten und Lazarette und Pfarrer die Wildnis beehrten. Landström fluchte und schuftete. Er wohnte noch immer in seiner Erdhütte und baute jetzt die Strecke vom Nuolja bis zur Grenze. Er soff wie ein Bürstenbinder, aber niemand konnte umhin, seine unglaub­liche Arbeitskraft zu bewundern. Die Leute beteten ihn förmlich an wegen seiner wunderbaren Fähigkeit, heikle Situationen zu retten, wenn die ganze Natur förmlich toll wurde vor Wut. weil das Menschengewürm ihre Ruhe zu, stören wagte; dann hetzte sie einen Schneesturm nach dem! andern aus sie, oder sie plagte sie mit einer Kälte, daß das!
Quecksilber fror und die Spritthermometer rotblau bis zu fünfzig Grad hinunterkrochen, oder bombardierte Baracken und Bahndamn» mit einer Lawine über der andern, so daß Kippwagen, Schienen und Nammklötze nur so dahinsausten und das ganze Terrain rcingefegt wurde. Dann packte mau mit übermenschlichen Kräften zu, um wieder Ordnung zu schaffen, und Landström war immer der erste, wie ein neuer Thor im Kampf gegen die Frostriesen. Nach solchen Ereignissen kam die Schnapsgier über sie und forderte ihre Opfer. Es waren nicht die Arbeiter allein, die dem Schnapsteufel erlagen, auch ihreHaustiere", die Blüten", wie man zärtlich die Norwegerinnen nannte, die in den verschiedenen Barackenlagern Ordnung hielten, schluckten Feuerwasser. Die Schwarze Bärin und die Lange Maja poku- lierten, daß der Boden ihnen unter den Füßen schwankte und der Pfarrer unten in der kleinen Kapelle an dem großen See über die zunehmende Trunksucht und Unsittlichkeit wetterte. Er verstand die Stimme des Lebens hier oben nicht, verstand nicht, daß sie mitten in Eis und Schnee eine eigene Farbe und eigenen Klang annehmen mußte. Die Arbeit ging jedenfalls mit Riesenschritten vorwärts, trotzdem die Spritladungen aus Norwegen   auf allerhand wunderlichen Wegen durch das Gebirge transportiert und in Felsspalten und Erdhütten versteckt wurden. Die frechsten der Arbeiter benutzten den Transportweg und hofften, den Ingenieuren zu entkommen. Efraim Ljung gehörte zu Landströms besten Arbeitern. Er war in Jonssons Schicht. Lang und dürr war er wie eine Hopfenstange. DaS Gesicht war'feuerrot, ob von Schnaps oder Kälte, wußte niemand. Bekam man ihn unvorbereitet zu sehen, so erschrak man unwillkürlich, und sein bester Freund Hansson behauptete immer, daß jedes neue Pferd, das Ljung erblickte, durchging. Das eine ist sicher: auf Schnaps war er erpicht. Er ver- säumte nie, an den Samstagabenden sich auf den Weg nach Norwegen   zu machen, wo er große Vorräte bei den Bauern hatte und von wo er immer mit mystischen Packen zurückkehrte. die abgeworfen wurden, bevor man zu Baracken, Ingenieuren und Pfarrer kam, und zu denen Efraim Ljung auf Kriech- wegen sich wieder zurückfand. Er war aber so amüsant, daß die Ingenieure ihm oft hinsichtlich seiner Seitensprünge durch die Finger sahen. Für die Kameraden war er ein Stück Sonne in all dcr Finsternis. Er konnte Späße machen wie kein anderer. Sein flammend
rotes Gesicht>var wie über nackte Sehnen und Muskeln ge- spannt, ohne eine Andeutung von Fleisch, und konnte alle Grade von menschlichem Leid und Glück spiegeln, nur um dem Verlangen nach etwas Lustigem zu entsprechen. Er hatte eine Art, die Backen aufzublasen, mit dem Munde zu tuten und eine unsichtbare Posauue zu blasen. daß die Engel auf ihn hätten neidisch sein können. Er. selber war in seinem tiefsten Innern nie wirklich froh, sei es. daß ihn der Altohol zerstört hatte, sei es. daß es ihm angeboren war. Aber es machte ihm Spaß, andere fröhlich zu machen. Jetzt hatte er wieder einmal Schnaps auS Norwegen  geholt. Er hatte mehrere Kisten auf den Schlitten ge- laden, und der Grenzposten hatte freundlich ein Auge zu- gedrückt. Efraim Ljung lag auf dem Bauch auf der Fuhre und schlief. So hatte er regungslos gelegen, seit sie das Hundal verlassen hatten. Der Fuhrknecht, der besoffen war, saß vorn ebenfalls im Halbschlaf. Bei jedem Schleudern deS Schlittens machten beide eine Schwenkung, als wollten sie sich einen sichereren Schlummerplatz suchen. Bisher war alles gut ge- gangen. Es war früh am Sonntagnachmittag und noch so hell, daß das Pferd sich allein zwischen den langen Stangen mit den kleinen roten Flaggen, die den Weg niarkicrten, zu- rechtfand. Ljung merkte plötzlich, daß ihm dcr Nacken fror. Er drehte sich um und legte sich aus den Rücken. Als er die Schlitten- glocken hörte, kam ihm zum Bcwußsein, daß er noch immer auf dem Schlitten lag. Es schneite große, mächtige Flocken. Der ganze Himmel über ihm war kreideweiß von Schnee. Es>var ordentlich lustig zu sehen, wie still und gesittet die Flocken fielen. Eine lange Weile lag er da und spielte mit halboffenem Munde und fühlte, wie sie auf der Zunge schmolzen. Und er fand es mordsmäßig lustig, zu sehen, ivie er srlbcr weißer und weißer wurde. Er versuchte so still wie möglich zu liegen, damit der Schneekuchen auf der Brust nicht herunter- gleiten sollte. Aber das war nicht so leicht. Der verdammte Schlitten schleuderte und schlingeete hin und her. Manchmal legte er sich auf die Seite, so daß Ljung sich mit Händen und Füßen gegensteinmen mußte, um nicht hinausgeschleudert zu werden, und manchmal sauste dcr Schlitten die Hänge hinunter, so daß er das Gefühl hatte, er würde kopfüber hin- umerfliegeu. Eoxti. solgtJ