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Nr. 153.

Erscheint täglich außer Montags. Preis pränumerando: Biertel­jährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 Mt., wöchentlich 28 Pfg. fret in's Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags- Nummer mit illustr. Sonntags- Beilage Neue Welt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 3,30 Mt. pro Quartal. Unter Kreuz­ band  : Deutschland   u. Desterreiche Ungarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3 Mt.pr.Monat. Eingetr. in der Post Beitungs- Preisliste für 1894 unter Nr. 6919.

Vorwärts

11. Jahrg.

Insertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pfg., für Vereins- und Bersammlungs- Anzeigen 20 Pfg. Inferate für die nächste Nummer müffen bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochen­tagen bis 7 Uhr Abends, an Sonn und Festtagen bis 9 Uhr Vor mittags geöffnet.

Fernsprecher: Amt 1, Nr. 1508, Telegramm- Adresse: Sozialdemokrat Berlin  !

Berliner   Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Donnerstag, den 5. Juli 1894.

Expedition: SW. 19, 33euth- Straße 3.

Arbeiter! Parteigenossen! Trinkt kein boykottirtes Bier!

schickt

man in die

Eisfelder

Staatsmännische Angstprodukte. he diube und Gicherheit oder eines Bergehens, begangen oder Bergwerke Sibiriens  ; die minder Gefährlichen"

Plat greifen kann, die eines Bergehens gegen die öffent- Gefährlicheren" Ruhe durch Mißbrauch mit Explosivstoffen beschuldigt waren, internirt man in russischen Landstädten, wo sie persönlich gegen die indeß die Gerichte wegen mangelnder Beweise frei, aber stets unter Polizei- Aufsicht zu leben haben, ganz das Verfahren einstellen mußten." Dieser Gesezentwurf soll wie der geniale Crispi das seinen politischen Gegnern zu ebenso wie ein anderer bereits vorgelegter betreffend die gedacht hat. Es klingt wie ein Hohn, daß ein Genosse Anstiftung und Vertheidigung von Verbrechen in der Kom- Garibaldi's die Praktiken der russischen Willtürherrschaft mission eine günstige Aufnahme gefunden haben. in dem angeblich befreiten Italien   nachahmen will.

Wenn diese Nachricht in allen ihren Theilen zutreffend ist, sowohl hinsichtlich des Inhalts von Crispi's Gesetz­entwurf wie hinsichtlich der Aufnahme, die er gefunden, dann hat Crispi seine Vorgänger Bismarck   und Buttkamer übertrumpft, und die italienischen Dnorabili" find die schwächlichsten Angstphilister, die gegenwärtig eine Ab­geordnetenkammer füllen.

Das russische Beispiel lehrt aber auch, was eigentlich die administrative Verbannung nüßt. Hat deren jahrzehntelange Anwendung die nihilistischen Verschwörungen hintertrieben? Hat sie den Selbstherrscher aller Reußen vor Anschlägen geschützt? Die Geschichte hat diese Frage beantwortet, die Geschichte, aus der Crispi nichts gelernt, während er alle seine eigenen Erfahrungen im Freiheitstampfe vergessen hat und seine Grundsäße verleugnet.

Wenn der böse Wille genügte, so würden uns und den anderen europäischen   Kulturvölkern die internationalen Freis heitsfeinde sicher ein neues Ausnahmegesetz bescheeren, das der Bekämpfung des Anarchismus seinen Namen entlehnen, aber jedwede Boltsbewegung treffen, das in Deutschland  vor allem zur Befehdung der Sozialdemokratie her halten würde. Jede neue Blutthat, die jetzt in der durch Carnot's Ermordung angefachten Mordepidemie von wahn­wißigen Burschen begangen wird und sich nur halbwegs als politisches Verbrechen deuten läßt, wird von den Realtionsdienern sofort zur weiteren Einschüchterung des Philisterthums und zur Empfehlung umfassender Polizei­maßregeln ausgebeutet. Alle offiziösen Preßorgane der vorzugsweise nach Crispi's Vorschlag läuft auf nichts anderes hinaus, als Polizeigrundsägen regierten Staaten und nicht minder jede politisch mißliebige Persönlichkeit unter Polizei- Aufsicht Daß auch in Deutschland   die Leute, die ein Interesse auch die ftets zum Reaktionsvorspann bereitstehenden mit Aufenthaltsbeschränkung zu stellen. Um das zu erreichen, an Ausnahmegesehen haben, tüchtig drauf loswühlen, um Organe ber behäbigen Bourgeoisie triefen förm- roird einer der wichtigsten Grundsäge einer geordneten Rechts- das Philisterthum in die richtige Stimmung zu versetzen, lich von Empfehlungen sogenannter Anarchistengeseze. pflege schnöde durchbrochen: der Grundsaß, daß nur jemand, versteht sich von selbst. Wären nur mit dem verflossenen In ihren Reihen macht man sich sogar Hoffnung, der thatsächlich eines Verbrechens im gerichtlichen Verfahren Sozialistengefez nicht so klägliche Erfahrungen gemacht, daß auch die englische Regierung fich biesmul überführt worden ist, auch mit Strafe belegt werden kann. so würde diese Wühlarbeit auf ähuliche rasche Gr bereit finden lassen würde, einem allgemeinen internationalen Crispi will nicht nur den Verurtheilten bestrafen tönnen, folge rechnen können, wie sie das neue Schooßkind Polizeibunde beizutreten. Trotzdem nun ein deutsches, be- sondern auch den politischen Gegner, dem sich nichts be- der europäischen   Reaktion in Italien   erzielt. rüchtigtes Reptilienblatt in ganz bestimmter Form ver- veisen läßt. Denn eine Strafe ist es, wenn man einen Eifer lassen es unsere wühlenden Dunkelmänner nicht fehlen. sichert, leitende Kreise Englands" trügen sich mit bestimmten Wohnort zum Aufenthalt unter beständiger Die Kreuz- Zeitung  " singt Crispi's Thatkraft begeisterte berartigen Erwägungen, erscheint es doch unglaubhaft, polizeilicher Kontrolle angewiesen bekommt. Und um ein Loblieder, und sogar Dupuy, der französische   Minister­daß eine englische Regierung sich bethören lassen könnte, solches Geschick über sich ergehen lassen zu müssen, präsident, hat sich die Anerkennung des preußischen Junker­unter irgend einem Vorwande das Asylrecht anzutaften, dazu wird es genügen, daß man bei irgend einem Beamten blattes zugezogen, weil er von der Vereinigung der Völker dessen unbeschränkte Aufrechterhaltung bisher sämmtliche in den Verdacht geräth, zur Störung des öffentlichen gegen die Anarchisten" geredet hat. Pindter's selig Erben Engländer mit berechtigtem Stolz erfüllt hatte. Friedens aufgereizt zu haben. Der Staatsanwalt braucht suchen in der Norddeutschen Algemeinen Zeitung" die nahe dann blos die geeignete Anklage zu erheben, vollgiltige Verwandtschaft der Anarchisten mit den Sozialdemokraten Beweise zu erbringen ist nicht nöthig. Muß der Au- daraus zu deduziren, daß ein sozialdemokratisches Blatt, der geklagte wegen mangelnden Beweises freigesprochen werden, grundsäßlichen Bekämpfung der Todesstrafe getreu dann verfällt er der Verwaltungsjustiz der Crispi'schen Hiurtung der Anarchisten in Frankreich   als eine Polizei. In einem Lande aber, dessen Machthaber es Barbarei verurtheilt hat. Derartige unlogische Versuche, fertig bringen, einen De Felice auf 18 Jahre ins Zucht den Spieß gegen die Sozialdemokraten zu fehren, zeigen haus zu schicken, werden die der Aufreizung Verdächtigen" nur, worauf es unseren einheimischen Reaktionskläffern nach Tausenden zählen. eigentlich antonimit.

Anders steht die Sache indeß mit den kontinentalen Staaten, und nirgends wird mit solchem Eifer einem reak­tionären Ausnahmegesetz vorgearbeitet als in Italien  , dessen leitender Minister, seitdem er die Macht zu kosten bekommen, aus einem verschwörungsbefliffenen Revolutionär mit unheimlicher Schnelle zu einem unterdrückungssüchtigen Gewalthaber sich fortentwickelt hat.

Crispi wartet gar nicht einmal ein internationales Uebereinkommen ab, so sehr er auch danach lechzt. Er ist Wir würden sagen: das ist unerhört! wenn diese den anderen Staatsmännern", deren ganze Staatsweisheit Staatsjämmerlinge Italiens in ihrer Angst wirklich auf die Benutzung der Bajonette hinausläuft, mit der auf einen ursprünglichen Plan verfallen wären. Aber die lockendem Beispiel vorangegangen. Wie eine Depesche lex Crispi" ist ja weiter nichts als eine Kopie russischer aus Rom   meldet, gelangte am 3. Juli in der Einrichtungen. Er ist die administrative Verbannnng", Deputirtenkammer eine Vorlage zur Vertheilung, die jährlich von den russischen Beamten, auch ohne erst das nach welcher die Maßregel der Anweisung eines Gericht mit einer Verhandlung zu behelligen, gegen zwangsweisen Aufenthalts eventuell gegen Angeklagte ungezählte politisch Verdächtige verhängt wird. Die

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Feuilleton.

Der Jude.

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Deutsches Sittengemälder aus der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts. Von C. Spindler  .

80

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Die Zerfahrenheit in Regierungskreisen tritt dabei in einem höchst sonderbaren Artikel der offiziösen Politischen Correspondenz" zu Tage, in dem Caprivi wegen seiner Abs neigung gegen Ausnahmegeseze und Bevorzugung ordent licher Polizeimaßregeln gepriesen wird. Wit einem dent­lichen Seitenblick auf seinen Vorgänger heißt es da: Der Reichskanzler Graf Caprivi   besitzt den Muth der Kalts blütigkeit, der ein anderer ist, als der Muth der Leiden­

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Euch als Glieder der verruchten Mordbande, die ihre Ver- Unglauben eines anderen straft. Diese Geberde machte ins brechen sogar in unsern Mauern ausübt. Nichtswürdige dessen den Richter hißiger." Leugne nicht, Jude," sprach Gesellen, die schon seit lange in unsern Verließen schmacher drohend: Friedrich hat die Lügen verabscheuen gelernt ten, und ehemals mit jener Rotte Rorah in Verbindung im Schooße des wahren Glaubens. Du warst geneigt, zu gewesen, entsinnen sich recht gut, einen der Hauptmörder bekennen... so bekenne denn. Deine Aufrichtigkeit tann mit dem Namen der Jude" bezeichnen gehört zu haben, nur wohlthätigen Einfluß auf Dein Geschickt haben. Be und würden gewiß den David von Angesicht zu Angesicht kenne die erschreckliche Kreuzigung des Knaben, die haupt­erkennen, wäre er ihnen damals nicht immer in einer un- sächlich Dir zur Last gelegt wird; hast Du einmal diese kenntlichen Vermummung erschienen. Kurz: die Zeit bricht erfte und größte Miffethat von allen gestanden, dann wird Jochai wollte in ein Geschrei des Jammers ausbrechen; ein Stück nach dem andern von dem Bollwerte ab, das das Bekenntniß der übrigen leichter." Jochai warf Ben David bedeutete ihn jedoch heftig, zu schweigen, und Eure Heuchelei um die Wahrheit gezogen hat. Gerade jetzt einen verstohlenen Blick auf den unerschütterlichen Ben David, raunte ihm ins Ohr: Spare Deine Worte, die unser ist's noch Zeit zu bekennen, um die schwere Hand der ge- und sagte dann entschlossen: Gestrenger Herr.... mir Elend nur beschleunigen, denn hinter jener Wand lauschen setzlichen Nache in ihrem Falle etwas aufzuhalten, und ein sollen alle Glieder erstarren zu Eis, wenn ich anders sagen verborgene Zeugen, die Zodicks Unterredung mit uns be milderes Loos zu gewinnen, wenn es sein kann. Wir haben tann, als:" Wir sind unschuldig." Der abtrünnige Knecht horchten. Mir hat's verrathen sein ängstlich Lauschen, und daher auch nicht gesäumt, der an uns gegangenen Auf- Bodick hat auch heute gelogen wie in seiner Klage. Gras ich warne Dich. Man kommt schon: hörst Du? Ermanne forderung diesenfalls zu entsprechen, und begehren von Dir, wachse vor seiner Thür, und er soll sein der letzte nach allen Dich. Dein Leben werd' ich gewißlich retten. Meine Ver- Jochai, daß Du sonder Ausschweife an den Tag gebest, Menschen auf der Erde. Ich werde nicht bekennen, was ich theidigung muß der hochgelobte Gott unternehmen. Eine was Du zu bekennen haft." Zu bekennen, Herr!" sagte nicht weiß." Menschenzunge allein rettet einen Juden nicht." der durch die Hingebung seines Sohnes muthiger gewordene" Ja, verdammter Jude!" brach der Oberstrichter Ios: Der Oberstrichter kam herein mit gewohnter Würde; in Greis: Gott soll mir helfen, wenn ich weiß, was ich be- Du hast Bekenntniß und Lüge in einer Tasche. Die wenigen feinem Gefolge ein Schreiber, das Verhörprotokoll unterm fennen soll, wenn es nicht ist unsere Unschuld."-Ben Augenblicke, die Du mit diesem Elenden hier allein geblieben, Arme, das Schreibzeug am Gürtel. Der Gefangenwärter David schwieg befriedigt, aber des Oberstrichters schlau alter Thor, waren hinreichend, Dich umzustimmen, und nun schob den Tisch zurecht, und ging. Jude Jochai und Du, freundliche Miene wandelte sich in eine frostige um, da er soll Friedrich gelogen haben, obgleich fein Sohn David!" begann der Richter: Man hat uns die Weigerung des Alten hörte. Wie?" fragte er: Hier verstummte der edle Herr, weil ihn beinahe der gemeldet, daß die Aufrichtigkeit in Eurer Seele die Ober- Hast Du Dein Vorhaben sobald geändert. Man sagte Born veranlaßt hatte, zu gestehen, daß er alles, hinter hand gewonnen, ehe wir noch der Folter bedurft, um sie mir doch Edler Herr!" versetzte Jochai mit jener Wand verborgen, mit angehört. Jochai entgegnete zu weden. Ihr thut klug daran, zu bekennen, denn Eure scheinbarer Offenherzigkeit: So uns der hochgelobte Herr jedoch mit treffendem Blick und bitterem Lächeln: Und Miffethaten brechen von Tag zu Tag mehr hervor aus der Welt Stärke verleiht, so werden wir selbst unter Folter- wenn Ihr selbst, gestrenger Herr, mit Euren eigenen Ohren dem Schleier, mit welchem Eure Ränte sie umhüllt hatten. pein nicht aussagen, was uns, find wir gleich fleckenlos gehört haben wolltet, was Euch Bodic sagte, so müßte ich Gerhard von Hülshofen erbleicht Ihr nicht noch deut wie das Lamm, den Stab bricht; um wie viel mehr müßten erklären, daß Ihr Euch irrt." Genug," fuhr der Oberst licher unter Eurer Blässe? wird nicht säumen, vor wir die Zunge schelten, die an uns zur Lügnerin werden richter fort: ich sehe, daß Ihr unverbesserliches Gesindel seid. unseren Schranken Zeugniß gegen Euch abzulegen, um also wollte, freiwillig, ohne Noth."- Aber," polterte der Richter Was jener blut- und raubdürstende Mensch, Dein Sohn, die Schuld wieder gut zu machen, so er als rechtgläubiger aufwallend," Du jagtest doch selbst, alter Sünder...." an Kraft und Geschick, das Böse zu thun, vor Dir voraus Christ zu böser Stunde auf sich geladen. Des armen Jochai schüttelte schweigend den Kopf, wie einer, der seiner hat, das ersetest Du durch Deine hundertjährige Schlauheit Friedberger's Schmuck, von seiner Wittwe erkannt, bezeichnet Sache sehr gewiß ist, und, mit einem Lächeln nur, den und Tücke. Aber was es nun auch sei- boshafte

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