Nr. 152-1918
Unterhaltungsblatt des Vorwärts
Bilder aus der russischen Gefangenschaft.
Gefangen.
Mittwoch, 5. Juni
dies saubere Handwerk aus und noch gründlicher als die Ruffen. hat der fortdauernde Kriegszustand Handel und Wandel in unDann begann das Sortieren nach Nationen. Die Seelenverfäufer geahnter Weise gefördert. Auch die Künste einen scheinbaren Aufaller Nationen übten hier im russischen Solde ihr schändliches Hand- schwung erfahren, wenn man geneigt ist, den bisher noch nicht gewert aus. Tschechen, Polen , Dänen, Elsässer wurden, jede Nation fannten Zulauf zu allen Veranstaltungen aus einer überraschend Wie kam das doch? Vom frühen Morgen an donnerten die Ge- für sich, von den übrigen Deutschen scharf getrennt. Nun fonnten wir erwachten Liebe zur Kunst zu erklären, Leider zeigen viele unerschüße auf beiden Seiten, gegen Mittag steigerte sich der Geschütz- Neden mit anhören in den verschiedenen Sprachen. Zu den Elsässern ireuliche Tatsachen, daß es vor allem äußere Gründe sind, die tampf bis zum Trommelfeuer, dessen Regelmäßigkeit nur durch wurde nur französisch gesprochen. Die meisten verstanden es gar heute die Konzert- und Theaterfäle füllen; denn auch die schlimmsten schwere Minenwerfer ab und zu gestört wurde. Im Schützengraben nicht, wie uns einige später versicherten. Nachdem man die Schafe Kino und Tingeltangel sind überfüllt, und eine wahre Amüsierwut war alles in fieberhafter Spannung. Die Krankenträger batten von den Böcken getrennt hatte, hieß es, die übrigen Deutschen scheint den Großstädter ergriffen zu haben. Den unerträglichen Druck, Arbeit, um die von Granaten und Schrappnells verwundeten Mann- gehen sofort auf den Transport zum Eisenbahnbau an die Mur- den die dauernde, durch den unaufhörlichen Krieg geschaffene geistige schaften durch die Laufgräben nach dem Verbandsplay zu bringen. mannbahn. Ich meldete mich mit vielen Stameraden frant und blieb und leibliche Not auferlegt, versucht man durch mehr oder minder Blötzlich stellen die Russen ihre Artillerietätigkeit ein, und in dichter zurück, was ich heute noch als Glück bezeichnen fann. Gesund sind edle Zerstreuung zu vergessen... Nur wenige Juftitutionen haben Reihe tauchen etwa 500 Meter vor uns ihre Sturmtrupps auf. etwa 1100 Mann von unserem Transport zur Arbeit gefahren, doch sich dem Zuge der großen Zeit" gegenüber standhaft gezeigt und Uniere Infanterie- und Maschinengewehre sandten ihnen ihre tod- wieviel fehren davon heim? Im Gebiete der Murmannbahn hat in fünstlerischer und menschlicher Beziehung ihren Charakter bewahrt. bringenden Kugeln entgegen, die erste Linie bricht zusammen, aber der Storbut( 3inta) furchtbar gewütet. Die Hälfte der Beschäftigten Der Wolfs- Chor hat allen Anerbietungen gegenüber, die oft mit schon tommt eine zweite zur Verstärkung, auch dieie schwankt hin liegt oben am Gismeer begraben und viele tehren frant und siech verlockenden materiellen Vorteilen verknüpft waren, immer auf sein und her, und erst der dritten Linie gelingt es, bis an unseren Graben zurück. Wie es da oben aussah, hörten wir schon im Lager, und ursprüngliches Programm hinweisen können; er ist von jedem Kom heranzukommen. so entstand unter dem Eindruck dieser Erzählungen und den Stras promiß freigeblieben. Die Aufgabe, die er sich gestellt hat, der Berpazen, die wir in den ersten zwölf Tagen durchgemacht hatten, fol- liner Arbeiterschaft fünstlerisch möglichst vollkommene Aufführungen gendes Gedicht: der Dratorien- und Sinfonischen Literatur zu bieten, hat er auch im Vorjahre getreulich erfüllt.
Doch wie kam das? Rechts von uns, bei einem öfterreichischen Regiment, waren sie schon durchgebrochen, ohne daß wir im Graben dies wußten, und plötzlich hatten wir auch im Rücken schon Russen. Nun wurde uns alles klar, es wurde aufgerollt. Also vor uns, rechts von uns und im Rücken dichte Neihen mit gefälltem Gewehr. Ein Widerstand war bei unserer geringen Zahl der sichere Tod für alle, alio Wahnsinn, ein Entrinnen unmöglich. Wie Mäuse in der Falle, hätten wir nur von einem Grabenstück zum andern laufen tönnen ohne Zweck und Ziel. Die Entwaffnung und Ergebung war ein rein instinktiver Aft. Nun wurden wir über den niedergetretenen Drahtverhau in den feindlichen Laufgraben getrieben. Mir tam das vor, als wenn man mehrere Mäuse in der Falle hat, die Türe öffnet und ihnen ihre Freiheit in der Weise wieder gibt, daß man sie in einen bereitgestellten Eimer mit Wasser springen läßt. So ungewiß war unser Schicksal. Ebe wir im russischen Laufgraben angelangt waren, fielen noch einige von uns durch russische Kugeln oder auch durch verirrte Kugeln aus unserer Front.
Hinter der Front.
Schon in den Laufgräben, wo uns die zur Verstärkung vorrückenden Nussen entgegentamen, wurde verschiedenen Kameraden die Uhr, Ringe usw. abgenommen, ohne daß es jemand verhindern konnte. Den anderen wurden die Sollsachen hinter der Front ganz systematisch weggenommen, oder von Soldaten, die ihre Instruktion noch einbielten, abgekauft, in der Weise, daß man für eine Uhr oder goldenen Ring 1 oder 2 Rubel erhielt. Wer nicht berTaufen wollte, dem wurden die Sachen dann einfach weggenommen, auch unter Androhung von Gewalt. Wie schwach ist der Soldat, wenn er feine Waffen mehr hat! Und wer will am Ende sein Leben einsetzen für eine Uhr oder einen Ring?
Gesenkten Haupts marschieren sie dahin,
die Kilometer ungezählt, die Stunden,
voll Staub und Schmuz. Noch bluten vieler Wunden. Wie dumpfer Nebel legt sich's um den Sinn, aus stieren Blicken spricht des Hungers Dual. Stumm, flagelos der Zug des Elends schreitet, die Ferne grau und hoffnungslos sich breitet. Nichts stört die Stille als der Tritte Schall . Erschöpft, ermattet finkt so mancher nieder, Rosaten traben fluchend nebenher. Schon flascht ein Knutenhieb von ungefähr, Doch nicht mehr rühren sich die starren Glieder. Mißmutig gähnt der Morgen überm Tal; auf frischen Gräbern schleichen träge Nebel. Schmucklose Kreuze ragen überall und hier ein Reiterhelm auf rost 'gem Säbel Gar manche Mannesträne flüchtet scheu hernieder in die strupp'gen Kriegerbärte Soldatenlos. Frei bist du, Heimaterde, doch deine Söhne? Still Borbei Vorbei.
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Auf dem Bahntransport.
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Die vom Vollschor entfaltete Konzerttätigkeit umfaßte: Haydns immer wieder gern gehörte Schöpfung", Mendelssohns„ Elias"( dreimal), Beethovens ge= waltige, Brüderlichkeit preifende 9. Sinfonie( viermal, darunter zweimal im Deutschen Opernhause), Volksliederabende ( zweimal), Mahlers große Anforderungen stellende II. Ginfonie( unter Dstar Fried in der Philharmonie, zweimal).
Die künstlerische Leitung hatte wieder Musikdirektor Mag Eschke, der es trop der vielen Schwierigkeiten verstand, den Chor auf seiner alten Leistungsfähigkeit zu erhalten. Besonderen Dant spricht der Jahresbericht dem Künstlerpaar Therese und Artur Schnabel aus, die sich fast ohne Nachfolge selbstlos in den Dienst fünstlerisch- sozialer Aufgaben stellten.
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Wir wünschen dem Volkschor, dessen Eifer in Proben und Aufführungen jetzt doppelt anzuerkennen ist, daß er wie bisher getreu feinen fünstlerischen Jdealen ein Tröster und Stünder schönerer Zeiten bleibe.
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Notizen.
Is Varieté Operette führte sich die vom Gastspiel der Komischen Oper im Wintergarten aufgeführte Neuheit„ Ohne Männer fein Vergnügen" ein. Sie macht von dem Recht der Sommergastspiele, bei denen man es nicht so genau nimmt, ausgiebigsten Gebrauch. Weder dem Textverfaffer Neidhardt noch dem Musiklieferanten Jessel ist etwas Besonderes eingefallen. nicht mal im Plündern guter Vorbilder wird Erhebliches geleistet. ft etwa die übliche Tanzoperette im Absterben, so ist bei diesem Ausläufer davon schon feine lange Grabrede mehr vonnöten. Schade um die schöne Arbeit, die es sich Solisten und Ballettruppe tosten ließen, Leben und Schwung in die Sache zu bringen. Ins besondere A. Läutner als tangbeinbeschwingter Amüsieronkel aus der Provinz und Dekar Braun als Eierhändler, Viktor Litzek ( dummer und kluger August), Otto Sauter- Sarto und die Damen Gerda Lenée und Rosa Felsegg fegten Stimmbegabung, Humor und Tanzluft ein. Die Damen vom Ballett waren schid und quid. Ein Hymnus auf Berlin („ Das ist Verlin ") schlug am besten ein. Vorträge. Jm Deutschen Monistenbund spricht Donnerstag 8 Uhr im Bichorr- Bräu, Tauenzienstr. 13 I, Dr. S. Hohen Die Versteigerung Trübner ergab schon am ersten
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Je zu 40 Mann wurden wir in einen Vichwagen geladen, doch konnten wir immer zur Hälfte schlafen- so sind die russischen Wagen eingerichtet. Auf dem Bahnhofe in Smolensk faben wir eine Gruppe politischer Verbrecher, die zur Deportation luf einem Sammelplatz mußten wir längere Zeit warten und nach Sibirien verurteilt waren. Es waren vier Männer mit schönen das Kaufen und Abnehmen ging luftig weiter. Jest tamen auch schwarzen Vollbärten, Hände und Füße mit schweren Ketten geschon unsere Verwundeten heran, die nach dem Verbandsplatz ge- feffelt, die bei jeder Bewegung klirrten. Neben ihnen saßen auf bracht wurden. Etwa drei Kilometer hinter der Front waren Aerzte dem Bahnsteig ihre Frauen und Kinder. Es war ein eigenartiger und Schwestern tätig nnd bemühten sich um unsere Verwundeten. Anblick, den ich nie vergessen werde. Der Barismus war damals Der Transport ging nun weiter, wohl zum Bataillon. Dort wurden noch allmächtig. In Simbiost stiegen wir aus, dort trafen wir wir nun amtlich durchsucht. Alle Briefe, Starten, Meffer und Wert- viele oſtpreußische Frauen und Kinder, die von den Russen dorthin zeuge wurden uns abgenommen. Dann bekamen wir Roialen verschleppt waren. Abends bestiegen wir den Dampfer, und nach bekleidung, und nun ging es in Tagesmärschen durch Galizien nach einem letzten Gruß von deutschen Frauen und Mädchen fuhren wir Rußland . Am Tage war es furchtbar heiß und nachts, wo wir im die Wolga hinauf unbekannt wohin. Aber schon am nächsten Freien schlafen mußten, war es schon recht kalt, denn es war ja Morgen stiegen wir aus und waren in Spast, Gouvernement schon Anfang September. Wir hatten weder Mantel noch Decken, Kasan . alles war ja im Graben geblieben, oder weggenommen. Ver- Von hier aus wurden wir nach einigen Wochen Aufenthalt in emfer über Blinden Psychologie. pflegt wurden wir die ersten drei Tage auch nicht, wir die großen russischen Wälder geschickt, um Holz für die Eisenbahn waren auf Betteln angewiefen. Die Bauern in Galizien und die Bergwerke zu fällen. Bei meterhohem Schnee und großer Tage, daß die hohen Preise anhalten und nun auch für die neuere gaben, was sie tonnten. Doch was ist das für so viele! Wir Kälte war das eine recht schwere Arbeit. Aider Erwarten haben Stunft gelten. Besonders die Jugendwerke Trübners erzielten sehr mußten hungern und durften und immer marschieren. Nam ein wir die Kälte gut ertragen, den Winter über batten wir sehr wenig ansehnliche Höhe( 3. T. über 40 000 m.). Leibl ergab. wie zu er mal ein Brunnen, so stürzte sich alles darauf und nur der Starke Stranke ; doch als das Tauwetter einsette. mehrten sich die Er- warten, den Höchstpreis( 131 000 m. für das Bildnis Trübners). betam zu trinken. Wenn es den Stojaken zu lange dauerte, hieben fältungstrantheiten. Die ersten schönen Frühlingstage brachten uns fie mit der Knute ein, ganz gleich, wohin oder wen sie trafen. So auch gleich Malaria, eine Krankheit, die durch Mücken verbreitet blieben jeden Tage einige Kameraden liegen, weil sie nicht mehr wird, doch sehr selten zum Tode führt. Mit uns war es nicht vordie Kraft hatten zum Laufen, andere wurden ohnmächtig oder be- bei, wie wir zuerst befürchtet hatten, es ist nicht so schlimm getamen Sonnenstich und sind gestorben. Nach vier Tagen erreichten kommen, wie wir glaubten, und viele von uns sind schon wiedee wir Tarnopol , dort wurden wir gezählt( wir waren 1200 Deutiche, daheim. die Ruffen schrieben in ihrem Bericht: 2400) und verpflegt. Nac einem Tag Raft ging es dann weiter binein nach Rußland , den letzten Tag mit der Bahn bis nach Darniga bei Kiew .
Jm Sortierlager Darnita.
Im Lager angekommen, wurden wir wieder untersucht, aber nicht ärztlich, sondern auf Wertgegenstände. Hier übten die Tichechen
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Der Jahresbericht des Volkschors. Der Berliner Voltschor erstattet seinen 14. Jahresbericht für die Zeit 1917/18. Es wird darin der eigenartige Stunstaufschwung berührt, von dem wir Zeugen geworden sind. Entgegen allen Erwartungen- heißt es in dem Bericht Moritz drehte sich nach dieser Antwort plöglich um, der Sncifer fiel ihm herunter und schlug auf die Stuhllehne auf. Er schaute Mag mit einem höhnischen Lächeln auf den schmalen Lippen an, glättete mit den spizzen Fingern, an denen Brillantringe glänzten, feinen dünnen, pechschwarzen Bart und flüsterte verächtlich:
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Das Licht in der Meerestiefe. Im Mittelländischen Meer vorgenommene photographische Aufnahmen haben ergeben, daß das Sonnenlicht das Meerwasser bis zu einer Tiefe von 200 Meter zu durchdringen vermag. Ja selbst in einer Tiefe von 485 Meter lassen sich bei besonders klaren Wasserverhältnissen noch Lichtspuren nachweisen. In nördlicheren Gewässern ist bereits in einer Tiefe von 50 Meter das Sonnenlicht so abgeschwächt, daß es sich an Stärfe höchstens mit dem Mondenschein zu messen ver mag, während im Indischen Ozean und im Staribischen Weer in gleicher Tiefe Korallen und anderes deutlich zu erkennen sind. Bei einer Tiefe von 100 Meter ist das Licht der Sonne in den nörd lichen Meeren nur noch als schwacher Schimmer nachzuweisen, und in einer Tiefe von 200 Meter Herrscht ewige Nacht.
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Wir machen's, wir machen's!" wiederholten beide. Was ist denn eigentlich? Jst Goldberg abgebrannt?" fragte Baum. " Ja, er hat sich die Bilanz gemacht. Ein fluger Kerl. kommt zu Millionen." „ Oder endet im Kriminal."
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Dummes Wort!" sagte Moritz ärgerlich und unruhig. Solche Dinge fannst in Berlin erzählen, in Warschau , aber red nicht davon in Lodz . Das find unangenehme Worte, verschon uns damit."
May sagte keinen Ton.
Die Pfeisen begannen wieder ihre scharfen, aufdringlichen Stimmen zu erheben und sangen immer mächtiger den morgendlichen Weckruf.
,, Mag, das nimmt noch ein schlimmes Ende mit dir, ,, Red' kein dummes Zeug, Mar. Um Geld handelt's dieses ewige Herumraufen mit allen." brummte Morit un- sich hier. Es handelt sich darum, daß du mit deinen Anwillig und streng, mit dem Hafen im Feuer herumscharrend.| flagen nicht öffentlich herausplatzt, weil das unseren Kredit Was geht dich das an?" schrie die Stimme aus dem schädigen kann. Wir sollen zu dritt eine Fabrik gründen, anderen Zimmer. Das Bett frachte heftig, und in der Tür wir haben nichts, so müssen wir doch wenigstens haben erschien die große Gestalt May Baums, unangezogen und in Kredit und Vertrauen bei denen, die ihn uns gewähren. Wir Pantoffeln. haben es nötig, jegt anständige Menschen zu sein. Glatt, „ Es geht mich sogar sehr an." sympathisch, gutmütig. Wenn Bormann dir sagt:, das gemeine " Laß mich in Ruh'. Irritiere mich nicht. Der Karl hat Rodz', dann mußt ihm sagen, daß es viermal gemein ist. mich, der Teufel weiß wozu, geweckt, und der da fängt Man muß ihm nach dem Munde reden, weil das ist ein wieder zu schimpfen an." Er sprach laut, mit einer tiefen, fetter Fisch. Und was hast du über ihn zu Knoll gesagt? fräftigen Stimme, ging in sein Zimmer zurück, brachte nach Daß er ein dummer Bauer ist. Mensch, er ist nicht" dumm. einer Weile die Kleider mit heraus, warf sie auf den Teppich Millionen hat er aus seinem Gehirnfasten herausgezogen Sie drückten sich fest und freundschaftlich die Hände. und zog sich langiam an. und besitzt die Millionen, und wir wollen sie auch haben. Jett müssen wir ganz ruhig sein, weil wir sie brauchen. ein Gedenktag für uns sein." Na, mag Karl sagen, ob ich nicht recht habe mir geht's doch um die Zukunft von uns allen dreien."
" Du verdirbst uns das Geschäft, mit deinem ewigen Herumfeifen," begann wieder Morig und flemmte sich den goldenen Kneifer, der immer wieder herunterrutschte, auf seine spitze, semitische Nase.
„ Wo? Was? Wie?"
Ueberall. Gestern hast du bei Blumenthals Yaut gesagt, daß die Mehrzahl unserer Fabrikanten einfach Diebe und Betrüger seien."
" Freilich hab' ich's gesagt und werde es immer wieder
fagen."
Ein unwilliges, verächtliches Lächeln überflog sein Gesicht, als er Morig anblickte.
,, Du, Max Baum, du wirst das nicht wieder sagen, das darfst du nicht reden, das sag' ich dir."
,, Moriz hat beinahe vollkommen recht," sagte Borowiecki hart und blidte mit seinen talten, grauen Augen den aufgeregten May an.
heftig.
Ich weiß, daß ihr recht habt, nach Lodzer Art recht habt, aber ihr dürft nicht vergessen, daß ich ein anständiger Mann bin." Phrase, eine ganz alte, abgedroschene Phrase!" ,, Ein gemeiner Jud bist du, Moriz!" schrie Baum Und du bist ein dummer, sentimentaler Deutscher ." " Streitet weiter um Worte," warf Borowiecki fühl ein ,, Warum?" fragte jener leise und lehnte sich an den Tisch. und zog feinen Mantel an. Leider kann ich nicht bei euch Das will ich dir sagen, wenn du es nicht verstehst. bleiben. Ich lasse eine neue Druckerei arbeiten." Vor allem, was geht dich das an? Was geht's dich an, ob Wobei ist gestern unser Gespräch stehen geblieben?" fie Diebe oder anständige Menschen sind? Wir sind hier in fragte Baum, schon ganz beruhigt. Lodz alle dazu da, um Geschäfte zu machen, um viel zu ver- ,, Wir gründen eine Fabrit." dienen. Keiner von uns will hier ewig bleiben. Und jeder macht Geld, wie er's fann und wie er's versteht. Du bist Baum lachte laut. ein Roter, du bist ein Radikaler, Karmin Nr. 4." Ich bin anständiger Mensch," knurrte der andere und schenkte sich Tee ein.
Borowiecki hatte die Ellenbogen auf den Tisch gestützt, das Gesicht in seine Hände vergraben und hörte zu.
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Na, also, ich muß weg. Auf Wiedersehen, Kompagnons. Streitet nicht, geht schlafen und träumt von den Millionen, die wir machen werden."
Wir machen sie! Wir machen sie," sagten beide zugleich. „ Das heutige Datum muß man sich notieren. Es wird
" Füge da, Mar, so einen Zusat ein, wer von uns zuerst die andern betrügen wird."
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,, Du, Borowiecki, bist ein Edelmann. Auf deiner Visitentarte hast du ein Wappen. Auf der Profura setzt du sogar dein von' hinzu, und bist doch der größte Lodzermensch von uns dreien," flüsterte Moriz.
,, Bist du's etwa nicht?"
" Ich hab's vor allem nicht nötig, davon zu reden, weil habe nötig, Geld zu machen. Ihr und die Deutschen , ihr seid gut, aber bloß zum Reden."
ich
Borowiecki schlug den Kragen hoch, knöpfte den Mantel sorgsam zu und ging.
Der Regen rieselte ununterbrochen herab und schlug schräg gegen die Scheiben der kleinen Häuser, die an diesent Ende der Piotrkower Straße ganz dicht nebeneinander standen. Nur hier und da drängte sich ein Fabrikkoloß dazwischen oder das prachtvolle Palais des Fabrikbesitzers. Auf dem Bürgersteig bogen sich die Reihen der niedrigen Lindenbäume auto " Ja, ich habe nichts, du hast nichts, er hat nichts." matisch hin und her; der Wind zauste sie und fegte über die schmuzige, fast schwarze Straße. Die wenigen Laternen cz" Dann haben wir doch gerade so viel, ausgerechnet so gossen nur fleine Streise gelben Lichts, in dem der zähe, viel, um eine große Fabrit zu gründen. Was tönnen wir schlüpfrige Morast aufflackerte. Hunderte von Menschen verlieren? Verdienen kann man immer," fügte er nach einer tauchten in der großen Stille auf und huschten eiligst von Weile hinzu. Uebrigens, entweder wir machen ein Geschäft, dannen, dem Ruf der Pfeifen folgend, die jetzt schon immer oder wir machen feins. Sagt es doch noch einmal." feltener ertönten. ( Forts. folgt.)