Mr. 167. 35. Jahrg.
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Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutfchlands.
Redaktion: SW. 68, Lindenstraße 3. Fernsprecher: Amt Morigolas, Nr. 151 90-151 97.
Donnerstag, den 20. Juni 1918.
Expedition: SW. 68, Lindenstraße 3. Bernsprecher: Amt Morigplat, Nr. 151 90-151 97.
Die Brotnot in Oefterreich.
Die Beschlüsse des Wiener Arbeiterrats.
Wien , 19. Juni. In der Angelegenheit der Verkürzung Ser Brotquote faßte der Wiener Arbeiterrat gestern spät abends Beschlüsse, worin die Wiederherstellung der vollen Brotration und, solange dies nicht möglich ist, Ersaz für Brot gefordert wird. Weiter wird eine Erhöhung der Arbeitslöhne sowie infolge der Unterernährung Arbeitserleichterungen, Verkürzung der Arbeitszeit und Einschränkung der Nachtarbeit verlangt. Der Arbeiterrat fordert, daß die österreichisch- ungarische Regierung bereit sei, jederzeit in Verhandlungen über einen allgemeinen Frieden ohne Annegionen und Kontributionen sowie über die Gründung einer Liga der Nationen einzutreten. Der Arbeiterrat verlangt weiter die sofortige Einberufung des Parlaments und betont, daß im Interesse der Lebensmittelversorgung die Eisenbahner, Verkehrsarbeiter und Arbeiter der Lebensmittelindustrie alles vermeiden mögen, was den Verkehr und die Lebensmittelerzeugung stören könnte. Er fordert endlich die Arbeiterschaft auf, Ruhe zu bewahren und alle Zusammenstöße auf der Straße zu vermeiden.
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Durch eine neu erschienene Verordnung wird die Bewirtschaftung der neuen Ernte in Desterreich ebenso wie im Deutschen Reiche und fünftig auch in Ungarn im Sinne einer straffen staatlichen Bewirtschaftung geregelt. Der Plan für die Getreideaufbringung geht von der Tatsache aus, daß Desterreich ohne irgend welche Vorräte in das neue Erntejabr eintritt und daher danach getrachtet werden muß, möglichst rasch in den Besitz der erforderlichen Getreidemengen zu gelangen.
Leider entschließt sich die österreichische Regierung erst sehr spät zu durchgesenden Maßregeln. Es gibt zwar in Süddeutschland und auch in Breußen manchen gesegneten Drt, der in lufullischen Genüssen mit Tschechisch- Böhmen und Ungarn wetteifern kann. Allein im großen ganzen ist der staatliche Eingriff doch viel früher und durchgreifender als in Desterreich- Ungarn erfolgt und seine segensreiche Wirkungen Iamen es die Desterreicher wohl jetzt bitter bereuen, daß sie nicht rechtzeitig nachgekommen sind.
Die„ Nordd. Allg. Ztg." lehnt die in der unverantwortlichen österreichischen Presse gegen Deutschland erhobenen Vorwürfe wegen Nichterfüllung von vertraglich übernommenen Pflichten zur Getreidelieferung ab. Desterreich- Ungarn habe zwar der deutschen Regierung die Organisation überlassen und Desterreich- Ungarn seien Lieferungen aus der Ukraine bezw. aus Besarabien und Rumänien zugesichert worden. Eine Lieferung aus deutschen Beständen ist dabei aber nicht vorgesehen worden; sie hätte nur in Frage kommen fönnen, wenn Deutschland noch Reservebestände hätte, die über den Bedarf für Bevölkerung und Heer hinaus verfügbar gewesen wären. Das ist aber in diesem Erntejahre leider nicht der Fall."
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Wie wir schließlich erfahren, verbleibt es in Desterreich bei der plötzlich dekretierten Herabsetzung der Brotration auf 630 Gramm für die Woche. Eine Besserung ist erst von der ungarischen Ernte zu erwarten, die Sonntag oder Montag beginnen wird, aus der aber Mehl vermutlich erst in vierzehn bis zwanzig Tagen wird geliefert werden können.
Zentralisation im britischen Weltreich.
Wie Nieuwe Rotterdamsche Courant" aus London vom 18. Juni erfährt, wird die Regierung wahrscheinlich am 19. Juni dem Oberhause ihren Beschluß über die Aenderung der ministeriellen Organisation( Einrichtung eines besonderen Kabinetts oder eines Komitees von Ministern für innere Angelegenheiten) befanntgeben. Nach Ansicht der " Times" wird jedoch diese Aenderung ganz in den Schatten gestellt durch eine viel wichtigere Aenderung, die vorbereitet wird, nämlich die Teilnahme der überseeischen Regierungen an der Verwaltung der Reichsangelegenheiten.
An der Piavefront Kanal Fosetta überschritten Desterreichischer Durchstoß
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bei Sovilla am Montello Erbitterte feindliche Gegenwehr feindliche Gegenwehr- Französische Angriffe im Villers- Cotterets- Wald. Berlin , 19. Juni 1918, abends. Amtlich. Von den Kampffronten nichts Neues. Amtlich. Großes Hauptquartier, 19. Juni 1918.( W. Z. B.)
Westlicher Kriegsschauplah. Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht. Rege Erkundungstätigkeit der Infanterie. Teilangriffe des Feindes am Nieppe- Walde und nordöstlich von Béthune wurden abgewiesen. Der Artilleriekampf lebte nur in wenigen Abschnitten auf.
Heeresgruppe Deutscher Kronprinz. Südwestlich von Dommiers scheiterte am frühen Morgen der Angriff französischer Regimenter im Nordostteile des Waldes von Villers- Cotterets. Am Tage mehrfach wiederholter Ansturm drückte unsere östlich von Montgobent vorspringende Linie etwas in das Innere des Waldes zurück. Jm ClignonAbschnitt nordwestlich von Chateau Thierry stießen mehrere feindliche Kompagnien zum Angriff vor. Sie wurden von unseren Vorposten abgewiesen.
Artillerie und Minenwerfer belegten mit starken Feuerüberfällen die feindlichen Anlagen bei Reims . Nachstoßende Infanterieabteilungen brachten etwa 50 Gefangene ein.
Gestern wurden 23 feindliche Flugzeuge und 3 Feffelballone abgeschossen. Hauptmann Berthold errang seinen 35., Leutnant Veltjens seinen 22. Luftfieg. Der Erste Generalquartiermeister.
Ludendorff.
Der österreichische Bericht.
Wien , 19. Juni 1918. Amtlich wird verlautbart: Der Südflügel der Heeresgruppe Feldmarschall v. Boroevic erkämpfte in stetem Bordringen neue Vorteile. Der Kanal Fosetta wurde an einigen Punkten überschritten. Der Italiener sett alles daran, unser Bordringen zu hemmen. Auf. engen Räumen werden Gefangene zahlreicher zusammengewürfelter Berbände eingebracht. Heftige Feindangriffe, die namentlich beiderseits der Bahn Oderzo Treviso mit großer Zähigkeit geführt wurden, brachen unter schweren Verlusten teils in unserem Fener, teils im Nahkampf zusammen.
Die Divisionen des Generalobersten Erzherzog Joseph durchstießen bei Sovilla am Südfuß des Montello mehrere italienische Linien. Die Zahl der Gefangenen erhöht sich.
An der Gebirgsfront waren die von uns am 15. genommenen Stellungen zwischen Piave und Brenta und südöstlich von Asiago abermals das Ziel erbitterter Austürme. Der Feind vermochte trok großer Opfer nirgends Vorteile zu erringen. Auch auf dem Dosso Alto stießen die Italiener immer wieder vergebens vor. An der Tiroler Westfront Artilleriekämpfe.
Der Chef des Generalstabes.
Die britischen Kolonien vertreten seit langem schutzöllnerische Bestrebungen in der Hoffnung, auch das Mutterland auf diese Bahn zu drängen und durch Erreichung von Vorzugszöllen für ihre landwirtschaftlichen Produkte einen gesicherten Markt zu schaffen. Umgekehrt sucht sich das Mutterland England durch eine innige Verbrüderung mit den Kolonien in der Herrschaft über die Rohstoffmärkte zu befestigen. Die englische Regierung fördert diese wirtschaftlichen Tendenzen in der Hoffnung auf Seit dem 12. Juni tagt in London die britische Reichs- einen innigen politischen Zusammenschluß des formell nur eine Konferenz. Ihre Verhandlungen, die gegen Ende Juni abge lose Einheit bildenden britischen Weltreichs. schlossen sein sollen, werden geheim geführt. Ihr Hauptpunkt Die gewaltige Bedeutung dieser Entwicklung geht aus dem ist indessen kein Geheimnis. Die Kolonien, die mit großen Hinweis darauf hervor, daß das englische Weltreich der beste Opfern an Menschen und Geld die Kriegssache Englands unter- Stunde Deutschlands war und mehr als ein Fünftel seines ganzen stügt und zu ihrer eigenen Angelegenheit gemacht haben, find Auslandsabsazes aufnahm. am Werk, einen wichtigen Teil ihres politischen Gewinns einzuholen. Das Maß ihrer Nechte im Zusammenschluß des britischen Imperialismus ist im Wachsen, gefördert durch die weltwirtschaftspolitischen Kampfziele, die der Krieg obenauf gebracht hat. Der Hinweis der„ Times" bezeugt die Spannung, mit der die englischen Imperialisten den jezigen entscheidungshollen Aft der Entwicklung begleiten.
Die bulgarische Kabinettskrise.
Sofia , 18. Juni. ( Meldung der Bulgarischen Telegrapheragentur.) Der König hat Malinow mit der Bildung des neuen Kabinetts beauftragt.
Malinom ist der Führer der demokratischen Partei.
Sie ist diesmal von konservativer Seite ausgegangen. Die Streuzzeitung" brachte drei mit 2. H. gezeichnete Artikel, in denen die Aufstellung eines klaren Friedensprograums als Gebot der Stunde von der Reichsleitung gefordert wurde. Die Redaktion des konservativen Kampforgans hat zwar einige kriti. sche Nachbetrachtungen dazu angestellt. Allein alle Welt fragt sich erstaunt, wer ist der Mitarbeiter, der soviel Autorität und Einfluß im konservativen Lager besigt, daß ihm die Spalten der Kreuzzeitung " offenstehen für so offensichtlich aller seitherigen Kriegszielpolitik der Konservativen widersprechende Ausführungen. Die in politischen Kreisen umgehende Erklärung des 2. H. als Ludendorff- Hindenburg ist zwar nur ein guter Scherz. Aber beinahe so einflußreich muß der Verfasser schon sein.
Auch der Respekt, mit dem die übrige alldeutsch - annerionistische Presse die Sache behandelt, ist in hohem Maße auffallend. Sie lödt zwar wider den Stachel, der ihr hier von starker Hand ins Fleisch gestochen wurde; aber sie enthält sich doch all der wüsten Beschimpfungen und Verdächtigungen gegen 2. H., mit denen sie die Vertreter der gleichen Anschauungen aus dem Lager der„ Schmach- und Verzichtfriedens- Mehrheit" zu überschütten pflegt.
Die Anschauungen des Mitarbeiters der Kreuzzeitung " über die Notwendigkeit eines klaren Friedensprogramms und seine hauptsächlichen Inhalt decken sich mit denen der Neichstagsmehrheit und insonderheit ihres sozialdemokratischen Bestandteils in allen wesentlichen Bunften. Seit Jahr und Tag haben wir die Auffassung vertreten, daß das oberste Kriegsziel die Auflösung des feindlichen Blocks und die Schaffung einer neuen Konstellation sein müsse, die Deutschland aus der Isolierung heraus in weltpolitisch geweitete Verbindungen bringe. Die furzsichtige Kriegszielabsteckung der Eroberungspolitiker mit ihren Gebietserwerbungen und Grenzsicherungen nach Ost und West dient dem Gegenteil; sie treibt die militärisch auseinandergesprengte Weltfoalition gegen uns wieder zusammen und engt uns schließlich trotz aller territorialen Erweiterungen politisch und wirtschaftlich noch schlimmer ein als zuvor. Aus diesem Grunde haben wir gegen diese mit ostelbischen Horizonten und Methoden operierende ,, Weltpolitit" Front gemacht. Es ist eine angenehme Ueberraschung für uns, so ganz plößlich einen Mitstreiter aus dem konservativen Lager herangaloppieren zu sehen. 2. H. schreibt:
„ Es handelt sich in diesem Kriege nicht um leicht faẞ= bare Gebietsstreitigkeiten. Es ist daher notwendig, daß unsere politischen Borstellungen über den engen Horizont fontinentaler Gebietsfragen hinaus in den Bereich einer mehr planetarischen Betrachtung der politischen Situation geführt werden. Dieser Krieg ist, soweit er ernste Gründe hat, gegen die Grundlagen unserer Weltstellung gerichtet. Sie müssen sichergestellt und verbreitert werden, und wir haben nie geglaubt, daß dies durch hermetischen Abschluß nach außen geschehen kann unter einfacher Angliede= rung der von uns eroberten Gebiete, die uns nur Mittel zum Zweck und niemals Selbstzweck sein können. Die Möglichfeiten neuer und vorteilhafter politischer Konstellationen nach dem Kriege schaffen wir uns durch die Forderung des Notwendigen und Wesentlichen, und aus dieser Erkenntnis heraus werden wir niemals unsere Ziele in allzu gegenständlicher Bewertung sekundärer Einzelfragen überspannen."
Von dieser der unsrigen entsprechenden Grundorientierung aus stellt 2. H. seine Hauptforderungen auf. Als solche bezeichnet er die Freiheit der Meere, die Regelung der Weltwirtschaftsfragen und die Kolonial abrechnung."
Hinsichtlich der letzteren schlägt 2. H. eine allgemeine foloniale Auseinandersetzung vor, die eine den wirtschaftlichen Kräften der Nationen entsprechende Regelung bringen soll. Er erhofft dabei die Durchsetzung eines abgerundeten ko. Ionia Ireichs für Deutschland . Die deutsche Sozialdemokratie hat in ihrem Stockholmer Memorandum die Rückgabe der entrissenen Rolonien gefordert. Gelingt es auf dem Wege der Stompensation und vertraglichen Vereinbarung, eine Abrundung und Erweiterung unseres Kolonialbesizes zu erlangen, so haben wir selbstverständlich nichts dagegen; zumal dann nicht, wenn wirklich Ernst gemacht wird mit der von 2. H. geforderten intensiven folonialen Kulturwirtschaft".
Zum Punkt: Regelung der Weltwirtschaft" führt 2. H. aus, daß wir die Beseitigung aller bereits von unseren Gegnern gegen uns vereinbarten Hemmungen fordern müssen. Wir wollen nach der Wiedereinsetzung in den alten Stand nichts anderes als die tatsächlich garantierte wirtschaftliche Gleichberechtigung." Garantien dafür sieht er in der Zusicherung der Meistbegünstigung und des gleichen Rechts der wirtschaftlichen Ausnutzung aller Weltwirtschafts