Nr. 173— 191$
Unterhaltunasblatt des VszWZrts
Mittwoch, 2H.�uni
3m Keller. Von Fred Hildenbrandt . Dl- die weißen Alarmiäkncben aufgeregt auf die Dächer der Eleltnschen sprangen, starb die Sladt Tausend Arme des abendlichen Lärms sanken stumm in den Nebel, den das Mondlichi wie leichte Tücher über die Dächer legte. Erleuchtete Gebäude sacklen erschrocken zusaminen und kauerten im Dunkel nebeneinander. Ein Flüstern fegte die Slraße leer von Menschen und mit den letzten eilenden Schatten rannten halblaute Rufe in die finsteren Hausflure. In einer unheimlichen Zwecklosig- keit harrten dunkle Straßenbahnen an willkürlichen Ecken. Irgendwo nahmen tiefgest'.mmte Sirenen Anlauf, hetzten sich heiser über die Stadt und lieien in eine unendliche Ferne. Dann stand in der ungeheuren Stille plötzlich und schmerzhast bis tief in die Schläfen ein-, zwei-, dreimal ein harter Knall— Alarmschüste. Wir errieten den nächsten Hauscingang und tasteten in einem schwachen Lichtschein hinunter. Rote Gesichter in dem kahlen Raum entspannten sich und zeigten eindeutig Erleichternng der vermehrten Gemeinsamketr wegen. Auf Kisten und Bülten hockten Frauen. Kindcrköpfe lagen in ihrem Schoß. Auf hochgel'chütteten Kartoffeln kniete ein alter Mann, mühte sich, dem Zittern seiner feuchten Hände die Sachlichkeit irgend einer Tätigkeit enrgegenzustemmen. Er zählte die Kartoffeln und legte sie sorgsam in Reihen an die Wand... einunddreißig— zweiunddreißig— Ueber uns stürzte aus lausend Himmeln Lärm auf. Die Ab- wehrzeschütze. Wir standen und horchten. Aus einem Frauenschoß brannten die großen Augen einer Dreizehnjährigen und sahen durch unser Gesicht hindurch in eine unfaßbare Schrecknis. In die Stille, die unmittelbar einsetzte, liefen ruhige Schritte vor den Kellersenstern. Der Raum atmete Erstaunen. Ein Schutz- mann, ein Leichtsinniger, ein Hilfloser? Dann kam Schlürfen die Treppe herab und alle Augen liefen ihm entgegen. Oben fiel wieder toiend der Lärm über der Stadt zusammen. Im Lichte der kleinen Erdöllampe stand ein Soldat im grauen Mantel. Ein Schluchzen des Entsetzens sprang durch die Frauen. Wir drehten uns und hielten inne. Leichtes Grauen rann auch uns über die Haare. Der Mann hatte kein Gesicht. MundloS, nasen - los, das Kinn zerschrumpft in zwei dicke Falten. Ein Antlitz, ver- wundet in rote hängende Hautfalten. Aber ses war, daß mau alle- andere wegschob) eine wunderbare Stirn. In die Haare gespannt ein hohes, weißes Reätzeck von hinreißender Form. Er setzte sich auf eine Kiste und blieb und fragte nach einer Weile nach einer Zigarette. Ich reichte ihm meine Tasche. Er nahm Feuer, sah sich um und erkannte die Not deS Augenblicks. Fing beiläufig und seltsam wesenlos an, über die große Sicherheit tiefer Keller zu reden, sprach von Abwehrmittelu, erzählte Feld- episoden und leitete unfaßlich rasch die Interessen vom Tatsächlichen der Gegenwart ab. Alle Köpfe waren hoch und lauschten. Man vergaß sein verwundetes Geficht. Man Hörle einen Menschen laut und ruhig reden und fühlte die latente Kraft eines Geistes durch alle Beiläufigkeiten seiner Erzählungen hindurch. Wir beide saßen abseits seiner Reden in unendlicher Er- schütterung. Dieser Junge, Lippenlose, Wortstarke. Wer wohl, da du doch jung bist und innerlich so schön, könnte eine weiche Wange legen an diele schuppenbestaubten Falten, welcher Mund wohl vermöchte Heißes zu flüstern in diese lipvenlose Oeffnung?— Es war alles weh, traumhaft und verwunschen. Das Graue des kalten Raumes, die Ruhe der horchenden Frauen, der alte Mann und die Einsamkeit dieses verwundeten Soldaten. Die Zeit stand. Als die Glocken eilig durch die Straßen liefen und für die nächste Stunde Frieden versicherten, wachten wir auf. Unter der HauSrür(die Stadt schwamm längst wieder in Ge- räuschen) fiel mir nur Scherzhaftes ein, als ich dem Soldaten die Hand gab. .Bitte, kommen Sie das nächstemal wieder in den Keller, in dem wir dann sind. Sie find ja tröstlicher als alle vier Evangelien."'
Er lacht.„Haben Sie mich verkannt? Ich bin Theologe. Altes Semester. Aber ich werde wohl Bauer werden. Wieder- sehen!" Als wir auf der Höhe waren, lag die Stadt unter unzähligen Achtern wie ein am Boden gebreiteter Sternenbimmel. Im mond - lichtdurchflulelen Horizont hingen gelangweilt die auseinander- gezogenen Nauchfetzen der Schrapnells.
Das Wiener Hofopsrn-Grchester. Zum allerersten Male sind die Wiener Philharmoniker , die im Gegensatz zu den deutschen Hoflheater-Kapellen auswärts Konzerte veranstalten, in Berlin . Seit jeher war die k. k. Hofoper das bedeutendste Kunstinstitut in Wien , mithin auch ihr Orchester. Dieses vermochte sich sehr früh zu einer Art Welibedeutenheit zu erheben. Schon' als Gluck sein Führer war. noch mehr natürlich bei Lebzeiten Beethovens waren seine Konzerte vor der Wiener Hofgesellschaft und Bürgerschast be- rühmt. Wenn aber ehedem das Interesse schalen Virtuoseniums das eigentliche Musikwerk, das da gegeben wurde, weil über« trumpfte— jetzt kam allmählich eine Umkehr zum Besseren. Der Genius eines Mozart, Beethoven ward Alleinsieger: ihm ordnete sich der Geist der ausführenden Musiker unter. Kurz: sie wurden Künstler im höchsten, wahrsten Wortsinne. Bereits seit der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts behauptet das k. k. Hosorchester als Konzertkörperschaft die erste Stelle. Nunmehr haben die Berliner Gelegenheit, die Wiener Phil « harmoniier an mehreren Abenden zu hören. Gewiß ein künst- lerisches Ereignis allerersten Ranges. Dies um so sicherer, als ja Felix Weingart n er, der hier stets gefeierte Komponist und Dirigent, an ihrer Spitze steht. Mit der Ouvertüre zu Webers „Oberon"— gleichsam einer sinnigen Huldigung für Deutsch « land— begann Montag das erste der Konzerte, deren letztes im mächtigen Raums des Zirkus Busch mit der Aufführung von Beethovens„Neunter" beschlossen werden wird. Hernach kamen Werke ausschließlich österreichischer und süd- deutscher Meister zu Gehör. Und zwar Mozarts„Jupiter"- Symphonie, die Ouvertüren zu Goldmarcks„Sakuntala" und Weingarlners hier am Deutschen Opernhaus erfolgreich ge- gebene Lustspielover„Dame Kobold", endlich Richard Strauß' Symphonie„Tod und Verklärung", die er ja auch persön- lich im letzten Winter in der Volksbühne dirigiert bat. Es ist doch eine eigene Art: dies Musizieren der Wiener Gäste. Das steckt im Blut; der feurige Rhythmus, die finnliche Verve, die, wenn man so sagen soll, vollkommen vergeistigte, Seele gewordene Spieltechnik sind des Zeuge. Was hier das Ohr vernimnit, ist sicherlich noch zu übcrbierende Kunstvollendung, ist serapdischer Klang. Er kommt von den Streichern, er kommt von den Bläsern— ja selbst von den Schlaginstrumenten, um sich in freiester Schwingung und idealster Verklärung dem Ganzen zu ver- mahlen. Dirigent und Orchester sind eins: weder jener, noch diese? bleiben einander etwas schuldig:— daS jeweilige Tonwerk, ganz gleich, welchen Charakters es immer auch sei, tritt in seiner von seinem Scböpfer erdachten Schönheit und Erhabenheit hervor. Das buchstäblich bingerisseue Publikum brachte Weingartner und den Philharmonikern großartige Ovationen dar. Diese Be- geisterung scheint wirkliche Herzenssache. ok.
Jünimte. Mit Sturm, Regsn und Kälte hat in diesem Jahr« der Sommer begonnen. War der Juni ohnehin sehr wenig sommerlich und fast durchweg viel zu kühl, so hat während der letzten Tage die Witte- rung einen ganz besonders unfreundlichen Charakter angenommen. Die lange Zeit hindurch fast völlig ausgebliebenen Niederschläge haben sich nunmehr in fast überreichem Maße eingestellt und waren über ganz Mitteleuropa verbreitet. Anlaß zu der cvuherovdentlich veränderlichen Witterung gab ein tiefes atlantisches Minimum, das Sonntag abend mit seinem Zentrum über Südschweden verlagert war, und das auf seiner von Westen nach Osten gerichteten Bahn ganz Deutschland in seinen Vereich zog. Hinter dem nach Westruß- land abwandernden Tief rückt zurzeit ein sehr ausgedehntes und kräftiges Maximum vom Atlantik aus vor, dessen Vordringen zu
großen Luftdruckunterschieden und infolgedessen zu stürmischen Win- den aus westlicher bis nordwestlicher Richtung führte. Diese kühlen Seewinde hatten einen ungemein starken Rückgang der Temperatur zur. Folge, die Sonntag und Montag fast nirgends auch nur 15 Grad Celsius, erreichte, vielfach sogar, namentlich im äußersten Westen und Süden des Landes, sogar mittags unter 1» Grad Wärme blieb. Infolgedessen war es während der letzten Tage an der Grenze der Pylarregien viel wärmer als in Süddeutschland , wo München bei- spielsweise Sonntagabend nur 8 Grad Wärme hatten, gegenüber 13 Grad in Haparanda . Die teils ununterbrochen, teils in Gestalt häufiger Schauer niedergegangenen Regenfälle waren strichweise von Gewittern begleitet; auf den Höhen der Mittelgebirge fiel Schnee und auf dem Brocken liegt die weiße Decke fußhoch. Mit der jetzt erfolgenden, von Westen nach Osten fortschreitenden Zu- nähme des Luftdrucks ist eine allmähliche Besserung des Wetters zu erwarten, doch besteht für die ersten klaren Nächte wieder die Ge- fahr von Frösten. Bis zur völligen Wiedererwärmung dürften na- mentlich im Osten des Landes noch mehrere Tage vergehen. vis erratischen Stöcke öer Mark Sranüenburg. Ueber die zahlreichen Findlinge der Mark Brandenburg, ihre verschiedenen Merkmale, Größen usw. ist, wie Rud. Hundt in der „Naturwissenschaftlichen Wochenschrift" berichtet, eine zusammen- fassend« Darstellung auf Grund der„Beiträge zur Naturdenkmals- Pflege" aus der Feder von P»os Wetekamp erschienen. Von den in dem Werk nachgewiesenen 179 Blöcken fallen zwei Driitel auf den Regierungsbezirk Potsdam, ein Drittel kommt auf den Regievungs- bezirk Frankfurt . Das Ursprungsgebiet der Blöcke erstreckt sich von Finnland bis zum Wettersee in Schweden . Bier Blöcke stammen aus Westfinnland, einer aus Smaland , einer aus Jomtland. Das auffällige Zurücktreten des Granits bei den Blöcken erklärt sich da- durch, daß im Ursprungsgebiet wenig Granit vorhanden ist und'daß sich Granit leichter bearbeiten läßt. Seit vorgeschichtlicher Zeit ver- wendet man die Findlinge zum Bau van Gebändtn(Häusern, Ställen, Kirchen), pflastert mckn Straßen, beschottert Chausseen, befestigt durch sie Stadtmauern, Städte und Marktflecken.„Näpf- chensteine", deren Höhlungen man früher aus Unkenntnis der wah- reu Verhältnisse für Opferschalen erklärte, zeigen Spuren von Sprengungsversuchen aus alter Zeit, so der„Teufelsstein" von Kemnitz(Bezirk Frankfurt ), Blöcke bei Nuhnen und fforfthauS Eduardsspring(Bezirk Frankfurt ). Mit einem Opfenstein haben wir es viekleicht am«Gehauenen Stein" zu tun, der bei Zielenzig liegt, und bei dem von einer Vertiefung auf der Oberfläche flache, gemeißelte Rinnen zum Grunde des Steines verlaufen. Die „Runen" auf dem„Runenstein" bei Runental, unweit Züllichau , find höchst wahrscheinlich Spielereien, allerdings apis unbekannter Zeit. Erhalten sind manche Blöcke, die in vorgeschichtlicher Zeit zum Bau von Hünengräbern verwendet worden sind, wie bei Mellen. Der größte erratische Block der Mark Brandenburg ist der große Markgrafenstein in den Rauenschen Bergen bei Fürsten- Walde, mit 17 Meter Umfang und einer Höhe vm: 6 Metern. WaS von ihm noch daliegt, ist nur ein Drittel. Die fehlenden zwei Drittel wurden zur Herstellung der großen Granitschale vor dem Alten Mussum in Berlin verwendet. Der kleine Markgrafenste in zeigt einen Umfang von 22 Metern und eine Höhe von 3,70 Metern. Ein gleich grosier Stein liegt als„Breiter Stein" bei Hanseberg im Kreis« Königsberg in der Neumark. Erhalten ist der Gneis- findling von Hohcnkarzig mit 12 Meter Umfang und i Meter Höhe, ein Block bei Seegefelo. Der 29 Kubikmeter umfassende Block auf der Untergrundbahnstrecke Berlin— Dahlem ist mit 1273 M. lln- kosten an der Haftestelle Thielplatz ausgestellt worden. Joachims- thal, Friedeberg, Landsberg a. W., haben für die Steine gesorgt.
Notizen. — Prof. Valeria» v. Loga, KustoS an den Kgst Museen, ist in Berlin gestorben. Als Erforscher und Darsteller der spanischen Kunstgeschichte hat er, als Schüler des VÄosquezbiographen Justi, Bedeutendes geleistet. Besonders geschätzt ist seine Arbeit übe? Goya, dessen Persönlichkeit und Werk er von dem Wust der Ueber- lieferung befreite. Prof. v. Loga ist im 57. Jahre gestorben, auch ein Opfer des Krieges in dem er sich als Inspekteur der freiwilligen Krankenpflege em tödliches Leiden zuzog.
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Loöz. das gelobte£ßnd. Roman von 23. S t. R e y m o n t.
„Du schätzt ihn ein?" „Alles wird berechnet." „Wie hoch schätzt du unsere alte Freundschaft?" „Lach nicht, Karl, aber ich kann dir sagen, deine Freund- schaft kann ich in Rubel ausdrücken, weil durch sie, dadurch, daß wir zusammen wohnen, mein Kredit sich um zirka zwanzig- tausend Rubel erhöht. Ich red' offen." Borowiecki lachte herzlich und mit großer Befriedigung. „Das, was ich eben tue, hättest auch du getan, auch Baum hätte es getan." „Ich befürchte, Karl, ich befürchte, daß Max ein schlauer Kerl ist, daß er ist ein Kaufmann... WaS mich aber an- langt, ich hätte es mit Vergnügen getan." Er glättete seinen Bart und schob den Kneifer zurecht, um seine Augen und Lippen zu verdecken, die etwas ganz anderes ausdrückten. „Du bist ein Edelmann. Du bist wirklich ,von' Bo- rowiecki." „Max, steh doch auf, du Schlafmütze," schrie Karl Baum ins Ohr. „Laß mich 1" brüllte jener wütend, mit den Beinen um- herfuchtelnd. „Strample nicht so und steh auf. Sin wichtiges Ge- schüft." „Karl, wozu weckst du ihn?" flüsterte leise Moritz. „Wir müssen doch zu dritt beraten." „Warum sollen wir das Geschäft nicht zu zweit machen?" „Weil wir es'Pi dritt machen," sagte Borowiecki kühl. „Mein' ich denn was anderes? Wir könnten es nur ohne ihn besprechen. Wenn er aufsteht, wenn er ausschläft, kann's man ihm sagen! Wir sind schon eine brillante Ge- nossenschaft hier in Lodz ." Und er lief immer schneller im Zimmer herum, erzählte von dem künftigen Gewinn, warf mit Zahlen herum, setzte sich an den Tisch und trank gierig, das Glas mit beiden Händen haltend; vor lauter Aufregung fiel ihm der Kneifer immer wieder in den Tee. Fluchend wischte er ihn mit den Rockschößen ab und lief wieder herum, oder beugte sich über den Tisch und bemalte das Wachstuch mit Zahlenreihen, die er sofort wieder mit dem benetzten Finger wegwischte. Unterdessen war Baum aufgestanden, hustete und fluchte in allen Sprachen, trank ein Glas Tee nach dem anderen und aß alle Reste vom Abendessen auf, die noch auf den Tellern lagen. Daun steckte er sich eine kurze englische Pfeife an, fuhr sich über seine kleine Glatze und brummte.
„Was wollt ihr nu?" Sagt'S nur mal schnell. Ich bin furchtbar schläfrig. Karl las das Telegramm vor. Moritz setzte den Plan auseinander. Er war sehr einfach: Geld haben, diel Geld, sofort nach Hamburg fahren, so viel rohe Baumwolle ein- kaufen, als nur da ist, und sie nach Lodz kommen lassen, bevor das Gesetz über die Erhöhung der Zölle und Tarifs in Kraft tritt. Dann verkaufen, selbstverständlich mit einem möglichst großen Gewinn. Baum dachte lange nach, kritzelte etwa« in sein Notiz- buch, rauchte die Pfeife zu Ende, tat behutsam die Asche weg, streckte seine Riesenglieder und sagte: „Nehmt mich mit zehntausend Rudel auf, mehr kann ich nicht, gute Nacht." Er erhob sich vom Swhl, um sich wieder schlafen zu legen. „Wart' doch! Wir müffen unS doch verständigen. Du schläfst noch genug." „Der Teufel Holl euch mit diesen Verständigungen. Ach, diese Polen l In Riga konnte ich drei ganze Jahre lang nur ganz wenig schlafen, weil sich alle bei mir ganze Nächte hin- durch verständigten. In Lodz ist es dasselbe." Unwillig setzte er sich wieder und stopfte die Pfeife. „Moritz, was gibst du?" „Ebenfalls zehntausend. Mehr krieg' ich momentan nicht raus." „Ich dann also ebensoviel." «Gewinn und Verlust zu gleichen Teilen." „Wer von uns aber fährt hin?" fragte Baum. „Nur Moritz kann fahren. Er kennt sich gut auL und eS ist auch seine Spezialität." „Gut, ich fahre hin. Wieviel gebt ihr gleich in bar?" „Ich habe fünfzehn Rubel, einen Brillantring kann ich noch dazu geben. Versetz ihn, kriegst ja mehr wie ich," sagte Max ironisch. „Alles in allem Hab' ich bei mir, gleich... vierhundert Rubel. Dreihundert kann ich gleich geben." „Wer gibt sein Giro auf deinen Wechsel, Baum?" „Ich gebe Bargeld." „Wenn ich nicht rechtzeitig Bargeld rauskriege, dann geb' ich Wechsel mit gutem Giro." Eine Stille trat ein. Max legte den Kopf auf den Tisch und blickte auf Moritz, der eifrig etwas notierte und rechnete. „Und wenn das Geschäft nicht gelingt?" fragte Boro- wiccki leise. „Na, dann verlieren wir, Donnerwetter! Und sonst nichts," brummte Moritz gleichgültig. „Wir können dreifach verlieren. Das Kapital, den Ge- winn und vielleicht ssgar die Fabrik." „DaS kann nicht sein," schrie Max. mit der Faust aus den Tisch schlagend.»Die Fabrik müssen wir haben, ich halt'.
eS mit meinem Vater nicht mehr aus. Und übrigens, Wird'S denn der Alte noch lange machen? Noch ein Jahr, noch zloei, und seine Schwiegersöhne haben ihn aufgefressen, und Zucker gibt ihm den letzten Stoß. Er hat schon angefangen. Unsere Bettüberzüge und unsere bunten Bettdecken macht er nach und verkaust ste um fünfzig Prozent billiger, Er frißt uns bei lebendigem Leibe auf, und ich krieg'S nicht fertig in einem fremden Geschäft zu dienen. Dreißig Jahr bin ich alt, ich muß WaS Eigenes anfangen." «Ich sag' eS ja auch, es kann nicht sein. So oder so, die Fabrik müssen wir haben. Ich halt'S auch nicht länger bei Buchholz aus." „Habt Ihr Angst?" flüsterte Moritz. „DaS ist doch natürlich, wenn man eventuell alle? der- lieren kann." „Du. Karl, kannst ja auf keinen Fall untergehen; du. mit deiner anerkannten Spezialität, mit deinem Namen, mit deinem ,von' und deinem Gesicht, du kriegst immer eine Million, wenn auch schlimmsten Falles mit der Müller als Zugabe." „Red' doch nicht, ich habe eine Braut, die ich sehr gern habe." „DaS stört doch nicht. Man kann doch zwei Bräute auf einmal und beide gern haben, und die dritte, die Geld hat, heiraten." „Wenn Ihr Angst vor dem Risiko habt, dann will ich Euch einen Rat geben, das heißt, ich will Euch sagen. eS ist wirklich ein Risiko dabei. Und wenn von diesem Geschäft die ganze Lodzer Baumwolle weiß? Wenn ich sie alle in Ham- bürg antreffe? Wenn durch die große und plötzliche Nach- frage die Baumwolle sehr steigen wird und wir ste in Lodz nicht werden anbringen können, WaS dann?" „Dann verarbeiten wir ste in unserer Fabrik und der- dienen noch mehr", sagte Max. „Aber es gibt noch einen AuSweg. Ihr könnt auch ohne Risiko verdienen." «Wie denn?" fragte Karl. „Tretet mir das ganze Geschäft ab. Ich geb' einem jeden von euch fünf, na, sagen wir zehntausend als Abfindung, und zwar in bar. Ich soll verlieren bares Geld in paar Stunden." „SÄwein", brummte Max. „Latz ihn doch. Max. das macht er aus Freundschaft." „Freilich aus Freundschaft, denn wenn ich verliere, könnt ihr trotzdem die Fabrik haben, und wenn ihr dabei was ver- dient, wird das euch nicht stören." „Verlieren wir keine Zeit mit leerem Gerede. Man muß doch ausschlafen. Wir kaufen zusammen, auf gemeinsames Risiko, und du fährst heut nach Hamburg , Moritz." Eortj. folgt)