Nr.lSl �ZS.�ahrgattg Vottnerstag,4.7ulilYlS t Die dritte Lesung des Etats im Reichstag.
(Schluß aus dem Hauptblatt.) Abg. Ledcbour(U. Setz.): Herr Tchei demann verkennt die Tatsachen vollkommen. Die militarist�sch-höfische Kamarilla, die bei uns die auswärtige Politik macht, hat von Anfang an Weltherrschaftspläne der- folgt, wenn sie auch mit ihren weiten Annexionsplänen erst später herausgekommen ist; jetzt betreibt diese Kamarilla ihre Pläne ganz offen und ungeniert. Neu ist nur, daß der von der Militärkamarilla desavouierte Staatssekretär v. Kühlmann, statt zu gehen oder die Kamarilla offen zu bekämpfen, pater-peccavi sagt, und daß die .lteichstagSmehrheit das billigt. Damit hat sie sich öffentlich der Militärkamarilla unterworfen. Auch nach der Episode Kühlmann- Heriling setzt die Militärkamarilla ihre Taten fort. Feldmarschall v. Hindenburg erklärt, Elsaß-Lothringen solle an P r e u- ßen angegliedert werden— und die Reichsregierung der- bittet sich dies Politisieren von Generalen nicht. Auch dynastische Interessen spielen bei der Annexionspolitik mit; Livland soll mit Preußen vereinigt werden, Litauen einen sächsischen Prinzen er- halten; das wäre nicht nur eine Verschacherung der Interessen dieser Völker, sondern auch eine Gefährdung des künftigen Welt- fnedenS. Die Körperschaften, die in jenen Ländern sich für solche Lösungen ausgesprochen haben, haben mit wirklichen Volks- Vertretungen nichts gemein. Ueber die Behandlung der litauischen Bevölkerung hat kürzlich mein Freund Haase hier - gesprochen. Nachdem die Reichsregierung zugesagt hat, daß die rumänischen Folterknechte für ihre Schandtaten an deutschen Gefangenen zur Rechenschaft gezogen werden sollen, er- warten wir auch ein Vorgehen gegen die deutschen Folterknechte in Livland. (Sehr richtig! b. d. U. Soz.) Auch die Vorgänge in Finnland und her Ukraine beweisen, wie wenig unsere Negierung und ihre militärischen Hintermänner imstande sind, eine Bevölkerung zu versöhnen. Da? ukrainische Volk ist ver- gewaltigt und gegen Deutschland erbittert worden; zugleich wird der Boden bereitet für eine gegenrevolutionäce Regierung, die sich später in imperialistischem Sinne gegen Deutschland betätigen wird. Sollten die bestehenden Einrichtungen in Rußland unter dem Schutz der deutschen Truppen gestürzt werden, sollte es wirklich zu einer Vergewaltigung der russischen Arbeiter und Proletarier kommen, so wäre es die heiligste Pflicht aller deutschen Proletarier, olle Machtmittel aufzuwenden, um ein solche? Ber- brechen zu verhindern. Kein deutscher Proletarier dürste durch Her- stellung von Munition die helfende Hand zu solchen Verbrechen bieten.(Beifall b. d. U. Soz.) Die deutschen Proletarier aller Rich- hingen müßten wir dann zur Revolution aufrufen.(Bei- fall b. d. U. Soz., höhnisches Bravo rechts. Glocke des Präsidenten.) Präsident Fehrenbach: Für den Aufruf zur Revolution rufe ich Sie zur Ordnung!(Beifall.) Vizekanzler V. Paher: Einer Auseinandersetzung mit dem Abg. Ledebour hat mich der Herr Präsident enthoben. Wenn ich Herrn Scheidemann richtig verstanden habe, wird die sozialdemokratische Partei d en E ta t a b- lehnen. Das ist uns nichts NeueS, sie hat ja nur ausnahms- weise für den Etat gestimmt. Wir müssen es ertragen, obwohl derartige Demonstrationen im Kriege schwerer zu ertragen sind als im Frieden. Es ist gut, daß eS eine Demonstration bleiben muß. Wenn auch andere Parteien dasselbe täten, glauben Sie, daß . damit der Sache des Vaterlandes, des Volkes und der Freiheit ein Dienst geleistet würde?(Sehr gut! bei der Volkspartei.) Der Abg. Scheideinann ist dann auf das Friedensprogramm und die Erklärun- gen der Regierung dazu zu sprechen gekommen. Ich fühle mich nicht dadurch veranlaßt, eine programmatische Erklärung der Regierung zum Friedensprogramm abzugeben. WaS solle denn nach den Er- 'ahmngen, die wir bereits gemacht haben, dadurch erreicht werden? Die Folge wäre ein Aufeinanderprallen der Gefühle r-'erhalb des Deutschen Reichs, und die Hoffnung auf eine bessere Einsicht bei unseren(stegnern ist so gering, daß die Nachteile einer solchen Erklärung nicht aufgewogen würden. Die feindlichen Re- gierungen würden ihre Völker von neuem aufpeitschen und unseren Aorten, so ebrlich und bescheiden sie auch gemeint sind,«ine falsche Bedeutung geben.(Sebr ivahrl) Die Formulierung der Friedens- ziele durch den Abg. Scheidemann :„Ein Schluß in Ebren und keine Beeinträchtigung Deutschlands bei den Friedensbedingungen" können wir unterschreiben. Ich glaube, wir sind darüber sogar schon hinausgegangen.(Abg. Ledebour (U. Soz.): Siehe Rußland !) In dem Augenblick, wo der Kriegswille und der Vernichtungswille der Gegner gebrochen sein wird, werden wir Frieden haben, und ich fürchte, daß alle Versuche, vorher zum Frieden zu gelangen, vergeblich sein werden. Darum müssen wir warten, bis dieser Zeitpunkt gekommen sein wird. Zu meinem Bedauern hat der Abg. Scheidemann ein Bild von der Art und Weise der Obersten Heeresleitung und von ihrem Verhältnis zur zivilen Reichsleitung gegeben, das falsch ist und in diesem Hause nicht so hätte dargestellt werden sollen.(Lachen b. d. Soz.) Die Schilderung bekundet auch ein geringes Maß von Dankbarkeit gegenüber der Obersten Heeresleitung. Wie kann man von militärischem Absolutismus reden, von politischem Ehrgeiz und politischem Dilettantismus der Obersten Heeresleitung. Sie werden überhaupt kein Land finden, in dem nicht Gegensätze zwischen der Reichsleitung und Heeresleitung zutage treten. Soll die Heeresleitung uns zum Sieg und zum Frieden führen, so können wir:hr nicht das Recht bestreiten, ihre Meinung in allen Fragen abzugeben, die mit dem steoreichen oder nichtsiegreicben Ausgang zusammenhängen lZuruf b. d. Soz.; Aber sse kommandiert!) Es ist nicht nützlich, so zu tun, als ob Heeres- und Zivilleitung sich bekämpfen.� Sie mühen� vielmehr sich zu verständigen suchen.(Widerspruch 5. d. Sozh Das ist ein so einfacher Satz, daß man doch dagegen nicht ankämpfen darf. Man kann in solchen Zeiten nicht ein« s ch e m a t i s ch e Scheidung machen zwischen dem, was der Heeresleitung an Macht und Einfluß zukommt und was der Zivil- leitung. sondern man muß bestrebt sein, alle Hindernisse eines Zu- sammenarbeitens zu beseitigen. Meinungsverschiedenheiten werden und müssen auftreten. Aber welckie Ereignisse des letzten Jabres bekunden Ihnen denn, daß die zivilen Geivalten vor der Obersten Heeresleitung kapituliert haben Glaubt denn Herr Scheide- mann wirklich, wir genießen nicht genügend Achtung feitens der Obersten Heeresleitung. Wir bestehen auf unserer Meinung, soweit und so oft es notwendig ist. Deshalb war es nicht angebracht, daß Herr Scheidemann uns wieder einmal den freundlichen Rat gegeben bat. uns möglich st b a I d zurückzuziehen, wenn wir nicht ein Verhältnis zur obersten Heeresleitung zu schaffen vermögen, wie es ihm vorschwebt. Wir sind auf unseren Posten gestellt, um dem Vaterlande in seiner schwersten Zeit zu dienen, und da halten wir uns für verpflichtet auszuharren.(Beifall.) ' In bezug auf die Politik im Innern wirst Herr Scheidemann uns vor, wir hätten kein richtige? Herz für die Not der breiten Massen. Wir haben ein Herz sowohl für die leibliche, als für die geistige Not der breiten Massen. Wir wissen, daß die Un- zufriedenheit nicht allein von den Ernahrungsfchwierig- leiten herkommt,
sondern auch den der Unfreiheit. In anderen Ländern ist es ebenso. Gewisse Beschränkungen der persönlichen Fveiheit muß sich in jedem Krieg jeder gefallen lassen. Auch wir hinter der Front müssen uns zum Wohle des Ganzen ge- wisse Beschränkungen auferlegen. Denn wir alle wollen doch den Sieg und den Frieden haben— und dazu können wir nicht ge- langen, wenn unter Aufhebung des Belagerungszu- standesjedertunundlassenkann.waSerwillwie im Frieden. Gerade weil so ungeheuer viel auf dem Spiele steht, dürfen wir solche Beschränkungen der Freiheit nicht allzu tragisch nehmen. Wir sind bemüht, die Gegensätze zu mindern und alle Schroffheiten, die mit der richtigen und falschen An- Wendung der Gesetze und Verordnungen verbunden sind, zu verringern und jedem, soweit es im Rahmen der bestehenden Dinge möglich ist zu seinem Recht zu verhelfen. Es geht ja auch stückweise vorwärts, langsam zwar, aber wir kommen doch allmählich in Zustände hinein, die auch auf diesem Gebiet als erträglich bezeichnet werden können. Statt sich so scharf über diese Gegenstände zu äußern, sollte man lieber ab und zy an die Bevölkerung appellieren, daß sie, wie auf dem Gebiet der leiblichen Ernährung, so auch aus geistigem Gebiet sich g e- wisse Beschränkungen gefallen lassen soll. Wie sollten uns nicht auSeinanderreden, sondern zusammen arbeiten. Wir werden wie bisher versuchen, so gut als möglich im Interesse aller zu arbeiten und unfern Weg weiter gehen, denn wir wissen, daß dieser Weg nicht zu militärischem Despotismus führt und auch nicht zu einem Eroberungsfrieden, sondern zu einem Frieden der Verständigung, den wir, wenn nicht alle, so doch in der weit überwiegenden Mehrheit dieses HanscS und der Regierung erstreben. Wir bitten Sie auf diesem Wege um Ihren Beistand, bis wir zum Sieg und dadurch zum Friesen gekommen sind.(Lebh. Beifall links und in der Mitte.) Abg. Graf Westarp(k.): Die Behauptungen Scheidemanns, daß sich das Volk in Not und Knechtschaft fühle, geht weit über die Wahrheit hinaus) Gewiß lasten Not und Entbehrung auf dem Volke, aber daran ist nicht wenig da? Diktat der Sozialdemokratie in Wirt- schaftlichen Fragen schuld. Scheidemann vergißt die letzte Quelle der Not: England. Er vergißt auch, daß alles, was er sagt, im Ausland noch schlimmer aufgefaßt wird. Die Vorgeschichte des Weltkrieges, beweist, daß Deutschland keine Weltherrschaft erstrebt hat. Die Rede ScheidemannS ist aber geeignet, denen, die da? be- haupten, Wasser aus die Mühlen zu leiten. Der Krieg ist ein Ver- t e i d i g u u g s k r i e g. Wir müssen uns aber gegen zukünftige Angriffe über unsere Integrität hinaus zu sichern versuchen. Es ist unrichtig, daß zwischen der Kühlmann-Rede vom Montag und der vom Dienstag ein Unterschied auf Veranlassung der Obersten Heeresleitung besteht. Die Politik der Sozialdemokratie und die Friedensangebote haben uns dem Frieden um keinen Zentimeter näher gebracht, sondern nur u n s e r e m i l i- tärischen Erfolge. Woher sollen unsere Soldaten die Kraft nehmen, sich immer wieder einzusetzen, wenn ihnen der Glaube an den Sieg genommen wird? Darum bedeuten gewisse Erklärungen von der Tribüne dieie» Hauses eine Versündigung an un- s e r e m Volke.(Unruhe.) Die wenig geschmackvollen Angriffe ScheidemannS gegen die Heeresleitung, die er der Herrsch- sucht und Willkür bezichtigt, veranlassen uns zu energischem Einspruch. Herr Scheidemann beabsichtigt, den Kampf gegen die Oberste Heeresleitung mit der Drohung des parlamentarische« Skandal» zu führen, um den Einfluß der Obersten Heeresverwaltung lahm- zulegen. Im modernen Kriege sind Kriegführung und Politik in besonderem Maße miteinander verknüpft. Der Reichskanzler und die Regierung sind kein Vollzugsausschuß der Reichs- tagS mehrheit oder der Sozialdemokratie, sie haben die ver- dammi« Pflicht, mit der.Heeresleitung in allen Fragen Fühlung zu nehmen. Die Rede ScheidemannS entbehrt der Pflicht der Dankbarkeit gegen die Leute, deren Ruf noch klingen wird, wenn die Reden ScheidemannS längst vergessen sind.(Beifall rechts, höhnische Hurrarufe links.) Abg. Dr. Thema(natl.): Unsere Feinde wollen keinen Frie- den in Ehren. Die Regierung hat an dieser Stelle erklärt, daß Belgien kein Hindernis des FnedenS sein soll. Ich frage den Abg. Scheidemann : Was hat uns in diesem Kriege die Wahrheit geholfen? Wenn Scheidemami die Vertretung der Wahrheit nur für seine Partei jn Anspruch nimmt, so erhebt er den Vorwurf parteiamtlicher Verlogenheit gegen unS. Das weise ich zurück. Das deutsche Volk ist kein blöder Saufen, der sich so etwaS bieten ließe. Unser politisches und militärisches Schicksal ist �miteinander verknüpft. Es darf damit kein Gegensah konstruiert werden. Wg. Schcidernann(Soz.): Vizekanzler v. Paher soll in seiner Erwiderung auf meine Rede, die ich leider nicht mit anhören konnte, einen scharfen Ton ange- schlagen haben. Dazu habe ich ihm keine Veranlassung gegeben. Ich habe gegen die Oberste Heeresleitung keine Vorwürfe erhoben, deren Begrünouiig nicht jeder von Ihnen kennt. Wer verhindert denn die Auflösung des preußischen Landtages? Wer hält noch immer im ganzen Deutschen Reiche den Belagerungszustand aufrecht, obwohl die Zivilregierung bereit wäre, ihn einzuschränken? Wer verkehrt in der praktischen Ausführung das Schutzhaftgesetz in sein Gegen- teil? Wer hat den Litauern verboten, nach Berlin zu kommen, nach- dem gerade Vizekanzler v. Paher selbst ihnen zugesagt hatte, daß sie lederzeit kommen könnten? Wer verhindert die Esten, nach Berlin zu kommen, obwohl die Regierung es ihnen erlauben will, damit sie hier darlegen, daß es falsch ist, wenn man un? erzählt, die Esten und Letten wollten zu Deutschland ? Alles dies ist doch das Werk der Obersten Heeresleitung. (Sehr wahr! b. d. Soz.) Und wer vor allem hat die Kühlmann- Rede zensuriert? Hat nicht die Oberste Heeresleitung den Ver- tretern der Presse die Leviten gelesen, die eigentlich Kühlmann galten? Hat nicht die Oberste Heeresleitung verboten. aus der Kühlmann-Rede die Schlüsse zu ziehen, die logisch allein möglich waren? Das sind nur ein paar Beispiele, wie ich sie jetzt im Augenblick aus dem Aermel schüttele. Herr v. Paher hat ge- sagt, die Regierung sitze nicht zu ihrem Vergnügen hier. Das habe ich niemals angenommen. Ich habe in meiner Rede ausdrücklich gesagt, daß ich die Herren nicht beneide. Ich bin auch überzeugt, daß die Herren von der Regierung nicht im mindesten daran zweifeln, durch ihre Tätigkeit dem Vaterlande zu dienen. Aber ich mutzte eben meine Ueberzeugung aussprechen, daß sie nach unse- rer Auffassung dem Lande besser dienten, wenn sie der Obersten Heeresleitung gegenüber energischer aufträten, als bis- her seitens der Regierung geschah. Ich h�pe von dem, was ich in meiner Redi gesagt habe, nicht einen Satz, nicht ein Wort zurück- zunehmen.(Lebh. Beifall b. d Soz.) Gewiß ist die Zusammen- arbeit notwendig, und wir mache» der Regierung und Heeres-> leitung keiiierlei Vorwurf daraus. Aber gewisse Voraussetzungen müssen dabei erfüllt sein. Vor allem muß volle Klarheit in der Friede u sfrage herrschen.(Sehr gut! links.) Graf Westarp hat sich einige mir unverständliche Scherze geleistet. Er hat gemeint, als Minderheit können wir uns die De-
monstration der Etatablehnung leisten, aber als Mehrheit brächten wir dadurch das Reich in große Gefahr. Aber wenn wir die Mehr» heit hätten, würden wir den Etat ja so gestalten, daß er uns gefällt, und solche Zustände schaffen, daß garkeinGedankeanseine Ablehnung sein könnte.(Sehr wahr! links.) Auch meine Aeußerung über die Fliegerangriffe hat Graf Westarp entstellt. Ich habe ausdrücklich gesagt, daß es für die verbrecherische Aus- Hungerungspolitik Englands gar kein Wort der E n t s ch u l d i- g u n g gibt, aber darüber hinaus ist das Bombenwerfen noch völlig sinnlos. Graf Westarp hat bestritten, daß die Arbeiter das Gefühl der Not und Knechtschaft hätten. Er selber hat das Gefühl sicher nicht.(Heiterkeit.) Wohl aber die Millionen Arbeiter, die nicht wissen, wovon sie morgen leben sollen, keine Versamm- lungSfreiheit haben und aus der Presse nicht die Wahrheit erfahren dürfen.(Sehr wahriV d. Soz.) Auch Graf Westarp bekennt sich zum Verteidigungskrieg. Aber wer Longwy und Briey und die flandrische Küste haben will, will eben«robern.(Sehr wahr! b. d. Soz.) lind wir wollen Klarheit, ob die Regierung mit der Vaterlandspartei geht oder gegen sie. Herr Dr. Thoma hat sich gegen die Offensive der Wahrheit ge- wendet. WaS wir denn mit der Wahrheft erreicht hätten? Was haben wir denn mit deni Gegenieil erreicht? Vier Jahre Krieg und noch kein« Aussicht auf Ende. Und wenn wir nicht unsere Friedenspropaganda betrieben hätten, wäre«S noch viel schlimmer.(Sehr wahr! b. d. Soz.) Wir sollen früher einem Zusammenarbeiten mit der Obersten Heeresleitung auch nicht ab- geneigt gewesen sein. Ich stelle fest, daß wir zur Zeit der Debatten über die Friedensresolution einmal von ihr zu einer Rücksprache gebeten wurden und höflich, wie wir von Hause aus sind(Heiter- keit), dieser Einladung nachgekommen sind. Ich sehe durchaus nichts Verwerfliches oder Verbrecherisches darin, daß Heeresleitung imd Reichskitung Hand in Hand arbeiten. Nur darf nicht der eine Teil bloß diktieren.(Sehr wahr! b. d. Soz.) Wir wollen nicht zwischen Heeresleitung und Reichsleitung einen.Keil treiben. Wir wollen im Gegenteil gesunde Zustände herbeifiihren und das Vertrauen zur Zivilregierung stärken. Die den Keil treiben wollen, das sind die Leute, die im Hotel Adlon zusammengekommen sind. (Sehr gutl b. d. Soz.) Wir geben uns fortwährend die größte Mühe festzustellen, wo die Regierung steht. Nichts würde un» größere Freude machen,, als wenn sie jetzt offen sagte entweder: Wir stehen zu den Adloniten, oder: Wir stehen zu denen, die die Friedensresolution des l9. Juli gemacht haben.(Leb- haster Beifall b. d. Soz.) Abg. Ledebour(U. Soz.): Herr v. Paher soll unS nicht glauben machen, daß sich die Zivilregierung von der Obersten Heeresleitung nicht in ihre Befugnisse hineinreden ließe. Die Heeresleitung bat sich in Kurland eine Ansiedlungspolitik geleistet, zu der sie kc n Recht hat. Von der schwächlichen Friedenspolitik des Protestes haben wir keinen Einfluß auf das Kriegsende zu erwarten. Das internationale Proletariat muß sich auf seine Machtmittel besinnen, zu ihnen gehört der internationale Massen st reik, (Bravo ! b. d. U. Soz.) Tie Generaldebatte wird geschlossen. I« der Spezialdebattr über den Etat des Neichskanzlers wendet sich der Abg. v. LaSzewSki(Pole) gegen die Behandlung der östliche« Fremdvölker, besonders der Polen . Der Etat des Reichskanzlers wird genehmigt. ES folgt der Etat des Auswärtigen Amts in Verbindung mit der zweiten Beratung der Bukarester Friedensverträge, Nach dem Berichterstatter spricht Graf Praschma(Ztr.): Wir brauchen ein starkes Rumänien als Produzent und Abnehmer? Der Frieden muß ein dauerhafter sein. Ueber den Friedensvertrag und sein« Entstehung sind Erörterungen gepflogen worden, die direkt als Irreführung der öffentlichen Mei- nung bezeichnet werden können. Gegensätze zwischen den öfter- reichischen und deutschen Unterhändlern bestanden nicht. Allerdings waren die Verhandlungen langwierig, das lag daran, daß mit keinem festen Programm in sie eingetreten wurde. Ein Wechsel der rumänischen D Y n a st i e hätte uns keinen Vorteil gebracht. Mein« Freunde werden dem Friedensvertrag nebst den Zusatzver- trögen zustimmen.(Beifall im Zentrum.) Abg. Thoma(natl.) oerlangt energische Bestrafung der an den Greueln gegen die in Rumänien Kriegsgefangenen Schuldigen. Abg. Dr. Rösicke(k.) schließt sich dein Vorredner an unid be- dauert, daß Rumänien keine Kriegsentschädigung auferlegt ist. Tie Verträge bieten Rumänien vielmehr große wirtschaftliche Vorteile. Oberst v. Fransecki: Die Greueln gegen unsere Gefangenen in Rumänien werden übertrieben dargestellt. Wir sind noch mit der genauen Feststellung beschäftigt. Ministerialdirektor Krieg«: Die Angehörigen unserer miß- handelten Gefangenen haben durch den Friedensvertrag Entschädi- gung bekommen; die Schuldigen sind bestraft worden resp. werden noch bestraft werden.— Hierauf vertagt da? HanS die Weiter- berawng auf Donnerstag 2 Uhr. Schluß Sfj Uhr._
Rbgeorönetenhaus. Wiederanfbau Ostpreußens . Die Denkschrift über den Wiederaufbau Ostpreußens , die daS Abgeordnetenhaus am Mittwoch beriet, gab Vertretern aller Parteien und der Regierung Veranlassung, ihrer Sympathie mit den von dem Russeneinfall heimgesuchten Le- wohnern unseres Ostens Ausdruck zu verleihen. Namens der Sozialdemokratie schloß sich Genosse Braun dieser Sym- pathiekundgebung in einer wirksamen Rede an, in der er mit Nachdruck auf die Notwendigkeit eines beschleunigten und gerechten Entschädigungsverfahrens hinwies, damit nicht mehr darüber geklagt werden könne, daß man den Großen mit vollen Händen gibt und den Kleinen gegenüber knauserig verfährt. Ebenso warm nahm sich unser Redner der jetzt zurückgekehrten nach Rußland verschleppten Personen an, um am Schluß gegen die in der Budgetkommission propagierten Annexions- pläne zu protestieren und im Gegensatz zu den Alldeutschen friedlichen, freundnachbarlichen, auf gegenseitiger Verständi- gung beruhenden Beziehungen das Wort zu reden. Nachdem das Haus die Denkschrift zur Kenntnis ge- nommcn hatte, trat es in die Beratung des Antrags Heß (8;) und Genossen betr. Erleichterungen bei der Kleiderabgabe. Tie Debatte darüber wurde aus Donnerstag vertagt, Am Donnerstag wird außerdem die Wahlrechts- Vorlage nochmals beraten. Vermutlich werden hierzu weder Anträge gestellt, noch längere Reden gehalten. Dann wird das Haus erst Mitte Oktober wieder zusammenkommen.