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Neuer 15- Milliarden- Kredit.

Dem Reichstag ist der Entwurf eines Gesetzes zugegangen, das den Reichskanzler ermächtigt, zur Bestreitung einmaliger außerordentlicher Ausgaben abermals die Summe von 15 Milliarden Mark im Wege des Kredits flüssig zu machen.

Der Kühlmann- Prozeß.

gelanel blefen Antrag als fehr benbar unb unnar. In ber film­mung wird der Antrag Meerfeld mit 12 gegen 11 Stimmen ange­nommen. Dec Antrag Nacken ist damit erledigt. Gin zu§ 30 gestellter Zusabantrag der Fortschrittler will den Bundesrat ermächtigen, in Einzelfällen oder durch allgemeine An­ordnung die Steuer zu ermäßigen oder zu erlassen. All­gemeine Anordnungen dieser Art sollen aber alsbald dem Reichstag vorgelegt werden. Hier entsteht wieder eine ausgedehnte Aussprache, die damit endet, daß der fortschrittliche Antrag abgelehnt und an seiner Stelle ein etwas anders formulierter Antrag Jund ange= nommen wird.

nommen.

Nach Erledigung einiger weiterer Abänderungsanträge ist die zweite Lesung des Entwurfs beendigt.

Der zu heute, Donnerstag, angefeßte Termin zur Hauptver­Bei§ 31( Strafbestimmungen) beantragt Gröber( 8) die handlung in dem Prozesse wegen Beleidigung des Staatssekretärs Streichung des 4. Absatzes, der ganz überflüssig sei. Der Absat des Auswärtigen Amtes Dr. v. Kühlmann wird nicht, wie viel stellt unter anderem die Unterlassung der Buchführung unter Strafe. fach vermutet wurde, in den Räumen eines der Schwurgerichtsfäle, Unterstaatssekretär Schiffer bekämpft diesen Antrag, der dahin sondern in dem kleinen Verhandlungszimmer der 7. Straffammer führen werde, die Behörden um die zur Durchführung des Gesetzes stattfinden. Dieser bietet nur Raum für höchstens 20 Zuhörer. notwendigen Machtmittel zu bringen. Der Antrag Gröber wird ab­Sarten zum Zuhörerraum werden nicht ausgegeben. Die Anflage gelehnt; ein zu Absatz 3 gestellter Antrag Erzberger , der die an­richtet sich gegen den verantwortlichen Redakteur der Deutschen gedrohten Geld- oder Gefängnisstrafen erhöhen will, wird ange­Zeitung", Dr. Mag Lohan und den Redakteur der Alldeutschen Blätter" Dr. Dum de und hat folgende Vorgeschichte: Der Vor­fibende des Alldeutschen Verbandes ", Justizrat Claß in Mainz , hatte sich in einer Verbandsversammlung dahin geäußert, daß in unseren wichtigsten Aemtern einige Persönlichkeiten fäßen, die in fittlicher Beziehung und in bezug auf ihr Verantwortlich­feitsgefühl den Ansprüchen nicht genügten, die man an politische Führer stellen müsse. Als dann Herr Claß in der Bresse aufge­fordert wurde, die von ihm gemeinten Persönlichkeiten deutlicher zu bezeichnen, veröffentlichte die Deutsche Zeitung" einen Artikel, der direkt den Staatssekretär Dr. v. Kühlmann als eine solche Persönlichkeit bezeichnete und ihm direkt zum Vorwurf machte, daß er unter besonders erschwerenden Umständen die Würde des Deut­schen Reiches und den deutschen Namen im Auslande durch sein Verhalten her abgesetzt bzw. ente hrt habe. Auf die hierauf erschienenen tadelnden Preßäußerungen in verschiedenen Blättern

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folgte in der Deutschen Beitung" ein zweiter Artikel, der die Unschuldigungen gegen Herrn v. Kühlmann noch unterstrich und ergänzte, auf angebliches Sichausleben" des Staatssekretärs während seines Aufenthalts in Bukarest anspielte und daraus ben Schluß zog, daß Herr v. Kühlmann sich durch dieses Verhalten als untauglich zum Amte des Staatssekretärs erwiesen habe. Das selbe Thema mit derselben Schlußfolgerung, daß Herr v. N. für fein Amt unmöglich sei, wurde dann noch in einem Artifel der An deutschen Blätter" behandelt. Die Angeklagten haben erklärt, daß sie nach der ganzen Persönlichkeit des Verfassers der Artikel an die Wahrheit der behaupteten Tatsachen haben glauben müssen. Ueber die Stichhaltigkeit dieser Behauptungen wird ein eingehender 8eugenbeweis erhoben werden. Die Verhandlung leitet Landgerichtsdirektor Westermann , bie Anlage wird Staats­anwalt Heinmann vertreten, die Verteidigung liegt in ben Händen der Rechtsanwälte Dr. Schwindt und Jacobsen ( Hamburg ). Da zu den schon genannten Zeugen noch mehrere vor­geladen sind, wird mit einer Verhandlungsdauer von drei Tagen gerechnet.

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Die Umsatzsteuer im Hauptausschuß.

Der Ausschuß berät am Mittwoch zunächst den§ 11 der Vorlage, der den Steuerpflichtigen den Buchführungsawang aufer legt. Ein Antrag Waldstein will den vorgeschriebenen zwang zu Buchführung durch bloßen Anschreibezweng ersetzen. Noste( Soz.): Irgendwelche Kontrollmöglichkeit müsse natürlich geschaffen werden, wenn die Steuer überhaupt Geträgnisse bringen solle. Das Gesetz würde sonst vor allem wieder die Landwirtschaft fast völlig ver­aldichonen. Abg. Gröber( 8tr.) will mur ordnungsmäßige Aufzeich sprungen vorgeschrieben wissen. Bei der Abstimmung wird der antrag Waldstein angenommen, desgleichen ein Zufazantrag Gröber, der sich in der obengenannten Richtung bewegt.

rung genehmigt.

Cine Anzahl anderer Paragraphen werden nach kurzer Grörte Bei§ 30 entsteht abermals eine ausgedehnte Debatte. Es ban­delt sich um die Zuwendung eines Teiles des Ertrags der Umsak­steuer an die Gemeinden zu dem Zwecke, die Bevölkerung

mit notwendigen Lebensmitteln

zu versorgen. Die Sozialdemokraten beantragen hier ferner die Wiederherstellung des gestrichenen Absatz 4, der die einzelstaat­liche oder fommunale Sonderbesteuerung vom Warenumsatz beseitigen will. Abg. Meerfeld ( Soz.) begründet den Antrag. Es müsse den Schikanesteuern der Einzelstaaten und Kom­munen endlich ein Riegel vorgeschoben werden. Ueber die gewaltige foziale und wirtschaftliche Bedeutung der Konsumgenossenschaften sei faum noch ein Wort zu verlieren; sie mit allen Mitteln zu fördern, fei teise politische Voraussicht. Abg. Naden( 8.) hat einen ab= fchwächenden Antrag gestellt, der besagt, daß von Geschäften, die vorwiegend notwendige Bebensbedürfnisse vertreiben, vom 1. April 1919 ab in Bundesstaaten und Gemeinden Steuern vom Umjap dieser Waren nicht mehr erhoben werden dürfen. Abg. Meerfeld be­

Bilder aus der russischen Gefangenschaft.

Das deutsche Wortin Rußland .

Ms Kriegsgefangener, ohne jegliche Mittel, in Rugland zu leben, ist ein schweres Ros. Wer genügend Geld hatte, bekam überall etwas zu kaufen, wenn nicht direkt, so durch bestochene Soldaten. Viel schwerer als den Mangel an Geld fühlten wir die Unmöglichkeit, uns mit den Russen zu verständigen. Trotzdem man weiß, daß man nicht verstanden wird, kann man bei allen Gebärden und Bewe­gungen, die gemacht werden, um irgendeinen Wunsch auszudrücken, bas Sprechen nicht unterlassen. Immer wieder wird der Wille lebendig, sich mittels der Sprache zu verständigen, so aussichtslos ber Versuch auch ist. Immer wieder erhebt sich die Hoffnung, es fönnte einen doch mal jemand verstehen. Und zweifellos gibt es in Rußland Leute genug, die Deutsch verstehen. Zwei bis drei Millionen Deutsche leben in Rußland , und die russischen Juden sprechen oder verstehen fast alle Deutsch; doch was konnte uns das helfen. Es war ja verboten, Deutsch zu sprechen, ja in den ersten Kriegsjahren war es mit unmittelbarer Rebensgefahr verbunden, etwa auf der Straße einige deutsche Worte fallen zu lassen. Wir haben öfter Personen angesprochen, an die wir zwecks Verständigung gewiesen waren und erhielten immer die Antwort: Bo njemetti njet"( Kein Deutsch ). Und doch wußten wir, daß sie Deutsch konnten, es aber verleugneten, weil sie vielleicht eine Denunziation fürch teten. Auf diesem Gebiete ist auch Furchtbares geleistet worden. Selbst in den deutschen Kolonistengemeinden, wo vor dem Striege fast nur Deutsch gesprochen wurde, durfte kein deutsches Wort fallen, weil man fürchtete, als Landesverräter deportiert zu werden. Auch hiervon können viele deutsche Kolonisten ein Lied singen. Erst als die Revolution die Zarenherrschaft beseitigt hatte und Redefreiheit als eine Frucht der Revolution durchgeführt wurde, konnte das deutsche Wort wieder zur Geltung kommen und sich offen hervor­wagen. Am 1. Juni 1917 erschien als erste deutsche Zeitung, wenn auch unter russischer Redaktion, die Saratower deutsche Volks­zeitung". Wie ein Erlösungsschrei klingt das Gedicht, das die erste

Nummer einleitet:

" Du hast uns lang' gefehlt, du deutsches Wort, Du warst verfolgt, geächtet und vertrieben,

Nur noch im flüsterton flangst du fort,

Du uns mit Flammenschrift ins Herz geschrieben.

Doch wie ihr Haß dich auch geschmäht, geschunden, Du lebst und wirkest fort unüberwunden,

Du trittst hinaus in eine neue Welt,

Bextret'ne Rechte wieder aufzurichten

Der Reichsausschuß der Zentrumspartei hielt unter der Leitung des Vorsitzenden der Zentrumsfraktion des Reichstags, Abg. Gröber, im Reichstagsgebäude in Berlin eine Sigung ab. Erschienen waren 45 Mitglieder des Reichsausschusses. Bunächst wurden Justizminister Dr. Spahn und Reichstagspräst. dent ehrenbach, die infolge ihres Ausscheidens aus der Bentrumsfraktion des Reichstags ihre Mitgliedschaft beim Reichs­ausschuß berloren hatten, wiedergewählt. Außerdem sind die Herren bandes christlicher Gewerkschaften, Verleger F. X. Bachem- Köln, Herrenhausmitglied Stegerwald, Generalsekretär des Ver­Freiherr von Rerferind zur Borg, Vorsitzender des Ver­bandes christlicher Pauernvereine,

Reichstagsabgeordneter

Schiffer, Vorsitzendez des Verbandes christlicher Gewerkschaften Deutschlands , und Pfarrer StuII, Mitglied des preußischen Ab­geordnetenhauses, beigewählt worden. Sobann sind eine Reihe von Richtlinien für die Parteiarbeit beschlossen worden, deren Fassung burch eine Redaktionsfommission noch festgestellt werden und die demnächst veröffentlicht werden soll. Auch über die Organisation der Zentrumspartei wurden Beratungen gepflogen und u. a. be­schloffen, ein 8entralbureau der Bentrumspartei in Berlin gu errichten. Ueber bie Einzelheiten dieser Einrichtung werden den Zentrumsfraktionen nähere Vorschläge unterbeitet

werben.

Bulegt fand eine eingehende und offene Aussprache über die gegenwärtige politische Lage statt. Die ganzen Verhandlungen waren nach der Germania " fichtlich getragen von dem Bestreben gegenseitiger Verständigung.

Drei Anfragen.

Die urlaubsfeindliche Kriegsamtsstelle.- Das Fron eich namsbombardement. Ein Notschrei der Haus befizer.

Parteinachrichten.

Wo bleibt die L. V.?

Die linksradikale, im Namen Liebknechts auftretende Bremer Arbeiterpolitik", die den intellektuellen Mut der Wahrheit hat, greift die Unabhängigen wieder aufs schärfste an:

Als Stadthagen starb, glaubte wohl faum jemand ernstlich, daß der Wahlkreis Niederbarnim den Unabhängigen verloren gehen werde. Vielleicht hegte man hier und da Befürch­tungen wegen einer etwaigen Stichwahl. Aber daß die Un= abhängigen schon im ersten Wahlgange so fläg­lich in der Minderheit bleiben würden, das hat wohl niemand erwartet. Galt doch nicht nur Stadthagen , sondern auch der Wahlkreis selbst als einer der radikalsten in Deutsch­ land . Stadthagen hatte ihn 27 Jahre lang, seit 1890, ununter­brochen im Reichstage vertreten. Und mit welch imposanten Ma joritäten!

Man hat die Schuld auf die Person des Kandidaten geschoben: statt eines Schriftstellers hätte ein Arbeiter aufgestellt werden sollen, statt eines von rechts gekommenen und nach rechts Schillernden Kandidaten ein ganz radikaler. Die Probe auf bieses Erempel ist inzwischen in 3midau gemacht worden, wo­von wir gleich reden. Viel wichtiger dünkt uns die Art und Weise, wie es bei der Aufstellung des Nieder­barnimer Kandidaten zugegangen ist. Nämlich ganz so, wie es in der guten alten Sozialdemokratie in ihrer guten alten Zeit Mode war: der Kandidat wurde von oben her, von der Parteileitung und sonstigen einflußreichen Personen be= stimmt. Natürlich vergaß man die demokratischen" Formen nicht. Im Gegenteil, man überbot sich darin. Hat man doch ein regel­rechtes Redeturnier zwischen mehreren Randidaten veranstaltet, einem Maulwettkampf", bei dem es schwer war, nicht an Heinrich Heines Disputation in der Aula zu Toledo " zu denken."

Die Arbeiterpolitik" rechnet bann den Unabhängigen ordneten sehr gefährdet sind: bor, daß die Mandate aller führenden unabhängigen Abge­

" Der erste Blick auf diese Tabelle zeigt, daß die Mandate der Abg. Haase, Dittmann, Cohn, Herzfeld, Kunert auf recht schwachen Mehrheiten beruhen. Sie sind in früheren Jahren schon der Sozialdemokratie entrissen gewesen; gumal 1907, im Jahre der patriotischen Kolonialbegeisterung, waren sie alle fünf berloren. Es leuchtet demnach ein, daß fie auch bei der nächsten Wahl nur durch eine Verständigung zwischen den Un­abhängigen und der Scheidemannpartei gehalten werden können. Kommt eine solche nicht zustande, so genügt eine geringe Ab­splitterung, um die Mandate anderen Barteien in bie Hände zu spielen. Wenn auch nur ein geringer Teil der ehemals fozial­demokratischen Wähler für etwaige Sonderkandidaten der Scheidemannpartei stimmt, so sind diese sämtlichen Wahlkreise den Unabhängigen verloren und ihre führenden Männer sind aus dem Reichstag entfernt."

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Die Arbeiterpolitik" schließt daraus auf den Zwang für die Unabhängigen, sich mit der verlassenen Sozialdemokratie verständigen zu müssen. Ueber kurz oder lang, jedenfalls rechtzeitig vor der nächsten allgemeinen Wahl, werden sich die Unabhängigen an die Scheidemannpartei heranmachen, fich mit ihr verständigen und sich sogar wieder mit ihr vereinigen. Eine Anfrage Giebel( Soz.) Tautet: Es gibt keine andere Lebensmöglichkeit für sie. Gegen den Die Kriegsamtstelle Leipzig hat den Arbeitgebern eine Ver- Widerstand der Scheidemänner, ja ohne ihre Hilfeber. fügung zugestellt, mit der ihnen die Einziehung von Arschwinden die unabhängigen aus dem Reichs­beitskraften angekündigt wird, sofern den vom Geeresdienst tage. Ohne den Reichstag aber fönnen sie nicht existieren, zurüdgestellten Angestellten mehr als 7 Tage und den Arbort allein ist ihr Lebenselement." beitern mehr als einige Tage Erholungsurlaub ge­währt wird. Ist der Herr Reichsfangler bereit, dafür zu sorgen, daß die angekündigte Maßnahme unterbleibt? Trimborn( 8.) fragt:

In der feindlichen Bresse wird gegen bie beutsche Oberste Heeresleitung die Beschuldigung erhoben, daß sie am Fronleich­namstage, einem der höchsten Feste der katholischen Christenheit, Paris beschoffen habe, obgleich durch Vermittlung des Heiligen Vaters die britische Regierung zugesagt hatte, ihrerseits an diesem Tage die von der Front ent­fernt liegenden Städte nicht zu bombardieren. Es sei eine selbstverständliche Anstandspflicht Deutschlands gewesen, in Erwiderung dieses Entgegenkommens auch die Beschießung von Baris auszusehen. Sind diese Behauptungen dem Herrn Reichs­tanzler bekannt, und ist er bereit, dazu Stellung zu nehmen? Herr Arendt( D. Fr.) hat schließlich folgendes auf dem Herzen:

Ist dem Herrn Reichskanzler bekannt, daß die Stellvertretenden Generalfommandos des 1., 2. und 7. Armeeforps Mietstündis gungs- und Mietssteigerungsverbote erlaffen haben, die zum Teil in Widerspruch stehen mit den Bestimmungen der Bundesratsverordnung zum Schuße der Mieter vom 26. Juni 1917? Was gedenkt der Herr Reichskanzler zu tun, um die durch diefe Verordnungen der Stellvertretenden Generalfommandos her­beigeführte ich were unbilligteit gegen die bon ben Kriegsfolgen besonders hart betroffenen aus befiber gu ber­hindern?

Ob mancher Feind fich dir entgegenstellt, Er wird dein hehres Ziel dir nicht vernichten. Die Schwerverfolgten wirst du alle finden Und sie zum Kampfe für ihr Recht verbinden. Du hast uns lang gefehlt, du deutsches Wort, Nun wollen wir dich hegen, dich verehren Als teures Vatererbe, heil'gen Hort

So wollen wir dich unsre Kinder lehren. Go wirte unter uns voll Kraft und Klarheit Im Kampfe für Gerechtigkeit und Wahrheit."

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Die Leipziger Volkszeitung" hat bisher zu allen Vor­haltungen der Arbeiterpolitif" mit geschämiger Verlegenheit geschwiegen; wird sie auch weiterhin einer Auseinandersezung mit ihren radikaleren Brüdern aus dem Wege gehen?

Aus den Organisationen.

Wahlkreises Neustadt- Landau- Dürkheim, um wieder einmal Heer Am 23. Juni bersammelten sich die Vertreter des 2. pfälzischen schau zu halten. Der Wahlkreisvorsitzende Genosse Hartmann gab einleitend einen eingehenden Bericht über den Stand der Organis sation des Wahlkreises. Vor Kriegsausbruch hatten wir 27 Orts­vereine, jetzt 14. Vor dem Kriege war die Organisation gut zu nennen. Der Krieg machte aber die jahrelange Tätigkeit zum Teil wieder zunichte. 600 Mitglieder wurden zur Fahne gerufen und schon über 100 davon sind gefallen. Anschließend hieran gab Genosse Gerisch einen Bericht über die Presse. Er entrollte ein eingehen­des Bild über deren Stand und besprach die Schwierigkeiten der Herstellung und des Versandes. Genosse Profit will den Ge­noffen Südekum für eine größere Versammlung gewinnen. Diese Versammlung soll eine Bezirksversammlung sein. Größere Versammlungen zu arrangieren, sei mit großen Schwierigkeiten verknüpft. Zum Puntt Landesparteitag referiert Genosse Profit. Die Konferenz beschließt, zwei Delegierte zu entsenden und es werden als Delegierte die Genossen Hartmann- Neustadt und Rimmel- Lambrecht gewählt. Als Vorort wird wieder Neustadt be­stimmt.

Morgens eine Nussin und weinte. Wir wurden auf ste aufmerksam und erkundigten uns nach der Ursache bei den Tschechen. Hier er. fuhren wir, daß man ihren Ehemann, einen deutschen Kriegs­gefangenen, wegen eines Vergehens vierzehn Tage eingesperrt hatte. Der russische Offizier machte ihr erst Vorhaltungen, daß sie einen Gefangenen und noch dazu einen Germansky " geheiratet habe, doch er erhielt die Antwort, sie kenne ihn schon zwei Jahre, und er wäre so gut. Nun wenn sie ihn so lieb habe, erwiderte der Offizier, fönne sie ihn jeden Tag eine Stunde hier im Lager besuchen. So tam die junge Frau jeden Vormittag und durfte mit ihrem Ge­fangenen vor der Arrestzelle ein Stündchen plaudern. Als der Tag Wagen ab.

Nun hatten wir eine deutsche Zeitung, und alles spitzte die der Entlassung tam, holte sie ihren Ehemann mit Pferd und Ohren, wenn abends im Lager daraus vorgelesen wurde.

Im Lager Rajan.

Die Tatarenstadt Rajan hatte fein eigentliches Gefangenen­lager, sondern nur eine Gefangenensammelstelle. Hier werden die Gefangenen zu Arbeitskolonnen zusammengestellt und über das Gouvernement verteilt. Doch blieb in jedem Lager ein sogenannter Stamm, der hier etwa 400 Mann ausmachte. Diese Vierhundert hatten ein geregeltes Lagerleben eingeführt. In einer großen Doppelhalle mit tausend Pläben, einer früheren Kaserne, waren die Gefangenen untergebracht. Eine Bibliothek, Zeitungen und sogar eine Mufiffapelle waren vorhanden. Der Lagerkommandant war ein russischer Offizier, aber alle anderen Bosten waren auch hier mit Tschechen besetzt. Hier wurden auch die Tschechen für die cussische Armee angeworben, und es meldeten sich recht viele. Sie wurden eingekleidet und bewaffnet, einige Tage exerziert, und schon ging es zur Front. Es war am 20. Juli 1917, als von Rajan ein großer Transport zur Front abfuhr. Am gleichen Tage ging auch Ar­tillerie von einem roten Regiment zur Front. Im Zuge zwischen den Kanonen wurden zwei große rote Fahnen mit Aufschriften mit geführt. Offiziere und Mannschaften trugen rote Schleifen und Blumen an Rock und Müße, und auf dem Bahnhof intonierte die Regimentskapelle die Marseillaise . Unter ihren Klängen verließ der Bug die Station. Es waren die großen Transporte zur letzten Kerenskioffensive nach dem Südwesten. Aber recht bald kamen die Trümmer dieser Armee ungeordnet zurück. Bei Tarnopol war es kein Zurückgehen mehr, sondern ein völliger Zusammenbruch der russischen Armee.

Im Lager Lozkoje.

Wegen Nahrungsmittelmangel im Rasaner Gouvernemenf wurden im Herbst 1917 die Gefangenen nach Gegenden transpor tiert, wo noch kein Mangel an Lebensmitteln herrschte. So tamen wir im Oktober nach dem großen Lager Tostoje im Gouverne ment Samara. Es war eine Barackenstadt, 16 Kilometer lang und etwa ein Kilometer tief. Sie liegt auf einer Hügelkette längs der Eisenbahn Samara- Orenburg . Im Winter 1915/16 herrschte dort Flecktyphus in erschreckendem Maße. Von 17 000 Gefangenen, die dort untergebracht waren, sollen 11 200 dieser Seuche zum Opfer ge­fallen sein, und liegen oben auf dem Massenfriedhof begraben. Nach Aussagen der überlebenden Aerzte und Gefangenen trat die Epi­demie so stark auf, daß es nicht möglich war, die Verstorbenen ordnungsgemäß zu beerdigen. Sie wurden hinaus in den Schnee gelegt und erst im Frühjahr beerdigt. Es fehlte direkt an Arbeits­fräften, die in den hartgefrorenen Boden genügend Gräber hätten schaufeln können. Die Ursache der Epidemie waren die schlechten Baracken, minderwertiges Essen und die Verbreiter die vielen Läuse. In Baraden, in denen nunmehr 300 Mann liegen, waren damals 650 untergebracht auf Holzpritschen, drei Schichten übereinander. Es fehlte damals auch an Aerzten und Medizin. Nachdem das Note Kreuz eingegriffen und Ordnung geschaffen hatte, konnten die fani­tären Verhältnisse im Lager als zufriedenstellend bezeichnet werden, und später war so etwas wie 1915 nicht mehr möglich. Tozkoje diente hernach auch als Malarialager, und nur ganz wenige, die im Sommer dort sind, entgehen diesem Wechselfieber. Doch sind Todes­fälle etwas ganz Seltenes und in der Regel ist dann noch irgend­etne andere Krankheit die unmittelbare Todesursache. Als im Daß ein Kriegsgefangener da oder dort Vater wird, dürfte Januar 1918 die Friedensverhandlungen einen guten Fortgang man auch in Deutschland begreifen. Landesgrenzen spielen dabei nahmen, verließen alle Deutschen und mehrere hundert Desterreicher teine große Rolle. Aber daß ein Kriegsgefangener fich verheiratet das Lager, um über Moskau oder Petersburg ausgetauscht zu und ein wohlhabender Bauer wird, das ist wohl nur in Rußland werden. Leider zogen fich die Verhandlungen in die Länge, und möglich. Vor ber Gefangenenzelle im Rager Majan stand eines lia fonnten wir erit am 24. März unsere Seimreife antreten.

Verheiratete Kriegsgefangene.