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Nr. 215-1918

Unterhaltungsblatt des Vorwärts

Krieg und Mode.

Eine fulturgeschichtliche Plauderei zur Berliner Modewoche". Bon Dr. Paul Landau.

Mittwoch, 7. August

felbst aus Afrika nur wenige Erfahrungen. Andererseits wird die und Treue dieser Menschen hervorgehoben, was uns freilich als ein Körperschönheit, Gemandtheit und auch die Einfalt. Aufrichtigkeit wirkt der Schmuck dieser Menschen. Sie tragen fleine, mit Federn unbegreiflicher Zusammenhang erscheinen mag. Sehr sonderbar geschmückte Strohhüte, die sie regelrecht mit einer Nadel aus Holz oder Elfenbein an der kunstvoller Frisur feststeden. Der Körper wird mit zermahlenem Rotholz bestrichen. Außerdem Huldigen e der Bielweiberei und der Sitte der Beschneidung.

über ein Wehr liefe," erzählt ein Zeitgenosie. Und diesen stüßt sich dabei hauptsächlich auf ein sehr interessantes Buch, das flatternden und rauschenden Maßen schloß sich die übrige Kleidung im Jahre 1591 von dem portugiesischen Missionar Lopez ber= an mit gewaltigen Baufchärmeln, breiten Borten, überall heraus- öffentlicht und wenige Jahre später auch ins Deutsche übersetzt hängenden Schligen und Falten, die in den buntesten Farben und wurde. Der Titel des Buches lautet: Warhafte und Eigentliche Mustern gehalten waren. Auch den Hals wollte der Landsknecht Beschreibung deß Königreichs Congo in Africa und deren an­frei haben, und so ließ er den Nacken bloß, nicht selten auch die grenzenden Länder". Die Njam Njam wohnen nämlich nördlich Welche Umwälzungen der Krieg im Wirtschaftsleben mit fich Brust. Die Bürger ahmten diefe malerisch ausgelassene Tracht uach, des Oberlaufs des Uelle, des großen, im Unterlauf Ubangi ge­bringt, erleben wir alle in dieſen Jahren. Wir sehen, wie er ge- und bald erhob sich in allen Bredigten und Kleiderordnungen ein nannten rechten Nebenflusses des Kongo . Was Lopez von diesem waltige Werte zerstört; aber er schafft auch neue Werte, Sombart Ach und Web über den zerluberten, zucht- und ehrvergessenen Volk zu erzählen weiß, ist allerdings scheußlich genug, aber durch spricht in seinem Wert Krieg und Kapitalismus " von dem doppelten Hosenteufel". Die Verbote hatten wenig Erfolg. Auch die spätere Reisende, wie die berühmten Deutschen Schweinfurth und Gesicht des Krieges", und wirklich zeigt sich dieses Janusantlig in Tracht der Frauen folgt der der Landsknechte mit breiten Junker, durchaus bestätigt worden. Schon der Name Njam Njam all den geschichtlichen und sozialen Erscheinungen, die der Krieg be- malerischen Aermeln, mit Schligen und Bauschen; sie bringt am bedeutet bei den Nachbarvölkern soviel wie Fresser. Nach der dingt. Stets sind Kriege die Folgen wirtschaftlicher Konflikte ge- Atleid einen tiefen Ausschnitt an, der die Entrüftung aller Sitten- Schilderung des alten Lopez müssen diese Njam Njam in der Tat wesen und stets haben sie gewaltige wirtschaftliche Wirkungen prediger erregte, und an den Samethüten tragen die Frauen riesige recht freundliche Leute gewesen sein, und sie werden fich bis zum ausgeübt. Wirft so die Fackel der Völkerkämpfe ihren aufregenden wallende Straußenfedern. Dies ausgelassen wüste Modewesen der Re- heutigen Tage, da sie fast genau im Mittelpunkt Afrikas leben, und beunruhigenden Schein auf alle Gebiete des Daseins, fo bat formationsfriege wird durch die strenge, bis oben zugeknöpfte spanische faum viel gebessert haben Der Entlegenheit ihres Wohnortes sie natürlich auch die Mode mit ihren unruhigen Refleren beleuchtet. Tracht abgelöst. Doch auch in dieser Zeit, in der die Kriege nicht mögen sie es auch zu verdanken haben, daß sie bisher noch nicht Moden in Kriegszeiten haben ihren ganz besonderen Charakter, und aufhörten, macht sich das soldatische Element in der Kleidung be- von den Kulturträgern Frankreich oder England auf den euro= auch heute spielt ja, wie die Berliner Modewoche" mitten im Ernst mertbar, so in dem Gänsebauch", einem dicken Polster, das vorn päischen Kriegsschauplab geschleppt und als Verfechter der Völker­dieser schweren Tage beweist, dies oberflächlichste und leichtfertigste herabbing und aus dem vorstehenden scharfen Grad des immer freiheit dem" Hunnen" gegenübergestellt worden sind. Lopez Kind der Völkerlaunen eine besonders große Rolle. Wie heut, so mehr abkommenden Harnischs abzuleiten ist, sodanu in dem Stoß- schreibt von ihnen, daß fie ihre richtigen Webgerhäuſer für ist es stets geweien. Die Einwirkung des Krieges auf die Mode äußert sich in den Geite hängen hatten. degen, den von nun an die Bürger ebenso wie die Krieger an der Menschenfleisch haben, wie man sie bey uns von Ochsen, Schaff und ander Fleisch pflegt zu haben". Sie schlachten nicht nur die mannigfachsten Formen. Zunächst breitet der Krieg, der ein großer Der Krieg prägt dann im 17. Jahrhundert während der furcht- Kriegsgefangenen, sondern mästen auch ihre Leibeigenen zu Völkerverbinder ist, gewiffe Moden weithin aus und bringt sie aus baren 30jährigen Kämpfe der Mode seinen Charakter wieder völlig gleichem Zweck, und Lopez hebt besonders hervor, daß es kein ant­örtlichen Eigenheiten zur Weltbedeutung. Die Mode als ein die auf. Wie der Soldat der unumschränkte Herr über Land und Wolk deres Beispiel eines Stammes gibt, dessen Kannibalismus fich Kleidung der europäischen Völker bestimmender Faktor ist überhaupt wird, so berricht er auch in der Kleidung. Es ist ein malerisch reiz Diese schauberhaften Mahlzeiten begleiten sie mit Mehlspeisen und auch an Freunden, Verwandten und Lebensleuten" bergreift. erst im Gefolge von Kriegen entstanden. Bis zum 12. Jahrhundert volles Kostüm, das nun aufkommt; der breite, an einer Seite fühn gab es keine Mode, sondern nur Nationaltrachten der einzelnen aufgefrempte Federhut, den auch die Damen tragen, das kurze reichlichem Biergenuz. Völker. Erst die Kreuzzüge riefen einen engeren Zusammenhang bequeme Wams, die mächtigen Reiterstiefel mit Stulpen und hat seine Eindrücke in Worten geschildert, die nach ihrem Inhalt Schweinfurth, der 1874 das Gebiet der Njam Njam besuchte, zwischen den Nationen hervor, schweißten sie im Gegensatz zu dem schweren Sporen, die jetzt auch bei Hofe und im Salon gesellschafts- nicht wesentlich vor der fait 300 Jahre älteren Schrift des Portu­Morgenlande zu einer gewissen Einheit zusammen und bebingten fähig werden, der lange, mit Spitzen, Bändern und Schleifen bergiesen Lopez abweichen. Sie sind im Gegenteil so schaurig wie so auch eine Gemeinsamkeit der Kleidung. Außerdem haben die zierte Mantel. Die Haare werden, auch von den Frauen, lang und Streuzzüge einen wichtigen Einfluß der orientalischen Tracht auf die feffellos getragen. Dies fühne Reiterkostüm à la Wallenstein ver­europäische zur Folge gehabt, indem orientalische Stoffe und zierlicht und verzärtelt der altmodische" Stuger in ein höchst orientalische Muster beliebt wurden. Auch sonst sorgen Striege für lächerliches Kostüm, das den Spott der Satiriker erregt. Aus das Bekanntwerden einer bestimmten Modenrichtung. So ist die biefer Mode des 30jährigen Krieges sind einige, noch heute spanische Tracht durch die Striege des 16. Jahrhunderts zum Al- vorhandenen Neuerungen hervorgegangen: der lange od und gemeingut der europäischen Völker geworden. Sodann aber ruft die trawatte. Die schwedischen Soldaten, die wenig auf ihr die Tracht des Striegers selbst Nachahmung hervor. Solange nicht Aeußeres gaben, trugen einen langfchößigen weiten Rock, der bis die Uniform den Soldaten in eine gleichförmige Kleidung zwängte, aufs Stnie retete. Dieser Rod wird dann in den ersten Uniformen sondern er sich nach eigenem Gutdünken und Bermögen anzog, also verwendet, für die Blauröde", die der Kurfürst Georg Wilhelm bis weit ins 17. Jahrhundert hinein, hat der Kriegsmann auf eine von Brandenburg als Grundftott feines stehenden Heeres ausrüstete. besonders prächtige, truzige und zugleich bequeme leibung ert te bann im 18. Jahrhundert alles uniformiert wurde, nicht nur gelegt. Der Soldat der früheren Beiten war ja etn Abenteurer, die Saare, sondern nach die Hoftente, die Debienketen usw., ba der sein Leben led in die Sanze schlug, dafür aber auch toll und werbe biefer lange of gam Chaatetteid erhoben, der hat stewarte findet vom Freitag, ben 9., bis Mittwoch, den 14. August, zum -Vorträge. In ber Urania wie in ber Treptow Stern­ungebunden seine furzen Tage genießen wollte und fich fettbem als feierliche Kleidung in der Herrenwett erhalten. äußerlich schon als Veräster alles Gewöhnlichen und Spießonger Bestem der Kolonialfriegerfpende eine Vortragsreihe statt, in dar Das 17. Jahrhundert fab die letzte Blütezeit der friegerischen foloniale Fragen und Erlebnisse behandelt werden. In dieser Bouje lichen zu erkennen gab. Durch Naahmung fam der Bunte Subs " Cingeltracht. ttt der Herrschaft der gleichförmigen Uniform hat sprechen: Optm. Roscher Ueber Erlebnisse aus Togo während des auch in die Bürgerffeibung. Damit aber ergreift augleich ein 8ug die eigentlice magnliche Kriegsmode aufgehört. Die Damen über- Strieges und in der Gefangenschaft in Dahomey ", Sptm. Silder aum Leichtfertigen und Ungebundenen die ganze Tracht in Kriegs- nahmen nun die Führung in der Mode, und sie haben wohl in lleber Kriegserlebnisse aus Stamerun", Spim. von Wiese.llebec zeiten. friegerischen Beiten Einzelheiten der Uniformen in ihre Tracht unfere foloniale Zukunft". Die Beziehungen zwischen Krieg und Mode beginnen, wie schon übernommen, schmüden sich mit helmartigen Hüten, verwenden die hervorgehoben, in der Zeit der Kreuzzüge. Das endende Rittertum Uniformfarben usw. Aber da der Krieg nun einmal Männeriverk Russischer Sprachunterricht sollte nach der An­gefällt sich im 14. und 15. Jahrhundert in einer Narrentracht, die ist und die Mode in unseren Zeiten Fraureniache ist, so kann das sicht des Osteuropäischen Instituts in Breslau in höheren Schulen feinem Uebermut entspricht. Diese Schellen und Boddel- friegerische Element in der Kleibung feine Umwälzung mehr hervor- als Pflichtfach eingeführt werden. Es schlägt dafür zunächst schle­tracht der Ritter tragen dann auch die Bürger und zulegt fogar rufen wie früher, sondern nur einzelne Anlehnungen an die Kriegs­die Bauern. Der kraftvolle Geist der Frührenaissance mischt sich tracht zur Folge haben. Der Krieg bestimmt heute nicht mehr die Bergener Kriegsgewinne. Wie aus der soeben hinein und bringt weitere triegerische Elemente in die Tracht, so Mobe wie im 16. und 17. Jahrhundert, so eng auch der wirtschaft veröffentlichten Uebersicht des Magistrats der norwegischen Hafen­die großen Federn und Agraffen auf den Hüten. Der malerische liche und kulturelle Zusammenhang zwischen beiden ist, stadt hervorgeht, ist das dortige Privatvermögen von 563 Millionen 1390 Hutschmuck ist zunächst nur Erkennungszeichen der Soldaten, und fo im Jahre 1916 auf 1102 Millionen Kronen im laufenden Jahre an­ist alle Hutzier, die in die Mode so reichen Eingang fand, bom gewachsen. Die Einkünfte betragen 363,5 Millionen gegenüber Heer übernommen. Den Höhepunkt dieser friegerischen Tracht führen 290,5 Millionen vor zwei Jahren, das besteuerte Einkommen 318 dann die Landsknechte herauf, von denen alle Modeneuerungen Millionen gegenüber 252 Millionen Kronen. Die diesjährige Kriegs­des 16. Jahrhunderts ihren Ausgang nehmen. Die Landsknechte find Wie man auch über den Wert der Kultur denken mag, die konjunktursteuer Bergens wird auf 50 320 000 Sponen für etwa es, die das moderne Beinkleid geschaffen haben. Früher europäische Völker den sogenannten Wilden" gebracht haben, so ist 1000 Besteuerte veranschlagt. fannte man feine Strümpfe, sondern das Beinkleid ging vom Fuß eins doch unbestreitbar, daß nämlich die Menschenfresserei durch Amerikanische Dentfreiheit. Die amerikanisch bis zu den Hüften. Diese engen Futterale waren der Soldatesta den europäischen Einfluß überall zurückgegangen und wohl über Zeitschrift The Nation" teilt mit, daß seit ungefähr zwei Jahren A der Reformationszeit zu unbequem; man schnitt daher die Hofe haupt bereits bis auf wenige Reste ausgerottet ist. Bei manchen die englische Zensur die Beförderung sämtlicher deutschen und öfter­vom Stnie aus ab, und da das Bein nicht nackt sein sollte, so wurde Wölfern, besonders im inneren Afrika , ist der Kannibalismus sehr reichisch- ungarischen Zeitungen und Beitschriften nach Amerika ver­ein gamaschenartiger Strumpf geschaffen, der mit der Kniehose au- start entwidelt gewesen und wohl auch heute noch nicht verschoun- boten hat, so daß die Vereinigten Staaten allein auf die englischen fammen getragen wurde. Die enge Kniehose aber wurde geben. Ganz sonderbar berührt die Tatsache, daß nach dem Urteil| Informationsquellen über die Verhältnisse in den Staaten der Ver­schlitt", S. h. man schnitt den Stoff auf und unterlegte ihn überall der Reisenden solche Völker, abgesehen von dieser Sitte, sehr an- bündeten angewiesen sind. Es ist daher nicht weiter verwunderlich, mit andersfarbigem Tuch." Zerhauen und zerschnitten nach abeligen nehmbare, man möchte fast sagen anständige Menschen sein können. wenn ein schwedischer Journalist, Ragnor Lander, schreibt: In Sitten ", so erschien nun die Pluderhose, breit und wogend, Das lehrt eine Zusammenstellung von Tatsachen über den be- Amerifa weiß man nicht mehr von den Deutschen und ihren Ber­bie Stoff bis zu 130 und 200 Ellen enthalten haben soll. Es rühmten Volfsstamm der Njam Njam oder Azande, die Dr. hältnissen während des Krieges, als wir von den Bewohnern des rauschete, wenn die Hosenhelden famen, als wenn der Elbstrom' Rangenmaier in Betermanns Mitteilungen" veröffentlicht. Er Mars und ihren Lebensumständen wissen."

56]

Lodz. Das gelobte Land.

Roman von W. St. Reymont .

,, Haben Sie nichts für mich, Doktor?" stagte er schüchtern,

als er ihn eingeholt hatte.

,, Stellen gibt's schon, bloß arbeiten muß man da." Ich will also nicht arbeiten?" ,, Vielleicht wollen Sie's auch, aber das genügt nicht in Lodz . Hier muß man zu arbeiten verstehen. Warum sind Sie nicht bei Weißblatt geblieben. Die Stelle war doch nicht schlecht?"

,, Mein Ehrenwort, ich bin nicht schuld dran. Der Direktor

verfolgte mich dermaßen, daß ich's nicht mehr aushalten

konnte, andauernd beleidigte er mich..

"

Denen, die einen beleidigen, haut man eine runter, bor allem soll man aber andern feinen Anlaß zu Scherzen und Beleidigungen geben. Ich mußte mich schämen für Sie." ,, Warum denn, ich hab' doch anständig gearbeitet." Ich weiß, aber wegen Ihrer Unfähigkeit mußte ich mich schämen." ,, So gearbeitet habe ich, wie ich es kann und es verstehe," flüsterte jener mit Tränen in der Stimme.

,, Weinen Sie mir hier nur nichts vor, zum Teufel. Sie verschachern mir doch kein blindes Pferd, ich glaub' Ihnen also aufs Wort."

,, Mein Ehrenwort, Sie beleidigen mich..." ,, Dann gehen Sie mit Gott nach Haus. Ich find' schon selbst die Piotrkowerstraße.

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Empfehle mich," warf Jaskulski warf Jaskulski kurz hin und tehrte um.

Wysocki schämte sich seiner eigenen Brutalität gegen diesen unbeholfenen Strüppel, aber er regte ihn so auf, daß er nicht an sich halten fonnte.

Herr Jaskulski," rief er ihm nach. Bitte."

" Vielleicht brauchen Sie etwas Geld, paar Rubel tann

ich Ihnen leihen."

Dnein, Ehrenwort, dante," wehrte er sich, wurde wieder weich und vergaß die Beleidigung.

,, Nehmen Sie's nur, Sie geben mir dann alles zu­sammen zurüd, wenn Sie die Erbschaft von der Tante friegen." Er drückte ihm drei Rubel in die Hand und ging. Mit Tränen in den Augen besah sich Jaskulsti an

Ein echtes Kannibalenvolk.

"

einer Laterne das Geld, seufzte auf und schleppte sich nach Hause.

Wysocki gelangte schließlich in die Piotrkowerstraße und ging langsam hinauf, tief erschüttert von dem Elend, das er jeden Tag wieder sehen mußte.

Er fühlte sich eigentümlich nervös und unruhig, seine Seele war von einer unerklärlichen, beklemmenden Angst und

dieser eigentümlichen Unruhe erfüllt, die oft den Menschen

ohne jeden Anlaß von außen anfällt, sich an der Seele fest­faugt und fie fo ängstigt, daß dann ein nervöser Mensch mit Furcht auf die Häuser schaut, ob sie nicht auf ihn ein­stürzen, auf schlimme Nachrichten wartet und sie erwartet, an jedes Unglück denkt, das nur die Menschen befallen kann. In solcher Stimmung befand sich heute Wysocki.

Er hatte keine Luft, nach Hause zu gehen, er hatte nicht einmal Luft, in die Konditorei reinzugehen, um Zeitungen zu Tefen; alles war ihm im Augenblick gleichgültig, immer fester berbiß sich der Alp der Unruhe in seine Seele.

dummes!"

Ein dummes Leben führe ich," dachte er. Ein ganz Vor dem Theater begegnete er Mela, die mit Rosa aus der Vorstellung heimkehrte; der Wagen fuhr hinter ihnen her.

Sie begrüßten sich recht gleichgültig, und er wollte sich auch gleich berabschieden.

Begleitest du uns nicht?"

" Ich will euch nicht stören."

Hause."

Sprechen.

Komm zum Tee, Bernhard wartet sicher schon zu Schweigend ging er mit, er hatte keine Lust zum Was hast du, Wysocki?"

"

Nichts, außer einer gemöhlichen Nervosität und so einer scharfen Apathie."

sische Schulen bor.

Notizen.

Wer sind das, diese Armen? Vielleicht könnte man ihnen helfen," fragte Mela.

Er erzählte ihnen die Lage Jaskulskis und noch einiger anderer Arbeiterfamilien.

Teilnahmsvoll hörte sie zu und versuchte die Adressen im Gedächtnis zu behalten.

Jest frage ich dich, Mela, was hast du? Ich höre Tränen in deiner Stimme."

" Frage nicht, verlange es nicht einmal zu wissen." Sie sentte den Kopf auf die Brust.

Er fragte nicht, schaute auf ihr Gesicht und versant wieder in Gedanken.

Was hat sie?" dachte er, mit einem glühenden Blick ihren Kopf umfassend, und fühlte, daß ihre Trauer ihn zu schmerzen und zu drücken anfing. halten haben?"

" Ihr müßt euch im Theater nicht besonders gut unter­

" Im Gegenteil! Aber fürchterlich ist doch die Macht der Liebe," sagte Rosa, als ob sie ihre Gedanken zu Ende sprach. Wie die Sappho gelitten hat. Ich kann alle ihre Shreie, ihr Flehen, all ihre Schmerzen nicht vergessen, ich spüre sie noch in mir. Entsetzt hat mich diese Liebe, ich ber­stehe sie nicht, ich zweifle sogar, ob man so viel empfinden fann, ob man sich so ganz dem hingeben kann, so ganz darin versinken."

"

Man kann es... Man kann es..." sagte Mela Teise, die Augen erhebend.

,, Komm zu mir rüber, Wisocki! Gib mir deine Hand." Als er es tat, nahm Rosa seine magere Hand und drückte sie sich an die Stirn und an das glühende Gesicht. Fühlst du, wie ich fiebere?"

Fürchterlich. Weshalb geht ihr auch in so aufregende

Stüde ?"

"

Was soll ich denn sonst überhaupt noch tun?" schrie sie schmerzlich; ihre weitgeöffneten Augen hafteten an seinem " Hat dich was Schlimmes betroffen?" Gesicht. Du gibst mit feinen Rat für meine Langeweile, Nein, aber ich warte auf eine böse Nachricht, und und alles langweilt mich schon, alle Routs, die Spazierfahrten meine Ahnung hat mich noch nie getäuscht. Außerdem war in der Stadt, die Reisen ins Ausland langweilen mich, weil ich heute bei so viel Elend, ich habe mich mit dem Anblick ich das Hotelleben hasse, bloß das Theater interessiert mich menschlichen Unglücks so vollgesogen, daß ich trunken da- noch manchmal, es zerrt an den Nerven, manchmal, regt auf, bon bin." und ich habe es gern, wenn etwas mich bis ins Tieffte er­Er schauerte nervös. fchüttert."

"

Du hast die Mitleidskrankheit, wie Bernhard sagt." " Bernhard!" rief er lauter, er hat das ständige De­lirium tremens des Bespeiens aller Dinge, er ist wie ein Blinder, der allen einreden will, daß nichts existiert, weil er selbst nichts sieht."

fie

Was hat Mela? unterbrach er sie, ohne zu hören, was fagte.

,, Du wirst es gleich erfahren." ..Nein, nein, nein!" wehrte sich Mela, als sie Frage und Antwort hörte. ( Forts. folgt.)