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Nr. 236-1918

Unterhaltungsblatt des Vorwärts

Bedarf das Kind der Mutterliebe?

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Mittwoch, 28. August

findung der schwedischen Streichhölzer, die das Anzünden erleichterte, Bäckerinnen, zu häuslichen Dienstleistungen usw. Eine Anzahl ge­Die Kulturgeschichte der Zigarre. beförderte das Bigarrenrauchen. Es wurde aber noch lange be- bildeter Frauen wird in Vertrauensposten verwendet. Keinesfalls sonders auch aus politischen Gründen bekämpft. Be dürfen sie auf demselben Kriegsschauplatz Dienst tun wie ihre Mit der Stillegung der Zigarrenfabriken, die für die nächste sonders das Bitten um Feuer erschien schrecklich demokratisch." Hat Chemänner. Nach der Art ihrer Beschäftigung empfangen sie Ge­Zeit in Aussicht genommen ist, droht das Ende der Zigarre, we- der leidenschaftliche Raucher wohl je gezögert, auch dem schäbigsten hälter von 25 bis 50 Frant pro Woche, wozu noch eine Vergütigung nigstens für einige Zeit, heranzunahen. So wird der deutsche Lumpen den Feuerkuß abzuverlangen," fragt Holtei vorwurfsvoll, von 15,60 Fr. pro Woche für Nahrung und Wohnung gewährt wird. Raucher wieder gezwungen, zu der alten, früher allein üblichen und so sträubte man sich noch lange dagegen. Erst nach 1870 Nachdem sie einige Wochen eine förperliche und moralische Aus­Form des Rauchens, der Pfeife zurückzukehren und schon jest er wurde zugleich mit der Vermehrung des Biertrinkens das Zigarren bildung sowie militärische Erziehung erhalten haben, werden fie leben die früher so hoch geschäzten Meerschaumköpfe ihre Auf- rauchen allgemein üblich, und jedermann zeigte sich nun ungescheut auf die verschiedenen Dienste an der Front verteilt. Die Organi erstehung. Wer der zigarrenlosen, der schrecklichen Zeit mit Trauer öffentlich mit seiner Zigarre." sation ist eine durchaus militärische. Die Soldaten" müssen ihren entgegensieht, der wird gut tun, sich daran zu erinnern, daß das Offizieren, die sich die verschiedenen Grade zugelegt haben, un Bigarrenrauchen in dem Umfange, wie wir es gewöhnt sind, bedingt gehorchen. Die weiblichen Offiziere setzen sich aus gebildeten höchstens ein halbes Jahrhundert alt ist. Vorher war eine Zigarre Damen zusammen: es gibt unter ihnen weibliche Doktoren und das Vorrecht der Reichsten und Elegantesten. Bis vor einem Mehr als ehedem müssen in dieser langen Kriegszeit Mütter, Professoren. Diese Offiziere empfangen Gehälter von 8000-12000 Fr., Jahrhundert war die Havanna " in Deutschland überhaupt so gut die gezwungen sind, ihrem Berufe nachzugehen, ihre Kinder fremder die Leutnants und Oberleutnants 3000-3700 gr., wozu ein jährliches wie unbekannt. Als die Spanier mit der Entdeckung der neuen Obhut überlassen. Heime, Horte und Krippen haben sich aufgetan, Verpflegungsgeld von 1000 Fr. fommt. Die Waaos sind in be­Welt zugleich auch den Tabak kennen lernten, fanden sie bei den die verwaisten Säuglinge aufzunehmen. Die Mehrzahl dieser An- fonderen Lagern untergebracht, die sie täglich in Gruppen unter Indianern die folgende Art des Rauchens: fie wideln nämlich nur stalten erfreuen sich einer vorzüglichen Leitung, sind mit allen tech- Anführung ihrer forewomen, d. h. Unteroffiziere, verlassen, um sich die größeren Blätter zusammen, wie Pfeffer düten, lassen sie fonischen und hygienischen Erfordernissen der Säuglingspflege aus- an ihre Arbeit, in die Bureaus, Depots und Werkstätten zu begeben. trocknen, brennen sie dann am spigsten Ende an und stecken das gestattet, mit Nahrungsmitteln reichlich versorgt, von geschulten Mit den männlichen Offizieren und Soldaten zu sprechen oder mit andere in den Mund". So schildert den Brauch bereits der große Pflegerinnen bedient und dennoch wollen die Kleinen in ihnen nicht ihnen zu gehen, ist ihnen streng verboten, selbst wenn sie mit ein­deutsche Naturforscher Konrad Gesner in seiner 1565 erschienenen zelnen Soldaten Familienbande verknüpfen sollten. Schrift über die Tabatpflanze, die die Deutschen zuerst mit dem merkwürdigen Rauchtraut bekannt machte. Auch auf den bildlichen Darstellungen der Merikaner erscheinen Götter- und Priester­gestalten, die gewaltige Zigarren im Munde halten und ihnen große Dampfwolken entströmen lassen. Die ungeheure Familienzigarre, an der alle Mitglieder des Hauses, vom Baby bis zur Urgroß mutter, faugen und die jedem eintretenden Gast in den Mund ge­steckt wird, ist ja noch heute als ein Ueberreft uralten Brauches auf den Philippinen üblich.

gedeihen.

Die Kinder verfallen einem schleichenden Siechtum. Katarrhe, Verdauungsstörungen, Drüsenerkrankungen treten bei ihnen auf und das fleine Leben erlischt.

Der gestohlene Abend.

Stadt geht, meint verzaubert zu sein. Eine Sputatmosphäre, wie Aus Wien wird geschrieben: Wer jetzt durch die abendliche aus einer Nobelle G. T. A. Hoffmanns herangeweht, überfällt den Schreitenden. Jedes Wort, jedes Geräusch ist verlöscht, ausgewischt von einer unendlichen Dede und Einsamkeit. Das hat aber nicht Geschenk Seiner Exzellenz des Herrn Bürgermeisters an feine etwa der böse Krieg auf dem Gewissen, den man immer für alles Traurige und Trostlose verantwortlich machen will, das ist nur ein wiener. Der Bürgermeister Dr. Weißkirchner hat nämlich den Wienern allen Ernstes zugemutet, allabendlich um 9 Uhr

Hospitalismus( Spitalfrankheit) hat man die verheerende Seuche genannt, gegen die bisher kein Heilmittel helfen wollte, bis man ihre Ursache erkannt hatte: Mangel an Liebe. Wie anders gedeiht da das Kleine in mütterlicher Obhut, mag dieser auch der Reichtum der Mittel fehlen, Mutterliebe bietet dafür reichen Ersatz. Die zahllosen Anregungen zum Essen und zur Be­zusammengerollten Tabakblättern, wie schon die spanische Bezeich liebenden Mutteram; das Lächeln und Singen der Treubesorgten In Europa haben die" Zigaros", die" Glimmstengel" aus wegung fehlen dem Anstaltskinde. Es will gehoben werden vom nung erkennen läßt, zuerst die Spanier aufgebracht. In Holland läßt es in erquickenden Schlummer versinken. Aus dem warmen ſtößt man im 18. Jahrhundert hie und da bei den Seeleuten auf Busen der Mutter quilt ihm Nahrung und Gedeihen. Und wo diese Gewohnheit, und natürlich war es auch in Deutschland die Mutterliebe die nährende Flasche reicht, gelingt es ohne allzu große in die Federn zu kriechen; er hat aus Gründen der Spar­direkte Berührung mit Amerika und Spanien durch den Seeverkehr, Schwierigkeiten auch ohne Mutterbrust das Kindchen hochzuziehen. samkeit und des Materialmangels den Betrieb der städtischen die zuerst das Zigarrenrauchen aufbrachte. Aus Hamburg wird Schwer will es dagegen halten, mit Fremdenmilch allein das gegen Ende des 18. Jahrhunderts als große Merkwürdigkeit er- leine Leben zu fristen. Der Hunger nach Liebe zehrt an dem Ge- Straßenbahnen, des einzigen Wassenverkehrsmittels der Großstadt, zählt, daß dort Seeleute vereinzelt sich nicht mit dem Pfeifgen" brechlichen, es welkt dahin wie die Pflanze, der die belebende gedrosselt, und kurz nach 9 Uhr fährt, belagert und erſtürmt, allen begnügen, sondern glühende Blätterrollen in den Mund stecken". Sonne fehlt. Bedürfnissen einer Zweimillionenstadt mit schlecht geschmierten Rä­In Hamburg wurde denn auch von einem aus Spanien zurückkehrenden So ist man denn jetzt in den Anstalten von der Massenpflege dern Hohn kreischend die letzte Straßenbahn durch die Stadt. Alle Deutschen , Hans Heinrich Schlottmann, 1788 die erste Bigarren zur Einzelwartung übergegangen." Jedem Kinde eine Mutter" ist Gasthäuser sind verödet, die Cafés, die ja immer in Wien eine Art fabrik gegründet; sie machte aber, wie so manche lühne Neuerung, heute die Losung. Damit war der Weg zur Ueberwindung des Heim- Ersatz waren, sind entwölfert, in den Theatern beginnt die die schlechtesten Geschäfte und mußte ihre Fabrikate verschenken, Hofpitalismus gewiesen und die Reform der Säuglingspflege an- Stadt, die inoffiziell ja immer ein bissel geschlafen hat, nun auch Flucht vor dem letzten Aft, und um 10 Uhr schläft die große weil sie keine Käufer fand: Erst im Verlauf der napoleo- gebahnt. nischen Kriege bürgerten sich die Zigarren mehr bei uns ein; " Je mehr wir", sagt Prof. Jbrahim in einer fürzlich gehaltenen offiziell. Nur die Arbeitsmenschen, die gezwungen sind, in den man nimmt an, daß es die spanischen Truppen waren, die weitere akademischen Antrittsrede, der auch die Unterlagen zu dieser Ab- späten Abendstunden auf der Straße zu sein, huschen wie Märchen­Kreise in Deutschland damit bekannt machten. Aber allgemeiner Handlung entnommen sind, uns bewußt sind, daß wir im Säug- Protest. Wien , die Stadt, die aus vielen beginnenden Städten schatten durch lichtlose Gassen; jeder ihrer Schritte flappert wie ein wurde das Zigarrenrauchen nicht, denn die Widerstände dagegen lingsheim den Kindern die Mütter ersehen sollen und je höher" wir waren zu groß. Zunächst sollte das Zigarrenrauchen höchst schädlich den Begriff der Mutter einzuschätzen gelernt haben, je bessere zusammengefest ist, wirkt jetzt wie ein weltverlorenes galiziſches sein. Gustav Klemm erzählt in seinen fulturgeschichtlichen Er­innerungen, daß der frühe Tod eines seiner Jugendfreunde, der im Erfolge werden wir erzielen, je weniger wird schließlich von dem Dorf. Um 9 1hr werden spärliche Lichter in den Fenstern wach, Herbst 1822 an der Brustkrankheit starb, dem Genuß von Zigarren Schreckgespenst des Hofpitalismus übrig bleiben." zugeschrieben wurde; der heiße Rauch, hieß es, habe ihm die ermöglichen, daß eine Pflegerin nur zwei, höchstens drei Kinder Also durch die Wandlung der Säuglingspflege, wenn wir es Lungen verbrannt". Sodann galt die Zigarre in besserer Gesell zu betreuen hat, werden wir unsere Heime in jene Pflegstätten der schaft für höchst unfein; schußig und ekelhaft nennt es damals Volksgesundheit und Boltskraft zu wandeln vermögen, die sie uns das Journal" Hamburg- Altona" mit brennenden Zigarren im im Hinblick auf die Neuer starkung der deutschen Nation nach dem Munde sich überall zu produzieren".

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Die Waaos"?

Dr. M. K.

um 10 Uhr verlöschen sie.

Notizen.

-Im Eröffnungstonzert der Freien Wolf 8 bühnen, das am Sonntag, den 8. September, mittags 12 Uhr, stattfindet, wird das Philharmonische Orchester unter Leitung von Artur Nitisch Mendelssohns Duvertüre Die Hebriden ", Schu­manns I. Symphonie B- dur" und Tschaikowskys Symphonie pathétique" zum Vortrag bringen.

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Wer sind die Waaos? An der französischen und englischen -Theater crouit. Das Schiller Theater Char­Front in Frankreich sind sie wohlbekannt, es sind die Mitglieder lottenburg eröffnet am Donnerstag die Winterspielzeit mit der Ein Vol18. des Women's Army Auxilary Corps, des weiblichen Heereshilfs- Erstaufführung von Henrik Ibsens Schauspiel forps, das die Engländer ins Leben gerufen haben. Die Ein- feind". Das Deutsche Theater veranstaltet von Mitte September richtung und Ausgestaltung dieser eigenartigen Organisation an im Theater der Königl. Hochschule für Mufit, das den Namen schildert Frau Andrée Viollis in einem umfangreichen Aufsatz der Kleines Schauspielhaus" tragen wird, ein Gastspiel an Revue de Paris ". allen Abenden mit Ausnahme des Montags und Freitags.

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Die vor 100 Jahren erschienene erste Ausgabe des Brockhausschen Kriege sein sollen. Konversations Legifon erläutert die Zigarre folgendermaßen: Zigarren sind Blätter, welche man zu fingerdicken hohlen Bylindern zusammenrollt, dann an einem Ende anzündet und mit dem andern in den Mund nimmt, ob aber dadurch den Rauchern der Geschmack verbessert werde, ist nicht gut zu bestimmen, eben weil es Sache des Geschmackes ist." Da die Zigarren sehr teuer waren, so blieben sie lange Zeit das Privileg der Stutzer, und auf den entzückenden Zeichnungen der 1833 erschienenen Rauch epigramme" von Moriz von Schwind sehen wir den Mode­jüngling der Biedermeierzeit, mit Stolz an einer dicken Zigarre saugend. Der Dichter Chamisso war der erste, der in den Berliner Salons Zigarren zu rauchen wagte und sich sogar von schönen Verehrerinnen den Glimmstengel anrauchen ließ. Man nannte dies Anrauchen poetisch den Feuerkuß." Erst mit dem tollen Jahr" von 1848 wurde das Rauchverbot auf der Straße aufgehoben, und nun brach das Zigarrenrauchen gleich einer Sintflut in die deutsche Deffentlichkeit hinein," wie Otto Bähr sich in seinen Erinnerungen aus drückt. Die Pfeife galt als rückständig und überlebt, und in den März­tagen 1848 wimmelte es im Berliner Tiergarten von Zigarren rauchern, die diese Form viel bequemer fanden. Auch die Er­

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Lodz. Das gelobte Land.

Roman von W. St. Reymont .

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Die Schöpfung des englischen Frauenheereshilfskorps erfolgte Der Baikalse e. Es gibt wieder russische Kriegsberichte, im Februar 1917, und es meldeten sich durchschnittlich 10 000 bis aber fie melden nicht mehr wie einst Verbrüderungen mit Tschechen, 12 000 Freiwillige im Monat zum Dienst. Die Waaos, wie man sondern Kämpfe gegen sie. Auch am Baikalsee wird gerungen; sie allgemein nach den Anfangsbuchstaben des Korpsnamens nennt, daß von einem Tunnel 36 die Rede ist, sagt schon, daß die Bahn müssen mindestens 18 Jahre alt sein für den Dienst in England um den See durch das Gebirge gebrochen ist. Sie wurde während und wenigstens 20 Jahre für den Dienst an der Front in Frankreich . des Japantrieges vom Verkehrsminister Frifshu Chilkoff gebaut Sie verpflichten sich, während der ganzen Dauer des Krieges bei und schloß die Verbindung zwischen Ostsibirien, Mandschurien und dem Korps zu bleiben und werden nach ihren Fähigkeiten in den Rußland . Bis dahin wurden die Züge im Sommer auf Trajekt­verschiedensten Stellungen verwendet: als Sekretärinnen, Steno- fchiffen übergefeßt, im. Winter mußten Menschen und Güter in typistinnen, Angestellte in Bureaus und Depots, bei der Post und Schlitten über das Eis. Der Baikalsee aber ist so groß wie Gali­Telegraphie, als Chauffeurinnen und Wagenführerinnen, als zien, auf dessen Fläche im Frieden über 7 Millionen Menschen lebten.

Zum Schluß gelangten sie ins Schlafzimmer; in der und sie sich die Bedürfnisse und Instinkte einfacher Arbeiter Mitte standen zwei Riesenbettstellen mit Wäsche aus blauer bewahrt hatten. Seide, und in der Ede ein großer, marmorner Waschtisch. Wenn Sie unser Nachbar sein werden, dann müssen Sie Niemand schlief in diesem Schlafzimmer. uns oft besuchen."

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Ein wunderbares Zimmer zum Schlafen, sagte Karl. " Das ist für Mada, wenn sie heiratet. Gehen wir jekt Mada begann dagegen zu protestieren, es sei noch nicht aufgeräumt.

Die Wohnung war wirklich mit parvenühafter Bracht in Madas Zimmer." eingerichtet. Es war alles da, was man für Geld kaufen kann, aber das Leben fehlte und der Geschmack.

Ein prunkvoll eingerichtetes Arbeitszimmer war da, in Bist dumm," brummte Müller und führte Karl in ein dem niemand arbeitete; ein mit weißer, blaugemusterter sehr helles, mit blaßrosa Stoff ausgeschlagenes Zimmer. Majolika ausgelegtes Bad, mit einer Marmorwanne und einer im pompejanischem Stil bemalten Decke. Man sah aber, daß hier niemand badete.

In dem kleinen Turm, der das Dach des Palais über­ragte, war ein mauretanisch eingerichtetes Zimmer. Das ist spanisch," erklärte Müller. Mauretanisch, Papa hat sich geirrt," berbesserte Mada. " Haben Sie das alles selbst eingerichtet?" Ich habe es selbst bezahlt, und eingerichtet hat's Hüber­

mann.

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, Gefällt Ihnen das Zimmer?" fragte Mada.

,, Es ist sehr schön und originell."

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Mir schadet es nichts, ob es spanisch oder mauretanisch ist, ich werde drin ja sowieso nicht wohnen."

" Wohnen die Herrschaften denn nicht im Palais?" " Herr Borowiecki, wenn ich im Palais wohnen würde, dann würde man mich grad so auslachen, inte den Meyer und den Endelmann. Wozu soll ich das, wenn ich's in meiner alten Hütte viel besser habe."

Aber es ist doch schad', es leerstehen zu lassen."

Winzig fleine Möbel standen hier in großer Unordnung auf einem hellen Teppich.

Als sie zurückgingèn, besah sich Starl noch einmal die lange Bimmerflucht, die steif in der stillen Leere dastand.

Außer Mada wohnte niemand im Palais, es war nur zur Besichtigung der Gäste, und es stand mur da, damit Müller sagen konnte: Ich habe auch ein Palais."

Unten, in einem kleinen Zimmer, das an die Küche stieß und das als Ezzimmer für die ganze Familie diente, bot Frau Müller Kaffee an.

Karl versuchte abzulehnen, aber Müller nahm ihm den Mada bat ihn so beredt mit ihren Augen, daß er sie nicht Hut weg, faßte ihn unter und setzte ihn auf einen Stuhl. verletzen wollte und da blieb. Er hatte es aber eilig, weil er heute noch zu Buchholz gehen wollte.

,, Werden Sie in unserer Nähe wohnen?" rief Mada freudestrahlend.

Ja. Sehen Sie die lange Fensterrethe hinter der Tra­winstischen Fabrik?" Er zeigte durchs Fenster. ,, Das ist die alte Meißnersche Fabrik."

Ich hab' sie gekauft."

,, Dann werden Sie ja ganz nahe sein!" rief fie freudig, doch sie verstummte plöglich, und ihr Gesicht verfinsterte sich. Sie faß jetzt ganz ruhig, bis Karl aufbrach, und bat ihn bloß, er möchte wiederkommen.

Er versprach es feierlich und drückte ihr die Hand zum Abschied so innig, daß eine tiefe Röte ihr Gesicht übergoß und sie lange, aus dem Fenster gebeugt, ihm nachschaute.

Borowiecki ging direkt zu Buchholz, aber ganz langsam, weil die Herzlichkeit Müllers und die noch größere Herzlich­teit Madas auf ihm lastete.

In Gedanken lächelte er einem Bilde zu, das in immer volleren Formen in seinem Gehirn auftauchte, und er fühlte, Biedermann vergegenwärtigte, in der Barchentjoppe, der daß Müller ihm ohne Bedenken seine Tochter gehen würde. Fast lachte er laut auf, als er sich diesen dicken, roten fettigen Hose und den alten Pantoffeln, auf dem Hintergrund eines Palais. Lächerlich war er, aber was ging ihn das schließlich an.

Er nützte die Gelegenheit aus und bat Müller um Pro­teftion bei Schaja für Horn. Der Fabrikant versprach feier­Mada hatte entschieden viel natürliche Anmut und runde lich, daß er morgen persönlich hingehen würde, und garan- zwei Millionen als Zugabe!" Zum Teufel!" brummte er tierte für den Erfolg, weil er mit Schaja näher verkehrte. und verlor sich in Voraussetzungen und Kombinationen, ent­ledigte sich ihrer aber rasch. Anta tam ihm nämlich in den Sinn und ihr Brief, den er des Morgens erhalten und bis jetzt noch nicht gelesen hatte.

" Mag es stehen. Alle bauen sich Paläste, ich habe auch Mada konnte es nicht verbergen, daß ihr Karl sehr gefiel, einen bauen lassen, alle haben Salons, ich habe auch Salons, und sie sagte es ihm auch bei jeder Gelegenheit in irgend­Equipagen und Pferde haben sie, ich habe auch Equipagen einer Art. Auch Müller freute sich über seinen Besuch, faßte und Pferde. Es kost' viel, mag es tosten; die Leute sollen ihn immer wieder unter, flopfte ihm auf die Stnie und er­es wissen, daß Müller Paläste haben kann, aber lieber in zählte ausführlich von seiner Fabrik. seinem alten Hause wohnt."

" Immer tommt etwas in die Quere, und immer ist der Mensch ein Sklave," flüsterte er beim Betreten des Buchholz­schen Kontors.

Karl heuchelte so gut es ging Interesse für alles, was Sie durchschritten einen riesigen, ganz weißen Salon, den gesprochen wurde, hörte geduldig zu, antwortete, innerlich Der Zustand des Fabrikanten hatte sich nach dem vier Fenster erhellten. Dann famen winzig fleine Zimmer, aber langweilte er sich, und der Zwang und die Banalität letzten Anfall schnell gebessert, so daß er nicht nur wie vergoldet und wie Bonbonnerien ausstaffiert, ein Eßzimmer, der Themen, die Müller anschlug, ermüdeten ihn. früher im Kontor herumsaß, sondern auch schon in die Fabrik' das durch einen Aufzug mit der Küche verbunden war, ganz Das ganze Haus trug den deutlichen Stempel des Klein- ging und sich mit Hilfe seines Stockes oder eines der Arbeiter mit Mahagoniholz getäfelt, eine Bibliothek mit Schränkchen städtertums in Sitten und Ansichten, es roch nach Ordnung herumschleppte. aus weißer Eiche, in der niemand las und niemand die und man sah überall echt deutschen Fleiß. Mit Borowiecki stand er auf gutem Fuß, obwohl dieser Namen der hier aufgestapelten berühmtesten Schriftsteller der Nur in einem Punkt bildeten die Bewohner eine Aus- ihm gekündigt hatte, und obwohl sie sich jeden Tag ein paar ganzen Welt tannte. nahme, daß die Millionen sie nämlich nicht verdorben hatten Mal stritten.. ( Forts, folgt.)