Nr. 243. 35. Jahrg.
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Redaktion: SW. 68, Lindenstraße 3.
Fernivrecher: Amt Morigplat, Nr. 151 90-151 97.
Mittwoch, den 4. September 1918.
Expedition: SW. 68, Lindenstraße 3. Wernsprecher: Amt Morigplas, Nr. 151 90-151 97.
Demokratie ist Lebensnotwendigkeit!
Wahlreform und Herrenhaus.
Der Verfassungsausschuß des Herrenhauses tritt heute zur Beratung der Wahlrechtsvorlage zusammen. In diesem Augenblick ist die Entscheidung über die Rechte des Volles einem Ausschuß anvertraut, dessen durchschnittliche Höhe der Weltanschauung durch die Namen Salm Horstmar und Oldenburg Januschau gekennzeichnet ist.
Diese Tatsache allein spricht ein vernichtendes Urteil über die Regierungspolitik, die bisher vor einem ernsten Kampf um das gleiche Wahlrecht zurückgeschreckt ist. Statt das Abgeordnetenhaus aufzulösen, hat die Regierung die Wahlrechtsvorlage in das Herrenhaus geschickt.
Wenn jemals die allgemeine Lage zu dem Entschluß gedrängt hat, das Versprechen des gleichen Wahlrechts au seinem vollen Wert und ohne jeden Abzug ehrlich einzulösen, so jetzt. Die Wahlrechtsbotschaft vom 11. Juli 1917 hat aber das gleiche Wahlrecht versprochen. Sie weiß nichts von einem Mehrstinmen- oder Berufswahlrecht, sie deutet mit feinem Wort den Plan an, die Rechte der Gewählten in dem Maße zu verfürzen, wie die Rechte der Wähler erhöht werden sollen.
Jede Abweichung vom gleichen Recht aller Wähler, jede Sicherung" durch qualifizierte Mehrheit, jede Erweiterung der Herrenhausrechte ist Schacher mit Volksrechten, und wer solchen Handel treibt, dabei aber vorgibt, er wolle das Berjprechen der Wahlrechtsbotschaft einlöjen, handelt wie ein unreblicher Geselle.
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Die Regierung soll heute den Ausschuß des Herrenhauses fragen, ob er ohne Sicherungen", ohne Erweiterung der Herrenhausrechte das versprochene Wahlrecht bewilligen will. Und sagt er, mie sicher zu erwarten ist, nein, dann soll fie jo fort alle zweddienlichen Mittel ergreifen, um den volksfeindlichen Willen des preußischen Landtags zu brechen.
Läßt sie sich aber mit den preußischen Herren in einen Kompromißhandel ein, so beweist sie damit nur, daß sie keine Ahnung davon hat, wie es in der Welt aussieht, in der sie lebt, und daß sie die Zeichen ihrer Zeit nicht versteht. Sie wird sich dann gegen die Anklage rechtfertigen müssen, die moralischen Mittel der Landesverteidigung nicht rechtzeitig eingesett zu haben.
Um des Volkes willen, das in seinem Daseinstampf steht, und dem wir alles geben wollen, was es zu diesem Kampfe braucht, dringen wir auf eine rasche, Flare, reinliche Entscheidung!
Ueber die Beratungen der beiden Fraktionen des Herrenhauses, die vorgestern und gestern stattgefunden haben, ist nichts Bestimmtes in die Oeffentlichkeit gedrungen. Liberale Blätter wollen zwar wissen, daß ein Stompromiß auf der Grundlage Altersstimme und Erweiterung der Hervenhaus rechte zustande gefommen sei, doch wird das von der konservativen Presse heftig be. stritten. Auch die Behauptung, der Ausschuß werde in fünf bis sechs Tagen mit seinen Arbeiten fertig sein, wird dort entschieden in Zweifel gezogen. Die„ Kreuzzeitung " hält es indes für richtig, daß das Herrenhaus bestrebt sein werde, seine Rechte zu erweitern. Die Deutsche Tageszeitung" empfiehlt dem Herrenhaus, die Beschlüsse des Abgeordnetenhauses anzunehmen, damit die Regierung endlich die unfruchtbare starre Negation" aufgebe. Das werde ihr erleichtert, wenn sie sich einer großen Mehrheit bei der Häuser des Landtags gegenübersehe. Für den Fall, daß das Herrenhaus diesen Beg nicht gehen wolle, würde nach Ansicht des agrarischen Blattes ein Berufswahlrecht in Frage kommen.
Die Haltung der konservativen Presse' zeigt deutlich, daß ohne Rampf nichts zu erreichen ist. Will die Regierung diesem Kampf aus dem Wege gehen, so fann fie sich begraben lassen!
Die Räumung der Kemmelbastion.
( Telegramm unseres riegsberichterstatters.)
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bruch zwischen Arras und Cambrai Glückliche Abwehr nördlich der Somme Stärkste Angriffe zwischen Oise und Aisne .
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Berlin , 3. September 1918, abends. Amtlich. Zwischen Scarpe und Somme ruhiger Tag. Gestern Nacht hier eingeleitete Bewegungen haben fich planmäßig vollzogen. Beiderseits von Nohon wurden Zeilangriffe der Franzosen abgewiesen. Zwischen Ailette und Aisne haben sich am Abend neue Kämpfe entwickelt.
Amilih. Großes Qaxptquartier, 3. September 1918.( WTB)
Westlicher Kriegsschauplah. Heeresgruppen Kronprinz Rupprecht und Boch it.
Zwischen Opern und La Bassée erfolgreiche Infantericgefechte im Borgelände unferer neuen Stellungen.
Zwischen Scarpe und Somme sette der Engländer seine Angriffe fort. Südöstlich von Arras gelang es ihm durch Einsat ftar? überlegener Kräfte unsere Infanterielinien beiderseits der Chauffee Areas- Cambrai einzustoßen. Jeder Linie Etalag Ostrand Dury- öftlich Cagnicourt- nordwestlich Querant- Nordrand Noreuil fingen wir den Stoß des Feindes auf. Mehrfache Versuche des Gegners, fiber die Höhen von Dury und östlich Cagnicourt gegen den Kanal weiter vorzubringen, scheiterten an dem Eingreifen unserer bereitstehenden Reserven. Beiderseits von Bapaume teilweise mit Panzerwagen, teilweise nach stärkster Artillerie- Vorbereitung vorgetragene Angriffe des Feindes wurden abgewiesen. Nördlich der Somme haben wir nach heftigen Kämpfen die Höhen öflich von Sailly- Moistains- Aizecourt le haut- Ostrand Peronne gehalten.
Beiderseits der Bahn Nesle- Ham schlug das in den letten Kämpfen besonders bewährte Infanterie- Regiment Nr. 271 auch gestern wieder mehrfache Angriffe der Franzosen ab. Sonst zwischen Somme und Dise nur Artillerie Tätigkeit.
Nach mehrständiger stärtster Artillerie- Borbereitung griffen Franzosen , durch marottanische und amerikanische Divisionen ver stärkt, am Nachmittage zwischen Dise und Aisne an. Die aus ber Ailette- Niederung gegen Pierremande und Folembray vorbrechenden Angriffe scheiterten in unserem Feuer. An einzelnen Stellen warf unser Gegenstoß den Gegner zurück. In den Waldstücken westlich und füblich von Couch le Chateau drückte ber Feind unsere vorderen Linien etwas von der Ailette ab. Zwischen Ailette und Aisne sind mehrfach wiederholte sehr starke Angriffe des Feindes gescheitert. Garbe- Küraffiere, Leib- Kürassiere und 8. Dragoner unter Führung ihres Rommandeurs, Oberstleutnant Graf Magnis haben mit dem geftrigen Tage seit ihrem Einsat 16 schwere feindliche Angriffe abgewiesen und die ihnen anvertrauten Stellungen fiets restlos behauptet.
Wir schoffen gestern 13 feindliche Ballone und 55 Flugzeuge, davon 36 auf dem Schlachtfelde von Arras , ab. Hiervon brachte das Jagdgeschwader 3 unter Führung des Oberleutnants Loerzer 26 Flugzeuge zum Absturz. Oberleutnant Loerzer errang dabei seinen 35. Luftfieg.
Der Erste Generalquartiermeister.
Ludendorff.
Der österreichische Bericht. Wien , 3. September. Amtlich wird verlautbart: Nirgends größere Kampfhandlungen,
Der Chef des Generalstabes.
Verteidigungskrieg!
Warum hat Kühlmann eigentlich gehen müssen? Der deutsche Kronprinz hat dieser Tage einem österreichischen und einem ungarischen Journalisten eine Unterredung gewährt und auf die Frage, wovon er das Kriegsende erwarte, geantwortet:
" Davon, daß die Gegner einsehen werden, daß der koloffale Einfas dem Gewinn nicht gleichwertig ist, daß sie nicht so viel gewinnen fönnen, als sie dabei verlieren müssen."
Der deutsche Kronprinz erwartet das Kriegsende also von einer sehr nüchternen und geschäftsmäßigen Einsicht unserer Gegner, in seiner Unterredung mit Dr. Friedegg vom„ Neuen Wiener Journal" gebraucht er sogar das Wort, daß wir den Arieg so lange führen müssen, bis die Gegner einsehen, daß er für sie kein Geschäft" mehr ist.
Und was hat Kühlmann in der Neichstagssitzung vont 24. Juni erklärt?
„ Und ohne solchen Gedankenaustausch wird bei der ungeheuren Größe dieses Koalitionsfrieges und bei der Zahl der in ihm begriffenen auch überseeischen Mächte durch rein mili= tärische Entscheidungen allein ohne diplomatische Verhandlungen ein absolutes Ende kaum erwartet werden fönne."
Diese Worte haben damals den alldeutschen Entrüstungs. Sturm heraufbeschworen. Und doch wird man sagen müssen, daß die Worte des Kronprinzen fachlich viel weiter gehen, als die des Herrn v. Kühlmann. Kühlmann erwartet den Friedensschluß nicht allein von militärischen Entscheidungen; in der Erwartung des Kronprinzen ist aber von militärischen Entschei dungen überhaupt nicht die Nede. sondern lediglich von der Ein. ficht des Gegners, daß die Fortsetzung des Krieges für ihn nicht mehr rentabel sein würde.
Der Entrüstungssturm gegen Rühlmann begann unmittel bar im Reichstag mit einem Mißfallensmurmeln der Rechten. Darauf fuhr der Staatssekretär fort, er fonnte so fortfahren:
Unsere Stellung, unfere ungeheuren Reserven an militärischen Hilfsmitteln, an Entschlossenheit im Innern, gestatten es uns, diese Sprache zu führen."
Das war am 24. Juni 1918, zu der Zeit, als die Deutschen an der Marne und 10 Kilometer vor Amiens standen. Staatsjefretär Rühlmann hat den richtigen Instinkt dafür be wiesen, wann die beste Zeit ist, Berständigungsreden zu halten.
Aber leider gibt es bei uns eine gewisse Art Leute, die nicht einzusehen vermögen, daß die Bekundung von Friedensbereitschaft dann die beste Wirkung erzielt, wenn sie auf der Höhe des militärischen Erfolges einsetzt. Sie tobten, als der Einnahme von Bukarest das deutsche Friedensangebot folgte, sie tobten, daß nach der siegreichen deutschen Frühahrsoffensive Riihlmann die Herbeiführung des Friedens auf anderem als rein militärischem Wege erwartete. Vielleicht hätten dieselben Alldeutschen, die nach der Junirede Kühlmanns Sturz durchjetten, heute gegen seine Worte faum etwas einzuwenden. Aber heute sind derartige Worte eben bedeutend wohlfeiler und entsprechend weniger wirkungsvoll geworden.
Es hätte uns erfreut, die Kronprinzenworte bereits im Juni als eine moralische Unterstützung des Staatsjefretärs zu hören. In jenen Tagen hörten wir auch Hohenzollernworte, aber sie flangen anders. Am 16. Juni hielt der Deutsche Raiser seine Rede vom Kampf zweier Weltanschauungen, der preußisch- deutsch - germanischen Weltanschauung von Recht, Freiheit, Ehre und Sitte, und der angelsächsischen vom Gößendienste des Geldes. Und er fuhr fort:
Diese beiden Anschauungen ringen mit einander, und da muß die eine unbedingt überwunden werden." Deutsche Kronprinz zu dem Vertreter des„ Neuen Wiener Nicht ganz ebenso flingt, was jetzt, im September 1918, der Journals" äußert:
„ Dieser Krieg ist und war in meinen Augen nichts anderes als ein Verteidigungskrieg. Ich habe diesen Krieg niemals für ein leichtes Manöver gehalten und bin niemals der Ansicht gewesen, daß wir die Feinde zerschmettern würden. Ich halte es auch nicht für wünschenswert, daß die Feinde vernichtet werden, weil auf dieser Welt Blag genug für alle Nationen ist."
hatten Bioniere gesprengt. Wie im Norden folgte der Gegner auch im Süden an der Lys und Lawe nur vorsichtig unWestfront, 2. September, mittags. seren ausweichenden Patrouillen, die ihn an vielen Stellen anWelche Erwägungen zur Näumung des Estaire. fielen und durch Gegenstöße seinen Spigen Verluste beibrachten. bogens und zur Aufgabe der stolzen Kemmel. Aus welcher Linie die deutsche Führung den Engländern Halt bastion geführt haben, ob eine drohende feindliche Offensive gebieten will, steht noch nicht fest. Ihr wie den Truppen ist die durch sie zum Luftstoß verpuffte oder ob lediglich die Rücksicht Aufgabe dieser am 25. April durch Alpenforps gestürmten auf die Frontverkürzung und die sich daraus ergebende Truppen- flandrischen Bergfeftung nicht leicht geworden. Aber wie der ersparnis den Rüdgang auf die Sehne des weitvorspringenden Name der Marne , so darf aus der ftolze Name des Kemmels Bogens nahelegten, wird die nächste Zukunft lehren. Fest steht keine Rolle spielen in Erwägungen, die fich um das Ziel des schon heute, daß mindestens zwei amerikanische Divisionen in gauzen Feldzuges und damit um das Schicksal des ganzen Volfes Flandern versammelt sind, was auf Angriffs absichten drehen. Die Aufgabe des Remmels ist freilich nicht nur eine des Verbandes hier schließen läßt. Fest steht ferner, daß Sache des Prestige. Wir werden in Zukunft wieder die längst geplante Zurücknahme der Linie programmäßig ver- genauso unter seinen Kanonen liegen wie wäh= laufen ist. Am Freitag um 11 1hr vormittags hatte der Gegner rend der vergangenen drei Jahre. Gerade darum als der Kampf der beiden Anschauungen, von denen eine unbedie Kemmelkuppen befest. Alles Artilleriematerial aber müssen die militärischen Gründe, die die Aufgabe bedingt überwunden werden muß. In seiner Unterredung mit war in Sicherheit gebracht worden. Sämtliche alten eng- ftimmten, von entscheidender Bedeutung für die Zukunft des dem Vertreter des Budapester„ Az Est" präzisiert der Kronprinz lischen Unterstände und Stollen, von denen besonders im Sattel Feldzuges gewesen sein! auch seine Ansicht vom Sieg genauer, und auch diese Definition zwischen den beiden Kuppen einige noch gut erhalten waren, Dr. A d. Köster, Kriegsberichterstatter, ist eine glänzende Rechtfertigung der Worte, derentwegen Kühl
Plat genug für alle Nationen! Das ist doch etwas anderes,
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