Nr. 250-1918

Unterhaltungsblatt des Vorwärts

Mittwoch, 11. September

Neue Forschungen über den Vogelflug. ströme uso. Gerade über den Bergen ist niemals Mangel an auf. In Groß- Berlin, wo in fast allen Berufen die höchsten Löhne gezahlt

bekannt. Bei Mustelarbeit

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werden, besteht die normale Arbeiterwohnung aus Stube und Küche; in Hannover  , wo weit niedrigere Löhne gezahlt werden, hat die nor­male Arbeiterwohnung drei Stuben und Küche. Die besten groß­städtischen Wohnungsverhältnisse finden sich im Westen und Nord­westen, im Rheinland  , in Bremen  , in Hannover  , die schlechtesten im Osten, in Berlin  , in Königsberg  , in Danzig  , in Breslau  . Dieje Verteilung läßt sich nicht aus dem Einkommen erklären, sondern weist auf die kulturelle Verschiedenheit hin, die bei uns in den Lebensansprüchen zwischen Westen und Osten besteht. Berlin   hat unter allen deutschen   Großstädten die meisten Hinterwohnungen und überhaupt die schlechtesten Wohnungsverhältnisse, und doch gibt es keine zweite deutsche Großstadt, in der die Bevölkerung einen so großen Teil des Einkommens für ihre Wohnung verwendet wie gerade Berlin  .

äußere Energiequelle ausnuten, den Wind, aufsteigende Luft- völkerung wohnt nicht da am besten, wo sie am meisten verdient. steigenden Luftströmen, die bei einer Größenordnung von 1 bis Mühelos tummelt sich de Schwalbe im Luftmeer" jo 2 Meter in der Sekunde, wie sie im Ballon nicht selten zur Beob­glaubt der poetisch angehauchte Naturfreund die meisterhafte Beachtung kommen, völlig hinreichen, den Gleitflug des Kondors, der herrschung der Luft durch die gewandtesten Flieger bezeichnen zu etwa in einem Sinkverhältnis von 1:15 schräg abwärts führen dürfen. Allein diese Angabe ist wie so viele über den Vogelflug würde, horizontal zu machen oder den Vogel sogar ohne jede Sch. vollkommen falsch: beinahe das Gegenteil wäre richtig. Die neuere Muskelleistung Höhe gewinnen zu lassen. Forschung ist zu Ergebnissen gekommen, unter denen manche gewiß überraschen werden. Die Untersuchung geht rein physiologisch vor, indem sie die Frage nach der möglichen Arbeitsleistung der Vögel stellt. Man weiß, wo die Leistungsgrenze für den arbeitenden Konzert des ungarischen Hofopern- Orchesters. Flugmustel der Vögel liegt und kommt dann, wenn man den Ge­Aus dem klassischen Lande der„ Sprosser" und, man kann schon famtstoffwechsel des Vogels berüdsichtigt, zu merkwürdigen Ergeb­nissen. Wenn ein Tier gar keine förperliche Muskelarbeit verrichtet fagen, mit Geige und Fidelbogen geborenen Zigeuner, aus Ungarn  außer der Arbeit des Herzens und der Atemmuskeln, so wird doch kommen sie her: die das hochentwickelte Musitleben in Ungarns  Energie verbraucht. Dieser„ Grundumsatz" ist seinem Werte nach Hauptstadt verköpernden Philharmoniker. Eine imponierende Schar fürwahr! Hundertvier Künstler, zu einer Slangmasse ver­einerlei, ob bei Tier oder Mensch- ichmolzen so tritt die Kapelle hier zum erstenmal in unseren wird ein Vielfaches dieses Grundumfaßes verbraucht. im Fluge erreicht, ist der Verbrauch etwa fünfmal so groß wie der muß dieser Besuch, gleich dem der Wiener Philharmoniker  , Bei einer Taube, die 20 Meter Geschwindigkeit pro Sekunde Gesichtskreis. Als ein musikalisches Ereignis erlesensten Ranges bei uns gebucht werden. um Ungefähr Grundumfaz, und der fliegende Bogel   strengt sich ebenso sehr an, wie diese konzertierende Gesellschaft entstanden, wie ein Holzfäller bei schwerster Arbeit. Es gibt aber eine Grenze, die der Arbeitsumsatz bei Mustelarbeit nicht überschreiten kann: Budapester Hofopern- Orchester mit den Wienern gleichen Schritt das Zehnfache des Grundumfaßes stellt die Grenze dar, und daher gehalten. Es legte jedoch von Haus aus den Schwerpunkt seiner fann eine Taube eine Geschwindigkeit von etwa 25 Meter in der Aufgabe auf die Pflege nationaler Musik. Das ist nun eben Sekunde nicht überschreiten. Der Energieumfaz der Vögel( der sein Charaktermerkmal. nach dem Sauerstoffverbrauch gemessen wird) ist nun( auf eine Gewichtseinheit des Körpers berechnet) um so größer, je kleiner die Vögel sind, und aus diesem Sage werden rechnerisch die Lei­stungsgrenzen für einen Bogel berechnet. Danach kann bei länge­rem Fluge der Kolibri eine Geschwindigkeit von 28,2 Meter in der Sekunde erreichen; für die Schwalbe ergibt sich der Wert 27,5, für den Mauersegler 25,2, für die Möve 22,8, für die Taube 20, für die Krähe 19, für den Fischadler 15 für den kleinen Albatros 14,4, für den Kondor 12,2. Die letzten Zahlen müssen jedem Vogel­tundigen zunächst ganz widerfinnig vorkommen, denn es ist ja be tannt, daß die großen Raubvögel ganz vortreffliche und schnelle Flieger sind. Wenn man aber annimmt, daß sie die zum Fliegen erforderliche Kraft aus sich selbst heraus aufbringen sollten, so tommt man tatsächlich zu dem Ergebnis, daß gewisse Vögel nicht zu fliegen imftande wären.

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Allein die Annahme, daß die Vögel nur ihre eigene Körperkraft zum Fliegen verwenden, ist falsch. Aus den physiologischen Be­trachtungen und Berechnungen fommt man vielmehr zu dem Er­gebnis, daß die Bögel, die nicht Ruderflieger, sondern Schwebe flieger find, äußere Energiequellen ausnüßen müssen. Jeder Vogel hat entsprechend der Größe seiner tragenden Fläche eine gewisse Schwebegeschwindigkeit", die er erreicht, wenn er sich so einstellt, daß er auf den geringsten Widerstand stößt. Diese Schwebegeschwindigkeit beträgt beispielsweise für den Kolibri 17,6 Meter in der Sekunde, für die Schwalbe 5,7, für den Auerhahn 17, für den Seeadler 12, für den Trappen 18 Meter. Gewisse Vögel müßten aber, um diese Geschwindigkeit zu erreichen, einen viel größeren Energieumsah aufbringen, als es physiologisch möglich ist. Vögel von 10 Kilogramm Körpergewicht an, die eine natürliche Geschwindigkeit von 17 Meter haben, stehen eigentlich an der Grenze der Flugmöglichkeit. Der Albatros z. B. müßte, um überhaupt fliegen zu können, das 6,2fache seines Grundumsates aufbringen. Dennoch schwebt er wirklich mühelos oft viertelstundenlang in der Luft, ohne auch nur einen einzigen Flügelschlag zu tun und folgt tagelang den Schiffen, ohne zu ermüden. Daß diejenigen Vögel, welche zu den Schwebefliegern gehören, eine äußere Energiequelle ausnußen, ist aus verschiedenen Um ständen herzuleiten. Beim Fluge in großen Höhen ist die Squer­stoffversorgung natürlich geringer, als in tieferen Luftschichten; für einen Dauerflug in der Höhe von 5500 Meter bei gleicher relativer Beanspruchung des Stoffwechsels wie in der Tiefe steht nur das 2½fache des Grundumfaßes zur Verfügung. Ruderflieger unter den Vögeln stoßen daher in größeren Höhen auf ganz be­deutende Schwierigkeiten des Fluges. Für die Segelflieger gilt das nicht: Humboldt und Darwin   berichten übereinstimmend, wie fie den Kondor stundenlang in gewaltigen Höhen( Humboldt in 6500 bis 7300 Meter Höhe) haben schweben jehen. Ein Ruderflieger von der Größe des Kondors müßte, um sich in 7000 Meter Höhe in der Buft zu halten, das neunfache seines Grundumsabes leisten. Eine folche Steigerung ist in einer solchen Höhe nicht möglich. Es bleibt also das Ergebnis: der Kondor ist nicht imstande, sich mit Hilfe der Leistung seiner Flugmuskulatur in der stark verdünnten Luft in gewaltigen Höhen zu halten, in denen er oft beobachtet wird. Biel­mehr muß er und gleiches gilt für alle Segelflieger eine

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Lodz. Das gelobte Land.

Roman von W. St. Reymont  .

Zum Früdstück und zu dem Mittagessen" machte sie sich zurecht, wie gewöhnlich, und wartete auf ihren Mann; er fam nicht; sie fehrte zu ihren Gebeten und zu ihrem Strid strumpf zurück, angstvoll auf die düsteren Klagelieder horchend, die von unten zu ihr herüberdrangen oder auf die Stimme des Papageis, der unruhig in der Wohnung auf und ab ging und, nervös sich an Portieren und Möbel krallend, mit heiserer Stimme rief:

Budel! Budel!"

Erst nach einer Woche fand das Begräbnis statt; ein Begräbnis, wie es Lodz   noch nie gesehen hatte. Alle Fabriken standen an jenem Tage still, und das ganze Personal betam den Auftrag, hinter dem Sarge von Buchholz einherzuschreiten.

Der Arbeiter hatte zwar um die Jahrhundertwende ein doppelt so hohes Einkommen wie sein Vater vor der Gründung des Deut­macht für diese traurige Tatsache die geringen Ansprüche der Be­schen Reiches, aber er mußte auch doppelt so viel für seine Wohnung ausgeben und hatte damit noch keine bessere Wohnung. Kuczynski dieselbe Zeit, bölkerung verantwortlich für den Mangel an Wohnungskultur, der wirkt, daß der„ Wert" des Grund und Bodens, auf dem ihre färg­lichen Wohnungen stehen und der vor der Bebauung ein paar Dugend Millionen Mark betrug, heute nach Milliarden zählt. Ihre

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hat das

neben

noch in Deutschland   herrscht. Diese Anspruchslosigkeit hat es be­

Anspruchslosigkeit hat es bewirkt, daß der Wohnungsbau vielfach von Leuten betrieben wird, die in jeder Beziehung so leistungs­wirtschaftlich und unnötig teuer ist. Mag immerhin das Verhältnis unfähig sind, und daß infolgedessen der Wohnungsbau ganz un­von Miete und Einkommen auch in Zukunft dasselbe bleiben wie bisher. Wichtiger als eine Aenderung in dieser Beziehung ist eine Steigerung der Ansprüche der Mieter an ihr Heim."

Viehfutter aus Nadelholz.

Alle sinfonischen Vortragsstücke des ersten Vortragsabends waren ungarisch nach Inhalt und Form. Ersterer offenbart sich in der Konzentration alles dessen, was Voltsbrauch, Nationaltlang und feuriger, dabei ritterlicher Gefühlsrhythmus bedeutet. Gerade dieser Rhythmus ist ganz einzig in feiner Art. Damit hängt eine glanzvolle farbige Instrumentierung zusammen. Viel Volkstümlichkeit redet aus den reichlich verwendeten Pfeifen und Schlagwerfen Streich- und Blasinstrumenten jeglicher Gattung. Echte Musikalität war jedem der gespielten Werke zu eigen, so einer fontrapunktisch fein gewobenen Festouvertüre" von F. Edel, einer rauschenden, Die von dem Seeberkehr abgesperrten Mittelmächte sind feines blizenden Serenade" von L. Weiner. Besondere aber stach eine finfonische Dichtung Festverderber" von A. Buttykay hervor. Bu- wegs die einzigen Länder, die sich jetzt überall nach Ersatzstoffen grunde liegt ihr eine Ballade von Arany Janos  , worin geschildert umsehen, sondern auch anderswo werden jetzt zur Verwertung als ist, wie der Teufel als Geiger mehreren Bechkumpanen, die Nährmittel Stoffe vorgeschlagen, an die man im Frieden sicher das Pfingstfest durchzechten, zum Tanze aufspielt und sie nicht mehr nicht gedacht hat. So soll jezt, wie der Tropenpflanzer" erfährt, zur Ruhe kommen läßt bis zum Abgrund der Hölle. Ferner in Schweden   das Vieh mit Nadelholz gefüttert werden, und zwar erregte eine Szene am Theisufer" aus der Oper„ Bank- Ban" von ist bereits vom dortigen Reichsverband der Landwirte der Bau Eckel hohes Interesse. In Erszi B. Sandór, der Solistin dieser einer Fabrik zur Verwertung des Rohstoffs beschlossen worden. Alle Partie, ließ sich eine Sängerin von bestridendem Stimmzauber Nadelhölzer find angeblich für das Verfahren geeignet, am besten vernehmen. Jetzt war der Kontakt zwischen dem Publikum, unter aber der Wachholder, der einfach im ganzen Busch zerhackt und dem sich zahlreiche Ungarn   befanden, und der Kapelle hergestellt. fchließlich zermahlen wird. Das Endergebnis, aus dem noch Eljenrufe, tosender Beifall. Auch nach Liszts Tasso"-Sinfonie, Terpentin und Del gewonnen wird, hat die Bezeichnung„ Tannen­die in pompöjer Wiedergabe diesem ersten Abend die rechte Weihe schrotmehl  " erhalten. Rinder und auch Pferde freffen es fogar un­vermischt gern, doch ist seine Vermengung mit anderem Futter, verlieh. etwa mit Melafie, zu empfehlen. Wenn versichert wird, daß das Futter nicht teurer sei als Heu, so sollte man freilich etwas anderes erwarten. Größere Versuche über Nährwert und Bekömmlichkeit dieses Ersatzfutters scheinen noch nicht unternommen zu sein.

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Miete und Einkommen.

ek.

Notizen.

Die Klagen über Wohnungsnot und Mietsteigerung häufen sich immer mehr, und es ist eine der dringendsten Aufgaben der Be­hörden, den hier seit lange bestehenden Uebelständen abzuhelfen. An dieser wichtigen Aufgabe tatkräftig mitzuarbeiten, unternimmt ein soeben erscheinendes großangelegtes Werk, das vom Deutschen  Eine Kalenderausstellung, die eine gedrängte Bund Heimatschuß und der Bereinigung für deutsche Siedlung und Wanderung gemeinsam veranlaßt worden ist. Es handelt sich um Sicht über die hauptsächlichsten Entwicklungsstufen des Kalenders, das im Verlage von Wilhelm Meher- Jlschen in Stuttgart   ver- feiner wissenschaftlichen Grundlagen und zeitgeschichtlichen Bestre= öffentlichte, von dem Tübinger   Professor C. J. Fuchs herausgegebene bungen geben soll, will das Industrie- und Handelsmuseum in Sammelwert" Die Wohnungs- und Siedlungsfrage Hannover   veranstalten. Näheres ergeben die Ausstellungsbedin= nach dem Kriege", in dem die namhaftesten Fachleute ein aus- gungen, die kostenlos versandt werden. führliches Programm für die künftige Gestaltung unseres Woh­nungswesens aufstellen.

Ein neuer Riefentanal geht feiner Vollendung entgegen. Es ist der sogenannte Erie- Kanal  , der den Grie- See mit Zu dem heute besonders aktuellen Thema„ Miete und Gin- dem Hudsonfluß ungefähr in der Mitte des Staates New York  tommen" nimmt der Direktor des Statistischen Amtes der Stadt vereinigen wird. Eigentlich handelt es sich um ein ganzes System Schöneberg  , Dr. Kuczynski, das Wort. Er geht von dem Satz von Kanälen. Im Jahre 1905 wurde die Arbeit in Angriff genom­aus, den zuerst im Jahre 1865 Schwabe formuliert hat: Je ärmer men, diese Wasserstraßen zu verbessern und auszubauen. Die Aus­jemand ist, desto größer ist die Summe, die er im Verhältnis zu gaben belaufen sich im ganzen auf 150 Millionen Dollars oder seinem Einkommen für seine Wohnung verausgaben muß." Auch fast die Hälfte der Kosten des Panama  - Kanals; die Länge des die neuesten statistischen Erhebungen bestätigen diese alte Regel. Kanals, alle Seen und Flüsse einbegriffen, beläuft sich auf etwa Kuczynski wendet sich dann aber energisch gegen die bisher ver- 790 englische Meilen. Die jährlich auf ihm zu befördernde Güter­tretene Anschauung, daß die Wohnfrage eine Lohnfrage" ist. Es menge wird an 10 Millionen Tonnen betragen, wodurch mindestens ist durchaus nicht richtig, daß die Steigerung des Einkommens der 500 000 Eisenbahnwagen für anderweitigen Verkehr freigemacht Minderbemittelten dazu führe, daß sie bessere Wohnungen erhalten. werden. Der Kanal darf von jedem Dampfschiff ohne besondere Vielmehr steht die Tatsache fest, daß trotz der starken Lohnsteige- Abgabe benutzt werden. Er enthält 57 Schleusen, die alle aus rung in den letzten Jahrzehnten vor dem Kriege eine nennenswerte Beton erbaut, 300 Fuß lang und 44 Fuß sind, und deren einige Berbesserung der Wohnverhältnisse nicht eingetreten ist. Die Be- die höchsten und größten Schleusentore der Welt aufweisen. Spinnereien, die Appreturen, die Färbereien, die Druckereien, die Magazine mit ihren Direktoren, Technikern und Meistern Der Rest der vieltausendköpfigen Menge be­stand aus Arbeitern der anderen Fabriken und fast sämtlichen Lodzer Fabrikanten. Das nimmt ja nie ein Ende!" wiederholte Schaja Rosa fuhr mit Mela, Wysocki und dem alten Grünspan Mendelsohn immer wieder, fich zu seinem Sohn und seinen in einem offenen, mit zwei prachtvollen Rappen bespannten Begleitern wendend, die mit ihm im Wagen hinter dem Zuge Landauer. fuhren, und blidte mit zusammengezogenen Brauen unruhig. Die Mädchen machten leise Bemerkungen über die Menge, auf den Baldachin, der über den Köpfen der Menge schwebte, und Grünspan unterhielt sich mit Wysocki über den Baum­fenfte manchmal das Haupt, zupfte nervös an seinem Bart wollmarkt. Dieser erwiderte bloß einfilbig, weil ihn Mela und bohrte fieberhaft seine Blicke in den Sarg, in dem sein viel mehr interessierte. Sie sah heute besonders gut aus und strahlte über das ganze Gesicht. Feind und Konkurrent jetzt ruhte, Er freute sich nicht über seinen Tod, obwohl er so oft ,, Das ist zu viel auf einmal: höherer Zoll, höhere Tarife mit seinem ganzen fanatischen Haß ihm den Tod gewünscht für rohe Baumwolle und noch höhere Tarife für die Ausfuhr hatte, freute sich nicht, daß er endlich in Lodz   unumschränkt der fertigen Ware ins Reich. Das sag' ich Ihnen, alles zu­herrschen konnte, weil Buchholz gestorben war; Buchholz war sammen ist für uns so ein Fest, daß danach halb Lodz   kaput tot, aber seine Fabriken blieben. Und da packte Schaja ein gehen kann. Unberufen, daß ich es nicht heraufbeschwöre!" Leid, und es stieg eine Teilnahme in seiner Seele auf, in die wütend spuckte er aus. sich etwas wie eine ganz leise Angst mischte.

Eine seltsame Leere verspürte er rings um sich herum, denn zugleich mit Buchholz erstarb auch jeder frühere Neid, der so lange genährte und durch den ständigen Konkurrenz­tampf geschürte.

Die Piotrkowerstraße war auf eine Strecke von mehreren Werst mit Menschen vollgestopft. Diese schwarze Menschen­welle trug auf ihrem Rücken in einer Umrahmung von goldenen Schnüren und brennenden Kerzen die große Trauer­bahre, unter derem von Palmenzweigen umrankten Baldachin Jegt hatte er niemand, den er hassen konnte. der silberne Sarg auf Blumen gebettet war. Mit einem gewissen Staunen blickte er in sich und be­Vor dem Leichenwagen flatterten auf dem Hintergrund griff diesen Zustand nicht, er konnte sich keine Rechenschaft der grauen Straßenwand und des blauen Himmels die mit über ihn ablegen. Trauerflor umhüllten Banner der Kirchenbrüderschaften und„ Es ist Buchholz!" dachte er, mit tiefer Trauer und Un­aller Jnnungen wie eine Schar bunter Vögel. ruhe auf den Sarg blickend.

Mendelsohn, weißt du, was eigentlich mit der Baumwolle ist?" fragte Stippmann.

Was geht mich das an, erzähle es meinem Sohn." " Es wäre wohl aber gut, die amtlichen Nachrichten durch­zulesen", drängte jener.

Die Geistlichkeit in langen Reihen, die Sängerchöre und die vereinigten Fabritsorchester sangen eine düstere Todes- los Hymne, die in durchdringlichen Trauerrythmen über das wogende Menschenmeer dahinfloß und sich emporrang zu den Baltons und zu den mit Zuschauern überfüllten Fenstern, bis zu der in den Abgründen des Firmaments hängenden Sonnenscheibe.

Der Zug bewegte sich langsam, Schritt für Schritt, wegen des furchtbaren Gedränges, das andauernd durch den Zufluß aus den Seitenstraßen noch vergrößert wurde.

" Ich fühle mich etwas unwohl heute, etwas traurig, und da redest du mir von Baumwolle."

Wie heißt traurig! Buchholz war älter als du, na, und da ist er halt gestorben, und du wirst ja noch lange leben."

,, Sie fährt mit Grünspans, gleich hinter unserem Wagen." Schaja beugte sich zum Fenster hinaus, um seine Tochter zu sehen, lächelte zu ihr hinüber, zog aber den Stopf rasch zurück und verfiel in ein langes Schweigen. Seine Begleiter wagten nicht, ihn zu stören.

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Die Baumwolle soll schon in die Höhe gegangen sein?" ,, Wie heißt in die Höhe gegangen! Sie springt wie eine Lokomotive, fie fliegt wie ein Ballon, weil ihr das nichts schadet, aber Lodz   kann es das Genick brechen."

" Ich verstehe nicht den Grund von alledem," sagte Wysocki und versuchte, das Gespräch der Mädchen zu be­lauschen. " Sie verstehen's nicht?. Das ist klar, das ist so flar, wie wenn ein einfacher Strolch Sie am Stragen packte und Ihnen sagte: gib mal dein Geld her, weil ich keins habe und nicht arbeiten mag. Das ist ein ordinäres Geschäft! Wie geht's Ihnen, Herr Kohn?" rief er zu Leo Kohn, ihm die Hand aus dem Wagen entgegenstreckend.

Stohn begrüßte ihn und ging mit einer Gruppe junger Leute weiter.

„ Herr Halpern, hören Sie zu, was ich Ihnen sage. Buchholz hat die erste Pleite gemacht, und die ist ihm nicht geglückt! Aber er wird sich schon dran gewöhnen! Ha, ha, ha!" er lachte über seinen eigenen Wit.

„ Der Lod, das ist keine lustige Operation!" erwiderte melancholisch Halpern. Er war nicht gut gelaunt heute, Gleich hinter dem Sarge schritt die Familie; hinter ihr„ Laß das, Kippmann, du redst da von unangenehmen zitterte vor großer Aufregung und musterte in Gedanken die Hauptadministration und die Gutsverwaltungen; dann Dingen", erwiderte Schaja flüsternd und unwillig und ver- verloren die Gesichter der beim Begräbnis anwesenden schritten unübersehbare Arbeiterreihen, nach den Fabriks- sant mit den Augen in der beweglichen Menschenmasse, die Millionäre. Erst, als der Zug sich auf den Neuen Markt ergoß und in die Konstantinstraße abbog, flüsterte er zu abteilungen und nach dem Geschlecht aufgestellt, Männer und die ganze Straße überflutete. Stanislaw, wo ist Rosa?" Myszkowski, der neben ihm ging: Frauen schritten gesondert; dann kamen die Webereien, die Forts. folgt.)