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Nr. 255. 35. Jahrg.

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Vorwärts

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Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutfchlands.

Redaktion: SW. 68, Lindenstraße 3.

Fernsprecher: Amt Morigplas, Nr. 151 90-151 97.

Montag, den 16. September 1918.

Expedition: SW. 68, Lindenstraße 3. Fernsprecher: Amt Morinplag, Nr. 151 90-151 97.

Die Friedensaktion Oesterreich - Ungarns.

Wo bleibt der Reichstag?

Friedensangebot und Finnland - Abenteuer.

Drei Tatsachen liegen vor, die den sofortigen Zusammentritt des Reichstags notwendig machen: 1. die militärischen Ereignisse, 2. der österreichische Friedensschritt, 3. das finnische Abenteuer. Zwischen den beiden letzten besteht der engste Zusammenhang. Die österreichische Note fordert eine Antwort auch der deut­schen Regierung. Sie wird, sezen wir voraus, so entgegen­fommend und befürwortend wie nur möglich ausfallen. Sie bleibt aber ein Stück Papier , wenn die politischen Handlungen der Regierung ihren Erklärungen widersprechen. Das lächerliche Blindekuhspiel mit der finnischen Thron­frage, als ob die deutsche Regierung davon nichts wüßte, muß aufgegeben werden. Prinz Friedrich Karl von Hessen ist preußischer General und Schwager des Kaisers, er fann die Verwandlung zum Finnen nicht vollziehen ohne dazu die Erlaubnis des obersten Kriegsherrn und des Familienober­hauptes zu haben. Vom Kaiser ist unter den gegebenen Um­ständen zu erwarten, daß er seinem Schwager die Annahme der finnischen Königsfrone untersagt.

Die Fortseßung des finnischen Abenteuers ist die schlimmste Störung der österreichischen Friedensaktion. Sie muß unterbleiben, wenn man neue Berwicklungen nach außen und innen vermeiden will. Die deutsche Regierung ist es dem Volfe schuldig, Handlungen zu

sten Anklagen gegen sie werden könnten.

Der Verständigungsfrieden im Lichte der Kriegslage.

für die Verbündeten die schlimmste und kurssichtigste ist. Man glaube nicht, daß es genüge, sich hinter Militärerfolgen zu verstecken. Selbst wenn diese entscheidender wären als die bisher zu verzeichnenden, würden sie nicht von der Pflicht befreien, Worte zu beantworten, die selbst siegreichen Soldaten angenehm flingen können. Da jeder­mann die Gefahren der offiziösen allzu diskreten Konversationen Von Richard Gädte, fr. Oberst. zugibt, worin die Diplomaten oft ihrer einem anderen Zeitalter an- Nachdem der Vizekanzler des Deutschen Reiches den Ver­gehörenden Phantasie die Zügel schießen lassen, ist es notwendig, ständigungsfrieden als Ziel der Reichsleitung öffentlich verkün­daß die alliierten Regierungen auf den Parlaments tribü- det hat, wird es gestattet sein, ihn auch vom Standpunkte der nen fagen, wie sie es sich vorstellen, daß Frieden gemacht oder Non- Kriegslage aus zu begründen, was vorher vielleicht nicht an­verfationen angefnüpft werden können. Ihre Bedingungen dürfen gebracht gewesen wäre. Auch der Reichskanzler selbst hat ja nicht in gewundenen oder dunklen Redensarten bestehen, sondern erklärt, daß er mit der obersten Seeresleitung müssen als sichere Bestimmungen des Vertrages, worunter alle Welt- boIlkommen einig sei in der Erstrebung des nationen ihre Unterschrift sehen, vorgelegt werden. Es gibt fein Verständigungsfriedens. Diese Auffassung der Ge­anderes Mittel,& allen zu vermeiden, wofern Fallen da samtlage hat legtere offenbar nicht erst im Laufe der lepten sind, und unseren Völkern zu beweisen, daß der Krieg nicht eine Monde gewonnen, sondern schon vor Beginn des Frühjahrs­Minute türzer, aber auch nicht länger dauern wird, als not- feldzuges gehabt. Und auch wir, die in die inneren Verhält­wendig, um einen gerechten Frieden zu erlangen." nisse der Kriegführenden weniger tiefen Einblid besigen als Der Artikel Renaudels zeigt das taktische Bemühen, durch eine jene, fonnten mindestens seit dem Ende des Monat Mai aus Annäherung an die Gruppe Longuet die Verstimmung dem Verlaufe der Dinge zu dergleichen Ueberzeugung gelangen. in den Kreisen der früheren Parteimehrheit zu beheben und vielleicht Die Ereignisse der legten beiden Monate haben damit nichts für die bevorstehenden Barlamentsverhandlungen und den Partei- zu schaffen; ich habe sie nie als einen ins Gewicht fallenden tag ein Parteizentrum mit einheitlicher Taftit zu schaffen. Es ist Mißerfolg betrachtet, sondern nur als einen Ausdruck der tat­aber darüber hinaus als Symptom der Wickungen, die vom öfter- sächlich bestehenden Lage. reichischen Friedensangebot zu erwarten sind, bemerkenswert. Rücktritt Renaudels von der Humanite.

unterlassen, die später einmal Gegenstand der allerschmer- Genf , 15. September. Der Deputierte Renaudel hat in einem Schreiben an den Schriftführer der sozialistischen Partei angekün­Auf keinen Fall aber darf eine so entscheidend wich- digt, daß er von der Leitung des Parteiblattes, der" Humanité", tige Aftion, wie die finnische, unternommen werden, ohne daß die er seit dem Tode Jaurès ' innegehabt hatte, zurücktritt. der Reichstag über sie gehört worden ist. Die Regierung sollte es sich dreimal überlegen, die Verantwortung für dieses unsinnige Abenteuer allein zu übernehmen. Schon darum ist die sofortige Einberufung des Reichstags not­wendig.

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England zur Payer- Rede.

Gegen den Frieden von Brest - Litowst. Amsterdam , 14. September. Wie das Reutersche Bureau mel­det, bringen die englischen Blätter Kommentare über die Rede des Die Wiener Note hat eine Ausdehnung der Beratungen des Bizetanglers v. Bayer, worin sie einstimmig die Forderung interfvaktionellen Ausschusses, die am Freitag beendigt werden aufstellen, daß die Eroberungen Deutschlands im Osten wieder sollten zur Folge ghabt. Als am Sonnabend die Meldungen über rückgängig gemacht werden müssen. die Wiener Note in Berlin eingetroffen waren, empfing Staats- Das liberale Daily Chronicle" schreibt: Was Herr sekretär von inte die Führer der Mehrheitsparteien, v. Baher über den Osten sagte, schließt jede Möglichkeit aus, daß um ihnen die Nachricht zu übermitteln. Staatssekretär von Hinge feine Bedingungen als Grundlage für ein Abkommen in Betracht machte die Erschienenen mit der Ansicht der Regierung über die gezogen werden. Die Verträge von Brest - Litowst Note bekannt. Der Versammlung gesellten sich schließlich auch die werden von der Entente und Amerika niemals Führer der nicht zur Mehrheit gehörenden Fraktionen zu: Haase, anerkannt werden. Stresemann, Westar p. Wie es heißt, ist der Aktion Die Kommentare der konservativen Preffe find entsprechend der österreichischen Regierung eine Benachrichti- schärfer." Times" schreibt: v. Payer habe die deutschen Friedens­gung der deutschen Mehrheitsparteien durch das bedingungen in einer Aufrichtigkeit bekanntgegeben, für die man österreichische Parlament vorhergegangen. Die ihm nicht dankbar genug sein könne. Kein Defaitist in allen durch die österreichische Friedensatbion geschaffene neue Lage macht es Ententeländern könne jezt noch etwas dagegen haben, daß die notwendig, daß die Beratungen des interfraktionellen Ausschusses Türe zu einem Vergleichsfrieden zugeschleudert fortgesetzt werden. Der Ausschuß hat auch am Sonntag getagt. wird. Man nimmt an, daß auch noch Besprechungen zwischen dem Aus­

Offenbar hat der deutsche Feldherr den großen Angriffs­stoß des 21. März und die folgenden nicht mit dem Ziel und in der Hoffnung unternommen, die gegnerischen Streitkräfte niederringen, sie zur Fortsetzung des Kampfes untüchtig machen zu können. Wäre dies die Absicht gewesen, so hätte er ia in der Tat mit einem Mißerfolg geendet. Auch hat er nicht einen großen Raum erzielen wollen, denn zum Berschluß der Tore nach Deutschland genügt das, was wir besigen, vollkommen; es ist ein weites und start befestigtes Vorfeld, das die Kriegsfurie bon unseren Wällen fern hält. Die Ziele der deutschen Heeres, leitung glaube ich vielmehr dahin verstehen zu sollen, daß sie den Gegner an Streitkräften und an Streitmitteln möglicht schwächen, seine Zahlenüberlegenheit dauernd niederhalten, seine Kriegslust dämpfen und in immer weiteren Streifen der feind lichen Heere und Völker die Ueberzeugung einpflanzen wollte, daß die Fortsetzung des furchtbaren ingens, in der Ansicht, die Mittelmächte niederstvingen, ihre Widerstandskraft vernich ten zu können, eine Utopie und die Fortsetzung des Blut­vergießens darum eine verbrecherische Torheit sei. Unser An­griffsfeldzug des Frühjahrs blieb also seiner inneren Bedeutung nach eine tatkräftig geführte Verteidigung, wie der starke Aus­fall aus einer belagerten Festung. Es lag ihm also etwa die gleiche Absicht zugrunde, wie nach den Worten des neuen Chefs des Admiralstabes unserem Unterseebootfriege, nämlich Eng­land an den Verhandlungstisch zu bringen. Diese maßvolleren Ziele hat unser Frühjahrsfeldzug teilweise bereits erreicht, teilweise ist er ihnen näher gekommen. Denn unleugbar ist auf der Gegenseite die Hoffnung, einen sogenann ten Vollfieg erzwingen, Deutschland unter ein faudinisches Joch bringen zu können, in immer weiteren Kreisen im Schwinden, Träumen berauschen. Was aber die Schwächung der feind­lichen Kriegsmacht anbetrifft, so ist sie in vollem Maße gelun­Zürich, 15. September. ( Eig. Drahtber. des Vorwärts".) gen; Fochs Gegenstöße wären weit gefährlicher geworden, wenn Der Pariser Populaire" publiziert einen Brief des ita- die Angriffskraft seiner französischen und englischen Heere nicht lienischen Parteivorstandes an den französischen anläßlich der Ein- durch den Viermonatsfeldzug vorher ganz empfindlich vermin­labung Sendersons zur Londoner interalliierten Konferenz. Der dert worden wäre. Alle ihre ruhmbollen Berichte bringen die Parteivorstand legt die Gründe dar, warum er die Teilnahme ab- Gegner denn auch über das Bewußtsein nicht hinweg, daß sie lehnt. Die Konferenz finde auf Antrag Gompers, des Präsi- nichts Entscheidendes erreicht haben, daß im Gegenteil der denten der amerikanischen Arbeiterföderation, statt, welche der rechtzeitige Rückzug des deutschen Heeres ihnen ihre Beute ent­Internationale nicht angehört und von den sogiali rissen hat. Auch wenn man ihren Angaben über Gefangenen­stischen Prinzipien und Methoden, welche die Haltung in der zahlen und eroberte Geschüte traut, bleibt die Tatsache be­Kriegsfrage bestimmen sollen, weit entfernt sei. Die Konferenz stehen, daß die Beute an Gefangenen und Kriegsgerät, die wir tömme tein praktisches Resultat ergeben außer etwa die in den letzten sechs Monaten gemacht haben, die ihrige um mehr Grteilung des sozialistischen Bürgerrechts an die Gomperssche als das Doppelte übertrifft. Aehnlich wird es um die blutigen an Weiter nehmen Rriegstreiberei. der Konferenz Berluste stehen. Ich habe erst vor einigen Tagen nachgewiesen, daß die amtlichen Angaben über die englischen Verluste ganz erheblich zu gering sind; die Gesamtverluste der Franzosen , Engländer und Amerikaner einschließlich ihrer farbigen Brüder während der letzten sechs Monate veranschlage ich auf bis 134 Millionen Mann, eine furchtbare Zahl, die jedem mensch lich fühlenden Herzen den Gedanken an eine Beendigung des Mordens nahe legen sollte.

fchuß und dem Reichskanzler bor fich gehen werden. Dit ziemlicher Der interalliierte Arbeiterkongreß in London mögen auch Clemenceau und Lloyd George jich noch an blutigen

Sicherheit darf angenommen werden, daß die Aktion der öfter­reichischen Regierung auf die Dispositionen, die über die Einbe= rufung der deutschen Parlamente getroffen waren, nicht ohne Ein­fluß bleiben wird. Es wird in parlamentarischen Kreisen nicht für angängig gehalten, daß die großen Fragen der Friedens- und Zukunftspolitik angeschnitten werden, ohne daß man die Barla

mente hört.

Der Reichskanzler empfing gestern mittag die Parteiführer. Gegenstand der Beratung bildete die deutsche Antwort auf die österreichische Note, die in kürzester Frist zu erwarten ist.

Frankreich und die Burian- Note.

Die Stellung der Sozialisten.

Italienischer Proteft.

p. Bern , 15. September. ( Gigener Drahtbericht des Bor- pseudosozialistische Parteien teil, welche während des wärts".) Die hier eingetroffenen legten Blätter aus Paris fonnten Strieges improbisiert wurden und mit denen die wahrhaft sozia natürlich zur österreichisch- ungarischen Friedensnote noch nicht liftischen und internationalistischen Parteien jeden Kontakt ver­Stellung nehmen, stehen aber schon durchaus unter dem Eindruck meiden müssen, so z. B. die Unione Socialista Italiana. Anderer­der bevorstehenden und angekündigten Attion. Das Blatt Clemen- feits find legitime Vertreter sozialistischer, an die Internationale ceaus" Somme libre" meldet seinen Lesern in großen Buchstaben: angeschlossener Parteien, wie die amerikanische Socialist Party und Das Friedensmanöver wird sichtbar". die russische Sozialdemokratie ausgeschlossen. Ferner glaubt der Gegen diese Art, den Friedensvorschlag eines Gegners von vorn- Barteivorstand, daß alle Anstrengungen zur Wiederaufnahme der herein zu diskreditieren, wendet sich mit ungewöhnlicher Schärfe der internationalen Beziehungen allen Sozialisten gelten müssen, sonst weit rechts stehende Renaudel in der Humanité". Ge ge- tvelche den Burgfrieden ablehnen. Sie müssen die Aktion für den müge nicht, schreibt Renaudel, die erwartete Erklärung einfach als sofortigen Frieden und gegen das kapitalistische Regime im Friedensmanöver abzutun, sie sei vielmehr eine Mahnung an Bimmerwalder Sinn herbeiführen. bie Verbündeten. Wenn wir diese nicht Rechnung tragen, dann" Populaire" publiziert anschließend daran eine Buschrift des merde man die Mißstimmungen wiederkehren sehen, die nicht französischen Vorstandsmitglieds, Genoffin Rauze, welche namens gänzlich beseitigt seien, da über das Schicksal der Czerninschen ihrer Gesinnungsgenossen dem italienischen Standpunkt Friedensattion und der von Kaiser Karl eingeleiteten Versuche a ustimmt und die Haltung auch der französischen Minoritäts­öffentliche Erklärungen fehlten. Wir können", fährt Renaudel sozialisten, die in London die Intervention in Rußlanb fort, nicht oft genug wiederholen, daß die Schweigepolititlund die Ausschließung der Bolschewiti akzeptierten, berwirft,

Voraussichtlich wird die deutsche Heeresleitung bei dein bisherigen Charakter ihrer Kriegsführung, in scharfer Erkennt­nis der Lage, auch in Zukunft verbleiben, was nach dem oben Gesagten gelegentliche Angriffsunternehmungen auch größeren Umfanges feineswegs ausschließt. Heimschicken" wird nach einer Aeußerung Hindenburgs ihr Losungsvort bleiben, und nicht niederschlagen".

Die gleiche Erkenntnis ist bei der feindlichen Führung noch nicht durchgedrungen. Sie wird ihre Massen von neuem in Großkämpfe heben und von neuem um den Lorbeer eines ent­scheidenden Sieges fechten unter Umständen, die die Gegner