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Nr. 267. 35. Jahrg.

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.Sozialdemokrat Berlin  ".

NO

Vorwärts

Berliner Volksblaff.

10 Pfennig

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Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 68, Lindenstraße 3. Fernsprecher: Amt Moritplat, Rr. 151 90-151 97.

Sonnabend, den 28. September 1918.

Expedition: SW. 68, Lindenstraße 3. Fernsprecher: Amt Morigplas, Mr. 151 90-151 97.

Bulgariens   drohender Abfall.

feindlicher Vorftoß gegen Cambrai  .

Heute müssen wir uns mit allem Mut, der dazu gehört, folgende Lage als möglich vor Augen stellen: Bulgarien  berläßt den Vierbund, um mit der Entente Frieden zu machen, Desterreich- Ungarn und die Türkei   schließen sich diesem Schritt an. Das heißt, daß unser Arm südwestlich nicht mehr über Bodenbach hinausreicht und daß wir jeden Ein­fluß auf die Teile Polens   und der Ukraine   verlieren, die von Desterreich besetzt sind. Dann stehen wir, deutsches Volk, allein gegen Franzosen, Engländer, Italiener, Amerikaner und ihre zahllosen Hilfsvölker und fämpfen mit dem Rücken an der Wand, den Untergang vor unseren Augen.

Doch wir müssen uns das Bild noch weiter ausmalen: Mutlosigkeit bemächtigt sich der Soldaten, die Westfront bricht, der Feind strömt in unser Land. Deutsche   Städte gehen in Rauch und Flammen auf. Flüchtlingsscharen wälzen sich oftwärts, ihr Zug vermischt sich mit dem des ordnungslos zurückflutenden Heeres, dringt in alle Städte ein, übervölkert die Häuser, kampiert im Freien, stellt die Verwaltung vor unlösbare Aufgaben und verbreitet überall den Geist hoff­nungsloser Niedergeschlagenheit.

Die Nahrungsmittelzufuhr, die vier Jahre lang wie ein dünner Strahl rieselte, versagt jezt ganz. Auf den Straßen sieht man Menschen, die sich plöglich um sich selber drehen und dann niederstürzen, vom Hunger getötet. Es gibt keine Kohlen mehr, folglich fein Licht und feine Straßenbahn. Die Industrie stodt, bermag sich in der allgemeinen Verwirrung nicht von der Kriegswirtschaft zur Friedenswirtschaft umzu­stellen und entläßt ihre Arbeiter. Der Munitionsarbeiter, der ' heute vielleicht hundert Mark in der Woche nach Hause trägt, steht morgen vor dem Nichts und kann sich die wenigen noch borhandenen Nahrungsmittel, die zu phantastischen Preisen gehandelt werden, nicht leisten. In Millionen Familien sagt man sich, wie gut es noch war, als man seine fieben Pfund Kartoffeln und seine vier Pfund Brot die Woche hatte und daß man jetzt erst weiß, was nacktes Elend ist.

Hunderttausende sterben, eine Wahnsinnsstimmung be­mächtigt sich der Ueberlebenden. Wer weiß, wie lange man noch lebt so will man sich wenigstens noch an jenen rächen, bie schuld an diesem Elend sind. Aufstände brechen aus, die man mit blutiger Gewalt niederzuschlagen versucht. Statt des Krieges draußen der Krieg daheim, Schüßengräben in den Straßen, Maschinengewehre in den Häusern, Leichen von Männern, Frauen, Kindern auf dem Pflaster.

Man stirbt, stirbt alle Tode. Durch den Hunger, die Kugeln, die Seuchen, die im Gefolge dieser Schrecken nicht ausbleiben. Auf dem Weg zu überfüllten Spitälern stürzen Kranke zusammen, man lädt sie auf Wagen, um sie draußen, ohne Sarg, zu verscharren.

Inzwischen verhandelt die Regierung, die dritte, fünfte, fiebente, die feit dem Sturze der letzten eingesezt ist, mit den Gegnern. Da sie keine Widerstandskraft mehr hinter sich weiß, gibt sie dem Feind alles, was er haben will, Land, den Goldschatz der Reichsbant, stellt Milliardenwechsel über Milliardenwechsel aus, geht jede Berpflichtung ein, die man ihr abpreßt, denn sie muß ja Frieden haben, Frieden um jeden Preis! Aber dieser Frieden wird kein Frieden sein, der nährt! Er wird die Hölle auf Erden sein, wird schlimmer sein selbst als Rrieg!

Französisch- amerikanischer Durchbruchs: versuch in der Champagne   und zwischen Maas   und Argonnen  - Feindliches Vor­dringen bei Tahure und Nipont ſo­wie im Maasbogen bei Montfaucon Neue Angriffe gegen Cambrai  . Berlin  , 27. September 1918, a bend 8. Amtlich. Zwischen den von Arras   und Perronne auf Cambrai   führenden Straßen und gegen die Sieg­fried- Front westlich von Chatelet haben An­griffe der Engländer und Amerikaner unter gewal­tigem Einsatz von Truppen begonnen. Der Angriff in Richtung auf Cambrai   gewann Gelände. In der Champagne   sowie zwischen Argonnen  und Maas   find erneute schwere Angriffe der Franzosen   und Amerikaner gescheitert.

Amtlich. Großes Hauptquartier, 27. Sep­tember 1918.( WIB)

Weftlicher Kriegsschauplatz.

In der Champagne   zwischen den Höhen westlich der Suippes und der Aisne   sowie nordwestlich von Verdun  zwischen den Argonnen und der Waas haben Franzosen  und Amerikaner gestern mit starken Angriffen begonnen.

Der Artilleriekampf dehnte sich über die Höhen westlich der Suippes nach Westen bis Reims  , über die Maas   nach Osten bis zur Mosel   aus. Dort folgten nur Teilangriffe; fie wurden nach heftigen Kämpfen abgewiesen. Bei ihrer Abwehr östlich der Mans zeichneten sich auch österreichisch ungarische Truppen aus.

An den Hauptangriffsfronten leitete gewaltiges Artillerie­fener die Infanterieschlacht ein. Westlich der Aisne   brach der Franzose, östlich von den Argonnen der Amerikaner unter Einsatz zahlreicher Panzerwagen gegen unsere Stellungen bor. Befehlsgemäß wichen unsere Borposten fämpfend auf die ihnen zugewiesenen Verteidigungslinien aus. Bei Tahure und Ripont gelang es dem Gegner in seinen bis zum Abend fortgesetten Angriffen über unsere vordere Kampflinie hinaus bis auf die Höhen nordwestlich von Tahure und bis Fontaine en Dormois vorzubringen. Hier riegelten Reserven gegen örtlichen Einbruch des Feindes ab. Mit be­sonderer Stärke führte er seine Angriffe gegen unsere Stellungen swischen Auberive und südöstlich von Somme Py.   Sie brachen vor unseren Kampflinien unter schwersten Verlusten für den Feind zusammen. Auch nördlich von Cernay   scheiterten die bis zum Abend mehrfach wiederholten feindlichen Angriffe. In den Argonnen schlugen wir Teilangriffe des Gegners ab.

Zwischen den Argonnen und der Maas   stieß der Feind über unfere vorderen Kampflinien hinaus bis Montblain­Montfaucon und bis an den Maasbogen nordöst­lich von Montfaucon vor. Hier brachten ihn unsere Reserven zum Stehen.

Der Feind konnte fomit an einzelnen Stellen unsere In­fanterie- und vorderen Artillerielinien erreichen. Der mit weit­gefteckten Zielen unternommene große französisch- amerikanische Durchbruchsversuch ist am ersten Schlachttage an der Zähigkeit unferer Truppen gescheitert. Neue Kämpfe stehen bevor. Der Erste Generalquartiermeister.

Lubendorff.

Der österreichische Bericht.

ien, 27. September. Amtlich wird verlautbart: An der tiroler und venetianischen Gebirgsfront Artillerie­kämpfe und Patrouillengeplänkel. Auf dem westlichen Kriegs­schauplay nehmen österreichisch ungarische Truppen an stämpfen östlich der Maas   ruhmenswerten Anteil. Der Chef des Generalstabe 8.

den

alle Weiterblickenden vom ersten Tage an gesagt haben, als ein reiner deutscher Verteidigungskrieg. Als solcher muß er jetzt so rasch wie möglich und so gut wie möglich zu Ende ge­bracht werden. Wir Volt haben dazu unsere Pflicht getan und denken nicht, sie im letzten Augenblick zu verlassen. Nun tut auch Ihr oben Eure Pflicht, bescheidet Euch in Dankbar. feit flir all das, was Euch erspart und erhalten blieb, und be­greift, daß die neue Zeit da ist, in der die Völker sich selbst regieren!

*

Ueber die Lage in Bulgarien   stehen bis zu dieser Stunde Meldungen von entscheidender Bedeutung noch aus. Die Nachricht von seinem drohenden Abfall hat hier die Volks­stimmung um so schwerer getroffen, als es leider nicht möglich war, die deutsche Deffentlichkeit bisher über die Vorgänge auf dem Balkan   in ausreichender Weise aufzuklären. Daß Herr Malinow  , der vor einigen Monaten Herrn Radoslavow in der Führung der bulgarischen Staatsgeschäfte ersetzte, ein Freund der Entente ist, war in politisch unterrichteten Kreisen von Anfang an eine bekannte Tatsache. Vom Tage der Ernennung Malinows ab wußte man also in der politischen Welt genau, daß das Bündnis aufs schwerste bedroht sei. Zu der Entente­freundlichkeit des Kabinetts trat das außerordentlich große Friedensbedürfnis des Volkes, das seit Monaten auf die Ver­pflegung durch gerbröckelndes und schwer verdauliches Mais­brot angewiesen ist. Es liegt in der Natur der Sache, daß unter der Leitung einer ententefreundlichen Regierung der Krieg gegen die Entente nicht mehr mit der alten Kraft geführt werden konnte, und das erklärt auch die militärischen Ereig nisse, die nicht allein das Entscheidende, sondern nur die legten Tropfen waren, die den Kelch zum Ueberlaufen brachten.

Aus den Meldungen der Bulgarischen Telegraphenagentur geht hervor, daß der Ministerpräsident Malinow   nicht ganz auf eigene Faust, sondern im Einverständnis mit den Führern seines Regierungsblocks gehandelt hat. Die beiden Parteien, die des Sonderfriedens und die der Bündnistreue, scheinen sich die Wage zu halten. Aber auch, wenn es den Anhängern des Bündnisses gelingen sollte, Oberhand zu bekommen, so wird man sich über den Wert, den die Erhaltung seines Bündnisses für Deutschland   noch haben kann, feiner Täuschung hingeben. Die Wiederaufrichtung Bulgariens   würde uns die Aufgabe er­leichtern, den Krieg als Verteidigungskrieg zu einem ehren­bollen Ende zu bringen, nicht ums aber der Notwendigkeit ent­heben, alles, was mit der Ehre und Zukunft des deutschen  Bolkes vereinbar ist, zu tun, um einen raschen Abschluß herbei­zuführen.

Bulgariens   Waffenstillstands­angebot.

Die Bulgarische Telegraphen- Agentur hat gestern bestätigt, daß die bulgarische Regierung beschlossen hat, einen Waffen­stillstand anzubieten, der die Bedingung eines Friedensschlusses haben soll. Sie meldet:

In Erwägung des Zusammentreffens der jüngst ein­getretenen Umstände nnd nachdem die Lage gemeinsam mit Weil uns bieses Bild niemals Derließ, dar um sind wir allen zuständigen Stellen erörtert worden ist, hat die bul­Sozialdemokraten stets für die nationale Verteidi. garische Regierung in dem Wunsche, dem Blut­gung eingetreten. Gewiß, selbst diesem Nachtbild würden bergießen ein Ende zu sehen, den Generalissimus die lichteren Stellen nicht fehlen! Es ist jetzt die Stunde ge­des Feldheeres ermächtigt, dem Oberbefehlshaber der Entente­kommen, ganz offen zu reden, und wir sind entschlossen, eg heere in Saloniki die Einstellung der Feindseligkeiten vor­zu tun! In dem allgemeinen Tohuwabohu würde sehr viel zuschlagen, um Verhandlungen mit dem Ziele des zum Teufel gehen, was wir Sozialdemokraten Abschlusses eines Waffen tillstandes und des Tänast zum Teufelgewünscht haben, neben vielem Friedens einzuleiten. Die Mitglieder der bulgarischen Unrecht würde sich auch mancher Aft weltgeschichtlicher Ge­Abordnung sind gestern abend abgereift, um sich mit den Be­rechtigkeit vollziehen. das Aufräumen wäre gründlich. Aber vollmächtigten der kriegführenden Ententestaaten in Verbindung mer will solchen Preis zahlen, zumal das, was er be­zu feten. gehrt. billiger zu haben ist, wer hat das Herz, sein eigenes tien find dafür notwendig, daß sie nicht nur dazu bestellt ist, die Dieser Meldung gibt Wolffs Bureau allerdings einen Volk solchem unbeschreiblichem Jammer auszusehen, wenn er früher Verantwortlichen von den Unannehmlichkeiten des Zufat, der wohl andeuten foll, daß das Angebot noch nicht es überhaupt noch hindern fann?! Es bemerkt Friedensschlusses zu entlasten, sondern daß sie dazu da ist, nach endgültig schwere Tatsache geworden sei. Darum, nicht um die Machthaber zu schützen, muß die dem Willen des Volfes zu bleiben und über die dauernde Er- nämlich: eft front fest bleiben. Neder der Unsern, den wir mit haltung des Friedens zu wachen. Nur der Völker bund Die Nachricht von der Abreise der Delegation Sorgen draußen wiffen, muß sich dessen bewußt sein, daß es nur die allgemeine Abrüstung kann ihr und dem Bolf für den Waffenstillstand erweist sich nach neueren Nachrichten jett auf ihn mehr antommt als je! ett handelt es sich wirk- die Rraft geben, wieder aufzubauen, was in vier furchtbaren als unrichtig." lich nicht um Eroberungen, jetzt handelt es sich darum, in Ord- Jahren verwüstet worden ist. Aber das Angebot ist gemacht, und Ministerpräsident nung und ohne unerträgliche Belastung in den Frieden zu Die Regierung, die an den Friedenstisch geht, muß eine Malinow hat die Parteien, die ihn auf seinen Posten gestellt kommen. Alle Wahrscheinlichkeit spricht auch dafür, daß es jetzt Wolfs   regierung sein, die das ganze Bolt hinter sich hat, wo haben, hinter sich. Nach einer weiteren Meldung der Bul­nicht mehr lange dauern kann. Die Standhaftigkeit einiger es gilt, die Sicherheiten des kommenden Friedenszustandes feft- garischen Telegraphenagentur veröffentlichen die Parteien des Wochen kann uns das Elend vieler Jahre ersparen! zulegen, aber auch dort, wo es notwendig ist, den imperialisti- Regierungsblocks folgende Note:

"

Die Regierung muß alles tun, um sobald wie möglich zu- fchen, Deutschlands   Zukunft vernichtenden Forderungen der In Nebereinstimmung mit den Parteien des Blocks hat fammen mit ihren Verbündeten an den Konferenztisch zu Gegner mit feftem Willen zu begegnen. Das fann sie nur tun, die Regierung gestern am 25. September nachmittags 5 Uhr fommen. Es wird eine Regierung der deutschen   De- wenn die Front fest ist und wenn im Lande Ordnung herrscht! dem Gegner ein amtliches Waffenstillstands. mokratie sein müssen, die zur Konferenz geht, und Garan- Der größte Krieg, den die Menschheit erlebt hat, endet, wie angebot gemacht. Die Parteien des Blocks richten an das