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Extrablatt Borwärts

Organ der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Nummer 2

Mittwoch, den 8. Jaunar 1919

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Nummer 2

Gescheiterte Vermittlungsversuche

Aufruf zur Bewaffnung des Volkes.

Volkes.

Der Vorfland ber sozialdemokratischen Bezirksorganisation veröffentlicht einen Aufruf, in dem es heißt:

Arbeiter! Bürger! Goldalen! Genossen!

Keine Stunde vergeht ohne neue Gewaltlaten, ohne neue Berbrechen der Spartakusleute und ihrer verblendeten Helfers­helfer.

Spartakus will keine Pressfreiheit.

Hier nur eine klenie Auswahl der Schandtafen aus den lehten, Stunden:

Am Montagabend meldete fich, geführt von Ledebour , eine De­putation der revolutionären Obleule, um unter Bermittlung eini­ger Unabhängiger Berhandlungen mit der Regierung zu führen. Während de Reg'erung auch jeht noch bereit und gewillt jedes unnötige Blutvergießen zu vermeiden, in die Berhandlungen ein­traf, schrift die spartakistische Mörderbande zu neuen Tafen.

Die Kaserne der Gardepioniere, einer als regierungstren be­kannten Trupp, in der Köpenicker Straße , wurde von bewaffne­fen Haufen, ausgerüstet mit Flammenwerfern, gestürmi, mit Ra­nonen beschossen und schließlich von den Spartakiffen beseft.

In der Norddeutschen Druckerei, wo eines unserer Fine

Fluo­bläffer gedruckt wurde, drongen bewaffnete Haufen und zwangen mit vorgehaltenem Revolver das Druckereipersonal, die Arbeit einzustellen, während die fertigen Flugblätter gerank! wurden.

Die Lindendruckerei, wo eine Ertraausgabe des Borwärts bergefiellt wurde, wurde ebenfalls von Spartakiften' geftürmt, bie Maschinen angehalten, die fertiggestellten Zelingen geraubt und in die Spree geworfen.

Morgens um 4 Uhr fuhr ein Aule, befett ron 20 Mann, and. yezte mil zwel Maschinengewehren, au des Dreifallsfellshee in der Mauerstraße auf and fing an, nach dem Reichshonzfer­palais zu schießen. Nachdem die Mannschaft von unseren Trap­en überwältigt war, erklärte der Führer, egentlich habe er von Polizeipräsidiam den Auftrag erhalten, die Maschinengewehre vor dem Marstallgebäude in Silung zu bringen!

Solche Talen erachten die Spartakiften als die geeignete Be­gleitung zu den Berhandlungen. Während im Reichshangierhaus ein Waffenstills and besprochen und vereinbart wird, fährt man in der Schreckensherrschaft fort, übt weiter Mord, Raub und Plunderang!

Ganz in der Weise und mit ben Mitteln bed allen renolufio­nären Soffems unterbindet man die frele Meinungsäußerung. Nicht genng, daß man ber Berliner Arbeiterschaft the Organ ben Bormärts" raabt, men führt anch, ganz nach dem allen uffer, Die Preffzenfur wieber ein. Die Krejzettung" erscheint heuf morgen unter Vorzenfet. Jun Tert finden sich weiße Stellen, man hat die Bekanntmachungen der Reichsregierung und der Mehrheitsparfi geffe dhen, mährend natürlich die Aufrufe der Un abhängigen und Sparlahiffen am Abbruch gelangen.

Jetzt ist es jeden Mannes Pfligt, fein Leben für die Erhaltung der Freiheit, für die Errungen­fchaften der Revolufion einzusehen! Erclef har nen ge­bildeten freiwilligen republikanischen Soahwehr bei! Meldel Ench in Maffen im Werbebüro Wilhelmstr. 74. Bringt Eure Legiti mationen mit, dort erfahrt The Näheres!

rung und der Zentralrat hätten sich um jeden Krebit gebracht, wenn sie auf ein so mertwürdiges Berlangen eingegangen wären. Daß die Beseitigung eines widerrecht­lichen An- und Eingriffs, wie es die Besetzung der Eisenbahndirektion war, von den revolutionären Obleuten zat einem Angriff der Regierungstruppen ungefälscht wird, zeigt ebenfalls die verfehrte Belt, in der die Unruhe­fifter Berlins leben. Es sei nur noch hinzugefügt, daß die Lahmlegung des gesamten Eisenbahnbetriebes, also aller Nahrungsmittel und Kohlenzufuhr ge­droht hätte, wenn die Eisenbahndirektion nicht schleunigst wieder in den Besitz der rechtmäßigen Behörden gekommen

wäre.

Die revolutionären Obleute werden sich möglicherweise noch heute abend zu neuen Berhandlungen im Reichstanzler­haus einfinden. Die Regierung hat ihren Be­dingungen nichts hinzuzufügen und wird sich nichts abhand eln lassen.

Erbitterte Kämpfe

Die Nervenprobe.

Die schaffende Bevölkerung Großberlins steht seit zwei Tagen unter der härtesten Nervenprobe. Sie fieht in den Straßen der Reichshauptstadt ein Treiben sich entwickeln, das fie aus dem tiefften Grund ihrer Seele verabscheut und steht ihm seien win offen- bis zu diesem Augenblick noch faft machtlos gegenüber.

Die Gewalt ist stets reaktionär gewefen!" Dieses Wort Wilhelm Liebknechts findet heute, wo fein entarteter Sohn über Berlin Gewalt zu üben versucht, volle Bestäti­gung. Die er fte Revolution, die fich fast gewaltlos vollzog, brachte uns die Befreiung von der Herrschaft der alten Autoritäten, brachte uns die Freiheit der Meinungsäuße­rung und das Selbstbestimmungsrecht des Boltes durch das allgemeine Stimmrecht. Die zweite Revolution", als die man den schmählichen Butsch dieser Tage bezeichnet, beruht auf der Gewalt, die von einer verwegenen Minderheit gegen die ungeheure Mehrheit auszuüben versucht wird, sie bringt zugleich die empfindlichste Beschräntung aller staatsbürger­lichen Freiheiten, die sich benten läßt. Ein großer Teil der Spartatus 3 ensur gestellt, und das Recht der Berliner Bevölkerung, zur deutschen Nationalversammlung wählen zu dürfen, ist aufs äußerste gefährdet.

ums Brandenburger Cor. Breffe ift gewaltsam unterbrüdt, ber andere unter

Jeht fest in der Hand der Re ierung. Geffern miflag i es den Spartakien gelungen, das Brandenburger Tor , das die Regierungstruppen mif Maschinengewehren und Geschüßen befeht hatten, nach meht­fechen 61drmen zu nehmen. Es fand hier ein schwerer und bintiger Ramp Raff, be Me Regierungsfranpen, die An­weifung Salten, das Tor mit allen Millein zu hallen. Dennoch mußten schließlich der en biefem Punkte aufemmengezogenen Spartehusmacht solchen. Am Nachmittag haben die Regie­rangstrappen os Brandenburger Tor wieder­genommen und gegen effe weileren Angriffe bisher ver­felbigt. Sie haben sich jehl bort stark eingebaut und man hält es für ausgeschlossen, daß die Spartakisfen gegenüber dem jehigen Aufgeto: noch einen Erfolg erzielen können.

Gegen das Brandenburger Tor versuchten noch der Wieder­eroberung durch die Regierungstruppen die Spartakusbanden immer aufs Rene vorzusfirmen. Fortgeseti warden immer nene Soaren in groben Laftasies berangebracht, In­beffen honulen die Regierung91eappen thee Stellungen vollkommen bellen,

Sturm auf die Eisenbahn- Direktion und Schlesischen Bahnhof.

man

Die Unabhängigen haben zu vermitteln verfucht. Die gule Absicht der Permittier in allen Ehren- aber wie will vermitteln zwischen Freiheit und Snechtung, zwischen Recht und Gewalt? Liebknecht, Eichhorn und Bredt haben gang offert ertiärt, daß fie die Regiering ffürzen und sich selber an ihre Stelle fehen wollen, obwohl sie ganz genau wiffen, daß die Bevölkerung Berlins in ihrer unge­heuren Mehrheit ein derartiges Regiment ganz entschieden ablehnt. Sie wollen darum die Stimme des Bolles nicht hören und lassen dafür die der Maschinengewehre ertönen.

Die Sozialdemokratie Berlins und ihr aus seinem Heim vertriebenes Organ fämpfen einen schweren Stampf. Es ist wie unter dem Sozialistengeset!" hörten wir heute einen alten Genoffen fagen, worauf ein anderer erwiderte: Nein, hundertmal schlimmer!" In der Tat, die fanatische Unter­brüdungsmut gegen alles Sozialdemokratische war in der Beit des Gesetzes" nicht fa entwidelt wie in diesen Tagen der Anarchie. Eine förinliche Hegjagd ist auf den Borwärts" eröffnet, der an feinem Drt, in feiner Form erscheinen foll! Ein so schimpflicher Berrat an allen Grumbsätzen der Demo­tratie, für die ihre Berächter einft zu kämpfen vorgaben, ist noch niemals erlebt morben.

Soll das so bleiben? Kann das so bleiben? Wie lange soll es noch so weitergehen? Diese Frage ist felt gestern tausendfach an uns gestellt worden. Wir antworten: Nein, es wird nicht so bleiben! Aber begreift, daß außerordent­

Das Gebäude der Berliner Eisenbahadirektion wurde geffern von Spartakusbanden angegriffen, die debarch den Berliner Eisenbahnverkehr in die Hand zu bekom­men boffien. Bei dem Angriff kam es zu einer Schießerei, bei der es 3 Tofe gab. Die Spartakiften brangen vorübergebendliche Umstände auch die Anwendung außerordentlicher Mittel In bas Gebäude ein, woranf jämtebe Beamle der Eisenbahn­Mrekfion ihre Arbeit niederlegien und das Gebäude per­leben. Später kamen Regierungstruppen und warfen nach Rampf die Spariakiften bieber aus dem Ge­

Keine Grundlagen für Verbandlungen. filr Verbandlungen. baube, bas lett gehalten wird. Die Arbeit wird heute wieder Erflärung der Regierung.

Bon der Reichstanzlei ging gestern abend folgende Mitteilung aus:

Die Berhandlungen zwischen der Regierung und den Attionsfommissionen der repolutionären Arbeiter, die unter Bermittlung der Unabhängigen stattfanden, heute nachmittag reiter gingen und auch mit dem Zentralrat geführt wurben, haben heute mit der ergebnislofen Einstellung geendet. Die revolutionären Obleute haben am Echluß der Besprechung der Regierung folgende Erklärung übermittelt:

Die Bolasbeauftragten wie der Zentralrat baben heule als Voraussetzung für den Eintritt in die Verbandlungen die Forderung gestellt, daß die Besehung des Borwärts und der übrigen 3eilungen vorweg aufgebo­ben wird. Bon dieser Borbedingung iff am Tage zuvor der Einiriff in die Verhandlungen nicht abhängig gemacht worden. Infolgedeffen erreichen die den Verhandlungskommiffion bisher

aufgenommen.

Anch der Schleffsche Bahnhof wurde von Spartakifien am Vormittag vorübergehend befehf, indessen geleng es schon em frühen Nachmittag ihn wieder zu entfehen. Auch einige Stadt. bahnhöfe, die vordbergehend in die Hand ber Spartakiften ge­rielen, waren am Abend wieder in die Hand der Regierungs­truppen.

Die Buchbruder brohen mit Generalftreif.

Eine fünfhöpfige Rommiffion bat geffern vormiffeg in Vec­bindung mit den 3entralvorständen und den Hanpileitungen der Badbrucker, Buchbinder und grapbisben Bilisarbeiter be­schlossen, die Forderung aufzustellen, daß familie Ber­ liner Seitungen einschließlich des Vorwäris endlic freigegeben und die Waffen aus den Räumen entfernt werben. Wird diese Forderung nicht erfüllt, so foll der Ge­neralfreih für das ganze grapbilde Gewerbe berkündet werden.

notwendig machen. Habt Zuversicht! Es dauert nicht mehr fange!

Aber wie fonnten, sei es auch mir für einige Tage, folche schmachvolle Zustände einreißen? Und barüber ist ein offe nes Bort notwendig. Solche Zustände tonnben nur ein­reißen, meil ein Teil der Soldaten der Berliner Garnison seine Aufgabe, Teine Pflicht am Bolte nicht begreift. Den Soldaten find Waffen in die Hand gegeben, damit sie das Recht und die Freiheit des Boltes verteidigen sollen. Richt um Parteitämpfe" hanbelt es sich hier, son­bern um die höchsten Grundsäge der Revolution und ber jozialistischen Republit, um die Freiheit aller Parteien, in Der Bresse ihre Meinung zu sagen, und um das Recht des Boltes, in freier Abstimmung zu entscheiben, wie und von mem es regiert werden will.

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Hätten alle noch unter Waffen ftebenben Golbaten ber Garnison das verstanden, jo mare dem beutschen Bolt unb der Stadt Berlin die Schmach, die wir jetzt erleben, erspart geblieben. Die Sofbaten und die Arbeiber müssen jegt sehen, wohin fie gekommen sind, und es ist ihre Pflicht, unter Ein­setzung ihrer Person die Freiheit wiederherzustellen und das Recht zu schirmen. Nur durch Freiheit und Recht tönnen Gemalt und wir zum sozialistischen Neuaufbau fommen.

erteilten Bollmachten nicht aus. Sie müffen ihren Auf Volksmarinedivision und Franzer neutral unterdrüdung bringen uns allen Rechtschaft und Unter

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fraggeber wegen Ergänzung Ihrer Bollmachten befragen, was in den für heute beits anberaumten Sigungen geschehen wird. Aus diesem Grunde ist die Veriagung der Berhandungen nölig. Die Berhandungskommiffionen wiefen noch darauf hin, daß nach einer foeben eingegangenen Rachricht das Ge­bäude der Eisenbahndirektion, Schoneber­ger Ufer, am 7. Januar jwischen 11 and 12 Uhr Dormittags von Truppen eines Eisenbahn­regiments mit bewaffneter Sand erstärmf worden ist, und erblicken hierin einen Bruch der gestern von den Volksbeauftragten gegebenen Zusage, daß die Truppen er Regierung die Waffen nicht zum Angriff erheben werden." Hierzu ist zu bemerten: Die Tatsache, daß angeblich sozialistische Organisationen die Preßfreiheit in der neunten Revolutionswoche zum Gegenstand einer Berhand­lung machen, ist wohl ohne Beispiel und die Regie:

Ueber die Haltung der Bolks marine- Division er­hat die Charlottenb. Rene Zeit die Auskunft, baß sie sich auf dem Boden jeder Regierung Pfeilt, die das fojialistische Programm perwirklichen will. Sie befrachtet sich jeht als Sicherheits­frappe für die Regierung bert- Scheidemann , aber nur um Plünderungen und Mord zu verhüten. Sie würde jedoch anfer heinen Umständen auf die Sparta. hiffen schießen, weil sie bie Kämpfe zwischen Spartakiften und Regierung für reine Parteikämpfe, ansieht. Deshalb habe fle auch Liebknecht und Genoffen nicht in ihrem Amtsgebäude, dem Marstall, geduldet, um diefe nicht zu unterstüßen. Denselben Standpunkt hat sich das Franzer- giment n eigen gemacht, das gellern Bormittag mit der Volksmarined vision eine gemeinsame Beratung hatte. Von den übrigen Garderegimentern hält die Mehrzahl zur Regierung.

gang. Rein, es hätte foweit nicht fommen müssen! Jetzt aber heißt es: Heraus aus dem blutigen Sumpf! Bir find und bleiben Sozialdemokraten, Schirmer der Freiheit, Hüter des Rechts, getreu bis in den Tod!

Die Haz auf den Borwärts".

Eine Beschlagnahme durch Spartakus . Nachdem der Spartakiften- Terror das Vorwärts- Haus unter seine Herrschaft gebracht hatte, gab sich die Vorwärts"- Redaktion dem naiven Glauben hin, es würde ihr und ihrer Auftraggeberin, der sozialdemokratischen Partei, doch erlanbé fein, ihre Meinung an anderem Ort und mit anderen tech­nischen Mitteln zum Ausdruck zu bringen. Sie bereinbarte alſo mit der Linden- Druckerei, in deren Berlag neben dem 8-11b­