Nr. 47 4 ZS. Jahrgang
1. Heilage öes Vorwärts
Sonntag, 26. Januar
Mfzur Wahl! l.ekm»nn ltekt»trf dem Creppenftur und putzt fich Tetne Kähne; da kommt Hndreas Zwiebelfchnur mit feiner•frau Helene. ,,Hch, komm' doch mal en btsken rein, ick will dir voat erzählen � Sagt Zveiebellchnur:„Mo denkst du bin? Ich jeh' mit Lcne w ä h l e n J" „Heb, tveeßte, ob nu du und ich dabei find, ilt wohl piepe..." Da wird Hndreas fürchterlich; „Du bift wobt'n bieken trübe? Mir find doch nid, fem ollen �ritz treppuff, treppab jehlettert die lieben langen"Jahr, um ttz zu schlafen wie verheddert. J�ee, lieber Hebmann, beute karmlt du mich mit nifcht verfebnupfen, beut hab id, mit dem feilten Manft ein Hühnlein auszurupfen! Komm mit, du mußt als Hrbeitsmarm ooch bei der Stange halten 1" „Ich zieh' mir gleich die Stiewel na und komm mit meiner Hltenl"
GroßGerlw Die Seeröigung Liebknechts. Die Leichenfeier für Liebknecht und zweiunddreißig Opfer der letzten Unruhen war, was die Massenbeteiligung betrifft, eine der eindrucksvollsten, die Berlin gesehen hat. Wenn auch die Massen selbst nicht in so großer Zahl zur Stelle waren wie bei früheren ähnliche» Gelegenheiten, so kann man doch die Hunderte von Depu- tationen, die an der Leichenfeier teilnahmen, als die Vertreter eines sehr großen Teils de? Berliner Proletariats ansehen. Doch nur ein kleiner Bruchteil von ihnen sind Parteigenossen Liebknechts. Die Massen, die gestern hinter seinem Sarge herschritten, ehrten, in Liebknecht den unerschrockenen Kämpfer für das ideale Ziel des Sozialismus, ohne sich darüber Rechenschaft abzulegen, daß auf dem Wege, den der auf so tragische Weise ums Leben gekommen« Liebknecht einschlug, der Sozialismus niemals erreicht werden tonn. Am Grobe schweigen nach aller anständigen Menschen Mei- ming die Parteigegensätze. Deshalb haben den» auch viele unserer Parteigenossen dem Manne die letzte Ehre erwiesen, der vordem in unseren Reihen viele Jahre für dte Ziele des Proletariat» ge. kämpft hat. Dreiunddreißig Särge mit den bei den letzten Straßenkämpfen Gefallenen, darunter der Sarg mit der Leiche Karl Liebknechts, waren in der Siegesallee aufgebahrt. Da infolge militärischer Absperrung der Beginn der Feier an dieser Stelle nicht möglich war, wurden die Leichenwagen nach dem Bülowplatz geschickt. Hier und in den Nebenstraßen hatten sich bis'mittag mehrere hundert Deputationen mit prachtvollen Kränzen und roten Fahnen, sowie eine nach Tausenden zählende Menschenmenge eingefunden. Kurz nach 12 Uhr trafen hier die Leichenwagen mit den Särgen ein. Eine Feier wurde auf dem Bülowplatz nicht abgehalten. Der Zug bewegte sich nach der Friedensstraße, ging am Friedrichshain vorbei, bog dann in die Frankfurter Allee ein und kam um 2% Uhr auf dem Städtischen Friedhof in Friedrichsfelde an. 400 bis 600 Kränze wurden den Särgen nachgetragen. Auf dem Wege, den der Leichenzug passierte, schlössen sich ihm, aus den Nebenstraßen komrmnd, noch viele Kranzdeputationen und Massen von Teilnehmern fln. Taufende folgten den Särgen, tausende
standen dichtgedrängt� in den Straßen und schauten dem vorüber- ziehenden Leichenbegängnis nach. Tausende eilten dem Zuge vor» aus, um ihn vor dem Friedhof vorbeipassieren zu lassen. Es�st keine Uebertreibung. wenn man sagt, die Massen des Berliner Proletariats, Genossen und Gegner Liebknechts, haben sich an dieser Leichenfeier beteiligt. Sie haben am Grabe das Trennende vergessen und den Mann geehrt, der nicht mehr zu uns gehörte. Auf dem Friedhofe fand eine Feier statt, über die wir nicht berichten können, weil die von der U. S. P. gestellten Ordner, die am Friedhofstor die Kontrolle aus« übten, unseren Mitarbeiter, der sich als Bericht« erstatter des.Vorwärts" auswies, am Betreten des Friedhofes hinderten. Auf Einwendungen unseres Bericht erstatterS erklärten die Herren, die bürgerliche Presse fei ihnen lieber als der.Vorwärts"; den Berichterstatter deS.Vorwärts wollten sie hier nicht haben, fürden.Vorwärts" erkennen s i e d i e P r e ß f r e i h e i t n i ch t a n. Dieser Vorgang war für einige auS dem umstehenden Pnbli- kum ein willkommener Anlaß, höchst abfällige Bemerkungen über den.Vorwärts" und unseren Berichterstatter zu machen. Diese Leute konnten selbst am Sarge ihres Führers ihren Haß gegen den .Vorwärts" nicht zum Schweigen bringen. Deutscher Bcamtenbund und deutschedemokratischePartei Ein Leser, der Mitglied des kürzlich gegründeten Deutschen Beamtenbundes ist, schreibt uns! Bekanntlich hat sich vor einigen Wochen mit dem Sitze in Berlin der Deutsche Beamtenbund gebildet, der eine Interessen- Vertretung derjenigen Beamten sein will, welche nicht den bereits vorher vorhanden gewesenen Großvereinigungen der Eisenbahn- und der Postbeamten sowie der Lehrer- ckder außerpreußischen Landesverbänden von Beamten angehören. AuS Beamtenkreisen war nun bei der Geschäftsstelle des Deutschen Beamtenbundes Ver- Wahrung dagegen eingelegt worden, daß der inzwischen von der Deutschen demokratischen Partei zum Abgeordneten für die Deutsche Nationalversammlung gewählte gegenwärtige Vorsitzende Remmer» in der Vorschlagsliste der Deutschen demokratischen Partei als Vorsitzender des Deutschen Beamtenbundes bezeichnet war. Durch diese Bezeichnung konnte der Eindruck erweckt werden, als ob der Deutsck« Beamtenbund geschlossen hinter Herrn NemmerS als Angehöriger oer Deutschen demokratischen Partei stände. DaS ist keineswegs der Fall. Die Geschäftsstelle de? Deutschen Beamtenbundes hat sich denn auch genötigt gesehen, auf jenen Ein- spruch am 20. Januar ISIS folgendes zu erklären:„In dem er- wähnten Falle ist Herr Remmers nicht an der Aufstellung der Liste beteiligt gewesen. Auch in den übrigen Stimmzetteln werden Sie ähnliche Bezeichnungen hinter den Namen der Kandidaten finden, ohne daß darum gleich die genannte Organisation für den betreffenden Kandidaten aufzumarschieren brauchte. Jeden- falls hat der Deutsche Beamtenbund stets strikte Neutralität erstrebt. Seine Leitung ist auch gar nicht in der Lage, den gesamten Bund einseitig parteipolitisch zu orientieren, d a alle politi- ' hen Richtungen seitens der angeschlossenen erbände vertreten werden." Diese Klarstellung dürfte im Hinblick auf die am Sonntag stattfindende Wahl zur preußischen Landesversammlung weite Kreise interessieren. Demokratischer Schulfindermißbranch. lieber den Südwestkorso in Friedenau zog Freitag nachmittag eine ganze Klasse Schuljungen unter Führung eine»«oldaten und, wie es schien, auch eine! Lehrers. Die Kinder trugen Fahnen, verteilten Flugblätter und mußten eine Art Wallfahrtslied plärren, das zur Wahl der Liste Otto auftorderte. Die Vorübergehenden hielten mit dem Ausdruck ihrer Entrüstung über einen solchen Kindermißbrauch nicht zurück. Was sogt Herr Lehrer Otto dazu? DaS endgültige TLahlcrgebniS in Teltow -VeeSkow ist gestern vom Wahlausschuß unter dem Vorsitz deS WahlkommissarS, OberregierungSrat Dr. Bergenlhal, im Eharlortenburger Ratbaus omtlicki sestaestel!» worden. E» haben erhalten die Wablvorschläge
Ebert(S. P. D.) 317 S67, Zubeil ftl.®. P.) 188 007, Dernburg (Dem.) 186 218, Traub(Deutschnat.) 117 617, Kahl (Deutsche Vp.) S6 621, Schönborn(Christi. Vp.) 83 368 Stimmen. Milhin sind gewählt: Fritz Ebert . Franz Krüger, Elfriede R y n e ck; Friede. Zubeil; Dr. Dernburg, Otto Nuschke ; D. Traub, Frl. Anna v. Gierte; Wilhelm Kahl . Sitzung sämtlicher Parteifunktionäre, Setriebs» Vertrauensleute und Irbeiterräte, die Ottf dem Boden der sozialdemokratischen Partei(S. P. D.) stehen, Montag, den 27. Januar, nachmittags 7 Uhr, im Sitzungssaal des Herrenhauses. Erscheinen ist dringend er- forderlich! Mitgliedsbuch und Legitimation ist mitzubringen! Ein schöner Republikaner» wer aus Nachlässigkeit oder„um Ruhe zu haben", die überall herum- gehende Wilhelm-Adresse unterschreibt, damit die Reaktion mit Zehn- oder Hunderttausende» protzen kann, die die Wiederkehr der Mon- archie wünschten! Besonders aus die Beamte» ist in den letzten Tagen meistens von den Vorgesetzten ein ziemlich starker Druck aus- geübt worden, um solche Adressen zu unterschreiben. Wir erwarten, daß die Regierungsbehörden einem derartigen Druck der Vorgesetzten auf das entschiedenste entgegentreten werden. Den Beamten aber möchte» wir raten, auf derartige Allüren der Bor - gesetzten nicht hineinzufallen und erfordcrlichensalls sich über das Ver- halten solcher Vorgesetzten au leitender Stelle z» beschweren. Zur Verkehrsnot. Der„Vorwärts" bringt in seiner Morgenausgabe vom Donnerstag eine Erklärung der Eisenbahndireftion, die den Anschein erwecken könnte, als ob an den unerfreulichen Zuständen die Ar- beiterschast schuldig wäre. ES heißt in dieser Notiz, eine Besserung der jetzigen Zustände sei nur möglich, wenn die Eisenbahnwerft stäftenarbeiter die Wiederherstellung der schadhaften Lokomotiven und Wagen besser betreiben. Das ist durchaus richtig. Aber wo liegen die wirklichen Ursachen d«S hohen Reparaturstandes? Die Feststellung allein, daß jetzt bedeuten? mehr Arbeitskräfte befchäf- tigt sind als während des Kriege?, ändert an den Dingen nichts. Ausschlaggebend ist, unter welchen Bedingungen die Werkstättenarbeiter arbeiten müssen. ES ist un- zähligemal festgestellt worden, ganz besondere auch auf der letzten Reichskonferenz deS Deutschen EisenbahnerverbandeS im Dezember 1918, daß es in den Skbparaturwerk statten an Werk- zeugen und Rohmaterial mangelt. Werkzeug soll nun etwas mehr vorhanden fein, aber eS reicht noch immer nicht auS. Woran es fehlt, ist Rohmaterial. Wie soll die Arbeit von- statten Fehen, wenn zum Beispiel ein Arbeiter erst geraume Zeil suchen muß, um eine passende Mutterschraube zu finden? Auch die Beleuchtung ist zum Teil so mangelhaft, daß die Arbeit dar- unter leiden muß. Die Werkzeugmaschinen sind zu Großmutter? Zeiten sicher modern gewesen, genügen jetzt aber natürlich nicht den Ansprüchen. Wenn Fachleute die Verhältnisse an Ort und Stell« prüfen würden, dann würden sie zu einem anderen Ergebnis kommen und feststellen müssen, daß ungenügendes Werkzeug, Mangel an Roh- Material und schlechte Beleuchtung die Hauptursachen des hohen Reparaturstandes sind. Di« Organisation der Eisenbahner, der Deutsche Eisenibahnevverband, hat zu«allen Zeiten darauf hinge- wiesen, wie notwendig gerade jetzt eine intensive Arbeit ist. Aber nicht der Arbeitswille allein ist maßgebend, sondern auch die A r b e i t S mö glicht e i tl ES wird nnS mitgeteilt, daß in der 9. Gemeindeschu?«, Klasse l, 0. in Charlottenburg der Lehrer seinen Kindern Vortrag gehalten hat über die Faulheit und Begehrlichkeit der Eisen- bahner! Sind solche Agitationsreden ein« Aufgabe der' Schule? Die Eisenbahner habe» eS nach ihren ungeheuren Leistungen während der gesamten Kriegszeit nicht notwendig, sich gegen den Vorwurf der Faulheit zu wehren.(Oder waren diese vielen An» erkennungen in den Parlamenten, Heeresberichten und Zeitungen nicht ehrlich gemeint?) Die.Begehrlichkeit" der Eisenbahner ist in den allgemeinen Lebensverhältnissen zu suchen. Während der gau -
Mein junger Spartakusfreunü. Eine Amerikanerin sendet unS diese Blätter, die ein Erlebnis aus der Spartakuswoche festhalten. Wir geben den Aufzeichnungen Raum, weil e« immerhin von Wert ist, zu wissen, wie die jüngsten Berliner Ereignisse auf Ausländer gewirrt haben. l. »Hier ist der„Vorwärts"— EiSner Spartakus— der Freund von Rosa Luxemburg. "— „Ja,— hier jtl Miß Beveridge ."— „Mein Vater sag! mir, Sie möchten gern mit Frau Luxemburg (zusammenkommen— würde es Ihnen morgen früh passen?— ja — darf ich heute abend zu Ihnen kommen, um die Abmachungen mit Ihnen zu vereinbaren?" Dieses Gespräch fand an dem Tage statt, wo Spartakus sich deS offiziellen sozialdemokratischen ZeitungSorganeS bemächtigt hatte. Ich saß abends gerade beim Essen, als die Klingel er- tönte. Marie, mein hübsches blondes Mädchen vom Lande ging �ur Türe— ich hörte eine männliche Stimme und dann ein seit. ja nies Schweigen. Ich dachte, irgend etwas sei nicht in Ordnung, und ging inS Vorzimmer Marie stand gegen einen Stuhl ge- lebnt. ihr Gesicht war totenbleich— in der Tür stand ein großer, blonder Jüngling in einer schlechtsitzenden feldgrauen Uniform mit allen äußeren Anzeichen der Spartakisten. „Ich bin ein SpartakuSmann und komm« von Frau Rosa Luxemburg mit einer Botschaft ft">r die Amerikanische Dame." Marie zitterte. Ein Spartakist war für sie daS Sinnbild deS Schreckens. „Es ist gut, Marie, Sie können gehen." Ich wechselte einen Händedruck mit dem Knaben, hak ihn. seine Mütze abzulegen und führte ihn in mein Boudoir. Er zögerte ehe er sich auf«inen gelben Seidenstuhl setzte.„Sie muffen entschuldigen, aber ich komme vom Kampfplatz, ich war gerade da, wo eS am tollsten herging— ich schwitzte wie ein Bär— und wie Sie sehen, habe ich einen Faustfchlag auf den Mund be- kommen. Ich wäre nicht so zu Ihnen gekommen, aber Vater ließ mir sagen, daß Sie unsere Führerin sprechen möchten— und— ich komme, um Ihnen zu sagen, daß sie Sie sehen möchte." Ich erklärte ihm, baß ich mich freute. Frau Luxemburg kennen zu lernen aber„ich bitte Sie,'br zu sagen, daß ich nicht eine ihrer Anhängerinnen bin— daß ich bereits Camille HuhSmani, Axelrod, Branüng und viele Anführer der Jnlernationalen Sozia- listen kennen und schätzen gelernt habe— daß ich aber weder Saftalistin noch Spartak'stin bin— wirklich, Herr EiSner, ich lieble Deutsck'land von Herzen unter dem alten Regime— ich liebte die Ordnung— die Rübe und die Sicherheit." Ein Aufblitzen in Ottos Auge zeigte mir. daß der Junge Sinn ftir Humor hatte. Ich stellte mir vor. wie er sich die Schlacht vergegenwärtigte, die er soeben im„Vorwärts" durchgefochten hatte, und der Kontrast amüsierte ihn.„Ja, ich werde eis Frau Luxewbura sagen." „Nein, e? ist besser. Sie nehmen ihr mein Buch über Deutsch - land mit. sie wird dann selbst daraus erkennen, wie ich über ihr Volk denke." „Ich gehe jetzt auf den Kampfplatz zurück» sehe aber vorher noch unsere Führerin,___....________,
„Nein, erst sollen Sie noch eine Tasse echten Bohnenkaffee mit mir trinken— dann haben Sie immer noch Zeit genug, zu kämpfen." Ich nahm den Knaben mit mir ins Eßzimmer. Er schien sich in dem mit einfachen alten holländischen Möbeln eingerichteten Raum bald heimisch zu fühlen. Wir tranken unseren Kaffee, und er erzählte mir alleS Mögliche. Tatsächlich versucht« er eS, mich zu bekehren, und während er sprach, kam ein Leuchten in seine Augen — der Mick deS Fanatiker?. „Und glauben Sie. daß e» Ihnen gelingen wird, die jetzige Regierung zu stürzen, Herr EiSner?" „Natürlich werden wir das— e» Ist nur eine Frage von wenigen Tagen, dann werden wir in Berlin — und später in Deutschland herrschen— aber da» ist nichts— die Welt ist rund und dreht sich— Sie können etwa» derartig Riesenhaftes wie unsere Bewegung nickt aufhalten— sie geht über den ganzen Erdball,— zuerst in Rußland — jetzt Deiitsckland— dann Frank- reich— Italien, England— und mich Amerika. — Es ist alle? vorbereitet. In Italien hat eS begonnen nichts kann unS zu- rückbalten. Wissen Sie, daß unsere Agenten überall arbeiten? Seben Sie nicht, daß wir überall Anhänger haben?— Ebenso wie unsere russischen Brüder in Deutschland gearbeitet haben, so ar- beiten wir m allen Ländern." „Aber wie?" „Hier waren die KriegSpefangenen— sie beförderten die Bot- jchaften,— dann sind die Heizer auf den Dampfern— sie stehen m un«— jedermann, der nickt» hat, muß sehen, daß wir im Recht sind." Die? war seine Logik. „Aber Herr EiSner, glauben Sie wirklich, daß die deutsche Bürgerschaft— die deutschen Offiziere sich einfach ruhig unter werfen und Sie tun lassen werden, was Ihnen beliebt?" Der Ausdruck äußerster Verachtung glitt über de» Jüngling« ausdrucksvolles Gesicht— e» tat mir weh. als ob mir jemand einen Schlag versetzt hätte.— V. »Offiziere — wo sind sie? Bürgerschaft, was ist sie? Sie haben Angst. Jetzt steht da» Proletariat auf— wir haben das Volk— wir haben die Anführer. Schauen Sie auf Lenin — schauen Sie auf Liebknecht —. und wo gibt e» eine zweit« Rosa Luxemburg ?" „Nehmen wir aber an, daß die Entente nun Truppen her- sendet?" „Truppen?— All« Truppen sind inrsere Brüder— sie werben alle zu unS übergeben. Wir wünschten sie würden Truppen her- senden, denn dann könnten wir sie wenigstens lehren, daß die Welt unS gehört." „Haben Sie denn für Ihr Vaterland, für Deutschland , gar nicht» übrig?" „Deutschland — waS geht mich Deusschland an!» Ich will weg von hier— ich will nach Amerika — etwas tun— jemand sein." „Aber warum tun Sie nicht, waS Sie wn wollen, gleich hier?" „Wie kann ich? Ich habe niemals studiert, ich habe kttn Geld — aber wenn wir gesiegt haben, wenn jeder einzelne 30 000 M. bekommt, dann kann ich Schauspieler werden oder vielleicht Schrift- steller. Sehen Sie. wenn wir die Welt erobert Wben, dann kann jeder von uns werden, was er will. Sehen Sie mich an, ich bin ein Spartakist. Bin ich nicht gut angezogen? Ich kann Geld haben, ich bekomm«; Nahrung» und ich bin«in freier Warm."
j„Wie alt sind Sie?" „Am Sonntag werde ich achtzehn." „Aber Sie waren im Felde?" „Ja, ich bin ausgerückt, als ich fünfzehn war, und wurde Soldat,— ich log— ich sagte, daß ich älter sei. Nein, ich habe es nicht gern getan, eS macht mir kein« Freude zu kämpsen« und nach dritthalb Jahren desertierte ich." „Warum?" „Weil mein Leutnant mich einen„Lausbuben" schimpfte— r daS hat mir nicht gepaßt, ebenso auch nicht die Disziplin. hat mir nicht mehr gepaßt, zu kämpfen, deshalb kniff ich auS."_ „Aber Sie kämpfen doch jetzt— Sie könnten doch �tatsächlich heute nacht Ihren Bruder erschießen— Ihr Vater erzählte mir, daß er zu den Regieruugstruppen gehört. „Erschießen— ich— in all den Jahren, die ich an bor Front war, habe ich niemals einen Menschen erschossen, und ich werde auch bier keinen erschießen. Ich nehme einfach mein Gewehr und ziele recht hoch— und niemand kann eS merken. Ich will niemanden töten, ich will nur von hier weg und mich in die Höhe arbeiten." „Erzählen Sie mir doch, wieso Sie Spartakist wurden." „Ich habe keine Arbeit— Lebensmittel find teuer— ich ging tn die verschiedenen Versammlungen, überall wurde diel gesprochen, aber niemand bot mir etwa« an. Dann nahm mich ein Freund mit, um Liebknecht reden ßu hören. Er erzählt« un«, daß die Welt rund sei.— er erzählte unS, daß alle» uns gehört, wenn wir die Welt erobern. Und dann, sehen Sie, bot man mir Arbeit an. Ich kann Geld verdienen, 10—26 M. täglich nttd gutes Essen. Sic geben un« Waffen, und jeder macht un» Platz. Sie werden es morgen selbst sehen, wenn ich Sie mit zwanzig Bewaffneten abhole, um Sie zu unserer Führerin zu bringen. Wir gehen durch die Straßen, Sie werden sehen, wa»«S bedeutet, ein Spartakist zu sein— niemand wird uuö anhalten— wir werden direkt durch die Regierungsiruppen hindurchgehen— man wird uns nicht aushalten— wir worden durch die ärgste Schießerei hindurchgehen— keiner unserer Leute wird auf uns schießen. Ja, ich kann Sie be- schützen, und dann, wenn Sie mit unserer kleinen Anführerin ge» sproche» haben werden— werden Sie sich uns anschließen, Sie werden eine der Unseren werden. Aber jetzt muß ich nach dem „Vorwärts" zurück, denn heute nacht wird«s schwere Kämpfe geben." ES war 11 Uhr. und wir hörten in der Ferne dumpfen Donner. „Warum gehen Sie nicht heim heute nackt? Sie find müde. Wenn Sie sich heute nacht ausruhen, können Sie morgen arbeitea — außerdem ist Ihre Mutter krank und abgehetzt." Schließlich versprach er mir, nach Haus« zu gehen und daß er mich am nächsten Tage anrufen würde. In jener Nacht gingen die RegierunaStnwven zum Angriff vor— mehrmals hörte ich schweres Sclsieben, und ich war froh, daß mein junger SpartakuSfteund zu Hause bei seiner Mutter war. Am nächsten Morgen um 10 Uhr läutete mein Telephon. „Hier ist Eisner— die Schießerei ist ftirchterlich— ich kann heute nicht zu Ihnen kommen— unsere Führerin läßt Sie bitten, noch einige Tage zu warten." „Aber bitte, denken Sie an Ihre Mutter." „Ja, Fräulein, ich bin vergangene Nacht zu Haust gswestn, sie war so froh, mich zu sehen, aber jetzt muß i«h gehen und kämpfen ich werde Sie in drei Tagen abholen mif Wiedersehen l'
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