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Nr. SS ZS. Jahrgang

2. Heilage öes Vorwärts

Sonntag, IH.IebrvarlHIS

Eichhorns Gpfer. Spartakus vor Gericht. Was Herr Weinberg behauptet. Di« 0. Stna Ficatrn er de 5 Landgerichts I hat heute gegen a ch t Ülicgeklagte zu verhandeln, die d« Teilnahme cm den LuSschrei- tun gen vor dem Polizeipräsidium deschuldigt sind. Der Termin war vor einigen Tagen auf heute oertagt worden. Angeklagt sind: Tischler Bernhard H e i n z e, Schlosser Wilhelm Müller , Hotel» diener Mred P a e h s ch, Werkzeugdreber Paul P ö tz s ch e l, Schlosser Reinhold Schünemann. Schlosser Paul Starbt, Transpovtarbe i ter Karl Timme. Kraftwagenfahver Ullrich. Die Angeklagien stehen nicht mehr im jugendlichen Alter. Müller ist sogar 66 �ahre alt, sie sind fast sämtlich unbestraft und zum Teil sfamilienväter. Die Anklage lautet auf Beteiligung an einer Zu- fammenrotiiing zur Ausübung von Tewalitätigveiten. Anschluß an einen bewaffneten Haufen. Widerfiand gegen die Staatsgewalt. Alz Zeugen sollten die Polizeipräsidenten Ernst und Richter vernommen werden, die aber in Weimar weilen. Heinze ist nach seiner Entlassung vom Militär am 12. Dezember bei der Sicher bei tswehr eingestellt worden. Am 16. Januar sei er nach dem Präsidium gegangen, um sein« Löhnung zu holen, ei habe äber kein Geld gegeben, vielmehr sei er auf den nächsten Tag ver» tröstet worden. Am irächsten Tag« sei sein Bemühen wieder ver- goblich gewesen, denn es sei gesagt worden. Eichhorn würde selbst zahlen Am folge'.iden Tage habe et auch noch kein Geld gegeben, und so habe er den Tag über im Präsidium aewariei. Aus eigenem Antrieb habe er dann sin Torweg Kontrolle ge» standen, denn er habe bemerkt, daß von SillterheitSmannschaften kolossal gestohlen wurde; mindestens 16 Lerne dieser Art seien ihm aufgefallen und er wollte, wenn sie sich aus dem Prä» sidium entfernen würden, sie feststellen. Er halb«' nichts davon gesehen, daß das Gebäude stark verproviantiert oder daß Waffen herangefahren wurden. Abends sei er nicht mehr aus dem Polizei- Präsidium heräuSge'ommen, weil inzwischen Alarm bekohlen wor» den war. An der Verteidigung des Gebäudes habe er sich nicht beteiligt, sondern sich ganz neutral, verhalten. Der u n a b h ä n. gige.n sozialdemokratischen Partei habe er sich erst drei Wochen vorher angeschlossen. Angeklagter Müller, der schon länger der Partei der Unabhan. g i g e n a n g eh ö r t, ist schon seit dem l2. November im Polizei» dienst tätig gewc'en, und zwar in seiner Eigenschaft äl? Beisitzer des A.» und S.-RatS als Polizei-Beirat. Er habe plötzlich die leider erhalten, so'srt nach dem Polizeipräsidium?iu kommen. Dort sei ihm von drm Kommissar Braun. einem Verwandten Eich­horns gesagt worden, er habe Dienst vor dem Raum zu tun, wo die Sieäoriese bearbeüet werden Tort habe er mit einem Gewehr, mit dem er gar nicht Bescheid gewußt. Posten gestanden und habe aufgepaßt, daß nichts von den dort liegenden Akten weg- genommen wurde. Darin habe seine ganze Tätigkeit bestanden; geschollen habe er nicht, sondern bloß Sicherheitsdienst verrichtet. Er habe geglaubt. Eichhorn sei zu Unrecht abgesetzt worden, denn er habe gesagt, er gebe seinen Posten nur in die Hände der Revo- 'ution zurück. Angekl Paetzsch will in die ganze Sache eigentlich durch Zufall hineingeraten sein. Er ist ArmierunftS- 'oldat gewesen, hat sich nachher hier in Berlin durch Koffertragen für Reisende auf den Bahnhöfen durchgeschlagen, keine Stellung weiter gesunden und Mangel an Geld und an Brot gelitten. Am S. Januar habe auf dem Alexanderplatz eine Gruppe von Menschen gestanden und zwei Männer hätten gesagt: eS arte jetzt um hie lsreiheil, denn RegierungStruppen»mzinaelten schon Berlin ; die Männer sollten gegen die Regierung die Waffen er- greisen. Tarauf sei er. da gesagt wurde, ei gebe Löhnung und Brot, auch in» Polizeipräsidium gegangen - und sei dort aufgeschrieben worden. Am U. Januar sei die Ordre > gekommen, daß all« Mann aus dem Saal, in dem er sich befand, nach dem Alexanderplotz zur Absperrung müßten. Die dazu de- stimmten 36 40 Mann drängten auch ohne Zwischenfäll« da» stublikum zurück und hatten den Befehl, nur wenn Befehl komme, drei Schüsse in die Lust abzugeben; dies sei auch geschehen und darauf sei da» Publikum weggelaufen. Später, etwa WA Ubr gachfS, sei er mit noch 11 Mann als Mache nach der Georgenkirche beordert worden, aus dessen Turm Maschinengewehre aufgestellt waren. Geschossen habe er dort nicht. Er gehöre keiner ß a r t e i an und bedauere, daß er s i ch überhaupt an der Sache beteiligt habe. Aegekl. Pötzschel, 18 Jahre ni, U.Sozialist, erklärt, daß er nur die Aufgabe gehabt habe, lufzupaffen, daß niemand die Passage am Lehrervereinshau» xrssiere. Er habe dort 5 Stunden ohne Ablösung gestanden. später sei er in den Raum gekommen, in welchem ein Schütze

ein Maschinengewehr zu reparieren hatte, da» in Tätigkeit kommen sollte. Der Schütze habe aber nur 3 bis 4 Prooeschüsse in den Sand abgegeben. Gegen 4 Uhr morgens sei dann der Angriff der Rc- gierungStruppen erfolgt. Es seien etwa 10 Schüsse au» einem Artilleriegcschütz abgegeben worden. Tann sei ein Parlamentär gekommen und er sei mit den anderen festgenommen worden. Angekl. S ch 2 n e m a n n hatte gehört, daß im Polizeipräsidium Leute zum Sicherheitsdienst verlangt würden, di« 12 M. pro Tag uitd freie Verpflegung erhielten. Er sei zuerst nicht angenommen, sondern muhte erst nach dein Bureau der Unabhängigen gehen, wo er einen Beitrag zahlte und einen Ausweis erhielt. Damit sei er dann wieder nach dem Polizeipräsidium gegangen und �dort angenommen worden, und zwar als Krafiwagenführer. Zunächst fei er nach dem Proviantamt in der Köpenicker Straße . dirigiert worden, um Brot zu holen. Auch Mannschaften habe er> mit dem Lastkrafttvagen gefahren, beispielsweise auch nach der Wilhelmstraße. Der Angeklagte erklärt, daß er selbst keine Waffe\ gehabt habe. AI » er nach der Erstürmung dcS Polizeipräsidiums! mit anderen Kameraden nach der Alexanderkaserne abiranSportiert wurde, habe er und andere Kolbenschläge über den Kopf er- halten und in der Alexanderkaserne seien S Mann erschossen worden. Angekl. S t ä r ck bestreitet, daß er irgendwelche andere Handlungen begangen habe, als solche zum Sicherheitsdienst ge- hörten. Er sei Unabhängiger, habe aber nichts davon gewußt, wie es mit Eichhorn stand. Angekl. Timme hatte sich zunächst in der SiegeSallee einem Demonstrationszug angeschlossen, der für eine i Pereinigung beider sozialdemokratischer Gruppen zur Vermeidung! von Blutvergießen eintreten wollte. Da seien sie vom Brandenburger i Tor und dem Reichstag beschossen worden. Dies habe eine all- j gemeine Empörung hervorgerufen und ihn bewogen, sich zur Ver- sügung zu stellen zur Verteidigung Eichhorn» gegen die Regierung Cbert-Scheidemann. Am 10. Januar sei er im Polizeipräsidium dazu bestimmt worden, auf die Akten der Kriminalabteilung aufzu- passen. Er habe ein Gewehr erhalten. Am 12. sei Waffenstillstand verkündet worden; auf einmal habe e» Artilleriefeuer gegeben. An der Verteidigung des Polizeipräsidiums habe er sich nicht beleilig:. Als Mitglied de» Spartakusbundes sei er erst wenige Tage zuvor eingetragen worden. Der letzte Angekl. Ulrich war im Sicher- heiisdienft im Polizeipräsidium gegen monatlich 850 M. eingestellt worden. Er habe ein Gewehr erhalten und Postendienst versehen. Er will nicht gewußt haben, wie die rechtliche Lage im Polizei. Präsidium war. Mitglied der U-Sozialiftcn sei er erst seit kurzem gewesen; er habe auch gar nicht gewußt, wer an der Regierung war, Ebert-Scheidemann oder die Unabhängigen Zeuge Reg.-Rai Dr. Bernhard Weiß bekundete, daß im Polizeipräsidium Füllungen mehrerer Türen eingeschlagen waren vielfach wohl auch, um Maschinengewehre abzustellen, daß serner Schränke eingeschlagen und Jacketts und andere Dinge gestohlen worden waren. Die Sicher- heiiswebr war zur fraglichen Zeit durch Erlaß der Regierung auf. gelöst gewesen. Polizeileutnant Zank gibt dem Angekl. Heinze ein sehr gute» Zeugnis und weiß, daß diefer stets sich gegen Gewalttätigkeit ausgesprochen und in diesem Sinne ge» wirkt habe. Duck her Zeuge K a w I o w S k i, Gruppenführer im Revier 44. bekundet ähnliches. Nach Schluß der Beweisauf. nähme begründet StaatSanw.-Assessor Dr. Waschhoff . die Anklage. Eichhorn sei am 4. Januar unter Billigung der Regierung und de» Zentralrats seines Amtes enthoben worden; als Antwort darauf sei der von den.revolutionären Obleuten' inszenierte Demon- ftrationSzug erfolgt; Liebknecht . Ledebour und Eichhorn forderten zum Kamps gegen die Regierung aus und dann hätten sich die KäinpFe um da» Polizeipräsidium entwickelt, dessen Eingänge man verbarrikadiert«, mit Maschinengewehren be- stückte usw. Nach den Ergebnissen der Beweisaufnahme beantragte der Staatsanwalt gegen Heinze und Müller die Mindeststrafe von je 3 Monaten, gegen Paabsch-9 Monate, Pitzschel 8 Monate, Schünemann gleichfalls 8 Monate, gegen Stör ck, Timme und Ulrich je Monate Gefängnis. R.-A. Dr. Weinberg bekämpfte die Anklage aus rechtlichen und subjektiven Gründen. Niemand habe sein Am! als Volfskommissar für das öffentliche SickerheitSwesen so einwandfrei erhalten, wie Eichhorn, nämlich direkt aus der Hand des revolutionären Volks aus seiner eigenen! Red.l, und er konnte auch nur durch den Willen des Volk»(der nach dem Willen von Spartakus nickt zum Ausdruck kommen solltel Red.i abgesetzt werden. Die Angeklagten konnten nicht annehmen, daß Eichhorn nickt mehr berechtigt wäre,.seine? Amte? zu walten. Die Amtsentsetzung sei auch nicht ordnungS- mäßig publiziert, sondern erst nach Schluß der blutigen Woche im > AmlSblatt verkündet worden.(Total falsch; war vorher veröffeni-

licht! Red.) Die Regievungstruppen seien daher nicht in recht- mäßiger Ausübung des Dienste» gewesen. Jedenfalls sei kein Grund vorhanden, eventuell über ein geringes Strafmaß hinauszugehen. R.-A. Dr. R o s e n f e I d macht ähnliche Ausführu'.rgen. Der Gerichtshof unter Borsitz des Landg.-Tir. M a c c o sprach den Angekl. Heinze frei, verurteilte dagegen die übrigen Angeklagten wegen Aufruhrs und LandfriedenSbruchS, und zwar: M ü l l c r zu 6 M o- naten, Paotzsch zu 1 I a h r 6 Monaten. P itzschel zu 1 Jahr, Schünemann, S t ä r ck zu je 1 I a h r 3 Monate n, Timme und Ulrich zu 1 Jahr G c i ä n g n i k. Von den Angeklagten wurde nur Müller aus der Untersuchungshaft entlassen. Auf die Untersuchungshaft wurden allen 4 Wochen angerechnet. Das Urteil erregte im Zuhörerraum große Bewegung und �schluchzen. Plünderungen auf Bahnhof Erunewald iagen einer Anklage zugrunde, mit der sich da? Kriegsgericht der 1. Gardcdivision zu beschäftigen hatte. Am 2. Januar erhielten der Gefreite Martens sowie die Grenadiere Dartuscheck und Klie- matsch den Befehl, zwei. mit Reis beladene Waggons vom Güter- bahnhof in Moabit nach Bebra zu begleiten und dafür zu sorgen, daß während der Fahrt räuberische Ueberfälle abgewehrt wurden. M. war Transportführer. Als der Zug aus der Station Grunewald einige Zeit anhielt, eilten auf die Nachricht, daß eine größere Ladung Reis eingetroffen sei, Frauen, Kinder und Männer, dar- unter auch Eisenbahnbeamte, nach den Waggons hin, schnitten die Säcke auf und plünderten tüchtig Reis. Anstatt einzuschreiten. unternahmen die Angeklagten io gut wie nichts gegen das Treiben. Dadurch machten sie sich de» WachtvergchenS schuldig. Auf einer anderen Station verkauften sie dann auck noch einen Teil de» Reis, wofür jeder etwa 400 M. erhielt. Auf der Endstation wurde jedoch bald alles entdeckt und man verhaftete die TranSportbealeiter. DaS Gericht erkannte gegen Marten» auf 4 Monate, gegen Backu- scheck auf 8 Monate und gegen Kliematsch auf 2 Monate 2 Wochen Gefängnis.___

Conz.

ES ist erftaunlich. aber wnbr: Dieweil wir in der Tmte sitzen, swiebi Cakewalk und Foreirollen die Houlvol6 in ihrer Bar. Und draußen in der Hauptstadt N-wd haut man mn Schwung die Drahtkommode, und rempell mil den Wackeltänzen den ganzen Dalle? über Bord. Na siehstewoll, wir und verkoost, die wir vor lavier Soraen schwitzen. Kurfürstendamm und Scheunenviencl bis in den frühen Morgen schwoofi l

Paulcheu.

Die Wahlparole der Beamtenschaft. Im Berliner SladihaaS lagte gestern eine Versammlung von Beannen und Ange st eilten der Stadt zur Erörterung derSiadiverordnelenwahlen. Ei> Borirag des Stadt» tekreiär» Hermann, den die iozioldemokratische Partei auf ihre Kandida'cnline gefetzt ba>, heleuitnetc den durch die Revolution ge« sitoffenen Umichwung für die Beamten und AngesteUien der Ge»

recht gegeben bat. An einer Besserung der Zustände infhy�I�K-, meindeverwaUung haben sie nicht nur als Ernwol?:ier der Stadt, sondern auch a!» idre Mitarbeiter ein ganz besonderes Interesse. Der Redner kennzeichneie den Wahlschwindel der an« geblichen PensionSentziehung. der den Beamleu von büi gerlichen Parteien erzählt wird. Auch die Sozialn'ierung könne sie nicht ichrecken. weil von ibr lein ehrlich Arbeitender euie Schädigung zu fürchten hat. In der Dlskuinon erinnerte einer der Redner daran, daß die städtischen Beamten und Angestellten trüber dem Kommunalliberalismus aus Gnade und Ungnade ausgeliefert waren. Wir weinen ihm, iagle er leine Träne nach, und wen» Meie Leute sich jetzt als Teutichdemokratifche Parrei" an uns heraudrängen. io kennen wir sie. Ein Deutschnatronaier versuchte vor der Sozialdemolratw aranlich zu machen. Der Reiereni wie» im Schlußwort an' die

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Stine Nensthentinü.

Von Martin Andersen Nepö. Maren fcnn_ und stellte sich vor ibn..Du denkst jetzt ..ltwiß an den Sohn, den deine gesund« junge F«m dir ge­bären sollte? Vielleiclst hast du d-ir autzgemalt, wie hübsch es sein würde, wenn er heranwächst und aus dem Felde neben dir herläuft, wie ein kleines Füllen beim Gespann, und an deiner Hand den Pflug halten lernt. Aber was denn, du! So manch einer bekommt keinen Sohn, für den er das Geld ausbewahrt, und bat doch die Freud?,«L zusammenzuraffen. Und oft hat ein sparsamer Vater einen Verschwender zum Sohn, der das Erworbene in alle Winde zerstreut; das ist dann wohl die Strafe deS Herrgotts für die, die das Ihre zu fest halten. Du kannst dich wohl mit den Dingen herum- schlagen, bis du zusammenbrichst hx, wie so mancher andere? Oder verkauf' den Hof an Fremde, wenn du vor Hüftweh nicht mehr kannst und zieh' in die Stadt in ein nettes Häuschen! Den Leuten mit Gelid steht offen d'e Weltl' Der Sandhorbauer hob den Kopf.Du mußt meine . Frau wieder von dem Zaliber befreien." sagte er flehend. Du sollst es nicht umionst tun." Aus den Sandhof setzen wtr unfern Fuß nicht mehr. weder ich noch das Kind. Aber du kannst ja dein« Frau hier- her schicken Schaden wird sie auf keinen Fall davon haben. lTur mußt du verstehen: wenn es ihr Segen bringen soll, . dann muß sie aus einer Fuhre Torf gefahren kommen!" Am nächsten Vormittag fuhr die jung«, schöne Sandhof- bäuerin auf einer hochbeladenen Torffuhre dukchs Dorf hin- Much und zur andern Seite hinaus. Der Sandhofbauer chamte sich wohl, sich auf diese Art zu zeigen, denn er war licht selber dabei; ein halberwachsener Knecht war Kutscher. Ziele hätten gern gewußt, wem d'ese Fahrt galt; überall, wo der Wagen auftauchte, lagen die Gesichter flach an der Scheibe. llus mancher Hütte, von der keine Aussicht nach vorn heraus -var. kam die Frau herausgestürmt, warf in Eile ein Tuch um den Kopf und machte sich auf den Weg nach der Landspitze hin. Während der Knecht den Torf in Marens Holzschuppen trug und di? Sandhofbäuerin auf dem Tisch in der kleinen Stube auspackte: Eier» Schinken, Kuchen, Butter und viele

andere schöne Sachen, kamen die Leute vorbeigestrichen, schiel» ten nach den Fenstern und machten sich, seht verwirrt, bei der Familie am andern Ende des Hauses zu tun, halb wirbelig vor Verlegenheit. Maren wußte, wonach sie rannten, nahm es sich aber nicht mehr zu Hetzen. Sie war daran gewöhnt, daß man sie beobachtete und die Nachbarsleute als Ausgucks­tor benutzte. Wenige Tage barauf lief di« Kunde durch die Gegend, daß der Sandhofbauer angefangen habe, sich seines unehe- lichen Kindes anzunehmen. Ganz kreiw'llig sei es wohl nicht gegangen Maren sollte ihm auf den Weg geholfen haben, endlich. Niemand verstand so recht, daß sie so lange Geduld mit ihm gehabt hatte; sie hatte ja doch die Mittel, sich ihr Recht zu verschaffen. Aber nun hatte sie es also auch satt be- kommen und hatte angefangen, ein bißchen Zauberei nsit der jungen Frau des Sandhofbauern zu treiben abwechselnd hatte sie ihr ein Kind angehext und es wieder nach ihrem eignen Willen verschwinden lassen. Einige behaupteten, daß! sie Stine hierzu benutze indem sie sie zurückbannte und be- 1 schwor bis zum Zustand des Utzgebovenfeins hin, so daß das' Kind gezwungen war, sich einen Mutterschoß zu suchen; und. daß deshalb die Kleine nicht recht wachsen wollte. Stine war auffallend klein für ihr Alter, obwohl ihr nichts fehlte. Man ließ sie einfach nicht ihrer Natur gemäß wachsen, denn dann wäre es ja desto schwieriger gewesen, sie in nichts hinabzu- beschworen. Es hatte fein DöleS und Gutes, jemand wie die kluge Maren in der Gemeinde zu haben. Eine Hexe war sie, das stand fest; für eine solche aber war sie im Grunde eine brave Person. Nie mißbrauchte sie ihre Fähigkeiten im Dienste des j Bösen, soviel man wußte und sie war gut zu den Annen.| Manch einen hatte sie kuriert, ohne etwas dafür zu nehmen, i Und was den Sandhofbauer betraf, so gönnte jeder ihm eine' Ohrfe'ge. Marens Ruhm stieg hiernach. Die Menschen sind ver-: geßlich, wenn es ihnen gut geht, und der Sandhofbauer war! nicht immer gleich eifrig, den beiden etwas zu bringen. Es konnte eine lange Zeit vergehen, wo er sich n'cht sehen ließ; zu andern Zeiten kam er fleißig. Die Sandhosbauern pfleg-! icn vom Hexenschuß geplagt zu sein. Während sie auf dem! Felde waren und sich hinabbeugten, um einen Stein oder eine! Unkrautpflanze aufzunehmen, konnte plötzlich eine unsichtbare l Teufelei auf sie einstürmen. Sie gab sich zu erkennen durch i

einen Knall und einen unerträglichen Schmerz in der Lende; sie konnten sich nicht wieder ausrichten, sondern mußten aus allen Vieren nach Hause kriechen. Da lagen sie dann Wochen- lang und stöhnten, litten unter der Untätigkeit als die Ar- be'tsmenschcn, die sie waren, und ließen sich mißhandeln mit Blutegeln, Schröpfköpfen und klugen Ratschlägen._ Bis das Uebel eines Tages ebenso plötzlich verschwand, wie es ge- kommen war. Sie selbst schrieben es den bösen Blicken von Frauen zu. die sich vielleicht übersehen gefühlt hatte:;, und die sich auf diese heimtückische Art rächten; andere mesiüen. eS sei die Strafe des Himmels, weil sie zu viel in der Lende hätten. Dort saß jedenfalls ihr Schreckgespenst, und wenn Anders Olsen hinten eine Andeutung von Zuckungen ver­spürte, beeilte er sich, die kluge Maren zu versöhnen. Davon ließ sich ja nicht leben, aber das Ereignis er- weiterte den Kreis derjenigen, die sich an sie wandten. Maren selbst verstand nie io recht, worein sie hier geraten war; aber sie nahm die Tatsachs hin, w'e sie war. und nutzte sie nach Kräften aus. Sic eignete sich dies und jenes von dem an, was sie noch von den klugen Ratschlägen der Mutter aus ihrer Kindheit behalten hatte und ließ es im übrigen darauf ankommen; die niesi'ten legten ihr selbst in den Mund, was ste sagen und tun sollte, Maren bekam io oft zu hören, daß sie eine Zauberin sei, daß sie es manchmal selber glaubte. Zu andern Zeiten wunderte sie sich bloß über die Dummheit der Menschen. Aber immer dachte sie mit einem Seufzer an die Tuge, wo Sören noch lebte und sie nichts war als sein Plappermaul schlecht und recht. Das war eine gute, friedliche Zeit gewesen. Jetzt war sie einsam. Sören lag in der Erde, und alle andern scheuten sie wie die Pest, wenn sie sie nicht gerade nötig hatten. Andere verkehrten doch miteinander und tratschten ein bißchen, aber niemandem siel es ein, zu Maren in die Stube zu laufen und eine Tasse Kaffee bei ihr zu trinken. Selbst die Nachbarsleute hielten sich vorsichtig zurück, oh- schon sie oft einer Handreichung bedurften und teAhaftig wurden. Von lebenden Freunden hatte sie nur einen, der ihr voll Vertrauen entgegenkam und keine Angst vor ihr hatte das Mädel. Es war ein böses und beschwerliches Gewerbe, weise Frau zu sein und obendrein hatte sie es nicht selber ge- wählt. Aber es lieferte das tägliche Brot. Eortf. folgt)