Kapital imd Arbeit sehr viel mehr produzirt werden würde, als in der heutigen Wirthschaftsordnung. Aber noch mehr! Im Zukunftsstaate wird nicht nur das gleiche Quantum Kapital und Arbeit zur Produktion benutzt werden, sondern ein weit größeres Quantum: nämlich alles Kapital und alle Arbeit. Das ist heute keines- wegs der Fall. Es ist gerade der größte Fluch der heutigen Wirthschaftsordnung, daß sie gar nicht im stände ist, alles vorhandene Kapital und alle vorhandene Arbeitskraft bei der Produktion zu beschäftige«. Das stetig wachsende Heer der Arbeitslosen ist ja das gräßliche Wahrzeichen der kapita- listischen Wirthschaftsordnung, das ihr schließlich zum Grab- denkmal werden muß. Damit ist's wohl für jeden, der sehen und hören will, genug.-- Seltsam! Auch in der bürgerlichen Presse gilt es doch sonst für anständig, daß man nur über eine Sache schreiben soll, von der man etwas versteht, die man begriffen hat. Aber fast immer und überall macht die Sozialdemokratie eine Ausnahme von dieser Regel. Ueber sie schreiben und reden allenthalben die Stützen der gottgewollten Wirth- schaftsordnung, ohne auch nur ihre Grundsätze begriffen zu haben. Uebrigens ist das gar nicht verwunderlich, denn wir haben gar keine Gegner, die uns begriffen haben. Wer uns wirklich begriffen hat, gehört auch zu uns, wenn der Egoismus noch nicht alles menschliche Fühlen in ihm über- wuchert hat. Die Siege der sozialistischen Partei in Frankreich . Paris , den 10. August 1894. Nach dem Unterliegen der Kommune rief.Thiers, der die Metzeleien geleitet hatte, aus:„Der Sozialismus ist vernichtet." Indessen trat acht Jahre darauf, als kaum der Versailler Schrecken sich gelegt hatte, 1879 in Marseille ein Kongreß zusammen, dessen Delegirte, die aus allen Theilen des Landes gekommen waren, beschlossen, eine Arbeiterpartei zu gründen, um sich der öffent- liehen Gewalten zum Zweck der Nationalisirung des Bodens und der Produktionsmittel zu bemächtigen. Die Presse machte sich lustig über diese Handvoll Menschen, die weder Namen, noch Einfluß, noch Stellung, noch Vermögen besaßen und sich vorgenommen hatten, die Gesellschaft von Grund aus umzubilden. Die Presse behandelte sie wie Narren, die mehr beschränkt als bösartig sind und durch kalte Douchen kurirt werde» müssen. Doch bald veranlaßten die Narren, daß die Spötter anders von ihnen sprachen. Beseelt vom Glauben, der Berge versetzt, gingen sie mitten unter die Arbeiter und entwickelten die Theorien des wissenschaftlichen Sozialismus, dessen Lehrer ihnen Marx und Engels gewesen waren. Die Leuchten der Bourgeoisie sagten:„Das Kapital " wäre zusammengesetzt aus deutscher Metaphystik, Hegelischem Galli- mathias; um so mehr war man erstaunt, als man sah, daß die Arbeiter verstanden, was ihnen selbst unverständlich erschien, und auf Marx schworen und sich Marxisten nannten. Schließlich beunruhigten die Fortschritte des Sozialismus die republikanischen Bourgeois. Sie waren bisher die einzigen gewesen, die die Arbeitermassen darüber belehrten, was sie in der Politik denken und fordern sollten. Es war Zeit, diesen Sozialisten das Handwerk zu legen, die sich in die Belehrung der Arbeiter einmischten, und sie aus den öffentlichen Versamm- lungen herauszutreiben, indem man die Jrrthümer und Dumm- heiten klarlegte, die sie vertraten. Die Bourgeois zogen gegen sie in den Kampf und traten in den Versammlungen gegen sie auf. Doch welche Ueberraschung wartete ihrer da! Die Zuhörer applandirten den Thorheiten der S o z i a l i st e n und zischten ihre alten Phrasen von Freiheit und anderen schönen Dingen aus, mit denen sie die Arbeiter trunken gemacht hatten, um sie von ihren ökonomischen Klaffeninteresscn abzulenken. Nach «inigen unglücklichen Treffen fanden die radikalen Bourgeois, daß es genug sei; als sie sich weigerten, zu den Sozialisten zu kommen, suchten diese sie in ihren eigenen Versammlungen auf und schlugen sie. Voll Verzweiflung verzichteten die Bourgeois in Paris und in den Industriestädten, wo es sozialistische Gruppen gab, aus die Versammlungsfreiheit. Sie überließen ihren Gegnern das Feld, die jetzt nach Herzenslust die Proletarier mit ihren schädlichen Theorien verderben konnten. Die Schwätzer der Bourgeoispolitik zum Schweigen gebracht zu haben, war ein erster Sieg, den man ausnutzte, indem man —„O, daß Ihr sie nicht theilen mögt, Vater," sagte hierauf der Jüngling, und ergriff wehmüthig Diether's widerstrebende Hand:„o, daß Ihr der Erste seid, der den Stein aus mich geworfen, und der Lchte, der ein offenes Ohr für meine Schuldlosigkeit haben mrd! Ich kenne mich selbst kaum mehr, seitdem ich geahnt, seitdem ich vernommen, was in Eurem Herzen vorgegangen, wie sich dasselbe so ganz von mir gewendet. Ich bin irre an mir geworden, ich habe meiner Gedanken innerste Kammer durchsucht, und nicht eine Spnr von Gottlosigkeit darin gesunden. Und Ihr— der Gerechte — zweifelt an meiner Seele— Ihr ver- dämmt mich, während ich rein bin, wie ein hilfloses Kind! Doch habe ich gegen Euch keine Waffen. Im GcgeUtheile; ich wähle Euch zu meinem Beistande vor dem Stuhle zu Sachsenhausen, und gewiß schlagt Ihr mir's nicht ab, mich dahin zu begleiten, wo die Wahrheit sich aufthut in finstrer Nacht." Diether schrak sichtlich zusammen, und die Vorimirfc seines Gewissens pochten so heftig an sein Herz, daß er kaum eine ängstliche Weigerung hervorbringen konnte. Dagobert sah verdüstert vor sich hin, seufzte, und sagte:„Ihr ver- stoßt mich ganz, mein Vater. So muß ich denn allein den dunkeln Weg machen. In Gottesnamen; aber mich be- trübt's, daß Ihr mir verweigert, warum Wallrade an meiner Statt sicher nicht vergebens gebeten haben würde."— „Nichts von Wallraden!" rief Tu-thcr ängstlich und unwillig: Ich bin nicht ungerecht in der Liebe, die ich meinen Kindern schenke. Ich liebte Wallraden, da ich sie fleckenlos glaubte; aber nun.... selbst gegen den ihr ge- hässigen Bruder vertheidige ich sie nicht."—„Ich hasse ja Wallraden nicht," sprach Dagobert ruhig,„doch ihrem Haß vermag ich nicht verschwenderische Liebe entgegen zn setzen, und darf Euch mit dem heiligsten Eide versichern, daß diese Schwester, Eure Tochter, niemals würdig war, unseren Namen zu führen. Wollt Ihr Beweise...?—„Schweig?" unterbrach ihn Diether heftig,„ans Deinem Munde will ich nicht wieder hören, was ich schon weiß. Welch ein Sieg für Dich und Margarethen!"— Dagobert zuckte schweigend die Zlchseln.— Diether fuhr aber entrüstet fort:„Schlange nennst Du Wallraden; sag' an, gelehrter Sohn: welch Ur- theil fällst Du über Margarethen? Schenkst Du ihr einen Heiligenschein, oder mußt Du beschämt bekennen, daß sie schlimmer fehlte, als Wallrade?"— Dagobert schwieg nicht lange.„Dies Bckenntniß vermag ich nicht zu leisten," sagte er:«daß jedoch Frau Margarethe fehlte. Eurer un- ihnen die Parlamentssitze streitig machte, die diese Herren als unantastbares Gut der Bourgeoisie betrachteten. In manchem Treffen wurden sie geschlagen. Bei den Gemeindewahlen 1892 trugen die Sozialisten ihren zweiten großen Sieg in den Departemens davon; in Paris fanden in diesem Jahre keine Wahlen statt; die marxistische Arbeiterpartei vereinigte auf sich 169 090 Stimmen und 736 Kandidaten waren gewählt worden. Gemeinderäthe von Städten, die so wichtig sind wie Roubaix , Narbonne , Montlusvn und so weiter hatten eine sozialistische Majorität. Die bürgerlichen Parteien trösteten sich über den Fortschritt des Sozialismus in den Städten mit dem Gedanken, daß die Landbevölkerung auf immer an sie gefesselt bleiben würde. Sie bildete die große Mehrheit der Wähler. Man lachte und drohte den Sozialisten mit Heugabelstichen, wenn sie ihr von Verstaat- lichnng des Bodens reden würden. Die Sozialisten betraten das neue Gebiet, und sofort galt es, dasselbe zu erobern, wollte man nicht, daß die Erfolge in den Städten unfruchtbar blieben: Die Sozialisten ließen sich von der Ueberzeugung leiten, daß sie nach den Wahlsiegen von 1892 mir Methode und Aus- dauer die Propaganda auf dem flachen Lande betreiben müßten. Auf dem Kongreß in Marseille 1892, dem unser Freund Lieb- knecht als Delegirter beiwohnte, verfaßten sie ihr Programm für die Landarbeiter, das die Konservativen in Wuth versetzte und bei den Parlamentswahlen 1893 bewirkte, daß Jaures , Sanvanet und andere den Stimmen der Arbeiter die der Landbevölkerung hinzufügten. Die erste Wahlschlacht auf dem flachen Lande war gekrönt von gewichtigen Erfolgen. Blieb noch das Parlament. Während der letzten Legislatur- Periode hatten die Sozialisten eine unglückliche Rolle gespielt. Sobald Jaurss, Baudin , Ferro»!, Lafargue u. s. w. die Tribüne bestiegen hatten, wurden ihre Stimmen von den Abgeordneten des Zentrums, der Linken und der Rechten in skandalöser Weise niedergebrüllt. Die Wahlen von 1893 brachten 209 neue geordnete; schon in der ersten Sitzung konnte Jaurss die Fa.,..e des Sozialismus auf der Tribüne des Parlaments aufpflanzen, und das Ministerium Dupuy so schlagen, daß es abdankte. Die Bahn war frei; auf den fetten Dickhäuter aus der Auvergne folgte Casimir-Perier . Zweimal brachten die Sozialisten sein Kabinet in die Minorität. Gleich anfangs wegen der Ver- wendung der 63 Millionen, welche die Konvertirnng ersparen sollte, und dann bei der Frage der Eisenbahn-Zlrbeiter, denen man ver- bieten wollte! zu streiken. Das Kabinet Perier, das nur dank der Bombe Vaillant's sich erhalten hatte, mußte nunß seiner- seits nach der zweiten Niederlage abdanken. Die kleine sozia- listische Gruppe, die nur aus 50 Mitgliedern bestand, hatte zum zweiten Male innerhalb von sieben Monaten das Ministerium � � Wie der Hund in der Bibel, so verfiel die Kammer wieder in ihre alten Sünden und griff abermals zu Dupuy. Er nahm sich vor, sich zu rächen, und indem er den Dolchstoß Caserio's benutzte, schmiedete er ein Gesetz, das ihn von den Sozialisten und allen Anklägern der Panamisten befreien sollte. Die Sozialisten nahmen den Kamps auf und richteten in vierzehn- tägigem Kampfe gegen die servile Majorität das Gesetz so zu, daß es den unheilvollen Plänen der Intriganten der Majorität nicht mehr zu dienen vermag. Der Jnstizminister stellte diesen Triumph in einem Zirkular, das er an die Staatsanwälte bezüglich des Gesetzes gegen die Anarchisten richtete, fest. Er sagte, es solle in keiner Weise eine Drohung>gegen die- jenigen sein, die sich bestreben, ihren Ansichten durch gesetzliche Milte! zum Siege zu verhelfen. Angenommen vom Parlament, um die bedrohte öffentliche Sicherheit zu vertheidigen, solle und könne es nur die Anhänger der Propaganda der That treffen. Auf diese Rolle beschränkt, wird das Gesetz zu einer Gefahr für die Regierung, und es hat auch nicht gezögert, sich als solch« zu erweisen. Es gestattet, auf eine einfache Denunziation anarchistischer Gesinnung hin. die Verhaftung jedes Bürgers. Vor drei Tagen überfiel die Polizei ein Haus in der Nähe von Paris , um Bomben und Geheimprcssen zu suchen, fand aber nichts. Sein Eigenthümer, der öffentlich beim Tode Carnot's geweint und das Gesetz gebilligt hatte, war von einem Werkführer, den er weggeschickt hatte, dennnzirt worden. Selbst t, die reaktionärste Presse ist darüber entrüstet. Die Tage des Ministeriums sind gezählt. Man spricht schon von einer neuen Znsamnieusetzung, bei welcher Leon Bourgeois , Ex- Radikaler und früherer Minister, belhciligt sei. Ehe aber Dupuy fällt, arbeitet er noch mit Burdeau, dem Kammerdiener Roth- schilds und Kammerpräsidenten, eine neue Geschäftsordnung aus, welche den sozialistischen Abgeordneten nahezu das Wort entzieht, indem sie das Recht der Interpellation, dessen jene sich beinahe allein sich bedienen, einschränkt. Vielleicht wird sie angenommen. Was schadet eS: die Sozialisten sind jetzt Herren des parlamentarischen Schlachtfeldes und, was man auch lhun mag, nichts wird sie aufhallen. würdig handelte, will ich nicht leugnen. Leider darf ich's nicht."— Triumphirend sah Diether zn ihm empor und rief:„Dank Dir, mein Gott, daß des Sünders Mund so eben die eigene Schuld bekennt in der fremden."—„Ich begreife kaum mit Sinn und Ohr, ivas Euer Mund spricht," erwiderte Dagobert;„doch schwör' ich's Euch, daß meine Lippen nianchcs enthüllen könnten, was ich verschweige, weil Frau Margarethe Eure Hausfrau, meine zweite Mutter ist. Die Zeit ersetze das, was ich versäume."—„Recht; doppelzüngiger Mensch rief Diether gereizt:„Hülle Dich nur ein in räthsclhafte Reden. Deine Vergehen blicken überall hervor, und das strafende Gericht wird nicht ausbleiben. Die Ehre Deines Vaters hast Du mißhandelt; Deine eigene Ehre in den Staub getreten; Dein Leben verivirkt durch Deine Buhlerei mit der Jüdin, von welcher die ganze Stadt weiß."—„Vater!" rief Dagobert mit flammenden Augen und eilenden Worten:„Beschützt habe ich Eure Ehre, und nie besudelt die meinige. Vater, wer an die reine Sitte der Unglücklichen tastet, der ich Beschützer ward, weil sie keinen Freund auf der weiten Erde hat,— wer Ben David's Tochter schmäht, blos deshalb, weil sie eine Jüdin und mir lieb ist,— gegen. den zieht mein Zorn zu Felde und wäre ich gleich sein Sohn. Buhlerei, sagt Ihr? Die Farbe des reinen Himmels reicht nicht an Esthcr's Unbc- scholtenheit; eine Schurkerei habe ich noch nie gedacht. Aber unter meinem Schilde ruht die Taube sicher; ich verrathe ihre Zuflucht den Feinden nicht, und würde jetzt schon der Holzstoß für mich angezündet." „Prahlender Wüstling!" zürnte Diether:„Tritt immer auf in Deiner wahren Gestalt; fliehe aber die Stätte, wo ein Freistuhl Westfalens steht. Häufe nicht noch den Jam- mer auf mein Haupt, Dich an einem Stadtthor von den heimlichen Rächern aufgehängt zu erblicken."— „Der Herr wurde unschuldig gerichtet," erwiderte Da- gobert mit völliger Seelenruhe:„beueidenswerth wäre ich, ein schwacher Sohn des Standes, träfe mich ein gleiches Loos. Lebt wohl indessen, Vater. Ich scheide. Lieblich war mir dies Haus, da ich noch eine fröhliche Jugend darin herunitrug, von Stiege zu Stiege, von Speicher zu Flur, von Gemach zu Gemach, und mich überall in die Arme eines guten Vaters, in den Schoß einer treuen Mutter legen konnte. Aber, nun die getreue Mutter zum Himmel gezogen ist, und das Vaterherz ein doppelt Erz angethan hat, sind mir erst diese Wände eng geworden, nun niedrig wie Särge diese Gemächer. Ich will Euch, Herr Vater, Die sozialistische Partei hat ihre Gegner überall geschlagen, in den Städten, auf dem Lande, im Parlament»!!| Gallus. P.S. Heute morgen melden die Zeitungen eine neue An- wendung des Schandgesetzes: Ein junges Mädchen, das seine Eltern zwingen wollte, die kleine Stadt zu verlassen, wo si.e sich langweilte, fand kein besseres Mittel, als sich an die Polizei zu wenden und eine Menge Personen des Anarchismus zu bezichtigen, bei denen dann gehaussucht wurde: sie wollte jeder- mann gegen ihre Familie aufhetzen. Das Gesetz wird nach- gerade unerträglich. -VoltkisrF» LIvEcrsirstk. Berlin , den 13. August. Wir hätten ihm und dem deutschen Volke den Urlaub gegönnt. In bürgerlichen Blättern finden wir die folgende Nachricht: Der Reichsschatzsekretär Graf Posa- dowski wird auf seinen Sommerurlaub verzichten, swie ver- lautet, da ihn die Vorbereitungen der Steuervorlagen für die nächste Tagung des Reichstages noch geraume Zeit in Anspruch nehmen und dann sofort die Arbeiten für den Etat des nächsten Jahres beginnen. Erfreuliches wird dieser Uebereifer nicht zeitigen.— Zum Kampfe gegen die Sozialdemokratie werden die augeblich unpolitischen Kriegervereine aufgerufen; hier- über machte der Vorsitzende des Kriegervereins zu Neustadt in Wcstpr. in der letzten Generalversammlung des Vereins Mittheilung. Er erwähnte einen Erlaß des Ministers des Innern, wonach die Kriegervereine aufgefordert werden, energisch Front gegen Sozialdemokratie und Anarchismus zu machen. Wir hoffen auch den Ansturm dieser Helden abwehren zu können.— Das dümmste Zeug über die Sozialdemokratie ist der„Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" gerade gut genug, um es als Lektüre ihren durch ihr Leibblatt freilich gar nicht verwöhnten Lesern zu empfehlen.„Am Rande des Abgrundes" heißt die Sudelei, denen das Organ des Reichs- kanzlers eine Artikelserie zu widmen gesonnen ist. Zur Kennzeichnung des Werthes dieser Schrift dienen die folgenden Sätze; Die Behauptung der Sozialdemokratie, daß sie ein« Partei des Sozialismus sei, ist eine der größten Lügen in unserer durch und durch verlogenen Zeil. Die sozialistischen Bestrebungen, die sich im Parteiprogramme der Sozialdemokraten spärlich genug vorfinden, und in der Forderung der Verstaat- lichung sämmtlicher Produktionsmittel gipfeln, sind nur das Mäntelchen, das das rein politische Streberlhum der Partei ver- decken und die Arbeitermassen und den im vollsten wirthschaft- lichen Niedergange befindlichen Mittelstand ködern soll. Der richtige Sozialismus verhält sich zur demokratischen Forderung der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, die doch nur im Rahmen der Herstellung der Willkürherrschaft und der Sonder- interessen aller Individualitäten, also am letzten Ende im Rah- men der Anarchie zu verwirklichen ist, wie Feuer zu Wasser. — Von wo droht die Reaktion? Die„National- Zeitung", die„unentwegte" Vorkämpferin aller Ausnahme- gesetze, der in den letzten Tagen wegen ihrer Verlogenheit von der„Kreuz-ZeUung" mehrfach recht kräftig auf die Finger geklopft wurde, verräth es, sie schreibt: ,... als ob nicht die schlimmste und gefährlichste Reaktion gerade von den Umsturzbestrebmigen verschiedener Art droht, die es zu bekämpfen gilt!" Der deutsche Liberalismus scheint schon an vollständiger Gehirnversandung zu leiden, seine Vertreter erkennen sich bald nicht mehr, wenn sie in den Spiegel sehen.— Am Hitzschlag starb auf dem zu trauriger Berühmtheit gelangten Todesmarsche des württembergischcn Fnßartillerie- Bataillons u. a. auch ein Einjährig-Freiwilliger. Dem Vater, der sich um Mittheilung des Ergebnisses der Untersuchung an das Gouvernementsgericht wandte, wurde geantwortet, daß die Führung des Bataillons an dem ganzen Unfälle unschuldig sei, vaß die Schuld blos die Opfer des Todesmarschcs treffe. Wir glauben, daß diese Darlegung mit allgemeinem Kopfschütteln beantwortet werden wird. Wohl mögen die Kommandeure unschuldig sein, das System des Militarismus trägt sicher- lich die ganze Schuld an den zahlreichen Opfern des Krieges im Frieden. — wie den wälschen Ohm mit meinem Anblick verschonen. und fürder allein für mich meine Straße ziehen. Behüt' Euch Gott , und lebet wohl."— Auf der Schwelle stieß Dagobert, in dessen Augen der Thränen Gewalt drückte und preßte, auf den kleinen Hans, den Fiorilla an der Hand führte. Fiorilla begrüßte den Jüngling mit jener Fremdartigkeit, die vor den Zeugen die nähere Bekannt- sthast zu verbergen strebt; der kleine Hans jedoch jubelte laut auf und kletterte an Dagobert empor. Dieser wurde roth vor Ueberraschung, und setzte den Knaben stumm wieder nieder, ohne seine Liebkosungen, wie wohl vordem, zu er- widern. Haus machte ihm kindliche Vorwürfe wegen dieses Kaltsinns.—„Die gute Mutter ist sortgegangeu," klagte er,„und Else ist fortgegangen, und der Mann dort macht ein finster Gesicht. Was soll ich denn anfangen, Dagobert, wenn auch Tu nichts mehr von mir wissen willst?" Gerührt blickte Dagobert auf den Knaben lhcrab, be- trachtete ihn aufnierksam, nickte dann mit dem Kopfe und sprach:„Wahrlich, Du armes Kind,... Du bist übel daran,... übler als Du weißt und verdienst."— Hier wendete er sich rasch zu Diether. aber der schon zun. Reden geöffnete Mund verstummte vor dem stieren Blicke, mit welchem der Vater seine Söhne beobachtete.„Neberlasse alles dem Herrn!" flüsterte der Jüngling in sich hinein und bückte sich wieder zu dem Knaben herab:„Gutes Kind!" sagte er halblaut zu demselben,„vaterloser Knabe! fasse Muth und stärke Dich zu jedem Unglück. Bist Du einst allen fremd geworden und ich lebe noch, so komm zu mir; ich will Dir Vater sein!'—„Ach ja;" wiederholte der Knabe, seinen Lockenkopf vertraulich auf Dagoberts Schulter leh- ncnd:„Du mein Vater."—„Ich mein Sohn; ja! beim ewigen Gott! ich..." stanimelte Dagobert unter Thränen, umarmte das Kind, legte es in Fiorillens Arm und entfloh dann aus dem Gemach. Fiorilla brachte den sehn- suchtsvoll nach dem Scheidenden blickenden Knaben ans Diether's Schoß. Der zornige Mann stieß ihn aber von sich, und rief:„So geh' doch hin zu Deinem Vater, junger Kuckuck, und verwünscht sei die Stunde, in der mich mein leichtgläubig Herz abermals betrog!"— (Fortsetzung folgt.)
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