Nr. 312 36. Jahrgang
Groß- Berlin
Das geheime Warenhaus.
Beilage des Vorwärts
Wir haben schon kurz darauf hingewiesen, daß das Reichsverwertungsamt auch im Eispalast Lutherstraße ungeheure Vorräte an Waren der Allgemeinheit, die sie dringend braucht und zu Wucherpreisen bezahlen muß, vorenthält. Wir hören dazu weiter: G3 liegen da Unmengen Kattune, Mulle, Gardinen, Leinen, Baumwollstoffe, mehrere Millionen Rollen Gruschwitz- Garn usw. Glaubt die Behörde etwa, diese Gegenstände würden durch langes Lagern reichhaltiger? oder welche Gründe liegen sonst vor, daß man dem Volk die notwendigen Gegenstände entzieht? Der Eispalast ist vom Keller bis zum Boden vollgepfropft mit diesen Gegenständen und trotzdem dürfte das doch nur ein Bruchteil aller in Deutschland lagernden Gegenstände ausmachen.( 35 Mill Mart.) Man sieht täglich als Anwohner immer neue Waren zufahren. Warum werden denn diese Waren nicht direkt den Verbrauchern der Tertilbranche zugeführt? Ein nicht zu unterschätzender Nachteil besteht auch in der Feuersgefahr solch großer Stapellager mitten im Wohnviertel.
Aehnliche Verhältnisse gibt es in ganz Deutschland . In Caffel liegt ein enormes Lager von Gardinenstoffen. Der Leiter hat seiner vorgesetzten Behörde berichtet, daß es ihm schwer fällt, die Menge vom Plündern seiner Lager abzuhalten. Das ist leicht begreiflich, da die Leute selbst teine Gardinen haben und genau wissen, daß hinter diesen Zäunen Millionen Meter liegen. An einer anderen Stelle im Deutschen Reich ist ein Sanitätsschuppen, der ziria 30 000 Bettstellen enthält. Das Sanitätsamt möchte sie gern verwerten, aber das Reichsverwertungsamt hält aus absolut nicht begreiflichen Gründen diese Bettstellen zurück. Ganz abgesehen davon, daß wir heute eine Möbelnot in ganz Deutschland haben, wird für diese gestapelten Waren sicher auch noch Lagermiete und alle möglichen Gehälter für Direktoren, Lagerberwalter usw. bezahlt.
Eine eigenartige Ueberraschung wurde den Belegichaften der Firmen Daimler und Werner zuteil. Um 1 Uhr erschien eine er
weiteren Mitteilungen nimmt Kriminaloberwachtmeister Lahmann entgegen. Der Verfolgte besigt außer den Papieren des Ermordeten Stelt noch Ausweise auf den Namen Friz Jubelt 31. 12. 94 in Friedrichsgrün geboren.
Bermißt wird seit Mittwoch der 12 Jahre alte Sohn Joachim des Studienrats Lamprecht aus der Hartmannshauier Straße 26 Der Knabe ist am Mittwoch aus der au Berlin- Wilmersdorf. Schule nicht nach Hause zurückgekehrt. Der Vermißte bat ieine Schulmappe bei sich, ist 1.48-1,50 Meter groß, hat dunkelblondes, balblanges, hochstehendes Haar, graue Augen, ein rundes, gesundes Gesicht und vollständige Zähne und trägt eine dunkelblaue Matrosenmüße mit der Aufschrift:„ S. M. S. Möne", eine duntel၅၆
G
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hebliche Anzahl Regierungsfoldaten und besetzten sämtliche Ein- blaue, furze Leinenhofe, eine helgestreifte blau- weiße leinene Blufe und Ausgänge. Auf der angrenzenden Großbeerenstraße in Marien mit Matrofentragen, bellblaue gemusterte Wadenstrümpfe und dorf waren mehrere Revolverkanonen aufgefahren, auf der Zufahrt- schwarze Schnürstiefel. Auf seine Ermittelung ist eine Belohnung straße zum Daimler- Wert stand ein Panzerauto mit 4 Majainen- bon 200 m. ausgesetzt. gewehren. Der Betrieb wurde in allen Winkeln, Schränken,
man
Schuppen, Bureauräumen usw. nach Waffen durchsucht. Beim Vers Lebensmittelkarten für Minderbemittelte bestehen schon in Lassen des Werks ebenfalls jeder dort Beschäftigte. Auch die Wien und Frankfurt a. M. Sie werden auf Grund des SteuerTelephonzentrale wurde militärisch besetzt und jedes Ge- settels ausgestellt und berechtigen zum vorzugsweisen Bezug spräch abgelehnt. Während bei der Firma Werner die Durchsuchung billigerer Lebensmittel bzw. der billigeren inländischen statt der bollkommen resultatlos verlief, fand bei Daimler teuren ausländischen. Ihre Einführung in Groß- Berlin erscheint in einem Schuppen ein altes Gewehr, Modell 88, das aber kein um so angetrachter, als die Staffelung der Lebensmittel nach dem Schloß mehr besaß und auch sonst defekt war. Die„ Waffe" schien Einkommen selbst undurchführbar erscheint. selbst den suchenden Truppen so harmlos, daß sie diese zurücklassen wollten und erst auf Zureden der Arbeiterschaft dann mitnahm. Mit solchen unnüzen Belästigungen, hervorgerufen durch die Anzeige eines gewissenlosen Spizels, trägt man nicht zur Beruhigung der ohnehin aufgeregten Gemüter der Arbeiterschaft bei und erschwert unseren Funktionären die Arbeit im Betriebe. Weiß der Gouverneur von Berlin oder der Reichswehrminister von diesem Aft etwas oder ist es wieder einmal eine selbständige Sonder aftion des Eden- Hotels?
Sonnabend, 21. Juni 1919
Wasserverteuerung im Westen. Durch Schiedsspruch ist den Charlottenburger Wasserwerken mit Wirksamkeit vom 18. Mai ab ein Zuschlag von 7 Bf. für das Kubikmeter zugebilligt worden, sodaß sich der bisherige Tarif auf 37,22 und 17 Pf. erhöht.
Die Gasverteuerung betrifft eine Anzeige in vorliegender Nummer. Der große Preis von Werlin im Stadion am Sonntag für Dauer. fahrer bringt acht Dauerfahrer an den Start. Teilnehmer Saldow, Struptat, Thomas, Bauer, Appelhans, Lewanow, Wittig und Netteibed. Auch sämtliche deutsche Flieger sind vertreten. Sie bestreiten den Großen Preis von Berlin , ein Handicap, ein Tandemrennen, an welchem zirla 15 Mannschaften teilnehmen, und ein Prämienfahren. Die Nennen be ginnen um 4 Uhr. Billettverkauf findet bei A. Bertheim statt.
Staaten. Der Reichsbund der Kriegsbeschädigten, ehem. Striegsteilnehmer und Hinterbliebenen" Sonntag 3 Uhr Sommerfest in den Lofalen von Thiele, Berliner Straße, und Hornemann, Königstraße.
Lichtenberg . Stadtverordnetenversammlung. In die Volkshoch schulkommission werden Genoffe Beterhansel und Genoffin Böcki gewählt. Der Magistrat hat eine Feststellung der Benfiten mit Eins tommen über 6500 m. in die Wege geleitet, um die Steuerbefreiung der Minderbemittelten vorzubereiten. Zur Schaffung eines Wach tommandos wird von den Unabhängigen bemängelt, daß die Einrichtung, ohne die Mitwirkung der Stadtverordneten getroffen worden fei. Die Kinosteuer wird angenommen. Die Erböbung des Zuschusses zur Erhaltung des AugustaVittoria- Kranfenhauses von 40- auf 50 000 m. wird von den Unabhängigen abgelehnt, weil den Stadtverordneten tein entsprechender Einfluß auf die Verwaltung des Krankenbaufes eingeräumt iei. Im übrigen soll die Stadt die erforderlichen Maßnahmen treffen, um das Krankenhaus zu übernehmen. Genosse Peterhansel betonte, daß auch die sozialdemokratische Fraktion der letzteren Auffassung zustimme. Wenn sie troydem für die Vorlage eintrete, so um deswillen, weil in der Hauptsache die ärmeren Bevölkerungsschichten das Krankenhaus aufsuchen. Die Vorlage wird ange nommen. Zum Bau eines Lebensmittelspeichers werden 650 000 m. bewilligt mit der Maßgabe, daß der von Staat und Reich zugefagte Ueberteuerungszuschuß bon 1535 000 M. auch tatsäch lich gezahlt wird.
Mariendorf Südende. Gemeindevertretung. Für die auss scheidenden Genossen Wa beim, Huhn und Leip traten unfere Genoffen Raphun, Rostock und Schwarz. Ein Antrag auf Erhebung von staffelförmigen Zuschlägen zur Einkommensteuer wird im Brinzip angenommen. Die Nachbewilligung von Mitteln für den Arbeiterrat wird vorläufig abgelehnt, weil die in den Etat eingestellten 2200 W. noch nicht aufgebraucht sind. Die Frage der Ents schädigung für die Gemeindevertretung wird aur nochmaligen Be ratung an den Etat- und Finanzausichuß zurückverwiesen. 5000. werden bewilligt für Schwimmunterricht hiesiger Schulkinder. Ju folge Erhöhung der Müllabfuhrkosten um 50 Broz. soll die Müllabfuhr in eigene Regie übernommen werden. Das Mieteinigungsamt wird um drei Beifizer vermehrt. Eine Anfrage: Was gedenkt der Gemeindevorstand zu tun, um den Erwerbslosen und Minderbemittelten den Anfauf des teuren Schweinefleisches zu ermöglichen?" wird dem Lebensmittelausschuß überwiesen.
Mieterschutz. Dem Beispiel Berlins folgend, hat auch Schöne berg eine Verordnung erlassen, wonach bei Kündigungen, namentlich zum Zwecke der Preissteigerung, vorber die Zustimmung des Mieteinigungsamts einzuholen ist. Damit ist einer seit Monaten auf gestellten Forderung unserer Stadtverordnetenfraktion stattgegeben.
Liegt Karlshorst in Amerita? Dieie Frage drängt sich einem auf, wenn man hört, daß in Karlshorst in den letzten drei Wochen außer den Rationen pro Kopf fünf Pfund weißes Weizenmehl zum Preise von je 2 M. 50 abgegeben wurden. Was steckt da dahinter? Wafferpolizei oder Seeräuber? In der Nacht vom 2. zum 3. Pfingstfeiertag blieben einige Angler bei Moorlate am Strande. Nachts 1/22 Uhr fam ein kleiner Dampfer( Motorboot) mit einem Offizier und sechs Mann in Stahlhelmen, angeblich Stromvolizei. Ein Unteroffizier ließ sich die Papiere zeigen. Zwei Mann be gegen Barzahlung gemietet waren. Die Papiere waren in Ordnung fichtigten inzwischen auf Befehl die Stähne, welche vom Verleiher Als die Strompolizei abgefahren war, fehlte aus dem Kahn der Rucksack mit den Lebensmitteln. Hiermit werden die führung zu erreichen. beiden Mannschaften aufgefordert, den Rucksack abzugeben bei Paul Komte, Schöneberg , Siegfriedstr. 5.
Opfer fiel, ist zum Teil schon aufgeklärt. Kriminaloberwachtmeister Der Raubword in Döberit, dem der Soldat Johann Stelt zum Lahmann und seinen Beamten gelang es festzustellen, daß der Mörder ein 24 Jahre alter aus Waltershausen in Sachsen - KoburgGotha gebürtiger Musketier Theodor Rimbach ist. Wie die Nach foribungen ergaben, ist Rimbach nach der Ermordung Stelts noch in Tempelhof gewefen. Er hat dort geäußert, daß er nach Frants S. V. D. Funktionäre des Siemens Konzerns. Montag, furt a. M. oder Hamburg fahren wolle. Wahrscheinlich ist er dorthin nachmittag 4 Uhr Stonferenz aller fich zur S. P. D. bekennenden Metallmit seiner Geliebten auch bereits abgereist. Die Behörden in Frants arbeiter Bertrauensleute und Parteifunktionäre im Lotal Zur Schleuse" furt und Hamburg wurden von hier aus fofort benachrichtigt. Alle l'am Bahnhof Jungfernheide. Erscheinen dringend erforderlich.
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Mottele.
Bon Salamon Dembiber. ( Einzig berechtigte Uebersehung von Stefania Goldenring.) ( Schluß.)
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Mottele konnte nicht verstehen, weshalb man siz jetzt aus Ungarn vertrieb, wohin sie geflichtet waren. Nach seiner Mainung gehörte Ungarn dem österreichischen Kaiser; man hätte fie also nicht vertreiben dürfen. Eigentlich hätte man sie nach feiner Auffaffung- brüderlich aufnehmen, ihnen zu essen und zu trinken geben müssen, hätte ihren ermüdeten Gliedern Ruhe gönnen sollen nach dem langen, schweren Weg, den sie teils zu Fuß, teils auf rüttelnden Leiterwagen mit Kindern und Gepäck
ridgelert hatten.
Aber da Mottele viele Dinge in dieser Welt nicht verstand nud nicht alauben wollte, daß all dies nur aus Schlechtigkeit geschah, so dachte er bei sich: Gott der Herr weiß, was er tut, - und übrigens darf ein Mensch nicht so viele Fragen stellen.-
Mottele, man wird dich nicht nehmen, du zitterst ja wie ein Fisch!" sagte zu ihm ein Bekannter.
Im Nebenzimmer, in das man ihn rief, saßen mehrere Offiziere und Schreiber an einem langen Tisch. Mitten im Zimmer stand ein junger Arzt in Uniform, mit einem 3wider auf der Nase. Er beflopfte gerade die nackte Brust eines Mannes und sagte geeignet". Auch Mottele beklopfte er die Brust und hieß ihn, sich umdrehen. Dann sprach er dasselbe Wort wie bei dem Vorhergehenden.
Bebor Mottele hinausging, gab man ihm einen gelben Bettel, auf dem geschrieben war, wann er einrüden mußte.
Spandau . Stadtverordnetenversammlung. Die neu eintretenden Stadtverordneten werden eingeführt. Eine Eingabe des Mieterbundes wegen übermäßiger Steigerung erregt eine lebhafte Debatte. erforderlichen Maßnahmen eingeleitet worden sind, um die DurchAuf eine Anfrage betreffs Nichtausführung der Bestimmungen des Demobilmachungsausschusses wird vom Magistrat erwidert, daß die
Groß- Berliner Lebensmittel.
Nowawes . Heute markenfreier Verkauf von Räucherwaren von 8 bis 1 und 3 bis 7 Uhr. 150 Gramm Graupen( 32), 200 Gramm Griez ( 33), 250 Gramm Seunstbonig( 35), 200 Gramm ausländisches Weizenmehl ( Q6), 1 Dose Sülze für 5 M.( 8), 200 Gramm Dörrgemüse( 9). Diese Abschnitte abgeben.
und begannen das vom Feinde Zerstörte wieder aufzubauen. Viele trafen sogar alles in bester Ordnung an. Das Städtchen war noch von Angst befangen, aber es erholte sich langsam. Der Markt war zwar nicht so belebt wie früher, die Kinder tummelten sich nicht wie früher lärmend und mit fröhlichem Jauchzen auf dem Markt, die Häuser blickten traurig auf den leeren Markt herab, fie fühlten, daß im Städtchen etwas fehlte, um so zu sein, wie es früher gewesen war.-
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Auch Mottele war in die Stadt zurückgekehrt. Seine Frau führte jetzt das Geschäft. Mottele selbst saß wie einst auf der Site vor der Schwelle, nur, daß er nicht mehr den Sonnenuntergang beobachtete. Er sah auch ganz anders aus. In seinem spärlichen schwarzen Bart konnte man viele graue Haare zählen. Das Geficht war wie von gelbem Wachs.... Seine Augen blickten so groß und so seltsam, daß man vor Schreck zurüdsprang, wenn man in sie hineinsah..
Auf dem Heimweg famen ihm wieder die alten, bölen Gedanken. Er konnte nicht begreifen, Er konnte nicht begreifen, weshalb der Arzt die nackten Menschenleiber beklopfte, als wären es Tiere, gerade so wie einer, der ein Pferd taufen wollte. Dann dachte er: Weshalb ist eigentlich Krieg? Er er innerte sich, wie die Flüchtlinge ihm ihr Leid geklagt hatten und Aus dent halbgeöffneten Hemd schaute seine hagare, nadte mußte an Herschele Baniet, den Reichsten im Städtchen, denken. Brust hervor. So saß er den ganzen Tag. Wenn seine Frau ihn Same Seele sehnte sich nach dem Städtchen, nach dem Sommer, so sah, rang sie die Hände und ließ das Töchterchen nicht zu der kleinen Niste vor der Schwelle, und tausend Gedanken quälten fein Hirn. Zum ersten Male in feinem Leben kam ihm der ihm heran. Wenn sie ihn rief, damit er zum Essen käme, schrie Als Mottele nach Wien kam, wurde gerade der Land- Gedanke: Wäre es nicht ratsam, alles dem Kaiser zu erzählen?! er mit lauter, wilder Stimme, die über den ganzen Markt gellte: Sechs fleine Kinder verlangen ihren Vater zurück! Sturm ohne Waffe gemustert. Er begegnete einigen LandsAls er fein kleines, in einer Ghettogaffe gelegenes Stübchen Teuten aus seinem Heimatstädtchen und fühlte sich dadurch betrat, traf er seine Frau weinend, sich die Tränen aus den starren mich an... Sich nur diese Augen. D, siehst du, die zerren mich beim Kaftan... O, fie Sie schreien: ein wenig erleichtert... Erst als sie ihr erzählten, wie sie Augen wischend, an. Sie hatte bereits erfahren, daß er ge- Mörder! Mörder!... Was haben wir dir getan? lebten, wie sie von den reichen Leuten und Vereinen unternommen war, und als das Töchterchen die Mutter weinen jah, wofür Hast du unseren Vater getötet?!. weh, diese ftüzt wurden, welche Demütigungen sie ertragen mußten, da meinte es mit. Er verstand wieder nicht, warum die beiden Ich ersticke.. wurde er ganz traurig, und seine verträumten Augen starrten peinten, aber dennoch warf er sich auf das Bett und weinte wie Augen... Ich halt's nicht aus!. die prächtigen stolzen Häuser von Wien an. Es schien ihm, ein Kind. Wenn die Einwohner ihn so schreien hörten, famen sie als jagten die fremden Häuser zu ihm: Fremder Schnorrer, herbeigerannt. Sie wollten nicht glauben, daß der einst so wwer braucht dich hier? Verkriech dich lieber in irgendeinem stille Mottele so laut schreien konnte. Rinder umstanden Loch und beschmutze unsere herrliche Stadt nicht mit deiner ihn... Als er die Menschen um sich sah, gebärdete er sich Gegenwart!" noch wilder und raufte sich die Haare.
Auch Herschele Paniek, der reichste junge Mann aus seiner Stadt, beklagte sich bei ihm:„ Sieh, Mottele, du weißt ja, nicht wahr, wie ich zu Hause einst gelebt habe... Sieh, heute müssen wir mit Schande um Brot betteln. O, was ist über uns hereingebrochen, o weh, o weh!..
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Dann kam die gewaltige Schlacht bei Lemberg . Als er später im Krankenhaus tag, erinnerte er sich mancher Einzelheiten.... Aber er fonnte nicht begreifen, wie alles gefommen war. Wilde Gedanken schwirrten in seinem Stopf. Nur das Eine stand ihm deutlich vor Augen. Sie stürmten alle mit Bajonette.... Einer stürzte sich auf den anderen.... Gin Gebrüll wie bei wilden Tieren. Giner schrie, dem andern in die Gurgel beißend... Dann verschwommt alles vor den Als Mottele das hörte, weinte sein Herz, doch er schwieg Augen. Er wußte nicht, wie es kam, daß er auf einem still. russischen Soldaten lag, einem blassen, dürren Mann, mit Da Mottele noch nicht sechsunddreißig Jahre alt war, einem schwarzen Bärtchen, genau so, wie er ihn trug mit mußte er, wie ihm gesagt wurde, zur Musterung gehen. großen, erschrockenen Augen, die so mitleidsvoll blidten. Bekannten. Sie begaben sich zusammen nach dem Auskleide- er, wie jener zitternd stammelte:" Ich bin Vater von sechs Im Vorhaus der Musterungshalle begegnete er einigen Währen er sein Messer in das Herz des Feindes bohrte, hörte raum. Als er fah, wie die anderen sich auskleideten und er fleinen Kindern... Schema Isroel...."( Höre Israel .) seine Hose herunterzog, beschlich ihn ein Schamgefühl. Und Aus den verglasten Augen empfing er noch den letzten, als sie gar nackt dastanden, wie Gott sie geschaffen hatte, schmerzerfüllten Blick. Klopfte sein Herz so stark, daß er nicht wußte, wohin er die Augen wenden sollte. Ein seltsames Gefühl nahm ihn gefangen. Alles erschien ihm wie im Traum. Plötzlich fühlte er eine fremde Hand auf seinem Rücken.
D: Sommer fam.
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Mon hatte die Russen schon längst aus dem Städtchen hinausgejagt, die meisten Einwohner waren bereits wiedergekehrt
,, Ha! Ha! Ha!... Ich habe einen Juden getötet!.. Schema Jeroel!... Sabe fechs Fleinen Kindern den Vater geraubt!... O, die Augen starren mich an... sie erwürgen mich. Ha! Ha! Ha! Morgen werde ich die Welt in Brand daß sie hell auflodert!... Alle sollen verbrennen!
fezen,
Ha! Ha! Ha!...
Mit jedem Tag wurde er wilder. Jedem, der ins Städtchen zurücklehrte, erzählte man foüberzugehen oder gar erſt, ihn zu betreten. Die Einwohner fort: Weißt du, Mottele ist verrückt geworden!..." meinten:
Die wenigen Kunden hatten Angst, an seinem Laden vor
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