Luzerner Konferenz, wie vernünftigerweise zu erivarien ist, das geaen die deutsche Sozialdemokratie gerichtete Ausschluß- begehreu der Unabhängigen gänzlich unberücksichtigt läßt, so werden die Hilferding und Genossen noch lange nicht nach Moskau pilgern. Sie werden sich entweder gut zureden lassen, in der zweiten Internationale zu bleiben oder sie werden äußersten Falls nach einer kurzen Schmollpause zu ihr zurück- kehren. Taktik ist eckleS I Vielleicht erinnert man sich in Luzern auch daran, daß die Unabhängigen vor dem Ausbruch der Revolution gegen die Mehrheitssozialisten genau so tobten wie jetzt. Räch der Revolution aber setzte man sich in einer Regierung hübsch zusammen, und der Dr. Hilfcrding schrieb damals in der „Freiheit" gegen die Diktatur und überstürzte Sozialisierungs- versuche so vernünftige Artikel, daß sie der„Vorwärts" täg- lich zustimmend zitieren konnte. Fiir Nichts-als-Takiiker, wie es die Unabhängigen sind, kommt es ganz allein auf die„Situation" an. Wenn in einer späteren Situation die Unabhängigen etwas weniger Furcht vor den Kommunisten haben werden— wer weiß, tvos dann kommt? Der unabhängige Wunsch nach dem Ausschluß der Mehrheitspartei aus der Internationale entspringt lediglich einem taktischen Augenblicksbedürfnis, und gerade darum—» eben weil er nicht tieferen UeberzeugungSquellen entspringt — mnß es erlaubt lein, ihn als ein wenig frivol zu bezeich- neu. Die Luzerner Konferenz aber hieße es beleidigen, wollte man annehmen, sie könnte sich auf solche Narrenspossen ein- lassen. Sie hat ihre Entscheidungen nach höheren Gesichts- punkten zu treffen, und sie wird die Politik der Wiederannähe- rung und Versöhnung, die in Bern angebahnt worden ist, nicht in Luzern wieder leichtfertig zerstören. Liest man die Liste der auf ihr vertretenen Gruppen, so wird man ohne Un- bcscheidenheit behaupten dürfen, daß die deutsche So- z i a l d e m o k r a t i e für sie doch einiges bedeutet. Würde man sich aber den Grundsatz aneignen, jede sozialistische Partei auszuschließen, die sich mit Macht und Verantwortung befleckt hat, so müßte die Internationale ewig eine Versamm- lung ohnmächtiger OppositionssplittAr bleiben und aus der Not ihrer Schwäche eine Tugend des Prinzips machen. Aber der Wille der Arbeiterklasse schreibt ihr den Weg zur Macht vor. Den Unabhängigen wird es nicht gelingen, die Wieder- erstehung der Internationale zu verhindern, sie werden sich mit dem Spruch trösten müssen, daß es in großen Dingen genug ist, gewollt zu haben. Vielleicht nähern wir uns aber doch dem Punkt, an dem sich ihre eigenen Anhänger allmäh- lich zu wundern beginnen über die Konfusion, die man ihnen als geradlinige Politik, über den platten Opportunismus, den rrnm ihnen als Prinzipienreinheit vorführt. Der Dr. Hilfer- ding mst seinem austragsmäßigen Exkommunikationseifer wird sich in Luzern gerade nickt mit Ruhm bedecken— vielleicht trSgt das ein wenig zur Ernüchterung bei!
Eine öeutsch-italienische Vermittlungsstelle. Zur Wiederbelebung der Handelsbeziehungen. Unter dem Namen„Jtalia" ist dieser Tage aus Kreisen deS Handels, der Industrie und des Gewerbes mit dem Sitz in M ü n ch e n eine Vermittlungsstelle für den .deutsch - italienischen Güteraustausch ins Leben gÄreten. Das Begrüßenswerte der Neubegründung besteht darin, daß sie keine Erwerbsgesellschaft aufstellt, sondern in engster Verbindung mit den Reichs- und Landes- behörden und in Zusammenarbeit mit allen Bernfskreisen der Förderung der wirtschaftlichen und kulturellen Bez�ehungenMt'ischen Deutschland und Italien dienen soll. Die nächsten iihlfgfiben der Vereinigung gelten in erster Linie den Fragen der In- und Ausfuhr, der Zölle, der Bahn- tarife, des Verkehrswesens, der Paßvermittlung und der Erteilung von kaustnännischen und Rechtsauskünften, wobei der Er- forschung der Marktlage und dein Nachweis von Bezugs- und Absatzgebieten besondere Berücksichtigung zuteil werden soll.
Speck für Gberschlesien. I« ganz Pole» gährt es gewaltig. Tie nächsten Wochen können den Schlachzizen, den polnischen Großgrundbesitzer» ! und der hohen Geistlichkeit alS den jetzigen Herren der neuen Repu- , blik, böse Ueberraschungcn bringen. Der„Vorwärts" hat in der letzten Nummer eine Enthüllung über schwer« Meutereien in Posen gebracht. Trotzdem die Grenze streng abgesperrt wird, gelingt es dann und wann einem Strahl der Wahrheit, durch das enge Gewebe der Bewachung hin- durchzuhuschen. Auf weiten Umwegen ist uns die Meldung über die Posener Borgänge zugegangen. Deutschland erfährt dadurch einen kleineu Teil der Wahrheit, die von den zettige, r Beherrschern Polens zu Kasernieren versucht wird. Auch die Allgewaltige« in Paris und London mögen aufmerken. Es geht sie nahe au, was sich in Polen vorbereitet. Mit der bedenklichen Empörung unter dem Militär ist es aber noch nicht getan. Die Bevölkerung wird auch durch nndcrc Maßnahmen ausgepeitscht. So sind nemerdings die Bestim- mungen wesentlich verschärft worden, die die Lebensmittel- ausfuhr aus dem Gebiet Posen nach Kongreßpolen ver- bieten. Die Grenze wird auf das schärfste durch Militärposten und Scharen von Kriminalbeamten bewacht, die jedes Brot, jedes Pfund Mehl, daS die hungernde Bevölkerung ans Posen zu holen versucht, erbarmungslos konfiszieren. Geradez« widerwärtig wirken die Szenen, die man auf den Grrnzbahnhöfen Lstrowo, Skalmierzyce, Stralkowo beobachten kann. Jeder abfahrende Zug wird von Soldaten umstellt. Die Passagiere, meist halbverhungerte Frauen und Kinder aus Kongreßpolen, wer» den aufs genaueste untersucht, wobei die Soldaten auch vor pein- liche» LeibrSuntersuchungen»icht zurückschrecken, und jedes Quan- tum an Lebensmitteln noch auf Pofeuer Gebiet beschlagnahmt und unter dem Hruleu und Verwünschungen der Frauen auf dir„rogatc djaby" unter den Soldaten und Gendarmen verteilt. Welchen Wert die von großpolnischen Agitatoren verbreiteten Schilderungen von dem Land Kanaan haben, das Oberschlesien durch de» Anschluß au Polen mit Lebensmitteln versorgen wird, mag jeder Einsichtige selbst beurteilen. Es ist aber gelinde gesagt eine Unverfrorenheit, wenn Leute wie Architekt Petzel aus B e« t h e n ganze Wagenladungen Lebensmittel versprechen, während Kongreßpolen seit einem halben Jahre aus Posen nicht eine Kartoffel bekommen kann. Wenn der Ucberschuß in Posen so groß ist, warum beliefert man nicht die Brüder aus Kongreßpolen, wo das Brot Z bis 4 Mark das Pfund kostet und Tauscude am Hungertyphus elend zugrunde gehen. Die Versprechungen sind aber nur der Köder, mit dem man Oberschlesien in daS polnische Netz der Schlachzizen locken will. All die polnischen Agenten» di« in Oberschlesien Speck- und Butter- berge versprechen, müßten sich nach Kongreßpolen wenden, wo ihre Hilfe nötiger ist. In Oberschlesien herrscht zurzeit zwar kein Ueberfluß, aber der Hungertyphus ist dort wenigstens noch eine un- bekannte Seuche. In Warschau weiß man denn auch genau, wie prekär die Dinge in den ehemals preußischen Bezirken stehen. Daher die Kunde von der Autonomie für di« von Preußen abzutretenden Gebiete. Warschauer Blätter bringen ja schon den Entwurf, der diesen Bezirken von Oberschlesien bis zur Ostsee hinaus eigene Verwaltung und Gesetzgebung einräumen will. Auch dieser Entwurf ist dem Speck gleichzustellen, der den Obcrschlestern aus Kongreßpole» versprochen wird und der dort nicht vorhanden ist. DaS Versprechen der Autonounc soll die Oberschlesier locken, für Polen zu stimmen. Falls eS seine Wirkung getan haben sollte, würbe es vergessen sein. Tie Oberschlesier und die Bewohner der übrigen Gebiete, in denen eine Volksabstimmung stattfinden wird, tun daher gut, auf all den versprochenen Speck nicht anzubeißen.
Verbindung Kopenhagen — Deutschland . Amtlich wird bekannt gemacht, daß vom Dienstag, den 5.?lugust, ab die Eisenbahn- Verbindung zwischen Kopenhagen und Deutschland über Gjedser— Warnemünde mit dem 9 Uhr 28 Min. von hier ab- gehenden Schnellzuge durchgeführt wird.
?uöen, Freimaurer unü SozialÜemokraten. Ein Kapitel zur Volksverdummung. Vor uns liegt eine der ungezählten Schriften, wie sie jetzt in Massen im deutschen Volk verbreitet werden, auf die näher einzu- gehen sich nicht lohnen würde, wenn man nicht in jeder Zeile sich herzlich über die ungeheure Borniertheit der Antisemiten freuen könnte. Es sind drei Aufsätze, di« von der„Vergiftung des deutschen Volkes" handeln und in denen ein Herr Dr. H o f f m a n n sich redlich bemüht, die Gesinnung des deutschen Volkes zu vergifte». Wie wenig muß doch der Verfasser dem„Volk der Dichter und Denker" an Denkfähigkeit zutrauen, wenn er es wagt, ihm einen derartigen unlogischen Blödsinn vorzulegen. Wird auf der einen Seite behauptet, daß die Juden nach der Weltherrschaft streben und diese mittels ihres— natürlich immer gefüllten— Geldsacks zu erreichen suchen,. so wird auf der folgenden Seite dem• geduldigen Leser bewiesen, daß der Jude von Natur B o l s ch e- w i st sei. Erheiternd wirkt ein Wort des Verfassers, in dem er sich als echten, rechten Spießbürger und Bierbankphilister ent: hüllt:„Zu Pfingsten leben wir alle nicht mehr," sagt« kürzlich ein politisch gut unterrichteter Herr und deutete auf die Tafelrunde eines größeren Biertisches. « Man muß ihm recht geben." Nun, Pfingsten ist vorüber, und wir alle leben noch, hoffentlich ist auch Herr Dr. Hoffmann noch nicht von einem jüdischen Bolsche- wisten aufgefressen worden. Daß die Juden die Front zermürbt und damit die Niederlage Deutschlands herbeigeführt haben, ist für den Skribenten eine Selbstverständlichkeit, die zu der anderen angeblichen Tatsach«, daß sie die Urheber des Weltkrieges sind, in keinerlei störendem Widerspruch steht. Auch die Freimaurer müssen dazu herhalten, sich als„der- kastpte maßlose Verherrlicher des Judentums" bezeichnen zu lassen. Kühlmann, Lichnowski, Bethmann Hollweg — sie alle sind Freimaurer gewesen, sie alle haben den unglücklichen Wil- toelm II. solange betört, bis er wirklich in die Falle ging und all» jüdische Politik betrieben hat. Dadurch wurde es den Engländern eine Kleinigkeit, uns zu besiegen. Die Sozialdemokraten kommen recht gut dabei weg; sie sind nur der Vortrupp, dessen sich die bösen Juden zur Verfolgung ihrer Zweck« bedienen. Daß nebenbei für den sauberen Herrn F r i t s ch lebhaft die Werbe- trommel geschlagen wird und der Sicherheit halber dem Schriftchen eine Zahlkarte beigelegt ist, sei nur nebenbei erwähnt. Beiträge nimmt die Hauptstelle für Volksverdummung ent- gegen, deren Adresse wir unseren Lesern auf Anfrage bekanntzu- geben gern bereit sind.
5olgen der vslksverhetzuog. Einer der in Deutschland befindlichen ftanzöfischen Kommissionen sind anonyme Drohungen des Inhalts zugegangen, daß im Falle der Durchführung der Bestimmungen deS Friedcnsver- trageö über die Auslieferung des Kaisers oder der von der Entente geforderte» deutschen Offiziere Angehörige der französischen Militärkommissionen erschossen werden sollten. In diesen Drohungen ist die Folge der systematischen VolkSverhetzung zu erblicken, di« seit Annahme des Friedensvertrages von der alldeutschen Presse betrieben worden ist. ES braucht wohl kaum besonders auf das Verbrecherische dieser Zuschriften hin» gewiesen zu werden, durch die natürlich daS gerade Gegenteil er- reicht wird. Wenn etwas die. Auslieferung der auf die schwarze Liste gesetzten Personen herbeizuführen geeignet ist, so sind es der- artige anonym« Schmähungen, die in der Entente nur berechtigte Empörung erregen müssen. Man sann sich dem Eindruck nicht ver- schließen, daß es sich bei den Verfassern dieser Briefe um Personen handelt, die der deutschen Regierung erneute Schwierigkeiten bc- reiien wollen. Hoffentlich gelingt eS ihr, die Schuldigen baldigst zu ermitteln.' Gegen eine freiwillige Auslieferung diese? Gesindels zur Aburteilung an die Entente wäre wenig einzu- toenden.
Erreichung im Mensch sein sieht, dann kommt die Gesundung. dann arbeiten die Nationen auf ihrem Arbeitsplatz an der Menschlichkeit, anders bleibt es wieder nur bei Worten in den verschiedenen Sprachen. Wir können die Entwicklung von Jahrtausenden nicht zerschlagen, wir können und müssen sie aber richtig leiten, damit das Ziel allen gemeinschaftlich sei. Lassen Sie die Anregungen, die Herr„rd" gab, zur T a t werden! Dann wird der Aufruf Romain RollandS praktisch wirksam werden, anders nicht; kein Dichter, auch Romain Rolland nicht, kann auf die Hilfe seiner Sprache verzichten(lieber- setzungen sind ja stets nur Halbheiten), darum sollten Dichter vor allem realen Idealismus pflegen; ich bin überzeugt, auf dieser Grundlage fände RollandS Aufruf in unserem Heimat- lande die Zustimmung, die ihm jetzt noch mangelt, die ihm man- geln muß, bei solchen, die nkbt mehr versprechen können, als sie, als Glieder ihres Volkes, aus dem sie wurden, dem sie immer wieder ihre Kraft danken, halten können, nach Gelegenheiten, die nicht von'ups geschaffen wurden, die sich nicht in absehbarer Zeit ändern. Bielleicht interessiert es Sie in diesem Zusammenhange, daß Frederik von E e d e n, der jetzt auch Romain Rollands Ausruf als holländischer Dichter unterzeichnete, knapp vor dem Kriegs einen„B l u t b u n d" gründen wollte, dem Rolland, Robindranath» T a g o r e und andere mit mir beitreten sollten— ich habe schon damals meinen heutigen Standpunkt van Eeden gegenüber ver- treten, dann kam der Krieg— wollen wir dessen sehr reale Lehren nicht jetzt dahin verwerten, daß wir eine übernationale Solidarität brauchen, daß diese aber nur dayn Wirkungskraft Häven kann, wenn sie von Menschen ausgeht, die aus Volkstum ge- wachsen sind, wie Rolland als Franzose, die van Eeden alS Holl- länder— auch To l st o y war ja nur als Russe, als Russe. der in seinem Lande di« Leibeigenschaft sah, zum Menschen ge- stiegen, als Künstler; als Reformer war und mußte er Russe sein, der der anderen Menschheit nur dadurchAnregungen zum Licht geben konnie— wir sind eben Arbeiter auf verschiedenen Plätzen, am gleichen Werkstück! Nie kann der Konstrukteur Dreher, Gießer, Feinarbeiter» Kran-Mann und alles andere zugleich sein, wir Nationen sind Detail arbeiter der Jrdischkeit, jede Nation hat ihre eigene Gabe, wer alle Gaben auf einmal haben will, wird schließlich kein« haben. Machen Sie Ihre Anregung zur Tat! Und nicht nur Dichter, Deutsche aller Berufe sollen am Menschentum deutscher Färbung bauen! Man verlange von uns nur nicht, daß wir diese, dem Gesamtmenschentum unentbehrliche Färbung aufgeben sollen! Walter von Molo .
Notizen. Ein Bildnis Viktor Adlers ist von Otto Friedrich gezeichnet worden. Au? langjähriger Freundschaft ist ein Werk von bezwingender Lebenswahrheit hervorgegangen. Friedrich hat dia Seele des herrlichen Menschen Adler kraftvoll erfaßt und in ihrer Tiere»«!» wiederaeaeben. Der Cittaa für etiomitioiudcS
Kirche unö Politik. Von H a n S R e i m a n n. Ein Jüngling namens Wilhelm Blei, Buchdrucker.in Zitteritz, liebte in heißer Liebe die tugendliche Jungfrau Pauline Ziegler und diese hinwiederum war dem jungen Manne herzlich zugetan, und da auch beider Eltern nicht das mindeste einzuwenden halten, stand einer ehelichen Verbindung nichts im Wege. Wohl aber war der angehende Buchdruckereibesiyer Wilhelm Blei dem BeztrlSpastor Martin Bohnenstroh ein Dorn im Auge, welch unliebsamer Umstand seine Ursache hatte. Wilhelm nämlich war ein Roter und arbeitete im genossenschaftlichen Betriebe, auch sollte er, sicherem Einvernehmen nach und trotz seiner Jugend, hie und da als Verfasser von Lokalnotizen hervorgetreten sein, welche die DenkungSort eines gutbürgerlichen Gemütes in saure Milch zu verwandeln höchlich geeignet schienen. So war denn beispielsweise dem Herrn Pastor eine Glosse des sozialdemokratischen Parleiblatres ins Haus gesandt worden, wo- rinnen ein Vorfall bebandelt war, der sich am Vortage abgespielt und dem folgender Tatbestand zugrunde lag: Während des letzten Gottesdienstes hatten ein paar halbwüchsige Burschen, die im Chor sangen, mir den anwesenden Mädchen Allotria getrieben, so daß ein. wenn auch gedämpftes Gekicher zu des Kantois Ohren und somit zu denen des Herrn Pastors gedrungen war. Der Eeelenhirt hatte daraufhin nichts eiliger zu tun gehabt, als die Missetäter in dieKüsterei zu bestellen und ihnen aüdorl etwelche Ohrseigen zu versetzen, die sich gewaschen hatten.— Ein Bericht über diesen Borfall, und zwar unter der Spitzmarke„Lasset die Kindlein zu mir kommen", stund im Blättlein zu lesen. Als Herr Martin Bohnenstroh die ihn betreffenden Zeilen einigermaßen verdaut balle, kollerte er wie civ Puterdahii, ver- brachte eine schlaflose Nacht und sann aus christlich« Wiedervrr- geltung. Da es für ihn feststand, daß als Urheber niemand ander? in Betracht lam, denn jener rotangesirichene Buchdruckerjüngling, so entlud er all seinen Groll auf die gesamte Sozialdemokratie, deren Anhänaer er am liebsten vom Erdboden vertilgt und in den Höllcnschlund- geschleudert hätte. Unterdessen rollte ttas Rad der Wellgeschichte unbeirrbar dahin, und Wilhelm, der nun lange genug auf Freiersfüßen gewandelt halte, bestellte für sich und seine Braut das Aufgebot. Bohnenstroh rieb sich die Hände und dann arbeitete er ein« Predigt aus, die an programmatischer Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließ. Das Rad der Weltgeschichte rollte weiter. Ahnungslos betraten Brautpaar, Cllern und Trauzeugen die Kirche. Erst wurde der obligate Choral gesungen und eine weihevolle Stimmung vorbereitet.
Alsdann erschien der Pastor, furchlbor wie ein weiland Chcru- bim, postamentierre sich am Altar und öffnete den Mund. Er hatte seiner Polemik den tvuchtigcn und für eine HochzeitS- rede trefflich geeigneten Text zugrunde gelegt:„Ein jeglicher Baum, der nichl gute Früchte bringt, wird abgehauen und ins Feuer ge- worfen".(My�thäuS 7, IS.) Und nun Hub er an zu donnern, daß eS den Hochzeitern blümerant vor Augen wurde. Die Eltern rutschten auf den Stühlen hin und her und hatten ein Kunterbunt peinlicher Gefühle im Magen; die Braut zerbiß sich die Lippen, um nicht laut hinaus zu heulen; und de» Bräutigam juckte es in allen Gliedern, mit seiner Pauline und unter Protest davonru- schwirren. Aber er war wehrlos und mußte sich bezähmen, bis die Ringe gewechselt waren und die Zeremonie ihr Ende genommen hatte. „Wer war jener Ferdinand Lassalle ?" schnob der Pastor Bohnen- stroh.„Wer war jener Ferdinand Lassalle ? Jener Volksaufwicgler? Wer war er?— Ein loser Bube war er, der in seiner freien Zeit nichts wußte, als Billard zu spielen! Der zu faul war, um die Schulbank zu drücken I Und als er älter war, da machte er gar einem anderen die Braut abspenstig urfd wurde dafür von Gort gestraft im Duell I Hütet Euch vor den relxeuden Wölfen, die ein- herschleichen im Schafspelz. Sehet zu. daß Ihr nicbt fallet!" Die Trauung war verhunzt, und Wilhelm hat noch lange Zeil später all seine Beredsamkeit aufbieten müssen, um dem jungen Frauchen die törichte Vorstellung auszureden, über ihrer Ehe werde ein Unstern walten. Das Rad der Weltgeschichte rollte weiter. Aber Pastor Bohnenstroh lebt noch. In jeder Stadt. Neberall. Allerdings steht er heute auf dem Boden der Tatsachen und hält dre Sozialdemokratie für nickt ganz unberechtigt, wenngleich man nicht verkennen dürfe, daß sie, wie s» manche andere Neuerrungenschaft, gewisser Schattenseiten nicht ermangele, die auszuwetzen die segensreiche Macht der Kirche voll und ganz be- rufen sei....
ver SunS üer Geistigen. Die Anregungen unleres rb.MiiarbciterS zu Romain RollandS Auiruf hadrn W a l t e r v o n M o! o zu dries. lichen Aeugcrnngen au uns veranlaßt, die alS ein werlvolles Wort zur Sache verdienen, allgemein bekannt zu werden. ES ist uns gestattet, sie Mitzuteilen. Moto schreibt: Ich finde den Gedanken, auf Grund der irdische» Tatsachen,«ine„Solidarität der guten Gewissen in der Welt" anzustreben, ganz ausgezeichnet. Nur aus dem Erdreiche jeden Volkstums wachsen immer wieder die Ideen der Menschheit lebenskräftig hervor; der Franzose mutz französisch sein nennen-. Mensch sein, der Engländer heiße, englisch sein.- Mensch sein, die besten Deutschen hießen ja auch immer schon„deutsch «sei»' Mersch sei, pfto, Venn jddeS Ratio nalgeftA{eine ZöMc