Nr.421. 36.Jahrg.
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Vorwärts
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Dienstag, den 19. August 1919.
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An den Kommandanten der magyarischen Gewalt für Weftungarn, Obersten Leher, wurde von 231 Gemeinden Westungarns ein Telegramm gesandt, in dem er von dem Anschluß Mit diesen Worten beginnt ein Anschlag, den der VoIIdes an Steiermark angrenzenden Teiles Weftungarns an zugsrat der Unabhängigen und Kommunisten Deutschösterreich benachrichtigt und aufgefordert wird, feinen erlassen hat. In dem Erlaß fordert er die gesamte wert- Reventlow wies ich in dem Artikel Wo sind die ReichsIn meiner Erwiderung auf die Angriffe des Grafen Versuch zu unternehmen, den einstimmigen und unbeeinflußt tätige Bevölkerung zur Mitarbeit an der neuzuschaffenden zerstörer" in Nr. 418 des Borwärts" nach, daß Deutschgeäußerten Volkswillen zu beugen. Er würde sonst auf ver- Räteorganisation auf. Der Aufruf enthält die Grund land, um den Weltkrieg erfolgreich zu bestehen, rechtzeitig zweifelten Widerstand stoßen. fäße für das Wahlrecht zu den Betriebs- und Berufsräten" eine gründliche innere Umwandlung hätte durchmachen An die Ententemissionen wurden gleichfalls Depeschen ab- und organisiert die Erfassung der Wahlberechtigten im Betrieb müssen, und daß die Schuld an unserem Unglück auf die falle. gesandt, in denen ihnen entsprechend Mitteilung gemacht wird. und Beruf". Ueberall herrscht, wie das Wiener Kor.- Brureau berichtet, die sich seit jeher jedem innerpolitischen Fortschritt entgegengestemmt hätten, also in erster Linie auf die Partei des Grafen in Weftungarn und im Eisenburger Komitat ungeheurer Jubel Reventlow . Dazu wäre nun faum noch etwas zu sagen, wenn Graf Reventlow in dem gestrigen Leitartikel der Deutschen Tageszeitung" nicht erneut den zum Ueberdruß breitgetre. tenen alldeutschen Schwindel verzapfte, daß die Sozialdemofratie an der Niederlage Deutschlands entscheidend mitgeholfen habe. Den Beweis für diese Behauptungen bleibt er natürlich schuldig. Dagegen verlangt er ausgerechnet Graf Reventlow Beweise dafür, daß vor dem Kriege ein deutscher, friedengefährdender Imperialismus vorhanden gewesen wäre.
und auf den Höhen brennen Freudenfener.
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Demgegenüber stellen wir feſt:
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1. Der zweite Nätetongreß hat mit der Ausarbeitung des Wahlrechts und der Wahlordnung den Zentralrat beauftragt aber Fürstenfeld , 18. Auguft. nicht die U.S.P.D. - und K.P.D. - Fraktion der Arbeiterräte GroßDie Bevölkerung des deutschen Teiles des Eisenburger Berlins . Komitates hat an die Budapester Regierung ein Telegramm 2. Der Zentralrat verabschiedet Wahlrecht und Wahlordnung gerichtet, in dem mitgeteilt wird, daß die beglaubigten Vertreter aller Gemeinden des an Steiermark angrenzenden Teiles am 21. August d. J. die U.S.P.D. - und K.P.D - Fraktion der Ar: von Westungarn am 16. August ihren Anschluß an Deutsch - beiterräte Groß- Berlins fönnen also unter keinen Umständen vor österreich vollzogen und sich für die Zugehörigkeit zu Steier- her darauf weitere Maßnahmen aufbauen. mark entschieden baben. In einem Telegramm an den Ber - 3. Die Grundfäge über die Erfassung der Wahlberechtigten wird weser Ungarns , Joseph von Habsburg , wird dieser aufgefordert, fefort nach Veröffentlichung des Wahlgefezes, also in wenigen allen magyarischen Behörden, soweit sie von der Bevölkerung Tagen, erfolgen fie können daher nicht schon jest nach den parnicht zum Bleiben aufgefordert wurden, unverzüglich den Auf- teiischen Anweisungen der U.S.P.D - und K.B.D. - Fraktion erfolgen. trag zur Räumung des Landes zu geben, das auf Grund des 4. Die Durchführung der Erfassung muß, wie im ganzen Volkswillens deutschösterreichisches Land darstelle. Die deutsch - Reiche so auch in Groß- Berlin, in völlig unparteiischer Weise bei österreichische Regierung sei aufgefordert worden, den Sicher- paritätischer Mitarbeit aller Fraktionen der Ar heitsdienst im Lande sofort zu übernehmen. Auch der deutsch beiterräte vor sich gehen kann aber nicht diktatorisch in völ österreichischen Staatskanzlei in Wien und der steiermärkischen tig einseitiger Parteipolitik von der U.S.P.D. - und K.P.D. - Fraktion Landesregierung wurde der Anschluß au Deutschösterreich tele- der Arbeiterräte unter Ausschaltung der anderen Fraktionen an graphisch mitgetei geordnet werden. Der von den Unabhängigen und Kommunisten geplante Verluch ist daher ein völlig untauglicher Versuch mit einem untauglichen Mittel.
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5. Ueber die Berechtigung zur Wahl entscheiden ein heitliche Bestimmungen für das ganze Reich nicht aber einseitige Parteitaktit der U.S.P.D. - und K.P.D. - Fraktion.
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6. Nur ein Ausweis, der den Bestimmungen der vom Zentralrat herauszugebenden Wahlordnung entspricht, regelt die Zulaffung nicht die Legitimation der von der U.S.P.D. und der K.P.D. - Fraktion eingefepten Stellen.
„ Nieuwe Rotterdamiche Courant" meldet aus New- York : Präsident Wilson hat durch Vermittlung Hitchcock's dem Senat mi.geteilt, das, was den Friedensvertrag betreffe, feinerlei Vorschläge oder Vorbehalte berüdjichtigt werden fönnten. Wenn der Vertrag abgeändert oder abgelehnt werde, dann müsse ein neuer Friedensvertrag geschaffen werden. Da die Großmächte und Deutschland den jeßigen Friedensvertrag zur Wahl angenommen hätten, so würden die Vereinigten Staaten in die Lage tommen, sich mit dem Hute in der Hand an Deutschland wenden zu müssen, mit dem Ersuchen, einen Sondervertrag annehmen zu wollen. Deutschland würde aus dem Umand, daß es allein mit den Vereinigten Staaten zu tun habe, den äußersten Rußen ziehen. Die Vereinigten Staaten würden von der Belieferung mit deutichen Farbstoffen, die für die Kaufleute aller Nationen erhältlich seien, ausgeschlossen werden. Der Präsident gab der Hoffnung Ausdruck, daß er den Bericht des Senatsausschusses der Hoffnung Ausdruck, daß er den Bericht des Senatsausschusses über den Friedensvertrag inuerhalb 10 Tagen erhalten werde.
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Mein Freund, die Kunst ist alt und neu. Es war die Art zu allen Zeiten,
Durch Drei und Eins, und Eins und Drei Irrtum statt Wahrheit zu verbreiten."
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Es ist immerhin schon etwas wert, daß Graf Reventlom die Existenz eines deutschen Imperialismus für die Zeit während des Krieges die Erinnerung ist ja auch noch zu neu- nicht bestreitet. Der Imperialismus, als weltpolitischer Expansionsdrang des modernen Industrie- und Finanzkapitalismus, war eine durchaus internationale Erscheinung bei allen kapitalistischen Staaten, und die Kriegsheter jenseits des Kanals und der Vogesen lassen uns durchaus nicht vergessen, daß es auch bei un 3 die gleichen Brüder und die gleichen Rappen gab. In Deutschland , als einer spätgeborenen Weltmacht, äußerte sich der Expansionsdrang fogar ganz besonders ungebärdig. Die deutschen Imperialisten glaubten sich nicht mit den bescheidenen Blägen an der Sonne" begnügen zu können, die ihnen in Afrika , Asien und in der Südsee zugefallen waren. Raum konnten sie es er7. Das Endziel der Erfassung wie es im Schlußfat in Fett- warten. daß vom Leder gezogen wurde. Wer erinnerte sich druck auf dem Anschlag angegeben wird, daß jeder Hand- und nicht des ohrenbetäubenden Säbelgerassels während der MaKopfarbeiter, gleichviel welcher politischen Partei er angehört, foll rokkohändel. Da ist es wirklich etwas viel verlangt, daß ich am Aufbau der Räteorganisation bzw. des Rätesystems mitwirken, zum Beweise dieser offenkundigen Dinge in Zeiten der Patann natürlich nur erreicht werden, wenn wirklich jedem Kopf- und pierknappheit einen ganzen Sack Reventlowscher Zitate in er wolle, Gelegenheit gegeben wird, sein Wahlrecht ohne jebe fann unbesorgt sein, au gegebener Zeit soll ihm vollauf GeHandarbeiter, möge er einer politischen Richtung angehören, welcher die Spalten des Vorwärts" ausschütte. Graf Reventlow barteipolitische Beeinfluffung auszuüben. Die von nüge geschehen. der U.S.P.D. und der K.B.D. - Fraktion des Arbeiterrates GroßBerlins in Angriff genommene Erfassung der Wahlberechtigten ist eine Angelegenheit, die nur die Kommunisten und Unabhängigen betrifft; aber auch diefe Erfaffung kann nur eine Teilerfaffung werden und das auch nur eine unvollständige. Die Mitglieder aller übrigen Parteien werden von der Veröffentlichung der N.S.P.D. und K.B.D. nicht im mindesten berührt. Darum:
Wichtiger, als sich in diesen polemischen Kleinfram zu verlieren, ist es, noch ein Wort zu der vom Grafen Reventlow wiederholten Behauptung zu sagen, die Sozialdemofratie wäre auf die Völkerbeglückungsabsichten unserer Feinde hereingefallen. Wilsons Größe", so meint er. ,, und seine nur auf das Wohlergehen des deutschen Volkes gerichtete gerechte Güte wurde seit 1916 zum geheiligten Dogma in der deutschen Sozialdemokratie. Nun besteht immerhin zwischen
( Eigener Drahtbericht des Vorwärts".) Kopenhagen , 18. August. Das englisch - persische Abkommen wird von der ausländischen Presse start fritisiert. Der" Temps" nennt es in einem Leitartikel einen Angriff auf Berfiens Unabhängigkeit, trotzdem Bersien aufgefordert jei, dem Völkerbundablommen beizutreten. Während in Persien Verbandlungen wegen des Abkommens geführt wurden, versuchte die persische Die Veröffentlichung hat also in Wirklichkeit für alle Mit- Imperialisten vom Schlage Wilsons und denen Reventlows Delegation in Paris vergeblich bei der Friedenskonferenz Bortritt zu glieder und Anhänger der Sozialdemokratischen Partei Dentsch- ein nicht geringer Unterschied. Und gerade dem Grafen Reerhalten. Die englische Regierung wollte nämuch feinen Gegenias lands und der Freien demokratischen Fraktion keine Be- pentlow wird es nicht unbekannt sein, daß Wilson sich minzwischen der Politif, welche sie in Paris bezüglich Persien treibt, rechtigung und keine Geltung. indestens bis zum Ausbruch des U- Boot- Krieges, aus welchen Gründen immer, ernsthaft um ienen Frieden ohne Sieger und Besiegte bemühte. Aber Graf Reventlow fennt die Sozialdemokratie und ihre Gedanken. welt schlecht, wenn er Wilson und Scheide mann in einem Atemzuge nennt. Hier fehlt es ihm bedenklich, wie Kant und Reventlow sich ausdrücken würden, an der Einheit der Apperception!
eintreten taffen.
Darum:
Beamte!
Arbeiter, Arbeiterinnen, Angestellte und Wartet auf die wirklich geltenden Bekanntmachungen und
„ Chicago Tribune" nimmt an, daß Frankreich mit aller Macht gegen den Vertrag auftreten wird. Frankreich hat an den seit Abschluß des Waffenstilstandes zwischen Persien und Großbritannien geführten Verhandlungen nicht teilgenommen. England hätte Frank reich mit seinen Ansprüchen auf Durham unterstügen müssen, weil man Bestimmungen! dieiem zu einem Brotektorát verhelfen müsse. Aber England, habe Nur danu helft Ihr wirklich an dem wirtschaftlichen Auffich dagegen gewehrt, Frankreich zu unterstützen, und scheint im bau Deutschlands ! Gegenteil die syrischen Elemente begünstigen zu wollen, das einen tonzessionell syrischen Staat einem franzönichen Protektorat vorzieht. Der Schah von Persien beabsichtigt, die Vereinigten Staatea zu ersuchen, England zur Annullierung des Vertrages zu zwingen und will verlangen, daß sein Land die volle Souveränität zurückerhält.
Eisenbahnerstreik in Amerika .
Hollandia Nieumsbureau meldet aus New York : Sonntag morgen ist auf sämtlichen Linen der Interboro- Eisenbahn der allgemeine Streit verkündet worden. Auf allen Bahnen ruht der
Betrieb.
Odessa geräumt? Reuter meldet amtlich: Es wird berichtet. daß die Bolschewisten von der Bevölkerung aus Odessa vertrieben worden sind. Es heißt ferner, daß sie im Begriff find, Aiew und die ganze Ukraine zu räumen.
Die Arbeiterräte der fozialdemokratischen und demokratischen Fraktion.
Blutige Krawalle in Saloniki.
Das Athener Blatt Atheniaka" meldet aus Saloniki vas umfichgreifen des Bolschewismus unter den dortigen Senegalnegertrupven. Saloniki geriet in große Verwirrung. Es kam zu fchweren Kämpfen zwischen Senegalnesen und Franzosen , wobei es zahlreiche Tote und Verwundete gab. Der Aufstand bauert an. Ein Brand führte faft zu einer Ratastrophe. Munitionslager wurden in die Luft gesprengt. Die italienischen und griechischen Truppen verhielten sich während der Zusammenstöße zwischen Franzosen und Senegalnesen vollständig neutral.
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Die Sozialdemokratie hat sich seit jeher die Partei des Friedens genannt. Der dauernd gesicherte Weltfriede war immer der Leitstern ihrer Politik. Aber ihre Einsicht in die Bewegungsgesetze des geschichtlichen Geschehens ließ sie den Weltfrieden nie im Sinne der liberal- humanitären Weltan schauung von dem guten Willen" einzelner oder der ,, wach senden Einsicht" und„ moralischen Besserung" der Menschen erwarten. Wir wissen, daß die sogenannten moralischen Bolitifer noch immer, nach einem bekannten Worte Kants ,,, politische Moralisten" gewesen sind, die sittliche Forderungen je nach Bedarf ihren politischen Zwecken dienstbar machten. Deshalb gaben wir uns nie irgendwelchen Illusionen hin. blieben auch den Reden eines Wilson gegenüber skeptisch, ohne sie jedoch, wie Graf Reventlow und seine Gesinnungsgenossen rundweg als Bluff und Schwindel abzulehnen.