ttt. 427 ♦ 54. Jahrgang
Seilage öes vorwärts
5rektag, 22. August 1414
Das Detriebsrätegefetz in der Nationalversammlung.
tForts�Huug aus dem gestrigen Abendblatt.) Schneider lDetn.) fortfahrend: Nach dem neuen Betriebsräte- gesetzentwurf würden in einem Betrieb von 40 000 Arbeitern und 5000 Angestellten aus die Angestellten im günstigsten Falle nur drei Vertreter entfallen. Die ganze Organisation mutz ye- trogen sein von dem Vertrauen in die Organisation der Arbeiter uiid Angestellten und vor allen Dingen von einem gegenseitigen Vertrauensverhältnis; nur auf dieser Grundlage kann etwas Er- sprietzliches geschaffen werden.(Lebhafter Beifall.) Abg. Dr. von Delbrück(Dnat.): Der Minister hat selbst ausgesprochen, daß dieses Gesetz grundlegende Umwälzungen bringt. Da liegt wohl die Frage pahe. ob gerade der augenblickliche Zustand unseres Wirtschafts- lebsns geeignet ist, derartige grundstürzende Veränderungen vor- zunehmen.(Sehr richtig! rechts.) Die Regierung sollte sich hüten, bei Behandlung dieser Frage sich irgendwie vom Wege der Revolution abbringen zu lagen- und gewaltsam von oben her Umwälzungen durchzuführen, für die die Beteiligten nicht reis und'für die der augenblickliche Zustand unseres Wirtschaftslebens so ungeeignet wie nur irgend möglich ist. iLebhcrfter Beifall und Zustimmung rechts.) Auch im Ausbau des Rätesystems mutz dem Charatter unseres Wirtschaftslebens Rechnung getragen werden, der nun einmal ein kapitalistischer ist, und die einzelnen Unternehmungen stehen und fallen mit dem Kapital, mit der Erfahrung und mit dem technischen Können des Unternehmens. Deswegen würde ich es für richtiger gehalten haben, wenn man an Vorhandenes angeknüpft hätte. Im übrigen halte ich es für falsch, ja direkt für gefährlich, datz man versucht hat, alle Arten von Betrieben nach derselben Schablone zu behandeln, falsch ist es auch, datz man dieselben Grundsätze aus Arbeitgeber und Arbeitnehmer mu ganz verschiedener Schulung anwendet. Auch dos Wahlrecht gM zu Bedenken Anlatz. Die Mitwirkung der Räte bei Einstellungen und Entlassungen gebt entschieden zu weit. Die Vetternwirtschaft, die der Minister vermieden wiffen will, wird infolge de? Gesetzes durch die Beamten der Organisationen zum Nochteil besonders der Arbeiter und Angestellten in kleineren Orten und der Un» organisierten erst recht betrieben werden.(Zustimmung.) Die Einflutznabme- der Räte auf die technische und nnanzielle Seit« der Betriebe wird zu einer Quelle störender Reibungen werben. Wir hoffen, durch unsere Mitarbeit dem Gesetz eine Form zu geben, die den Interessen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber gkeichermahen gerecht wird.(Lebhafter Beifall rechts.) Abg. Winnefeld(D. Vp.): Durch dieses Gesetz mutz jede Wirtschaftsgruppe erfatzt wer- den- keine darf sich zurückgesetzt fühlen. Der Abg. Schneider- Sachsen hat schon auf die nichr genügende Berücksichtigung der Beamten hingewiesen. Sie mutz zu Unzuträglichkeiten führen. Der Redner wendet sich den einzelnen Bestimmungen des Eni- wurfes zu. Das Gesetz mutz i» allen Einzelheiten rundlich nach prakti- fchen Rücksichten durchdacht werden, damit es wirtlich zu einer sozialen Wohltat werden kann.(Beifall bei der Deutschen Volks- Partei.) il Abg. Brast(U. Soz.): Mit diesem Gesetzentwurf sind wir nicht einverstanden. Teil- w-if? bringt er fein neues Recht und das übrige ist nur wcitze Salbe. So est er keine große Errungenschaft. Er macht die Fortschritke der Industrie der Allgemeinheit nicht dienstbar unv schützt die Privatwirtschaft in ihren unschönen Formen. Deshalb ist der - Widerspruch aus Arberterkreifea durchaus berechtigt. Ebenso denkt die Mehrheit der Angestellten. vre will vor allem leine bevorzugte Stellung vor den Arbeitern.
(Für beide verlangen wir mehr Selbstverwaltung, dann auch mehr Einheitlichkeit des Aufbaues des Rätesystems bis zum Reichs- wirtschaftsrat mit grötzcren Rechten für die Räte, die ganz gleich- berechtigt neben dem Unternehmer stehen müssen. Abg. Dietricki-Lieanib(Soz-l: ' Das Gesetz ist ein Fortschritt. Eine Verwirklichung deS So- zialismuS bringt es nicht, sie ist aber heute nich: möglich. TZir brauchen dafür eine Reorganisation der gesamten Volkswirtschaft, Anpassung der Produktion an das Gesamtbedürfnis, Vermeidung aller überflüssigen Arbeit, HSchste Sirige ruug der Gütererzeugung. Die Allmacht der Räte führt nicht zu diesem Ziel. In Volksversammlungen mag dos Wort von der Diktatur grotze Er- folge haben, aber hem großen Massenelend hilft es nicht an. D?e Arbeiterschaft allein vermag die gewaltige Aufgabe des Wieder- aufbaues der Volkswirtschaft nicht zu erfüllen, sondern nur in Mitarbeit mit den bisher leitenden Männern. Es wäre gewissen- los, wenn wir deren Kraft nicht nutzten. Die Rechte sieht die Vorlage mit einem«äffen und einem trockenen Auge an. Die organische Entwicklung, die sie heute vermißt, hätte ste einleiten können, als sie noch in der Macht war. Ein Terroris- mus ist nicht zu befürchten, der lag lediglich in der Vergangen- heii. Die Gewerkschaften sollen trotz der Betriebsräte ihr« Be- deutung behalten können. Solche Tarifverträge gehen heute schon vielfach über das Gesetz hinaus. Gleiches gilt auch für die Be- rufsverein« in dieser Hinsicht. Soweit die Rechte der Arbeiter in Betracht kommen, mutz die Vorlage verbessert werden. Wir stnd wicht der Anficht, datz mit dieser Vorlage die Wünsch« der Arbeiterschaft restlos erftUlt werden können, aber wir hoffen, datz wir durch sie die volle De- mokratisierung und die wirtschaftliche Gleichberechtigung der Ar- beiter und Angestellten erreichen werden.(Beifall b. d. Soz.) Redner beantragt schließlich, die Vorlage dem Ausschutz für Sozialpolitik zu überweisen. Abg. Ehrhardt(Z.): Es ist nicht verwunderlich, daß der Gesetzentwurf schwere Be- denken in weiten Kreisen ausgelöst hat. In der Industrie be» fürchtet man einen weitere« Rückgang der Produttio« � und damit eine Gefährdung der Betriebe; in der Landwirtschaft fürchtet man eine Einschränkung der Entschlietzungsmöglichkeiten und damit den Zwang, zu einer extensiven Wirtschaft überzu- gehen. Es handelt sich lediglich um die Frage, ob der arbeitende Mensch als Mensch im Produktionsprozeß zur Geltung kommen soll oder nicht. Vom Baden des Klassenkampfes aus, wie ihn bei- spielsweise die „Deutsche TageSzeituvg" vertritt, wird man zu einer grundsätzlichen Verurteilung des Eni- wurfs kommen. Ebenso vom Standpunkt d«K Kommunismus oder Spartokismus aeiS. Stellt man sich aber auf den Stand- punft, daß das Wirtschaftsleben sich in seiner� Entwicklung den gegebenen Verhältnissen anzupassen hat, so wird man sich grund- sätzlich aus den Boden des Entwurfs stellen müssen. Bon'diesem Gesichtspunkte aus stellen wir uns im allgemeinen aus den Boden des Entwurfs, ohne ober damit auszusprechen, daß wir nun auch alle Einzelbestimmungen billigen. Redner geht iu längeren Ausführungen auf Einzelheiten ein und fährt dann fort: Was die Aufgaben der Betriebsräte an- langt, so haben wir gegen eine Anzahl der Vorschläge des Entwurfs erbebliche Bedenken. Es haben sich gerade rn den letzten Monaten Dinge ereignet, die uns zu den größten Bedenken An- laß geben. Ich denke da an die
Zunahme deS Terrors, wie er namentlich gegen Mitglieder unserer Gewerkschaften aus- jjcübt wird. Wir werden uns sehr zu überleben habe», einer Bestimmung unsere Zustimmung zu geben, die unter Umständen die Zahl der Arbeitslosen vermehren und die Arbeit der Arbeits - nachweise noch häufen kann. Erwünscht erscheint uns, daß d'ä Arbeiter auch in dre Aussichtsrötc hineinkommen. Die praktische Gestaltung wird von der Ausschutzberatung im einzelnen ab- hängen. Nach den vielen Kämpfen der vergangenen Zeit wollen wir hoffen, datz wir mit dem Gesetz zu einer Ausgleichung der Gegensätze gelangen. Reichsarbettsminister Schlicke: Zch möchte gegenüber dem Abg. B.atz richtigstellen, daß ei nicht ganz zutrifft, datz mein Vorgänger, der Minister Wissell, ge« meinschaftliche Wahlen für Angestellte und Arbeiter versprochen hat. Er hat in dieser Frage seine Stellungnahme im Gesetz sich vorbehalten nach Anhörung der Interessenten, und diese haben sich für die Vorschläge ausgesprochen, die das Gesetz enthält. In der von ihm erwähnten Konferenz der Betriebsräte haben die Sozialdemokraten nicht die Mehrheit gehabt. Die Kon» ferenz verlangte für die Arbeiter weitergehende Rechte und hat. nachdem ich diese nicht. batte zugestehen könne»,_ sich gegen tu« Stimmen der alten Sozialdemokratie gegen die weitere Mitarbeit erklärt. Da kann man mr doch nicht zum Vorwurf machen, daß ich die unabhängien Sozialdemokraten bei der letzte» Konferenz nicht mehr zugezogen habe. Damit schließt die erste Beratung. -Die Borlage geht an den sozialpolitischen Ausschuß. Auf Wunsch sämtlicher Fraktionen wird noch nachträglich der A u S» schußbericht über die R o t�'ta n d s v e rs o rg u n g m't Oberkleidung und Schuhwert sowie über den Abbau der Zwangswirtschaft in der Textilindustrie er« ledigt. Sowest er die Einsetzung eines parlamentarischen Heber- wachungsausschusseS betrifft, der die Aufgabe hat, die schleunigst einzuleitende Liquidation der ReichStextilaktiengesellschast zu überwachen, wird der Ausschußantrag angenommen und die sieben Mitglieder des Ausschusses sofort gewählt. Der Präsident beraumt die nächste Sitzung auf heute nach- mittag 5 Uhr pünktlich an mit der Tagesordnung: Vereidigung des Reichspräsidenten . Der Präsident schließt: Wir stehen am Schlüsse eines Ta- gungSabschuittes von ganz außerordentlicher Aibeitsfülle. Es wird nachmittag Gelegenheit sein, dem Hause den Dauk für lue treue und außerordentlich augestrengtr Arbeit dieses halbe» JahreS auszusprechen. Wenn wir mit gewisser Hast arbeiten mußten, so ist das aus die Rechnung der außerordentlichen Verhältnisse zu setzen.(Zustimmung.) Es handelte sich nicht um eine nor- male parlamentarische Tagung. Wir mußten ein' zusammengc- brochenes' Haus wieder neu aufbauen.- Dabei kam eS nicht darauf an, jeden Stein sorgfältig zu behauen, sondern rasche Arbeit zu tu» und.das Haus schleunigst wieder zu- überdachen. D»e im- gsheure Arbeit ist vom(Hause in fleißigster Tätigkeit'geleistet worden. Däfür wird in der Nachmitiagssitzung die Anerkennung noch zum Ausdruck gebracht werden. Die Ferien für die Aus- schüsse erstrecken sich bis Dienstag, den 33. September. Die Bollversammlung wird Dienstag, den 30. September in Berlin wieder zusammeutrete». vorausgesetzt, daß außerordentliche Verhältnisse nicht dke 7!dU wendigkeit einer früheren Tagung bedingen. Schluß: 1 Uhr. Nächste Sitzung: nachmittags 6 Uhr.
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Erleuchtung.
Roman von Henri Barbusse . Verdeutsch: von Max Hochdorf . Dann fuhren die Offiziere vorüber, von denen mau nicht mehr sprach, denn man kannte sie nicht mehr. Diese un- bekannten Größen machten noch einen tieferen Eindruck als die anderen. Ihre Bedeutsamkeit und ihre Macht gewannen noch an Gllanz. Auf ihren Mützen wurdest, die Goldkronen großer und heller. Da wurde es bei uns, den verfckmtteten Menschen, ganz still. Die Lobsprüche und der Tadel, die sich gegen die übrigen gerichtet hatten, konnten keinen der neuen Männer mehr treffen. All' diese Einzelheiten verschwanden ins Wesenlose. Man konnte nur ganz im großen bewundSrn. Ich niußte lächeln vor diesem Aberglauben. Dann aber zeigte sich der Divisionsgeneral unseren Blicken. Er war ganz abgesondert von den übrigen, er befand sich fast in einer geweihten Einsamkeit. Die Tressen, die Sterne und die Borten seiner Vasallen blinkten nur in achtunggebietender Entfernung. Da bedünkte es mich, daß ich dem Schicksal selber Aug' in Aug' gegenübergestellt würde und der Willens- kraft dieses mächtigen Mannes. Es waltete ein blinder Trieb iu mir. als ich ihn, der Blendung voll, bewunderte. „Tornister auf und vorwärts marsch 1" Und so lud man wieder auf den Rücken und die Hüften den Tornister, der die Gestalt und das Gewicht eines Joches hatte. Und in jeder Minute, da der Tornister zur Erde drückte, drückte er stärker und schärfer. Der gemeinsame Marsch fing von neuem an. Ein iveiter Raum wurde von den Marschierenden durch- messen. Mit ihrem Gewichte und ihrer Wucht erschütterten die Marschierenden die felsigen Gehänge. Ich mochte mich gespannt zur Erde bücken, ich hörte doch nicht das Geräusch meiner Schritte, derart war mein Schritt im Schritte der übrigen eingemischt. Und ich wiederholte mir immer und hartnäckig die Wahrheit, daß man diese Klugheitskrast bewundern müsse, die all' diese abgründige Menschenmasse in Bewegung setzte. Diese Klugheit gebietet uns:„Vorwärts. Marsch!" Oder sie ge- b.etet uns:„Du mußt!" Oder sie gebietet uns:„Du brauchst nicht zu wissen, um was es sich handelt I" Und sie stößt doch die Welr der Massen vorwärts, damit sie sich in einen Wirbel hineinstürzt. Und der Wirbel ist so mächtig, daß man gar nich: verspürt, wohin man stürzt, in welche Tiefe man hineingerät. Man steht gar nichts mehr, nur in den tiefen. tiefen Abgrund geht alles hinein. Es ist eine Notwendigkeit, daß die Meister da sind, die alles das wissen, was wir selber nicht zu missen brauchen. Die Ermüdung wurde stärker, sie quoll übervoll aus uns
heraus. Es schien, daß jedes Menschenwesen wegen der Ermüdung bei jedem Schritte plumper und schwerer wurde. Dann gab man sich keine Rechenschaft mehr von der allge- meinen Ermattung, man hatte ste vergessen, wie man die Zahl der Tage und selbst den Namen der Tage vergessen hatte. Man machte immer, immer nur noch einen Schritt vorwärts. Die Infanteristen, die armen Infanteristen, die immer nur vorwärts marschieren, die ewigen Juden! Sie mar- schieren ini abgemessenen Tritt, in Reihen zu Vieren, oder einer gequetscht an den anderen, wenn ee- durch die Grabenschlünde geht, durch die Schlünde, die gekantelt und von Eisen angefüllt sind. Immer einer hinter dem andern. und doch immer jeder nur für sich allein. Sie marschieren, gebückt ein jeglicher zur Erde, immer vorwärts, ein jeglicher fast auf die Erde heruntergedrückt, und ein jeder schleppt seine Beine vorwärts, und er trampelt sogar mit seinen Füßen auf den Toten herum. Sie werden langsam von Wundmalen angestessen. An ihnen nagt die Länge der Zeit, an ihnen frißt die unberechenbar eintönige Wiederholung der Be- wegung, sie werden geschunden von der Großartigkeit dieses Wirklichen. Sie werden zermalmt von ihren Knochen und von ihren Muskeln, sie werden zermalmt durch ihre bloße Menschheitslast. Wird ihnen eine Ruhepause von zehn Minuten gegönnt, dann fallen sie dumpf aus die Erde nieder.— Aber du hast keine Zett zum Ausruhen und Schlafen! Doch die Soldaten sagen: Das ist ihnen ganz gleichgültig! Und sie schlafen trotzdem voller Seligkeit ein. <- Plötzlich erfuhren wir, daß sich gar nichts ereignen würde. Der Marsch sollte für uns zu Ende sein, und wir sollten aus Ruheposten zurückkehren. Man erzählte sich das wieder und wieder. Und eines Abends sagte man:„Also wir marschieren wieder heimwärts." Und trotzdem wußte man nicht, ob man nun rückwärts oder vorwärts marschierte. Nein, wir marschierten doch immer nur vorwärts. Als wir bei einer Kalkbrennerei vorbeikamen, war ein Lichtlein sichtbar, und neben einem er hellten Pfahl standen vier Soldaten. Beim Räherkoninien merkte man. daß eS einer von den Unfrigen war, der drei Gefangene bewachte. Der Anblick dieser feindlichen Soldaten, die in grünlichen und roten Lumpen steckten, erweckte in uns den Eindruck von Macht und Sieg. Einige von uns redeten die Gefangenen an. Sie waren niedergeschlagen und ab- gespannt. Sie stemmten das Gesicht in die Fäuste, und der- art wurde so etwas wie eine dreieckige Verzerrung auf ihr Gesicht eingezeichnet. Wurden ste manchmal von dringenderen Fragen bestürmt, so hoben sie den Kopf ein wenig auf, und sie versuchte» Uukijch. irgendeine Antwort hervorzubringen.
Man fragte den Feldwebel Müller:„Was hat er gesagt?" „Das sie nicht schuld am Kriege sind. Nur die Mächtigen seien schuld daran." Margot brummte:„Schweinehunde!" Man klomm einen Hügel hinauf. Man marschierte auf der anderen Seite wieder zur Tiefe. Auf Wegkrümmungen bewegte man sich vorwärts, um das höllische Leuchten zu er- reichen, das dort unten am Werke war. Und dann wurde am Fuße des Hügels Halt gemacht. Dort sollte man eigent- lich klar sehen. Aber es herrschte Dunkelheit, und eS war auch schlechtes Wetter, und der Himmel war überströmt von düsteren Dingen und von künstlichem Gewölk und von trügerischen Farben. Das richtige Gewitter verbündete sich mit dem Kriege. Ich hörte durch dos wütende und wilde Getöse der Granaten, das alles überdröhnte, daS friedliche Rollen des Donners. Man wies uns eine versteckte Stellung vor einem wett- hingedehnten abschüssigen Felsstück an. das sich vom Horizont her sachte auf uns zuneigte. Aus dieser Trist wogte hoch- gehendes Baumgesträuch, das der Gewitterfturm zauste. Wind- stöße, die Källe und Regen mit sich trugen, fegten heran. Das nahm gar kein Ende und stürmte über die Tragflächen der Geschütze, über die Furten und das Durcheinander des wilden Gelärmes. Am bleifarbenen Himniel. über den besudelte Flammen fegten, öffnete sich ein gelber Lichtstrahl, und dort zeigneten sich die Baumstämme wie Galgenpfähle ab. Der Boden war zerstückelt. Die Erdschicht war in Schollen los- gesprungen. Das Innere der Welt war rötlich und kalkfarben zugleich. Und borten in der Ferne, in der Ferne ging die Menichenschlächterei vor sich. Dann brauchten wir uns nur niederzusetzen, und wir durften uns so bequem wie möglich einrichten. Man gab sich dem friedlichen Atemholen hin, man lebte eine Weile ganz geruhig. Denn der Mensch trägt die Unkraft in sich, die selt- same Unkraft, niemals etwas von dem zu sehen. was Vergangenheit oder Zukunft in sich bergen. Wohin gehst Du? Aber bald wurden wir alle von einem mächtigen Aufbeben ergriffen. „Horch, jetzt schießt es nicht mehr! Horch I" Das Zischen der Kugeln hörte vollständig auf. und auch die Kanonade schwieg. Diese Stimme war phantastisch. Je länger sie dauerte, desto mehr durchdrang sie uns mit einer körper- lich spürbaren Unrast. Denn wir hatten bisher in dem ewigen Gedröhnc gelebt. Da sich das Gedröhne nun verbarg, schüttelte es uns und es brachte uns aus dem gewöhnlichen Gleichmaß; die Stille würde uns noch toll mache». (Forts, folgt)