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rn ifirr iljr prinzipiell zustimmten, sie abgelehnt und auf die Durchführung seiner Wahlordnung bestanden hätte. Der Berliner   Vollzugsrat hatte nicht das mindeste Recht, selb- ständig Wahlgrundsätze aufzustellen. Denn nur der Zen  - trat rat hatte, gestützt auf einen vom zweiten Rätekongreß einstimmig angenommenen, von den U.S.P.-Genossen ge- stellten Antrag das Recht, eine Wahlordnung zu erlassen und Wahlen auszuschreiben. Wer also so wenig Disziplin besitzt. daß er sich sogar über die von der eigenen Partei ge- stellten und von der höchsten Räteinstanz angenommenen An- träge hinwegsetzt, sollte den Mund weniger voll nehmen. Ani wenigsten aber sollte er sich über eine so formale Sache beklagen wie die. daß der Zentralrat die Einladungen zu einer Besprechung über die Durchführung der Berliner  Wahlen an den Vollzugsrat der U. S. P. und an den Voll- zugsrat der S. P. und D. P. gerichtet hatte. Es kam dem Zcntralrat vor allem darauf an, zu einer ordnungsmäßigen von den Arbeiterräten aller Richtungen kontrollierten Wahl in Berlin   zu gelangen. Das hätte seine guten Wirkungen auch für das Reich gehabt, und das Weitere hätte sich dann von selbst gefunden. Die Verantwortung dafür, daß bei den vom Zentralrot ausgeschriebenen Wahlen, deren Grundsätze auch von der U.S.  -Seite nicht angefochten werden können, sich nur ein Teil der deutschen   Arbeiterschaft beteiligt und der schlimme Bruderkampf eine wesentliche Ver- s ch ä r f u ii g erfährt, trägt in der Hauptsache der B e r- siner Vollzugsrat, der schon längst nicht mehr von denen gesteuert wird, die denken können und Vernunft- gründen zugänglich sind, sondern von denen, die. unbeschwert von Sachkenntnis, mit wohlfeilen radikalen Redensarten den Sinn der Massen zu umnebeln versuchen. Vielleicht ist es ein mildernder Umstand, daß diese Leute nicht im entfernte- sten ahnen, welche Verantwortung sie damit auf sich nehmen. Es ist ein Jammer, daß ein Teil der unabhängigen Genossen, die unschöpferische, rein auf das Agitatorische gerichtete Kritik fortsetzt, als ob sich gar nichts ereignet und das deutsche   Volk nicht eine Niederlage erlitten hätte, deren Folgen es"zu ver- schlingen drohen. Will man nicht begreifen, daß wir rettungs- los zugrunde gehen müssen, wenn diese, 50 Jahre lang ge- übte, ach so bequeme Methode nicht endlich zum alten Eisen geworfen wird? Die vom Zentralrat ausgeschriebenen Wahlen zu den Ar- beiterräten boten, unbeschadet politischer Meinungsverschie- denheiten, eine treffliche Gelegenheit, auf dem Gebiete des Rätegedankens zu einer gewissen Annäherung zu gelangen. Das ist gescheitert an der unpolitischen und doktrinären Hol- tung des Berliner   Vollzugsrats, der die Verantwortung da- für wird tragen müssen. Max Cohen  .
Tiefere Ursachen öer Transportkataftrophe. Aus Eiscnbahnerkreisen erhalten wir folgende Zuschrift: Die Erkenntnis, daß bei der bestehenden Kohlennot auch Ver- kehrSnöte eine größere Rolle spielen, hat sich in der Oeffentlich- keit allmählich durchgesetzt. DerVorwärts" schreibt:Vergiftet die Bergleute nicht noch mehr! Ruft erst die Eisenbahnwerkstätten zu erhöhter Produktion auf! DaS ist das Dringendste. Die TranS- portkatastrophe ist das Unheil!" Hierzu wäre zu.sagen: ES ist Tatsache, daß die Produktion in den CtaatSwerkstätten gegenüber der Friedensproduktion zurück- gegangen ist. Viele Ursachen wirken hier mit: Vor allem ist «s der Mangel an Rohstoffen, Material und Farbstoffen, und das Fehlen von gutem Werkzeug; alles Umstände, die jeden Einsichtigen ohne weiteres erkennen lassen, daß ein geordnetes Arbeiten direkt Unmöglich ist. Daneben besteht in den meisten Staatswertstätten schon aus der Friedenszeit her ein Mangel an Arbeitsraum. Diese Raumbeengung ist durch die Vcrgröße- rung des Personalstandes nicht geringer geworden. Auch die jahrelange allgemeine Unterernährung ist auf die Arbeitenden der Eisenbahnwerkstätten nicht ohne Einfluß geblieben. Berücksichtigen muß man aber auch, daß der fünf Jahre lange Raubbau in der Verkehrswirtschaft das Maschinen- und Wagen-
Material sehr herabgewirtschaftet hat. so daß Reparaturen heute viel zeitraubender sind als vor dem Kriege. Das sind die tieferen Gründe der geringen Produktion in den Werkstäitcn. Tie S ch a f f c n s u n l u st, die in kleinerem Um- fange nicht bestritten werden kann, spielt eine Nebenrolle. Und da ist es unbestreitbar, daß die Schafiens.unlust nicht nur ein Gemeingut der Beamten und Arbeiter der Staaiswerkstätten ist. Eine Umkehr zu mehr Schaffensfreude tut allen Beständen bit�r not. Man darf nicht einseitig sein, und immer nur denen das Schaffen predigen wollen, bei denen zunächst die Berge von Arbeit liegen, d.ren Nichtbewältigung zur wirtschaftlichen Katastrophe führen mutz. Aehnlich wie die Bergleute können auch die Arbeitenden der Staatswerkstätten rufen:Vergiftet uns Eisenbahner nicht noch mehr! Ruft erst alle zu erhöhter Produktion auf!" Zur Hebung der Arbeitsfreudigkeit würde es aber auch sebr beitragen, wenn in bezug auf Organi'ation unseres Arbeitslebens mehr von oben die Schaffenslust einsetzen würde. Auf der einen Seite stehen tausende reparaturbedürftiger Eisenbahnwagen und Hunderte von Maschinen in den deutschen   Verschubbahnböfen, zu deren Herstellung es an Kräften fehlen soll. Auf der anderen Seite stehen in den Straßen der Großstädte Tausende bon Ar- beitslosen. Warum werden diese nicht zur Mitarbeit heran- gezogeti? Weil sie nicht handwerksmäßig ausgebildet sind? Im Eisenbahnbetrieb sind viele Handwerker in Stellen verwendet, die eine handwerksmäß'ge Vorbildung nicht erfordern. Diese müßten den Werkstätten überwiesen werden, und die freiwerdenden Stellen durch Arbeitslose besetzt werden. Solche Organisationsmängel ließen sich noch viele anführen. Sie sind auch auf die allgemeine Arbeitsunlust zurückzuführen. Mit ihrer Behebung von oben würde auch unten mehr Arbeitsfreude wiederkehren. %- Betriebsversammlungen wahren) öer Arbeitszeit. Eisenbahnminister O e s e r hat einen Erlaß bekanntgegeben, in dem unter Hinweis auf die wiederholt während der Arbeitszeit abgehaltenen Betriebsversammlungen in den Werkstätten, bei denen Fragen des Arbeitsverhältnisses sowie politische Angelegenheiten erörtert wurden, gesagt wird:> Wenn auch nicht in Frage kommen kann, das gesetzlich gewährleistet« Versammlungsrecht der Eisenbahn- beamten und-arbeitcr irgendwie zu beschränken, so darf dennoch den BedienstMn kein Zweifel darüber belassen werden, daß der Arbeitsvertrag als Gegenleistung' für das Entgelt die volle Hingabe an die Arbeit innerhalb der vorgeschriebenen Arbeitszeit voraussetzt und zur Pflicht macht. Von einem Versammlungsverbot will der Minister dennoch absehen, sofern folgende Bestimmungen von den Angestell- ten eingehalten werden: Der Beginn der Arbeitsunterbrechung und der Wiederbeginn der Arbeit werden durch besonderes Signal bekanntgegeben. Für jede angefangene Stunde der sy- begrenzten Arbeitspause wird ein Stundenlohn gekürzt. Für Abhaltung von Werkver- s ammlungen, das heißt Abhaltung von Versammlungen nur einzelner Abteilungen der Belegschaften, während der Arbeits- zeit kann ein Bedürfnis nicht anerkannt werden. Sie haben deshalb gänzlich zu unterbleiben. Die Funktionäre der Berufsorganisationen haben während der Arbeitszeit ibre Tätigkeit im gewerkschaftlichen Interesse möglichst einzuschränken. Der Funktionär hat von seinem Vorgesetzten sich hierzu Urlaub erteilen zu lassen. In solchen Fällen wird der Lohn in gleicher Weise wie bei Teilnabme von Bediensteten an einer Betriebsversammlung gekürzt. Auch bei Versammlungen der Funktionäre, deren Zeitpunkt mit dem Amtsvorstand zu verein- baren ist. erwlgt Kürzuna der Löhne. Außerbalb der Arbeits- zeit können Dienst« und Arbeitsräume irgendwelcher Art den B e- triebsverstammlungen nicht zur Verfügung gestellt werden. Die Erkenntnis, daß die Kohlenversorgung nur bei einer erheblichen Besserung de- Verkehrswesens durchführ­bar erscheint, hat in weiteren Kreisen der Eisenbahnarbeiter Platz gegriffen. Bei einer gestern stattgefundenen Funktionärkon» f e r c n z führten mehrere Re-dner unter Zustimmung der Per- sammlung aus, daß unbedingt für intensive Arbeit in den
Das Zeitungsverbot. Skizze von Alwin Rudolph. Nach vielen vergeblichen Versuchen bekam ich endlich unier dielet Mühe die Einreiseerlaubnis. Daß die Schwiegermutter seit über einem Jahr in Höchst im Krankenhause   lieg«, war dem Franz- mann kein genügender Grund. Denn erstens würden Familien­angelegenheiten überhaupt nicht berücksichtigt, und zweitens stünde ich zur Schwiegermutter in keinem verwandtschaftlichen Verhälinis. Danach also werden die Franzosen von einer gesegneten Anschau- ung beherrscht, um die sie vielleicht mancher beneidet. Und wir haben �ie Hoffnung, daß wenigstens die linksrheinischen Schwie- germütter gewiß keine Franzosen werden wollen. Einmal, als ich wieder das Paßbureau in Frankfurt   als Ab- gewiesener verließ, drängte sich auf der Straße ein eleganter junger Mann heran. Machte ich nun ein so betrübtes Gesicht und doch ein kreuzbraves oder hatte der Elegant eine so gute Nase? Er ging gleich auf sein Ziel loS. Er könne mir einen Paß be- sorgen, einen ganz richtigen, durch einen Franzosen, seinen Freund. Hinter jedem Wort stand die Versicherung, ich könne ganz unbesorgt sein, es sei ganz sicher und echt. Neugierig, wie ich in solchen Dingen eanmal bin, ging ,ch darauf ein. um dieInteressen" des eleganten Herrn zu erfahren, die nach seinem Austreten nicht gering sein konnten. Aber schließ- lich sollte ich das alles erst in einer Bar erfahren, wohin ich aber doch nicht mitging. Der Franzmann in seiner Amtsstube; wurde mit der Zeit eni- gegenkommender, und es bedurfte fast gar nicht mehr der Angabe von Gründen. Ich erhielt meinen Paß und eilte damit zum Hauptbahnhof, nahm noch die eben ausgebotene neueste Nummer derVolksstimme" mit und fuhr nach Höchst. Höchst beglückt natürlich. Auf meinem Platz am Fenster vertiefte ich mich gleich in meine Zeitung. Der Wagen war ein Lesesaal. Alles las eifrig. Mich fesselte ein Artikel über Theorie und Praxis in der U- S. P. Wie Dißmann gegenüber Liebknecht und Rosa Luxemburg   die Be- willigung der Kriegskredite verteidigt habe, wie er bewiesen habe, daß die Partei gar nicht anders habe handeln können, und wie er mit seinem Anhang das jetzt als einenVerrat der Rechtssozialisten an den Arbeiterinteressen" bezeichne und sich darüber entrüste. Ein ähnliches Verhalten kannte ich ja von vielen andern. Darum schrieb ich an den Rand hin:Demagogen  ". Und zwar so, daß es der neben mir sitzende Leser des U. S. P.-Volksrechts sah. Aber da riß alles die Fenster auf und warf die Zeitungen hinaus. Ich sah dem Treiben verständnislos zu, bis mich mein Nachbar aufforderte:Schmeißen Sie die Zeitung raus! Wenn Sie die mit nach Höchst bringen, müssen Sie drei Tage Auto putzen." Ich betrachtete mir den Pfann erst mißtrauisch, doch die ande- ren bestätigten es. Und da ich für da? Autoputzen, noch dazu bei Franzosen/weniger Neigung habe als für das Autofahren, kam ich der Aufforderung des U. S. P.-Mannes nach. Bei dem webmüti. geg Blick, den ich ihr nachsandte, erspähte ich, wie so zehn Buben
herumsprangen und den Zeitungen nachjagten. Ach so, Papier  - mangel, da gibt eS mit dem Althändler ein Geschäft. Dem will man sich doch nicht aussetzen," bemerkte merk- würdig freun-dlich der Volksrechtsleser. Tie U. S. P.-Leute von der französischen   Seite mußten von einem anderen Schlage sein, denn.bei unS hätte keiner so angefangen. Ich Hab mir heute mal dasVolksrecht" gekauft, erzählte mein Nachbar weiter.Wollt doch mal sehen, was die über Unsere Zustände sagen. Aber da ist kein Wort von den Torten-Konsorten oder den Ausweisungen aus den besetzten Gebieten, auch kein Wort gegen die reaktionäre Judenhetze oder die räuberischen Polen  . Nur ein wüstes Geschimpfe gegen die eigenen Älassengenoffen. Ich dachte, die wollten was Besseres." Es war also doch kein richtiger U. S. P.-Mami. So hatte er mir auch gleich nicht ausgesehen. In Höchst angekommen, sagte er mir beim Aussteigen:Wenn wir unsereVolksstimme" wieder herüberbekommen könnten." Wir wurden einer eingehenden Untersuchung unterzogen, be- sonders wir mit einem weinen Patz aus dem neutralen Gebiet. Alle Taschen wurden durchwühlt. Glücklich war auch das erledigt, und ich ging auf die Straße. Vor dem Bahnhof traten uns Zeitungsbuben in den Weg. DaaaaS Mittagsblatt!" ruft einer. Was,Frankfurter Zeitung  "? Die ist doch im besetzten Gebiet verboten. Wo kommt die her? Sckon will ich kaufen, da kommt einer von rechts:Di i ie Volksstimme I" Schnell tauf ich mir eine und zahle gutwillig die verlangten zwanzig Pfennige.~ v Wie bringst du die herüber," frage ich noch,die ist doch h,er verboten." Hier fragt keiner mehr danach," sagt mir der Bub mit einem verschlagenen Lächeln.Und die Franzosen   kaufen sie am meisten." Ich hielt es trotzdem für geraten, sie schnell zu verstecken. Erst in der verschwiegenen Ecke eines Eafes holte ich sie hervor. Wse erstaunte ich aber, am Rande des-U. S. P.-Artikels stand mein Wort in Bleistift:Demagogen  ". Ich setzte mir die Brille auf, und auch nach der strengsten Untersuckung mußte ich feststellen: es war meine Handschrift, ich hatte es geschrieben. Nun erst begriff ich, warum die ans dem Zuge geworfenen Zeitungen so eifrig ge- sammelt wurden und die Buben so eilig damit nach Höchst hinein- liefen. Heut kann ich«S ja verraten; denn der Franzmann hat den Buben das eintragliche Geschäft, das gar kein Anlagekapital be- nötigte, seit einigen Tagen verdorben. Druckschriften aus dem übrigen Teutschland dürfen wieder eingeführt werden. Die Hiele öer Staatsoper. Herr vonSchillingShatbei seiner Einführung als Leiter der StaatSoper eine Rede über sein Programm gehalten, die nvt merkwürdiger Verspätung an die Presse verschickt wurde luns ist sie überhaupt nicht zugegangenj. Er hat dabei ausgeführt: Die bestehende Opernbühne der Reichshauptstadt man wird vergeblich gegen den Vorrang Berlins   Sturm laufen muß sich zur
Werkstäten gesorgt werden müsse. Die Eisenbahnarbeiter seien sich bewußt, daß von ihrer Tätigkeit das Gesamtwohl mit abhängig sei und man werde Faulenzerei in den Betrieben nicht dulden. Es wurden weiter sehr interessante Ausführungen über den geradezu katastrophalen Zustand des Eisenbahn- Materials gemacht. Tie Reparatur der belgischen und französischen   Maschinen, die von der Entente verlangt wird, falls wir die abgegebenen deutschen   Maschinen zurückerhalten wollen, sei fast undurchführbar. Schließlich wandten sich die Funk- tionäre gegen den Radikalismus gewisser Führer, die nur bestrebt seien, die Leidenschaften der Masse aufzupeitschen, anstatt nutzbringende Arbeit zu fördern. Scheuermanns Offensive. Herr Scheuermann, Schmock und Kriegsberichterstatter derDeutschen Tageszeitung", hat, nachdem er fünf Jahre lang das Heldentum anderer durch seine Lobsudeleien herab- setzte, höchst eigenhändig etwas Heldenhaftes verrichtet. Das Ziel seines konzentrischen Angriffs war Herr Sieg- sried Jacobsohn, schätzungsweise halb so groß wie Herr Scheuermann und von dürftigster Breite. Was den nicht so leicht mehr als platonisch herauszukitzelnden.Furor teu- toniens des Herrn Scheuermann zur Auferstehung brachte, war ein Artikel in der JacobsohnschenWeltbühne", der den edlen Knappen Reventlows nicht nur als Hetzer und Drücke- berger, sondern auch als Denunzianten und Beutemacher an französischem Privateigentum gebührend kennzeichnete. Die letzte Betätigung führte auch zu der be- kannten Verhaftung Scheuermanns in Versailles  , wo er durch seine unverfrorene Anwesenheit anständige Kollegen in die peinliche Verlegenheit brachte, für ihn eintreten zu müssen. Herr Scheuermann unternahm also eine Wikingerfahrt nach einer der nordfriesischen Inseln, wo er das Opfer seines heroischen Vorhabens aufgespürt hatte. Ueber den Zusammen- stoß weiß der Unterlegene zu vermelden: Ich saß zwischen sandigem Kliff und samtener Heide ge- dankenvoll vor mich hin: da trat lächelnden Galgenantlitzes ein baumlanger Kerl mit einer Zuhältermütze auf mich zu, fragte mich freundlich, ob ich Herr Jacobsobn sei, erfaßte mit einem Biertelblick, daß mein Scheitel günstigstenfalls bis an den obern Rand feines Jägerhemds reichte, und schlug dann beruhigt auf mich ein. Wer niemals das Mißvergnügen meines Anblicks ge- habt hat, wird nicht leicht ermessen, ein wie grenzenlos auSsichtS- reiches und heldisches Unternehmen ein Ueterfall auf meine Wenigkeit im Sinne des Wortes ist. Aber da man nie sicher weiß, so hatte der Wegelagerer sich offenbar doch erst Mut ge- «trunken. Er schrie jedenfalls, wie nüchtern« Mitbürger selten schreien. Dazu war die Ausdünstung höchst verdächtig. Mir wurde speiübel. Trotzdem zog ich mir bei der Abwehr eine Vor- stauchung des rechten Daumens zu. Der stattlich ragende Zei- tungsfchreiber, der ein Lustrum hindurch alles aufgeboten hatte, um die Nachteile und die Schande der Reklamation loszuwerden, und immer wieder dazu verurteilt worden war, den Homer beim Opfertode der deutschen   Brüder zu machen der wollte den Frieden nicht ratifiziert wissen, ohne selber schnell noch Achill zu werden. Er landete tapfer auf einer der nordfriesischen Inseln und errang im Nahkampf mit meinen neunundachtzig Pfund Lebendgewicht den so lange schmerzlich entbehrten Krieger- lorbeer.... Wie gawt anders hätte sich das Geschick Deutschlands  entscheiden müssen, hätte sich Herr Scheuermann einige Jahre früher auf seine Schlagfertigkeit besonnen. Seltene Einficht. In derDeutschen Zeitung" wird webmütig ein Wort des General L i tz m a n n zitiert, das dieser vor einigen Tagen in derTäglichen Rundschau" niederschrieb:Wenn»in gotl- begnadeter Dichler das große deutsche Trauerspiel zum Entwurf wählt, mag er seinem Werke den Titel geben: Ludendorsf." Endlich haben eS also auch die Alldeutschen erfaßt, wem wir dieses Trauerspiel zu danken haben. Wir freuen unS der Uebeteinstim» iming, mit der sie, genau wie wir. in dem Namen Ludendorff   das Stichwort für Deutichlands Unglück erblicken und beglückwünschen dieDeutsche Zeitung" zu ibrer Erkenntnis.
Pflege der Kunst in deutschem Sinne bekennen, und dieses Be- kenntnis muh deutlicher als bisher in die Erscheinung treten, gerade in diesen Zeiten tiefer Erniedrigung unseres Vaterlandes. Die Werke unvergänglicher Größen unserer heimischen Meister, die, nach einem Worte Richard WagnerS, das Wagen des Erhabenen   und Innigen wie die keines anderen Volkes in sich tragen, sollen mit besonderer Hingabe gepflegt werden.' Die erste deutsche Bühne soll aber auch neben Meistern der Gegenwart den Werdenden und Ringenden ge- öffnet sein. Anderseits wollen wir wieder in vollen künstlerischen Wettbewerb mit den andern Kulturvölkern ein- treten; auf künstlerischem Gebiet sei der Frieden ratifiziert. Machen wir onf künstlerischem Gebiet vom Recht deS Stärkeren und Größe- ren Gebrauch und gewähren wir vor allem den romanischen Tonsetzern, auch wenn sie noch unter den Lebenden weilen, das- selbe Gastrecht, das wir etwa Meister Verdi niemals verweigert haben. Was wir in einem sorgsam gepflegten vielseitigen Spielplan in zielbewußtem Aufbau Gutes herauszubringen hoffen, soll nach Mög- lichkeit von einer StaatSoper ldiesen Namen hoffen wir bald offiziell führen zu dürfen) allen BolkSkreisen zugänglich gemacht werdcn. Die ungeheuerlichen Kosten des Opernbetriebes, für den einstweilen nur ein unzulänglich großer Raum zur Verfügung steht. maiben eine Popularisierung der Aufführungen im Sinn« wohl- gemeinter, aber nicht genügend mit harten wirtschaftlichen Tatsachen rechnender Wünsche in weitem Umfang leider noch unmöglich. Doch wird in dieser Hinsicht alle? in den Grenzen deS zurzeit Erreichbaren angestrebt." Daß unsere Oper keinen Opernkrieg gegen das Ausland führen will(und kann), ist ja selbstverständlich. AberMigßon" undTrou­badour" sollten trotzdem nicht weiter daS Repertoire in dem bis- herigen Umfang in Anspruch nehmen. Das Bekenntnis zur über- wiegenden Pflege deutscher Musik ist zu begrüßen. Was Herr von Schillings von neuen Kräften zu fördern gedenkt, wird erst die Zu- kunst lehren. Die Schwierigkeiten der Popularisierung sind ein- zuräumen; aber darüber muß sich der neue Leiter von vornherein klar sein, daß unsere Oper aufhöre» muß. ein LuruSmstitut der Besitzenden zu sein. Soweit die Oper für die breite Masse Kultur- wert hat, muß dieser auch der Zugang dazu eröffnet werden. Notizen. Theater.  Dttanogut". Schauspiel in S Akten von Ernst Klein, gelangt am 12. Sept. im Luisen-Theater zur Uraufführung. Kaiserbüstencrs atz. Im..Rastatter Tageblatt" war kürzlich zu lesen:Das Alte stürzt... Der seinerzeit ergangenen Verfügung entsprechend, daß die Bilder und Büsten der früheren Machthaber an öffentlichen Stätten zu beseitigen seien, wurde jetzt auch die auf dem Balkon deZ Rathauses hier stehende Büste des Exkaisers Wilhelm II.   entfernt. Tie Büste des alten Großberzogs Friedrich l. wurde dafür in der Mitte ve§ Balkons aufgestellt." Die Geschichte erinnert einigermaßen an die alte Anekdote von der Republik   mit dem Großherzog an der Spitze.