Nr. 470 ♦ 36. Jahrgang
1* Seilage öes vorwärts
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Sonntag, 14. September 1414
Sie sthlafen.
III.(Schluß,- -Di« Liste t>er Hoflieferanten, die schon kurz angezogen »urde. ist rasch Legion. Wenn es auch keine Höfe mehr gibt, die beliefert werden können. In der Berliner Beusselstraye 44 prangt das Messingschild Albert Fromm, W ei ngrog Handlung, ft. n. St. Hoflieferant. In einer Annonce der.Mitteilungen der deutschen LandwirtschaftS�Lesellschaft " taucht ein»Lieferant für kaiserliche, königliche und staatliche Behörden" auf. Dieser Mann gehl anfs Ganze; er schließt die republikanischen Behörden aus seinem ÄundenkreiS wenigstens nicht au». Wt diesem ganzen Getriebe beschäftigt sich eine Zuschrift, in der es heißt: Di« Fälle, in denen noch Schilder mit der Aufschrist »Königlich- oder.Kaiserlich" zu finden sind, dürfte» wohl so zahlreich sein, daß der Raum des.Vorwärts" noch auf Wochen »-aufs stärkste in Anspruch genommen würde, wollte man sie alle aufzählen. Falsch wäre«», hierin nur Vergeßlichkeit oder Aach- lässlgkeit zu erblicken. In sehr vielen Fällen ist der leitende Gedanke der Verantwortlichen zweifellos der, durch die stet« Vorführung der Symbole der eckten Zeit der Bevölkerung zu zeigen, daß die Revolution nicht fähig ist, sich durch. zusetzen, und auf diese Weise den Glauben der vivaklionäron zu festigen, die Schwankenden aber eiraufchüchtern. Daß ihnen die» gelingt, zeigt nicht nur da» Mißtrauen, daS man noch ' immer im Ausland gegen den Bestand der Neuordnung der Dinge bei un» hat, sondern ganz besonder» auch die U n. sicherheit und die dadurch bedingte Zurückhaltung, die man bei zahllosen abhängigen Exrstenzen im Jnnern findet. Bei meiner Werbetätigkeit für die Partei in Beam» � tenkreisen muß ich immer wieder hören, daß man den Be. stand der Republik nicht glauben könne, und daß über kurz /oder lang die Monarchie wieder eingeführt werden würde. Be- gründet wird diese Ansicht sehr häufig mit eben diesen„Leußer. lichteiten", die also doch nicht so ganz ohne Ginwirkung auf die Gemüter sind. Zu ihnen gehören nicht nur die Schilder, die ja nun wohl entfernt werden dürften. Hierzu gehören auch all die Kaiser-Wilhelm- St r a ß e n und Hohenzollernkorso, die Schu» len mit Namen von Kaisern und Kaiserinnen, die Namen der Universitäten und Akademien, die Namen der Schiffe ebenso wie die der Hotel» und Gastwirt» schafte«, die fich ja freilich zwangsweise nicht ändern lassen. Wcnn� an ihre stelle einige Namen träten, die nicht an die Persönlichkeiten— denn wir wollen nicht auch Perso-- nenkult treiben— sondern an die Tatsache der Revolution ndakult treiben—, sondern an die Tatsache der Revolution dert. Unsere Duldsamkeit hält man für schwäche. Unter diesem Gesichtspunkt wäre auch eine Prüfung der Denk m ä l e r zu erwägen, die sich noch überall breit machen. Sslbstvcrftändlich unter Berücksichtigung ihres künstlerischen Wertet Manches ließe sich vielleicht zweckmäßig in Museen unterbringen und würde dort leinen Schaden tun. Aber wenn z. B. die Berliner TieoeSallee, die seit ihrem Bestehen das Gespött der ganzen Welt gewesen ist. ihrem Stifter wieder zugestellt werden würde, so wäre das nur ein Gewinn für uns. � '�Vielleicht ließ« sich auch in dieser schweren Zeit finanzieller Not � eiltlger Nutzen daraus ziehen, wen» man sie stückweis— mit j immtlicher Bescheinigung der Echtheit— an kaisertreue Patent. .'Patrioten zu mäßigem Preise abgäbe. In den Schulen sind die Kaiserbilder— nach langen Kämpfen— wohl großenteils entfernt Andere Bilder. die demselben Zwecke der Erzeugung hurrchsatriotifcher Gsfiw- nung bei der Jugend dienen, ErrnnerungSbild« an dynastische Gedenktage, Schlachienbilder übelster Sorte, find noch überall '»u findeni An die Einführung nicht nur anderer Ge. "Ich i ch i S b ü ch e r, sondern auch neuer Lesebücher sollte mit größter Beschleunigung gegangen werden, bildet doch da» jetzt im Gebrauch befindlich? Lehrmaterial einen vortrefflichen EntschnldigungSgrund für alle die, die bösen Willen» sind. Jeder einzelne mag die Augen ausmachen. Er wird keine zebn Schritte tun können, ohne auf die Symbole der vorrevolu- tionären Zeit zu stoßen. . Mit den Kaiserbildern in den Schulen hat«» noch seine be- sondere Bewandini». Die Schüler, die Sprößlinge der Bour» geoisie, treten in den Proteststreik. Aus G r e i f s w a l d kam schon eine solche Kunde. Die dortigen Obersekundaner haben des- wegen den Kultusminister Haenisch. der au» Greifswald stammt. antelegraphiert. In einer andern pommerschen Stadt, in Kol- b e r g, wird Monarchismus mit Antisemitismus nach alter Nebung verbunden: Kürzlich wurde im hiesigen Gvmnastn« ein Maueranschlag angehestet, in dem die Schüler die W i ederanbringung der in den Ferien entfernten Kaiserbilder verlangten. Der Schülerausschuß, der sein Dasein nur der Revolution verdankt, trug die Forderung dem Direktor vor. Dieser, ein streng mon. archischer Mann, hörte wohlwollend zu und war voller Freude � über den.nationalen" Sinn seiner Pennäler. Aber was sollte er macken? Gin Wiederanbringen der Heldenbilder war nicht möglich. Die genannte Anstalt ist überhaupt ein? Stätte echt.natio- nalen" GeisteSl In der Sckuilordnung, die jedem neuaufgenom- menen Schüler, so dereinst auch mir, in die Hand gedrückt wurde, waren geheime Verbindungen zur Veranstaltung von.Sauf» ge lagen" usw. verboten, besonder» wenn sie sich in studentischen Formen bewegen sollten. Und jetzt? Ohne von irgend jemand daran gebindert zu werden, laufen die Schüler der oberen Klaffen mit schwarz-gelb grünen Bändern herum. Bier säuft man nicht mehr, sondern-- verfolgt die Juden k Da« ist die Tendenz einer Schülerv-reinigung. die dem deutschnationalen Jirnendburd nahesteht. Flugblätter mit dieser Tendenz würden an den Wänden der Schule angeschlagen. Lehrer lasen sie schmunzelnd, während die Gchüler dabeistanden, und gingen weiter. Diese Flugblätter zu entfernen, fiel den Vorbildern der Jirgend nicht ein. Wie dabei den jüdi. scheu Schülern der Anstalt zu Mute sein mag. daran denken sie � nicht und auch nicht die Schüler. Mit einem besonders dringlichen Beweis wollen wir dies traurig-lustige Kapitel krönen. Einem Berliner Kaufmann, der nach Dänemark reisen will, wurde auf seinem Paß vom Ber» liner Polizeipräsidium der Sichtvermerk(72«) erteilt Der vom 2. September 4vl0 datierte vermerk trägt die Unter» schritt:.Der Klniziiche Polizeipräsident I. A. Malick". WaZ werden die Dänen davon denken? Zum Schluß eine bezeichnend« Kleinigkeit, die unS selber betrifft. Im Bad Blankenburg in Thüringen erklärte die Verkäuferin der Bahnhofsbuchhandlung auf eine Frage nach dem .Vorwärts", daß er für dir BahnhofSbnchhandlung der Station Blankenburg verboten fei und auch verboten bleibe, gleichviel welche Regierung in Deutschland herrsche und welche Anordnungen sie auch treffen möge Das geschah am l2. August ISlL. Vielleicht geschieht'S heute noch. Höher geht'S nimmer.
München , de« 12. September 1912. 3. 8. Es werden dann noch eine Anzahl EntlastungS- « u g e n vernommen, die aber nicht viel wesentliches auszusagen den. von großem Interesse find dagegen di« Angaben eine» russische » Medizinstudenten Andrea» Kwilenko. Er ist 21 Jahre alt und war im russischen Gefangenenlager Buchheim bei München . Er stellt sich zunächst, alS verstehe er die deutsche Sprache überhaupt nicht und wird unvereidigt vernommen. Er wurde am b. Mai in München festgenommen. Vors.: Wie kamen Sie in da? Gymnasium? Zeug«: Wir wurden eine« Tages vom Buchheimer Gefangenenlager angefordert, von dort abgeholt und in da» Gymnasium transportiert. Dort bekamen wir Gewehre und Munition und ich wurd? Wachtposten. Mit mir kamen noch weitere 45 Russen, die ebenfalls eingekleidet, bewaffnet und an die Dachauer„Front" geschickt wurden. Am 20. April stand der Zeuge im ersten Stockwerk de» Gymnafium« Posten und hörte, wie die Rannschaft herausgeholt wurde mit dem Bemerken, eS sollten Geisel« erschossen werden. Der Zeuge glaubt Schicklhofer als den Man« wiederzuerkeänen, der die Soldaten herausrief. ES fei aber niemand gekommen und e» wurden schließlich 7 bis 3 Mann befohlen und gingen auf den Hof hinunter. Der Zeuge hörte dann Schüsse fallen, will aber nicht hinuntergefehen haben. Am Nachmittag seien vier Soldaten in? Gymnafium gekommen,«nd e» wurde davon gesprochen, daß vier Geiseln erschossen wurden. Man habe auch zu ihm gesagt: „RuSki geh mit." Dann Hab« man ihm«in Gewehr in die Hand gedrückt und er sei hinuntergegangen. Auf dem Hof habe bereits eine Schützenlinie von etwa 8 Mann gestanden. Er habe sich mit in die Reihe gestellt, aber nicht mi ige schössen. AI » di« Schießerei vorbei war, habe er sein Gewehr beiseite gestellt und sei wieder in da» Gymnasium hineingegangen. Abends habe er sich die Leichen angesehen und e» sei das erste Mal in seinem Leben ge- Wesen, daß er einen so schrecklichen Anblick gehabt habe. Er sei dann fortgegangen. Vors.: Also geschossen haben Sie nicht? Zeuge: Nein. Angekl. Rittmeyer: Jchhabe ihn aber unter den Schützen gesehen. Ob er geschossen hat, kann ich freilich nicht behaupten. AngeN. Josef Seidl: Ich glaub« mich nicht zu täuschen, daß dieser Mann mitgeschossen bat. Auch der Angekl. Hanne meint daß der Zeuge mitgeschossen haben müsse. Der Zeuge bestreitet dre». Rechtsanwalt Sautet: Waren noch mehyere Russen in der Schützenlinie? Zeuge: Nein, ich habe keinen gesehen. Hauptangellagter Seidl behauptet, daß vor der Erschießung die meisten Russen wieder nach Buchheim zurückge- fuhrt worden seien. Tapozierer Salsanj, ber sich bereit» wogen Yerdachte» der Mittäterschaft im Untersuchungsgefängnis befindet, macht fein« Aussagen in großer Erregung. Er habe beobachtet, wie die Gräfin Westarp ihre Unschuld beteuerte und er. der Zeuge, will versucht haben, sie frei zu belommen. Der Angeklagte Lermer habe ihm jedoch erklärt: Sie ist Geisel, ba gibt« nicht? z« reden. Dann hat der Zeuge beobachtet, daß abends eine geheime Vollzugs- ratßffdnng im Gymnafium stattfand. Interessant ist dann die Be- kundung des Zeugen, daß er abends in der Kanzlei gesehen hat. wie Haußmann und Seidl sich eine» Haufco Banknoten teilten, und daß außerdem noch etwa 3022 M. Silbergeld vom Polt. zeipräffdium kamen, die Haußinann an sich genommen habg. Bei der Teilung fiel eine ganze Menge Geld zu Blsden, von dem jeder der Anwesenden, auch et. der Zeuge, sich etwaZ genommen bade. Rechtsanwalt Liebknecht erhebt sich nunmehr und stellt einen langen BewelSantrog gegen den Baron Moser. Der Anwalt will beweisen, daß zum mindesten einige Mitglieder der Thule-Gescllschaft ursprünglich nicht al» Geiseln, sondern wegen lonterevolutronärer Umtriebe verbastet war- den seien. Diese Mitglieder hätten sich der Anwerbung von Weiß- gardiften, der Spionage usw. schuldig gemacht und dabei Ausweise mit gestohlenen oder gefälschten Stempeln der Räterepublik benutzt. Der Verteidiger beschuldigt den Baron v. Moser sowie Oberleut- nant Truth, daß beide zusammen an einem Warendieb- stahl beteiligt seien. Moser sei ferner verdächtig, daß er identisch mit ernem Monsignore Moser, der 1212 in einen großen Ordensskandal im Rheinland verwickelt gewesen sei. daß er sich den päpstlichen Adelstitel erkauft habe. Er bab« in Berlin , Aschaffenburg und München Schiebungen mit HeercZgut gemacht. Dr. Liebknecht behauptet sogar, daß Baron Moser mit dem Berliner Kaufmann Artur Moser identisch sei, der bekanntlich zu Beginn der Revolution zwei Spiel- flubS ausgeraubt hat Der Verteiviger schließt damit, vaß Baron v. Moser in Wirklichkeit«in gewisser Mose»«der Rot- s ch i l d t sei(große Heiterkeit), der die Mitglieder de? Germanen» Orden» und die Tchule-Gesellschaft an'der Ras« herumgeführt habe. Erneute Heiterkeit ruft Rechtsanwalt Liebknecht dann mit der Be»
merkung hervor, daß sich ein Zeuge dafür angeboten habe, den Be» weis zu erbringen, daß in den Listen der Thule-Gesellfchaft auch der Name eines O b« r l a n de» g er i ch t s ra t S Pau l(der Name de» Vorsitzenden) steht. Vors.: OberlandeSgerichtSritt Paul? Ja. was ist denn da»? Ich kenne die Thule-Gesellschaft doch auch erst seit dieser Verhandlung und habe keine Beziehungen zu ihr. Genügt Ihnen daS, Herr Doktor, oder sollen wir den Zeugen laden? Ich könnt« auch Herrn Rechtsanwalt Dahn dafür nennen, daß ich der Thule-Gesellschaft ganz fern stehe. Dr. Lieb- knecht: Unter diesen Umständen verzichte ich natürlich. DaS' Ge» richt zieht sich dann zur Beratung zurück und verkündet die Ab- lehnung aller dieser Beweisanträge, da die Glaubwürdigkeit der Zeugen Baron Moser, Truth und Genossen nicht bczweiielt werde., Einer der letzten Zeugen ist dann ein gewisser Heiter» meyer, der am 22. April zur Aufnahme eine» steno - graphischen Protokolls in den Phhsiksaal de» Gymnasiums bestellt war. Er traf dort Strobel, Levien, Levinc» Nissen und Eglhofer, vermag zn bekunden, daß über die Ausgabe eines Plakats und di« Schaffung einer neuen Dienstordnung sowie übe? Befehle auf verschärfte» Belagerungszustand verhandelt wurde. In der Sitzung erfolgte Geheimabstimmung über die Geiseln. Levien hatte einen Zettel in der Hand, auf dem zw« Namen standen, der des Prinzen Thurn und Taxi» und der Gr 5» fin Westarp. Levien erklärte: Wir müssen unter allen Umständen einen Rückhalt haben. Da« sind die Geiseln. Der Zeuge fährt dann fort: Levien und Levin� gaben so ziemlich ihr« Zustimmung. Vors.: Wozu denn? Zeuge: Ich nahm an, zu den Erschießungen. Sie sagten auch: Wem» die Sache schief geht, müsse» ein paar Geiseln daran glaub«. Don den Geiseln kämen die beiden, dip auf dem Zettel ständen, in erster Linie in Betracht Dieser Zettel ist sämtlichen Vollzugs- ratmitgliedern bekannt geworden. Vorher hatte ihn Egl- hofer unterstempelt. Levien schrieb an den Zettel: Zur Wei» terreichung an Haußmann. Haußmann erklärt«, seine Mannschaften seien nicht verläßlich, die Sache könn« schief geh:n.(Große Bewegung im Saal.) Der Zeuge belastet dann noch einen gewissen Steiner, der mitgeschossen hätte. Steiner wird aus der Untersuchungshaft vorgeführt, leugnet jedoch seine Mittäterschaft Darauf wiederholt Rechtsanwalt Liebknecht nochmal» an Hand neuer Mitteilungen au» Berlin seinen Antrag auf Fest« stellung der Herkunft des Zeugen Baron Moser, Er bleibt dabei, daß der Berliner und der Münchener Mos«? ei« und dieselbe Pe?son seien und nennt Baron d. Moser einen Hochstaple?«nd Betrüger, was der Vorsitzende energisch als ein: Beleidigung de? Zeugen zu- rückweist. Von Baron v. Schottendorf, dem Vorsitzenden der Thüle- Gesellschast, behauptet Liebknecht, daß dieser bis zum Kriege in Konstantinopel unter falschem Namen gelebt habe, und daß er die St:mpel in den Räumen der Thule-Gesellschaft gefälscht habe, um Offizieren, die zur Weißen Garde aus München bermtSwllllten, gefälschte Ausweispapier« mitgeben �zn können. Staatsanwalt Hoffmann erklärt, daß diese'?kn- träge offensichtlich d i e V e r h a n d l u n g e n von dem The m a abbringen sollen und daß«S sich hiee allein um dto"®r» schießung von 10 unschuldigen Gesseln'bandle. Er lehne es ab, den Verteidiger« auf daS politische Gebiet zu folgest. (Zustimmung im Zuhörerraum.)•"• Rechtsanwalt G out« r: Die Leute im Publikum lache« immer, wenn wir von gefälschten Stempeln sprechen. Wir hgbe» doch aber Originalabdrücke derselben in de? Hand. Und wenn ich solche Stempel in meinem Bureau hätte, könnte ich mich vor keinem Staatsanwalt dahin ausreden, daß ich hierfür nicht verantwortlich sei. Wir verlangen diese Feststellungen über die Zeugen also nicht nur im Interesse der Angeklagten, sondern auch der Allgemeinheit, und nickt zuletzt im Interesse der Thüle- Gesellschaft selbst— Rechtsanwalt Liebknecht : Da, Organ der Thule-Gescllfchaft bat ja selbst zugegeben, daß Personen mit gefälschten Papieren an die weiße Front hinausge schmuggelt worden sind. Das Gericht lehnt jedoch die BcweiScmträge als u n« r- h e b l i ch ab, und zwar, weil sich aus dem Lauf der VerHand- lungen bereits die Glaubwürdigkeit der Zeugen ergebe« habe. Der Vorsitzende teilt zum Schluß noch mit, daß da» Gericht nur zwei Mordhandlungen annehmen könn:, und zwar einmal an den beiden Husaren, das andere Mal bei der Erschießung der anderen Gei- sein. Bis jetzt war jedem der Angeklagten die.Töt»tng jeder ein- zelncn Geisel zur Last gelegt. Damit ist die Beweisaufnahme geschlo ffen.
Das Ninöestöritte! öer Invaliden- Versicherung. * Uns wird geschrieben: Da eine Reform der ReichSversichentngz. Ordnung angekündigt ist, möchten wir das Augenmerk der Gesetz- geber auf einen unhaltbaren Zustand in der Invaliden- und Hin- terbliebenenversicherung lenken: Die Berechnung de» Mindest- drittel». Die Invaliden- und Hinterbliebenenversicherung beruht auf dem Grundsatz von Leistung und Gegenleistung mit der Maßgabe, daß aus Reichsmitteln zu de» Rente« fortlaufende Zuschüsse zu zahlen sind. Um da» richtige Verhältnis zwischen den Beträgen auf der einen Seite und den Rentenzahlungen auf per anderen aufrechtzu» erhalten, ist im Gesetz eine Grenze bestimmt, die bei Prüfung der Rentenanträge eingeholten werden muß und die maßgebend ist bei der Entscheidung der Frag«, ob ein« Jnvali'oeu- oder Witwenrente gewährt oder wieder entzogen werden darf. Für die Invalidenversicherung gibt Z 1855 Abs. 2 R.V.O. die Richtschnur: „Al» invalide gilt, wer nicht mehr imstande ist. durch ein« Tätigkeit, die seinen Kräften und Fähigkeiten entspricht und ihm unter billiger. Berücksichtigung seiner Ausbildung und seines bis» herigen Berufes zugemutet werden kann, ein Drittel dessen zu erwerben, was körperlich und geistig gesunde Personen derselben Art mit ähnlichen Ausbildungen in derselben Gegend durch Ar» best zu verdienen pflegen." Für die Witwenrente bestimmt 9 1258 Abs. 2 R.V.O. in gleicher Weise die Grenzen mit der Einschränkung, daß bei Fest- stellung der Erwerbs'uöglichkeit auf die bisherige Lebensstellung billig Rücksicht zu nehmen ist. Um nun zu einer richtigen Anwendung de» 9 1255 Abf. 2 R.B.O. zu gelangen, ist es doch wohl notwenvig, daß die zuständi- gen Stellen— und in erster Linie meine ich hier die Versicherung». amter — jeden Fall in seiner Eigenart prüfen und sich nicht allein auf den Arzt zu verlassen. Denn dieser kann doch nur die geisti- aew und körpersichen Kräfte beurteilen, während die Frage, ob Invalidität vorliegt oder nicht, von der Versicherungsanstalt und den Versicherungsbehörde« selbständig beantwortet werde» muß.
Folgende Richtschnur müßte(nicht könnt«) dabei eingehalten werden: 1. Zu welcher BerufSgruppe der Rentenbewerber gehörte, als er noch voll arbeitsfähig war und Versicherungsbeiträge steuerte; 2. wie hoch der Durchschnittslohn in der betreffenden Berufs- gruppe und in der fraglichen Gegend zu stehen pflegt; 8. ob der Rentenbewerber nach seinen geistigen«nd körper- liehen Kräften— auf» Jabr gerechnet— durch angemessen« er- reichbare'Arbeit noch wenigstens ein Drittel des unter 2 erwähnten Lohne» vorauSstchilich verdienen kann. Zu den Punkten 1 und 2 wäre alsdann noch zu sagen, daß e» auf die letzte Arbeitsstelle ebensowenig ankommen'darf wie auf den letzten Loh». Meiner Ansicht nach wäre es am besten und ge- rechtesten, von der Arbeit und dem Lohne auszugehen, die gesunde Arbeiter in dem fraglichen Beruft erreichten und verdienen. Unerheblich müßte als» sein, ob der Rentenbewerber selbst mal aus- nahmSweift viel oder(etwa Ivegen körperlicher Gebrechen) wenig verdient hat. Da« Arbeitseinkommen gesunder, gleichartiger Arbeiter in der betreffenden Gegend muß maßgebend sein. Jetzt und während deS Kriege» ist und war e« befander» wichtig, ob bei der Rentenbewilligung oder Rentenentziehung das Arbeitseinkommen in Friedenszeit zugrunde gelegt werden muß. denn e» ergibt sich ein vollständig verändertes Bilo: wenn z. B. im Bergbau ein Kohlenhauer vor dem Kriege ein jährliches Per- dienst oder Einkommen von 2100 M. hatte, während des Krieges aber 2200 M. verdiente, so ist daS Mindestdrittel von 700 M. auf 1200 M. gestiegen. Nun ist aber eine Person, dft 700 M. vep- dienen kann, noch lange nicht in der Lage, durch angemessene Ar- best auch 1200 M. zu verdienen. Nun ist aber, besonder? bei Rentenentziehung während der KriegSzeit, da» Mindestdrittel auf Grund des Friedenseinkommens gesucht worden und dies« Praxis wird weiter gepflegt. Bei ruhiger fachlicher Ueberlegung kann eS keinem Zweiftl unterliegen, daß der Gesetzgeber die gegenwärtigen yerhAtniffe zugrunde gel-gt wisse» wollte. S» wäre also ftstzustellen. ob der Bewerber noch oder wieder ein Drittel de» Durchschnittslohnes gleichartiger Versicherte« Vi verdienen vermag. Auf dft Feststellung deS Mindestdritftlp müßten die Arbeitervcrtreter bei den VersicherungS- und Oberver- sicherimgsämtern ilft besonderes Augenmerk richten. Besser wäre «« allerding», der 9 1855 SUtQ. bekäme eine Fassung, welche dch»