Nr.564.36.Jahrg.
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Horwärts
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Dienstag, den 4. November 1919.
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Am Springquell der Revolution.
Zum Jahrestag der Kieler Matrosenerhebung.
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„ Plötzlich hieß es, der Flottenchef will in der deutschen Bucht| Kiels zu beschießen. Soldatenräte werden geFlottenmanöver machen. Auf den plumpen Blödsinn fiel natürlich wählt, die bei dem Gouverneur zu Verhandlungen erEs ist immer wieder bewundert oder beklagt worden, feiner hinein. Man bebente aber auch diesen Unsinn, jetzt mitter. scheinen. Der Soldatenrat hat seine Forderungen in vie schnell und unblutig, gewissermaßen selbstverständlich, sich in der Krisis ein großes Flottenmanöver abzuhalten!" 14 Punkten formuliert, in denen, unsystematisch und naiv, die deutsche Revolution im Vergleich zu anderen großen poli- Mitten der Krisis! Die Meuterei der politisce und militärische Wünsche in buntem Durcheinander tischen Umwälzungen der Geschichte vollzogen hat. Während Flotte ist nur zu verstehen auf dem Hintergrunde stehen. deshalb die einen verächtlich von dem„ Revolutiönchen" sprechen, der Ereignisse. die fich damals in Bis zum 4. November war die Matrosenbewegung noch dem die eigentliche große Revolution mit dem schlangen Deutschland abspielten. Die Marinemannschaften ohne Zusammenhang mit den sozialistischen haarigen Medusenhaupt erst folgen müsse, glauben die anderen, standen mit ihrem Herzen bei der neuen Volksregierung. Parteien. Diesen war plötzlich und ohne ihr zudaß sich das kaiserliche Deutschland bei einigem festen Wider die allein den Frieden zu schließen imftande war. tun- die politische Macht in den Schoß gefallen. Die Obstand noch hätte retten lassen. Beide Standpunkte sind in Wenn es in Deutschland leider vor dem Friedensschluß zu männer und Vertrauensleute der Arbeiterschaft, zusammen dessen nichts als die Gegenpole derselben Beschränktheit. einer revolutionären Erhebung gekommen ist, so tragen die mit Bertretern beider sozialdemokratischen Parteien, beschließen Revolutionen lassen sich ebensowenig machen, wie fünstlich Schuld daran lediglich fene wahnwigigen II- am Montag einen allgemeinen Sympathieftreit und seßen aufhalten, wenn die Zeiten erfüllt sind. deutschen und Vaterlandsparteiler, die die einen rbeiterrat auf paritätischer GrundDer Weltkrieg war für uns angesichts der erbrückenden für den Friedensschluß notwendig gewordene demokratische Iage ein. leberlegenheit unserer Feinde nur durch politische Umgestaltung störten und die Maffen aufpeitschten, indem sie Vorläufig aber ist das revolutionäre Stel erst eine einMittel zu einem erträglichen Ende zu führen. Einen recht zur nuglofen Aufopferung weiterer Hekatomben hezten. In zelne Stadt am Nordrande des noch ruhigen Deutschlands . zeitigen Verständigungsfrieden zu schließen, fehlte der Militär- ihren Offizieren sahen die Matrofen Verbündete der All In der Mittagsstunde des 4. November schließen warme autokratie des faiserlichen Deutschlands die innere Kraft. deutschen und Feinde der Regierung, und deshalb bersagten Händedrücke den ersten Bund zwischen Arbeitern und Soldaten. Die Unfertigkeit unferer politischen Zustände ist uns zum sie ihnen den Gehorsam. Entscheidend wurde nicht dus, was Cine gemeinsame Deputation erscheint beim Gouverneur. Fluch geworden", bekannte Bethmann Hollweg vor von der Flottenleitung wirklich geplant war, sondern die Tat- Dieser gibt einen beruhigenden Funkspruch hinaus, in dem dem parlantentarischen Untersuchungsausschuß. sache, daß die Mannschaften die deutsche Kriegs- das Erscheinen von Regierungsvertretern angekündigt wird. leitung nach all den Ungeheuerlichkeiten des Die Gefangenen werden befreit und in einem Weltkrieges auch einer legten, ungeheuer bewaffneten Triumphzug. unter Vorantragen von roten lichsten Wahnsinnstat für fähig hielten fest Fahnen, durch die Stadt geführt. In den Straßen ein buntes an sie glaubten. Geivimmel roter Fahnen und Schleifen!
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Angesichts der Leistungen des deutschen Volkes im WeltKriege ist nichts frivoler als die Behauptung, daß es versagt habe. Das deutsche Volt hielt aus, bis der überspannte Bogen jäh zerbrach. Es mollte nicht mehr, weil es ein fach nicht mehr tonnte. Der Weltkrieg hat mit der Am Abend treffen der damalige Staatssekretär Haußgänglichen Auflösung, des alten Heeres, der vollständigen Er Schlaffung und seelischen Erkrankung des Volfes geendet, weil Der Chef des dritten Geschwaders, dem Haupt- mann und Nose in Stiel ein. Diefer, jubelnd begrüßt, dic Striegsleitung, blind für die realen Faktoren, mit denen herd der Meuterei, faßt den Entschlüß. zur Beruhigung steht plöglich und unerwartet im Mittelpunkt einer revolutiofie rechnen mußte, bis zum letzten Augenblic Phantomen seiner Mannschaften in den Kielet Safen einzulaufen. nären Bewegung. nachjagte. Die Verhandlungen werden in Gegenwart der RegierungsWerftarbeiterstadt! Gouvernement erkennt die Gefahr, warnt. Ihr Thema ist beilegen, schlichten. Nur Erst als die Niederlage nicht mehr zu verbergen war, Admiral Strafft glaubt schon fertig zu werden. 25 000 vertreter fortgesetzt. liez Ludendorff sehr forsch, aber politisch so töricht wie Blaujacken wimmeln herum in der elektrisch geladenen Luft Wenigen kommt die ganze Tragweite der Ereignisse zum Bewußtsein. Die Matrosen verschaffen sich die Gewißheit, daß immer die Führer der Reichstagsparteien durch Major der Marinestadt. von dem Bussche erklären:„ Die Oberste Heeresleitung ver- werde Gegen die Meuterer wird nach dem Gesetz vorgegangen. nichts zur Niederwerfung der Bewegung von Die letzte Kompagnie auslangt ein Waffenstillstandsangebot binnen 36 Stunden!" Das Wassenverhaftungen. Die Richtverhafteten aber wollen ihre außerhalb unternommen werde. war die katastrophe, denn jetzt mußten die Feinde Stameraden nicht für Handlungen leiden lassen, die nach ihrer wärtiger Infanterie wird, von bewaffneten Matrofen eskortiert, das Verlangen nach einem Verständigungsfrieden hohnlachend Meinung ihnen allen das Leben gerettet haben. Am Freitag. zum Abziehen veranlaßt. zurücweisen! den 1. November, verlammeln fich 200-300 Watrosen im
Deputationen werden von den
Weshalb fein Widerstand? War es PflichtNach unserem Waffenstillstandsangebot vom 5. Oftober Stieler Gewerkschaftshaus. ging ein erleichtertes Aufatmen durch das Volk. Stück um ist das Gewerkschaftshaus für Marineangehörige gesperrt. entsprang einer durchaus richtigen Beurteilung der Stommandanten abgewiesen. Sonnabend, den 2. November, vergessenheit. Schwäche? Mit nichten! Die Passivität Stüd bröckelte von der bisherigen Macht der verhängnisvollen Die Stimmung wird higiger, erregter. Die Matrosen kommen Gesamtlage. Militärautokratie ab, bis die Regierung des Prinzen Mar Die meuternden Matrofen wollten über
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am 26. Oktober die Kommandogewalt des Staisers beseitigte auf den Gedanken zu demonstrieren und suchen bereits dies nichts anderes, als die rechtmäßige Reichsam 26. Oktober die Kommandogewalt des Staisers beseitigte Fühlung mit der Arbeiterschaft. Ein Arbeiterführer, der zum regierung stügen, ihr dienen. Das erklärt ebenso - ein wesentliches Stück der deutschen Revolution. Sogleich aber fetzte, um die Friedensbemühungen der Warten rät, wird niedergeschrien. Am Sonntag, den 3. No- ihr Straftgefühl, wie die innere Unsicherheit derer, die erkannten demokratischen Regierung zu sabotieren, eine wilde Seße der bember, vormittags, weigert sich eine Stompagnie des See- oder fühlten: verloren! Alldeutschen gegen sie und zur Fortsetzung der„ nationalen bataillons, bis auf 18 Mann, gefangene Matrofen abzuführen. Als äußeres Zeichen des Umschwungs wehte am DiensVerteidigung ein. Das, nachdem Bulgarien und Desterreich Eine Sonntag, mittags, stattfindende Volksverfammmlung der tag, den 5. November, über der Flotte, dem seieler zusammengebrochen waren und die erschöpfte Westfront nur wenn aud) zusammengebrochen waren und die erschöpfte Westfront nur Mehrheitssozialdemokratie verläuft noch ohne Beziehungen zur Rathause und dem Schloß die rote Fahne. durch ständiges Zurückweichen den feindlichen Durchbruch auf die Vatrosen zur genieinsamen Demonstration am Nachmittag furzfichtig, so doch mutig. dem Ausziehen der Revolutionsdurch ständiges Zurückweichen den feindlichen Durchbruch auf- Weatrosenbewegung. Vor den Türen aber laden Handzettel Drei Offiziere des„ Stönig" widersetzten sich zuhalten vermochte! Eine besondere Hoffnung setzte die, alldeutsche Fronde 5. Uhr ein. flagge. Einer wurde erschossen, zwei schwer verwundet. Prinz auf die Marine, und bei einem großen Teil des Marine- 1914 die„ Göben" und" Breslau " nach Stambul führte. Am Gouverneur ist Admiral Souchon, der im August Heinrich aber entfloh im Auto mit roter Flagge! offiziertorps fiel ihre Agitation auf nur zu fruchtbaren Boden. 30. Oftober 1918 hat er sein Amt in Stiel angetreten. Um die sondern eine spontane Erhebung mit dem einzigen Ziel der Die Matrosenbewegung war nicht organisiert, Vor den Mannschaften wurden Reden geführt, daß man Matrosendemonstration zu vereiteln, läßt er Alarm schlagen, Abwehr und Befreiung. Deshalb geriet sie, nachdem lieber die ganze Flotte opfere, als sie dem der die Soldaten in die Kasernen und auf die Schiffe zwingen die alten Jeffeln gefprengt waren, eine neue. Ordnung aber Feinde überlassen wolle. Am 28. Ottober 1918 verhinderten die Heizer der Hoch soll. Aber die Trommelwirbel und Trompetenstöße in den fehlte, sofort in ein beillojes Durdieinander. feeflotte vor Wilhelmshaven dreimal das Auslaufen der Schiffe, fonntäglichen Straßen Stiels haben nur noch die Wirkung. Offiziere wurden verprügelt und beschimpft. Plünderungen indem sie die Feuer löschten. Auf einigen Schiffen wurden auf die Demonstration aufmerfiam zu machen. In der Wassen begannen. Da die Matrosen die inneren Gründe für die Widerbereits Difiziere gefangen gesezt, und nahezu wäre es auf der versammlung unter freiem Himmel steigt das Kraftgefühl der Jade zu einer Selbstvernichtung der deutschen Flotte durch Watrosen. Noch unbewaffnet beschließen sie schon, die Ge- standslosigkeit der alten Machthaber zum größten Teil nicht eigene Beschießung gefommen. Die Matrojen glaubten nicht, fangenen zu befreien. Ein gewaltiger Demonstrations - erkannten, glaubten sie nicht an einen so raschen Sieg und daß es sich, wie ihnen gesagt wurde, um ein Flottenmanöver aug bewegt sich durch Kiel . Es werden Hochrufe auf die befürchteten Rückschläge von außen. Die steberhafte Erregung handele, sondern waren fest davon überzeugt, daß ein Republik ausgebracht, Unteroffizierpatrouillen und Offiziere stieg. Insbesondere waren sie von einem grenzenlosen legter verzweifelter Borstoß gegen England entwaffnet und beschimpit. Am Eingang der Feldstraße, in Mitrauen gegen die Offiziere erfüllt. Als es geplant wäre. Sie erklärten fid) bereit, die Stüfte gegen der das Militärgefängnis liegt, stößt der Zug auf einen hieß, Diffiziere hätten aus Häusern geschossen, folgte eine einen feindlichen Angriff zu verteidigen, wollten aber ver- abspannenden Kordon unter Führung eines Leutnants: Eine Stundenlange wüste Smalleret in den Straßen Stiels ein. Die' hindern, daß furz vor dem Friedensschluß das Leben von blinde Salve, dann eine scharfe. 8 Tote, 29 Verwundete, Nervosität legte sich nicht, auch nachdem die Reichsregierung 80 000 Menschen nutzlos preisgegeben werden sollte. der kafernendiensttuende Leutnant wird niedergeschlagen, aber der die bündigsten Erklärungen abgegeben hatte, daß sie jedes Es kann heute als feftitend gelten, daß ein derartiger Bug fliebt auseinander. Erster und legter Kampf Blutvergießen vermeiden wollte und nicht daran dächte, gegen gewaltsamer Vorstoß nicht geplant war. Aber ebenso des alten Regimes! Der Vorstand der sozialdemo- die Matrosen mit Gewalt vorzugehen. Das Mißtrauen ficher ist auch, daß nicht nur die Mannschaften, sondern auch fratischen Partei und der Gouverneur bitten gleichzeitig und faß zu tief! Die Matrosenerhebung drohte sehr bald in völlige wesentliche Teile des Seeoffizierkorps daran glaubten, was unabhängig von einander telegraphisch um Vertreter der Reichsreg ierung Auflösung und Anardjie zu verfinfen und namenloses Unheil um so erflärlicher ist, als auch früher wichtige Aktionen selbst vor dem Schiffstommandanten bis zur letzten Minute geheim In der Nacht herrscht Ruhe, aber nur scheinbar. In den heraufzubeschwören. Deshalb war es für Stiel und das gegehalten worden waren. Bezeichend für die Mentalität der Stafernen wird nicht geschlafen. Spontan jetzt sich bei den famte Deutschland ein besonderer Glücksunnstand, daß an meuternden Matrosen ist, was ein Obermatrose schrieb: Matrosen, die vor einer dünnen Stette Chargierter hätten zu die Spitze der Bewegung ein Mann gelangte, dessen hervor„ Der Reichstanaler steht im Notenwechsel mit Bilson und wir rückweichen müssen, der Entschluß durch: bewaffnen! ragenden Führereigenschaften es gelang, die Schwierigteiten beginnen eine Seeoffenfive, das bedeutet sofortigen Abbruch aller Am Vormittag des 4. November haben sie nach einigen einer Neuordnung in kürzester Zeit zu überwinden. durch die Noten geschaffenen Beziehungen, und der Feind hat einen Zwischenfällen 20,000 Gewehre in den Händen, die Mehrzahl Dadurch, daß Roste fich allen eraltierten Bestrebungen neuen Kriegsgrund." der Schiffsgeschütze besetzt und sind entschlossen, falls ihre entgegenstellte und unter Hinzuziehung der alten Offiziere und Forderungen, in der Hauptsache Freilassung der Gefangenen, Beamten mit fester Hand Ordnung schuf, ist es ihm am nicht erfüllt werden, den Bahnhof und das Offiziersviertel meisten zu danken, daß die Errungenschaften
Und in einem am 31. Oftober 1918 geschriebenen Brief eines Matrosen heißt es: