Nr.580.36.Jahrg.
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Mittwoch, den 12. November 1919.
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Helfferichs Vernehmung.
Im Armstuhl gegenüber dem Vorsitzenden der Unterfuchungskommission sigt heute der Vizefanzler a. D. Dr. Karl Selfferich. Einer, der zu schnell oben angekommen war und dann die Nutschfahrt abwärts mitmachen mußte, bis er ganz unten, bei den Deutschnationalen anfam.
Angst vor der deutschen Konkurrenz.
Nach der Köln . 3tg." erklärte auf der Jahresversammlung der Bereinigung amerikan.scher Ausfuhrfabrikanten der Chef der Untersuchungsabteilung der Nahrungsmittelbehörde Dr. Taylor, wenn
Man beschäftigt sich zunächst mit der Frage, ob die Frie. Die Alliierten darauf bestehen, daß Deutschland die höchstmögliche Man beschäftigt sich zunächst mit der Frage, ob die Frie- Kriegsentschädigung leisten folle, werden sie gleichzeitig Deutschland densaktion Wilsons weitergegangen wäre, wenn man die Order zum unbeschränkten U- Boot- Krieg zurüdgezogen und zu einer ber stärksten, vielleicht sogar der stärksten Handelsmacht der Wilsons Vermittlung angenommen hätte. Die Marine redet welt machen. Gerade damit begründete aber der Rebner feine sich bekanntlich darauf hinaus, daß die Zurücknahme des stoffe zu liefern, da sonst an Zahlung überhaupt nicht zn benken fei. Forderung, bem augenblicklich zahlungsunfähigen Deutschland RohU- Boot- Befehls Ende Januar nicht mehr mit sicherer Wirfung erfolgen konnte. Graf Bernstorff vertritt dagegen den Standpunkt, daß es genügt hätte, wenn Deutschland seinen guten Willen gezeigt hätte, den U- Boot- Krieg zu stoppen und Wilsons Vermittlung anzunehmen. Unfälle, die durch verspätetes Eintreffen des Zurücknahmebefehls eingetreten wären, würden die diplomatische Aftion nicht geschädigt haben.
Herr v. Bethmann soll sich nun noch über den Stand der Friedensfrage im Osten in der fritischen Zeit und über die polnische Frage äußern. Er kann das aber nicht, ohne mit Jagom geiprochen zu haben, der unter Verkehrssperre in Münster figt; die Sache wird auf 14 Tage vertagt, und man wendet sich wieder zu Helfferich.
Belgische Rache.
Der Amfierdamer Telegraaf" meldet aus Brüffel, daß ber Kaffationshof die von dem zum Tode verurteilten Attivisten Borms beantragte Richtigkeitserklärung abgelehnt hat.
Borfizeiber Warmuth: Wir können nicht anders berfahren, als daß wir nacheinander die verschiedenen Fragen erschöpfen. Darauf wird in die Vernehmung des ehemaligen Vizefanzlers elfferich eingetreten.
Zunächst werden vom Vorfizenben und dem Berichterstatter tenstücke und Teile einer Rede des Beugen verlesen, die dieser hat, um die Bedenten des damaligen Abgeordneten Dr. David am 31. Januar 1917 im Hauptausschuß des Reichstages gehalten hinsichtlich des Gintretens in ben unbeschränkten U- Boot- Krieges gehalten hat, zu zerstreuen. In dieser Nede habe Dr. Selfferich den Standpunkt vertreten, daß jetzt
der geeignete Moment
zum Beginn des unbeschränkten U- Boot- Krieges gekommen sei. Dr. Helfferich: Der Vorsitzende hat zu Beginn dieser Ausschußberhandlungen hervorgehoben, daß es Aufgabe des Ausschusses sei, lediglich Tatsachen festzulegen. Hinter diesem Ausschuß steht aber der Staatsgerichtshof; es ist damit zu rechnen, daß über gewisse Persönlichkeiten auf Grund der hier unter dem Gide gemachten Aussagen später ein Verfahren anhängig gemacht wird. Welche Personen als Angeklagte in Frage kommen, darüber besteht nach den bisherigen Erfahrungen und nach der Tendenz der & ragen einzelner Mitglieder des Ausschusses tein Zweifel; ficher lich sind es nicht Mitglieder der gegenwärtigen Regierung, sondern Mitglieder der früheren faiserlichen Regierung. Diese find also gewissermaßen in der Lage, später als Beschuldigte zu erscheinen auf Grund eines Ermittlungsverfahrens, in dem sie jeh gegen sich selbst unter Eid vernommen werden. Troßdem habe ich den Gid geleistet und werde auf Grund dieses Gides die reine Wahrheit sagen. Ich habe diesen Gid um so leichter leisten können. als ich nach meiner Ueberzeugung nicht in die Lage kommen werde, irgend etwas Belastendes zu bekunden. Borsitzender: Vom juristischen Standpunkt aus hat unsere durch die Verfassung gebunden. Es handelt sich darum, ausschließlich die objektive Wahrheit hier festzustellen und das Bild bom Bergangenen zu rekonstruieren. Die Bemerkung, daß die Fragestellung eine bestimmte Tendenz, eine subjektive Färbung habe, muß ich zurüdweisen. Jedes einzelne Mitglied des Unterausschusses ist nur bestrebt, zu einer objektiven Darftellung der Dinge zu gelangen. Daran ändert auch nichts, wenn eine fubjettive Seite aus seiner Fragestellung mitzuschwingen aus der politischen Richtung des einen oder anderen Mitgliedes Eine scheint.
Jm galizifchen Erbölrevier nehmen die Hungerdemonstra. tionen ihren Fortgang. Die Demonftranten verlangen sofortige Buteilung von Zuder, Mehl und Kohlen und drohen sonst mit Streit. In Gent och a u herrscht Mehl- und Getreidemangel. Brotmangel macht sich auch bereits in Warschau und Loba bemerkbar. Im In der Sizung des Hauptausschusses vom 30. Januar reise Biala herrscht schreckliche Not. Weber Mehl noch Kartoffeln 1917 batte Genosse David eine Rede gehalten, in der er den find seit einem Monat vorhanden. In 3yrardow bi Lods fand Beschluß zum U- Boot- Krieg als berhängnisvoll friti- eine Bersammlung statt, in welcher zwei sozialistische Abgeordnete fierte. Herr Helfferich antwortete damals im Namen der Re- sprachen. Die Bersammlung war von mehreren tausend Personen gierung mit einer glänzenden Verteidigung des besucht. Zum Schluß wurde eine Resolution angenommen, die gegen U- Boot- Krieges, die mindestens ebenso schön war wie alle bas Verfagen der Regierung protestiert und Inbetriebseßung berage hier gewiß etwas normales an sich, wir sind aber Denkschriften, die er zuvor und zwar bis zum letzten Industrie fordert. Augenblick vor der Entscheidung gegen den U- BootKrieg verfaßt hatte. Herr Helfferich befindet sich also in einer recht ungemütlichen Situation, die er sich zunächst durch eine Rechtsverwahrung wegen seiner Bereidigung zu erleichtern bersucht. Aehnlich wie Bethmann macht er auf die rechtliche Anomalie" aufmerksam, daß er beeidete Aussagen machen foll, auf Grund derer er später angeklagt werden kann. Darüber gibt es eine juristische Debatte.
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Einem Pariser Bericht des Hamburger Fremdenblatts" zu folge find weite Straßenzüge militärisch abgesperrt, weil die streifenden Warenhausangestellten Ausschreitungen begangen hätten. Der Eisenbahnerstreit am 7. November wurde nur teilweise durchgeführt. Der Wahlkampf nimmt einen stürmischen Verlauf. sozialistische Boltelegion" sprenge gegnerische Versammlungen, ins
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Abg. Sinzheimer( Soz.): Ihnen ist das Recht wohl bekannt, warten könnten, daß sie Ihnen zu einem rechtlichen Nachteil gereichen könnten. Mir ist nicht bekannt, daß der Unterausschuß Fragen gestellt hätte, die sich von dem vom Zeugen erwähnten Gefichtspunkte hätten leiten laffen.
Dann beginnt Helfferich seine Verteidigung mit einer besondere laffe sie den Chefredakteur der erznationalistischen„ Action über die Dinge nichts auszusagen, von denen Sie eventuell eraufgeregten Bolemik gegen diejenigen, die den U- Boot- Krieg Francaise", Léon Daudet , nicht sprechen.( Wahrscheinlich hat als ein Vabanque- Spiel bezeichnen und rühmt die Ge- er durch seine Kampfesweise Anlaß dazu gegeben!) Bürgerliche wissenhaftigkeit sämtlicher Beschlüsse, die uns in die Nieder- reise werfen der Regierung mangelnde Energie gegen den sozias lage geführt haben. Er seht dann auseinander, warum er ein liftischen Terror bor , den sie für den Wahltag befürchten. Gegner der Wilson- Bermittlung war, und schildert Amerikas unfreundliche Haltung Deutschland gegenüber seit Kriegs- folche Zufälligkeiten hinweggefehen. Es handelt sich auch nicht vor ihm gefühnt werden sollen und worin die Sühne bestehen wird. beg'nn. um folche Zufälligkeiten, sondern darum, daß
am 1. Februar die Politik bewußt geändert
Selfferich spricht nach seiner Art und in kurzen, abgehackten Sägen, wobei man immer das Gefühl hat, daß es in den wurde. Gine Zufälligkeit konnte man entschuldigen, und man nächsten fünf Minuten zum Arach kommt. Wenn er gegen hätte dafür auch bei Wilfon Verständnis gefunden. Wenn man jemanden spricht, sei es Amerika oder sei es das Zentrum oder den Präsidenten unterrichtet hätte, daß das Friedensangebot zu sonst wer, so tut er das in einem Ton, als ob er feinen Gegner spät gekommen sei, daß man aber das Möglichste tun würde, um ganz von obenher abftrafen wollte. Er zappelt manchmal vor die U- Boote wieder zurüdzurufen, glaubt Graf Bernstorff, Erregung und schlägt mit der Faust auf den Tisch. Diejenigen, daß Wilson trotzdem die Beziehungen brüst abgebrochen hätte. die einst zum U- Boot- Krieg brängten und jetzt die Kritiker beat beabsichtigten 11- Boot- Strieg. Wenn wir ihr mitgeteilt Graf Bernstorff. Die amerikanische Regierung wußte nichts spielen wollen, zeiht er der Heuchelei. Die alte Liebe für hätten, daß wir beabsichtigen, die Friedensvermittlung anzuneh Erzberger kommt damit wieder zum Ausbruch. Nach dieser Entladung gerät Helfferichs Rede wieder in aufzuschieben, bann wäre nach meiner Ueberzeugung die men und den U- Boot- Krieg, den wir zwar beabsichtigten, deshalb ruhigeren Fluß. Sie schildert die bekannten Ereigniffe, die Friebensvermittlung weitergegangen. man auch schon in seinem Buch beschrieben findet.
Der Sitzungsbericht.
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Prof. Bonn : Wenn nun aber ein Unglüd geschehen wäre? Graf Bernstorff: Wenn wir gefagt hätten, daß ein solcher Fall eintreten tönnte, weil nicht alle U- Boote benachrichtigt wer. den könnten, so wäre troßdem
worden.
bie Friebensvermittlung nicht gestört
Der Vorsitzende richtet darauf an Herrn v. Beth. mann Hollweg die Frage, ob man bei Erlaß der polni. schen Protlamation den ungünstigen Eindruck in Rech nung gestellt habe, den diese Proklamation auf Rußland machen mußte. Rußland hat als erster Staat auf unsere Friedensattion die schärfte Gegenantwort erteilt.
Vorf. Abg. Warmuth eröffnet die Eibung um 10% Uhr und richtet zunächst noch einige Fragen an Herrn v. Bethmann Sollweg. Vorj. Warmuth: Bon wem und in welcher Richtung ist Guer Grzellenz über die Rückrufmöglichkeit des unbeschränkten U- BootStrieges orientiert worden? v. Bethmann Hollweg : Schon vor dem 29. Januar hat v. Bethmann Hollweg erklärt sich außerstande, dieses Problem Solhendorff mir und den Staatssekretären Helfferich und in einer Zwischenfrage zu erörtern. Zimmermann wiederholt und bestimmt erklärt, ber 11- Boot- Krieg
töune
jett nicht mehr rüdgängig gemacht werden, da die U- Boote draußen wären und ein guter Teil von ihnen nicht mehr zurüdgerufen werden könnte.
Vors. Warmuth: Es lag also ein positives Nichtkönnen vor. Konteradmiral b. Bülow stellt fest, daß eine Frist für die Rudberufung der U- Boote überhaupt nicht vorhanden war.
Prof. Bonn ; Die Sache lag doch politisch ganz anders. Solange wir die U- Boote fahren ließen, bestand doch die Möglichkeit, baz ein Amerikaner zu Schaden kam. Das fonnte doch während ber ganzen riebensaltion geschehen. Wilfon hat über
Abg. Dr. Einzheimer: Es kann die Anschauung bestehen, daß die zornige Antwort Ruglands auf das Friedensangebot die Gr wiberung auf diese Broklamation, die auf russischem Boden erfolgte, gewesen ist.
b. Bethmann Hollweg erklärt wieberholt, daß er auf diese ren Staatssekretär v. Jagom besprechen. Fragen jest nicht eingehen fönne, er müsse sich auch mit dem frühe
Borfibender Warmuth erklärt, daß Herr v. Jagow gelaben werden solle und daß die Otprobleme bann vielleicht in zwet Wochen verhandelt werden könnten.
Professor Dietrich Schäfer : Als Sachverständiger muß ich er. flären, daß ich dieses Verfahren, die Dinge auseinanderzureißen, nicht für richtig halte.
Vors. Warmuth: Was den Staatsgerichtshof anlangt, so wissen wir noch nicht, wie er sich gestalten wird, welche Delitte Die Sache fchivebt noch vollkommen in der Luft.
Abg. Dr. Cohn( U. Soz.): Ich verspreche mir nichts von wir aber nur, zu einer völligen Klärung der Tatsachen zu gelangen. Ich habe meinerseits hier keinerlei Tendenz, es sei denn, dem der Auskunftspersonen die Tatsachen mitzuteilen, an deren Verdeutschen Bolte und der gesamten Oeffentlichfeit durch Aussagen hüllung und Berheimlichung die Mitglieder der alten Regierung in höchstem Maße beteiligt find.
irgendwelchem Verfahren vor dem Staatsgerichtshof. Hier versuchen
Geheimrat Schäfer: Die Ansicht, daß in ausländischen Unterfuchungsausschüssen immer nur die lautere und objektive Wahrheit festgestellt worden ist, trifft nicht zu.
Abg Dr. Sinzheimer: Dies habe ich nicht behauptet, ich habe nur gejagt, daß aus Enquetetommissionen anderer Länder mir nicht bekannt ist, daß ausländische Staatsmänner und Heerführer jemals einen Einwand erhoben haben, der dem von Grzellena Helfferich geäußerten entspricht. ( Schluß in der Morgenausgabe.)
Neuregelung der Reichstagswahlen.
Wie der Berliner Korrespondent der„ Köln . 8tg." erfährt, besteht im Reichs ministerium des Innern die Absicht, das Reichstagswahlrecht insofern auf neue Grundlagen zu stellen, als eine wesentliche Ver werden soll. Im Zusammenhang damit trägt man fich mit fleinerung der bisherigen Wahlbezirke vorgenommen dem Gedanken, den Grundfaß aufzustellen, daß jeder Kandidat, der in einem Wahlkreis mindestens 60( 00 Stimman auf fich bereinigt, als gewählt zu gelten hat. Dagegen sollen die Stimmen derjenigen Kandidaten, die hinter dieser Zahl zurüdbleiben, für die verschiedenen Parteien für das ganze Gebiet des Reich es zusammengestellt werden, und an der Hand ihrer Bergleichung weitere Abgeordnete als gewählt gelten. Man würde also zu Abgeordneten gelangen, die aus örtlichen Wahlkreisen hervorgehen und zu anderen, deren Stimmenzahl fich aus mehreren Wahlkreisen zusammenrechnet.