Nr.645.36.Jahrg.
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Vorwärts
Berliner Volksblatt
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Zentralorgan der fozialdemokratischen Partei Deutfchlands
Redaktion und Expedition: SW. 68, Lindenstr. 3. erniprecher: Amt Mortsvlag, Nr. 15190-15197.
Verlegenheiten und Geständnisse.
Wilhelm Dittmann , ehemaliger Volksbeauftragter und gegenwärtiger Parteisekretär der U. S. P. D. hat in einem Artikel der Freiheit" die Angaben bestritten, die wir über die Tätigkeit der Unabhängigen in der Regierung gemacht haben. Er hat seiner Erwiderung den sie zutreffend charakteri fierenden Titel gegeben: Der Kampf gegen die Wahrheit". Wir hatten geschrieben:
Die erste Handlung der Unabhängigen in der Regierung ist bekanntlich gewesen, daß sie zu Hindenburg gingen. Sie telegraphierten an Hindenburg , er möge mit seinen bewährten Offizieren das Frontheer geordnet in die Heimat zurückführen. Nicht an die Soldatenräte, jondern an die Generale und Offiziere haben sich die U.- S.- P.- Volksbeauftragten mit diesem schwierigen Auftrag gewandt."
Dittmann erklärt diese Behauptung für eine ,, freche Lüge"; jedes Wort sei eine unwahrheit. Das Telegramm an Hindenburg lautet:
An Generalfeldmarschall v. Hindenburg . Wir bitten für das gesamte Feldheer anzuordnen, daß die militärische Disziplin, Ruhe und straffe Ordnung im Heer unter allen Umständen aufrechtzuerhalten find, dah daher den Befehlen der militärischen Borgesetzten bis zur erfolgten Entlassung unbedingt zu gehorchen ist und daß eine Entlassung von Heeresangehörigen aus dem Heere nur auf Befehl der militärischen Borgesezten zu erfolgen hat. Die Vorgesezten haben Waffen und Rangabzeichen beizubehalten. Wo sich Soldatenräte oder Vertrauensräte gebildet haben, haben sie die Offiziere in ihrer Tätigkeit zur Aufrechterhaltung von Zucht und Ordnung tüdhaltlos zu unterstützen.
Donnerstag, den 18. Dezember 1919. Vorwärts- Verlag G.m.b. H., SW. 68, Lindenstr. 3.
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Mittwoch vormittag erschien beim Staatskanzler Dr. Renner ein Beamter des Obersten Rates, um ihm eine von Clemenceaut unterfertigte
Note
Die Deutschösterreich vom Obersten Rat in Paris zuge-| insbesondere auch in der Tschechoslowakei fürchtet. Schon standene Hilfe wird von den Wiener Blättern als nicht jegt fühlt man den Raub der Slowakei und der Karpathen befriedigend angesehen. Die Mehrzahl der Zeitungen durch die Truppen des monarchistischen Admirals Horthy bestimmt darin überein, daß die Beschlüsse des Obersten Rates droht. Andererseits denkt er nicht daran, den Teil von wohl die dringendste Not des Landes für eine gewisse Deutsch- Westungarn , der in St. Germain Deutschösterreich zuZeit lindern könnten, eine durch greifende Lösung des gesprochen wurde, herauszugeben. Unter solchen Umständen Problems, Deutschösterreich wieder zur Arbeit zu verhelfen gewinnen die Verhandlungen zwischen Renner und dem und lebensfähig zu machen, sei aber nicht erfolgt. tschechischen Außenminister Benesch größere Bedeutung. Die Arbeiterzeitung" schreibt: Der französische Imperialismus betrachtet, Deutschlands Zerrissenheit als Frankreichs Intereffe. Darum sucht er Deutschösterreich selbständig zu erhalten als Konzentrationszentrum, um daß vielleicht einmal auch andere deutsche Länder zu einer Art zu überreichen. Der Beamte bemerkte hierzu, daß die in dieser von neuem Rheinbund vereinigt werden könnten. Ein Stüd Note wiedergegebenen Entschließungen spontan und aus eigener deutschen Landes, das, auf die Hilfe der Sieger angewiefen, Ueberzeugung gefaßt und schon vor dem Erscheinen des unter französischen Einfluß gebracht werden fannt, hat für eine Politik, die die staatliche Zerrissenheit des deutiden Boltes als eins ihrer letzten Ziele ansieht, hohen Wert. Die Zusagen Clemenceaus sind also ernst gemeint. Wir haben den Anschluß an Deutschland nicht durchgesezt, als Wilson noch im Rate der Alliierten saß, jetzt, da Amerika ausgeschieden ist, und die französisch- britische Allianz Europa regiert, ist der Anschluß natürlich erst recht nicht durchzusehen. Aus eigener Kraft zum Leben nicht fähig und von der Gemeinschaft des deutschen Volfes ferngehalten, fönnen wir nicht anderswo Hilfe suchen als bei der Entente. Sie entscheidet nun über uns. Kann eine Entente, die sich immer mehr in Frankreich konzentriert, den armen Deutschösterreich helfen?
Staatskanzlers beim Obersten Rat festgelegt seien. Der Wortlaut der Note ist folgender:
Herr Staatskanzler! Die Aufmerksamkeit der alliiecien und assoziierten Mächte wurde auf gewisse Agitationen gelentt, die von verschiedenen Seiten den Zusammenhaft und sogar die Integrität der österreichischen Gebiete bedrohten. Die von Vor= arlberger Landtage bei der Wiener Regierung unternommenen Schritte, um das Selbstbestimmungsrecht dieser Probing anerkennen zu lassen, fallen mit jenen Bewegungen zu= sammen, die sich dahin richten, sei es Salzburg , sei es Tirol in den Wirtschaftskreis benachbarter Staaten einzubeziehen, und mit der in den einstmaligen westlichen Komitaten Ungarns wachgerufenen Bewegung zur Veranstaltung einer Boltsabstimmung, die in dem diese Gegenden Desterreichs zusprechenden Vertrage nicht vorgesehen ist. Die alliierten und assoziierten Mächte sind der Ansicht, daß, wenn die trennenden Kräfte in irgendeinem dieser Bunkie zum Durchbruche gelangen sollten, eine solche Trennung das völlige Zerfallen des österreichischen Staates nach sich ziehen und das Gleichgewicht Mitteleuropas zerstören könnte.
gez. Ebert, Scheidemann , Dittmann, Landsberg , Barth ." Das Telegramm ging am 11. November an den Generalfeldmarschall. Es wurde sofort nach seiner Absendung in der ,, Roten Fahne"( Nr. 4) veröffentlicht und als ein schwerer Verstoß gegen die Revolution und die Soldatenräte bezeichnet. Gin Leitartikel des Temps" erwedt in Wien : die HoffDas unabhängige, Soldatenratsmitglied Stolt hat vor dem nung, man werde in Frankreich zu der Einsicht gelangen, Untersuchungsausschuß der Preußischen Landesversammlung daß Deutschösterreich nicht ohne die wirtschaftliche Gemeinschaft Der„ Corriere della Sera " ausgesagt, daß er und seine Kollegen seit diesem Telegramm mit Deutschland leben kann. Dittmann für einen Verräter des Prole- wünscht, daß Italien das langsame Schwinden des frantariats gehalten hätten. Trogdem erklärt Herr Ditt- 3ötschen Widerstandes gegen den Anschluß Deutschösterreichs mann: Die unabhängigen Volksbeauftragten haben nie an Deutschland dazu benugt, um im Verein mit Frankreich ger allein, aber er treibt sie stets aufs neue an, und da ein Telegramm an Hindenburg gerichtet. Was der Vor- gegen die auf eine Donauföderation hinzielenden dieses Deutschösterreich ebensowenig lebensfähig ist, wie es wärts" darüber schreibt, ist glatt erfunden". Es gehört englischen Bestrebungen aufzutreten. Das Mailänder ein Frankreich ohne Küste, ohne Kohlen- und mit ungenüschon immerhin einiger Mut dazu, so keď zu leugnen.der Wiederherstellung der Monarchie erwachsen, die man verstummen. Blatt sieht aus Ungarn die größte Gefahr genden Landwirtschaftsgebieten wäre, werden sie auch nicht
Wir hatten weiter geschrieben:
In der auswärtigen Politik waren es Haase und Rautsky, waren es die unabhängigen Volksbeauftragten, die dringend vor der. Wiederaufnahme des diplomatischen Verkehrs mit Sowjetrußland warnten, um die Entente nicht zu verstimmen.
Die Anschlußwünsche entstammen zwar nicht dem Hun
Deutschland Abstand zu nehmen. Angesichts der übermächsei, ist, wie das Beispiel Rosenfelds zeigt, falsch. Der tigen Stellung der Entente konnte und durfte er mehrheitssozialistische Justizminister Heine hat die Erlasse nicht die Berantwortung übernehmen, daß infolge der Einreise Rosenfelds gegen de Arbeiterräte nicht mitgezeichnet; sie der russischen Genossen die Friedensaussichten verwaren ihm auch nicht vorher vorgelegt worden. Wir hatten schlechtert würden." endlich geschrieben:
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Auch die Nationalversammlung und ihr Wahltermin ist ja von den unabhängigen Volksbeauftragten mitbeschlossen worden."
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Demgegenüber erklärt Dittmann : Wir unabhängigen Volksbeauftragten haben fortgesezt die Wiederaufnahme der Wegen dieser Haltung der Unabhängigen hat sie Radek Beziehungen mit Sowjetrußland gefordert. Da keine Ver- auf dem Gründungsparteitag der Kommunistischen Partei ständigung( mit den Rechtssozialisten) zu erzielen war, aufs Heftigste angegriffen. Die ,, Rote Fahne " hat ein halbes mußten wir uns zunächst damit abfinden, daß es bei den: Dugend Artikel darüber gebracht. Und nach genau einent Obwohl Dittmann auch dies für einen Schwindel" erwas war verblieb." Diese Darstellung Dittmanns ist un- Jahr besitzt Herr Dittmann den Mut, das alles für Umwahr. flärt, steht es fest, daß die Anberaumung der Wahlen zur richtig. Das Protokoll über die betreffende Sibung der heit, Lüge und Verleumdung zu erklären. Unsere Behaup- Nationalversammlung auf Mitte Februar von den Volksbeauftragten hat uns vorgelegen. Es handelt sich um fung wird aber auch unterstüßt durch das Zeugnis der Wolfsbeauftragten mit fünf Stimmen bei einer die Kabinettsjigung vom 19. November 1918, an der außer russischen Bolschewisten Regierung, die in Stimmenthaltung( Barth) beschlossen worden ist. Der den Volksbeauftragten noch teilnahmen Dr. David, einem Funtspruch)( Nr. 816 Moskau 716), gerichtet an Georg Rätetongreß hat dann die Wahlen nur um drei Wochen Kautsky und Geheimrat Nadolay. In dem Protokoll Ledebour und Oskar Cohn , folgendes ausführten: früher angesetzt. Den Beschluß der Volksbeauftragten, heißt es wörtlich: Ein Beispiel( dafür, daß ehemalige verdiente Sozialisten die Wahlen zur Nationalversammlung zu beschleunigen, jezt zu„ Selfershelfern der Weltreaktion herabgesunken" sind. hat auf dem Ersten Rätekongreß unter dem tobenden WiderRed.) ist ihr Parteigänger Sautsky, der im Auswärtigen spruch Richard Müllers, Ledebours und ihrer FreundeAmt die Politik des Zusammenschluffes mit dem Ententeimperia 3 ilhelm Dittmann begründet und vertei lismus, d. h. mit der Weltreaktion zweds Strangulierung der sigt. Und Sifferding hat gerade jetzt vor einem Jahre dent Rätefongreß erflärt, nur mit einer soziaistischen Mehrheit in der Nationalversammlung lasse sich die Ruhe und Stetigkeit des Staatslebens schaffen, die Die allein die Sozialisierung ermögliche. Erinnerungen mögen unangenehm sein, aber sie bleiben des halb doch Wahrheit.
1. Fortsehung der Besprechung über das Verhältnis Deutschlands zur Sowjetrepublik. Haase rät, dilatorisch( hinzögernd Red.) vorzugehen.... Kantsky schließt sich Haase au: Die Entscheidung müsse hinausgeschoben werden. Die Sowjetregierung würde sich nicht mehr lange halten, sondern n einigen Wochen erledigt sein.... Barth teilt mit, daß auch Liebknecht und Roja Luxemburg mit einer dilatorischen Behand lung einverstanden sind. Auch die linksstehenden Kreise müssen sich den una bänderlichen Tatsachen unterwerfen.
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russischen Revolution durchführte.
Wilhelm Dittmann , wie wird Ihnen zu Mute bei diesem Kronzeugnis der jegigen Moskauer Obrigkeit der u. S. P.? Wir schrieben ferner:
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,, An der alten Bureaukratie wurde nicht das Geringste geändert, solange die Unabhängigen mit in der Regierung faßen. Unzählig sind die Verordnungen, gerade der un abhängigen Volksbeauftragten, die den Arbeiter= räten die Einmischung in die Rechtspflege und andere Uebergriffe untersagten."
Nach dem vielen Leugnen endlich ein Geständnis. Dittmann gibt zu, daß Geyer und Jaffé verhindert haben, ,, daß durch Maßnahmen der Reichsregierung in die FinanzHoheit der Einzelstaaten eingegriffen wurde". Aber das
Der Standpunkt Haase- Kautsky- Barth wurde dann vom Kabinett ein mütig angenommen. Ferner ist zu verweisen auf die Kabinettssigung vom 9. Dezember 1918, die sich mit der Frage der Einreise der russischen Delegation befaßte. Bekanntlich hatte der Ber liner Vollzugsrat beschlossen, zum ersten Rätefongreß DeleDazit fagt Dittmann: die Frechheit dieser Behauptung gierte der russischen Sowjetrepublik einzuladen. Moskau jei kaum zu überbieten". Die angedeuteten Erlasse rühren feien Differenzen rein staatsrechtlicher Art gewesen. In der nahm die Einladung an und die Sowjetdelegation unter von dem unabhängigen Justiz minister Dr. Tat! Die sechs Volksbeauftragten wollten eine neue Führung Radek 3 reiste ab. Der Zentralrat Kowno hatte Rosenfeld her und sind bei der Beratung des Justizetat3 Seriegsgewinnsteuer schaffen, welche die durch den nun das Kabinett telegraphisch um Auskunft gebeten, wie in der Preußischen Landesversammlung von Genoffen Heil- Krieg bedeutend vermehrten Vermögen für die Reichskasse er sich zur Einreise der Delegation verhalten solle. Der Rat mann im Wortlaut verlesen worden. Schon früher beschlagnahmte. Dagegen haben Geyer und der Volksbeauftragten beschloß, gegen die Stimme von Barth, batten die sechs Volksbeauftragten ähnliche Erlasse gegen affé als unabhängige Partikulariften eraber mit den Stimmen von Haase und von Wilhelm Volksgerichte und Eingriffe der Arbeiterräte in die Verwal folgreichen Einspruch erhoben, und dadurch Dittmann folgende Antwort: tung erlassen und ihnen strikt befohlen, sich auf die Kon- haben die Kriegsgewinnler Beit befommen, ihr Vermögen Wir bitten, der ruffischen Delegation mitzuteilen, daß fie trolle der alten Beamten zu beschränken. So über die Grenze zu schaffen. Denn die Unabhängigen mit Rücksicht auf die Lage in Deutschland von ihrem Kommen lange die Unabhängigen in der Regierung faße., wollten einerseits die Nationalversammlung hinausziehen, Abstand nehmen möchte. Der Einlaß ist also nicht zu ge- wurde kein sozialdemokratischer Londrat, andererseits aber feine Besizsteuern ohne Natio. feinfozialdemokratischer Regierungspräfinalversammlung zulassen. Wadere Sadywalter der Die Freiheit" aber verteidigte in Nr. 47 vom 10. De dent, Fein sozialdemokratischer Oberpräii- Interessen des arbeitenden Volkes! zember diesen Beschluß mit folgenden Worten: dent ernannt. Lediglich im Auswärtigen Amt stocherten Und all das hat Wilhelin Dittmann vergessen. Vergessen? Der Rat der Volksbeauftragten hat nur unter dem die Unabhängigen ein wenig umher. Die Behauptung Der Untersuchungsausschuß der Preußischen Landesveriammäußersten Drud der Verhältnisse gehandelt, als er Dittmanns, daß keine einzige Berordnung gegen Uebergriffe lung wollte Wilhelm Dittmann gern fragen, wie es fommt, au die russischen Genossen appellierte, von der Einreise nach der Arbeiterräte allein von den Unabhängigen ausgegangen daß seine beschworene Aussage im Ledebour
statten.
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