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Nr.658.36.Jahrg.

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Sozialdemokrat Berlin  ".

Vorwärts

Berliner Volksblatt

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Zentralorgan der fozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Redaktion und Expedition: SW. 68, Lindenstr. 3. Fernivrecher: Amt Morisvlag, Nr. 15190-15197.

Ernste Weihnachten.

Vier Jahre lang feierte Europa   Weihnachten förperlich und geistig im Schüßengraben. Vor einem Jahr donnerten Unter den Linden   die Kanonen des Bürgerkriegs. Dies ist das erste Weihnachtsfest ohne Schlachten= Iärm, ohne Tote und Verwundete seit sechs Jahren.

Donnerstag, den 25. Dezember 1919.

TEXERRE HAURRAS

Vorwärts- Verlag G.m.b. H.  , SW. 68, Lindenstr. 3. Fernsprecher: Amt Moritzplatz  , Nr. 117 53-54.

Deutschland   muß unterzeichnen.

Bruchstücke der Ententenote in Berlin  .

Tonnen, gegebenenfalls auch noch weiter herabzusehen. Sie verlangen aber trotz der wiederholten Feststellungen der deut­Die Note des Obersten Rates, die Herrn von schen Sachverständigenkommission, daß den alliierten Mäch­Es ist wieder Frieden, aber es ist nicht wie einst. Eine Zersner gestern durch Herrn Dutasta überreicht wurde, ist ten in Deutschland   die Möglichkeit gegeben wird, sich an Ort Not lastet über den Massen, wie wir sie vor sechs Jahren Mittwochnachmittag in Berlin   eingetroffen, leider und Stelle durch eigene Delegierte unverzüglich ein Bild Not lastet über den Wassen, wie wir sie vor sechs Jahren infolge der seit Dienstag bestehenden Leitungsstörun über das in Deutschland   vorhandene Hafenmaterial zu nicht kannten, die sozialen Gegensäte haben sich verschärft. gen nicht in einheitlicher Form, sondern in einzelnen machen. Die Note ist in konziliantem Tou gehalten Die Kaufmannswelt berichtet von einem glänzenden Bruchstücken, so daß eine Veröffentlichung des genauen und gibt keine Frist für die Beantwortung an, ist also Weihnachtsgeschäft. Der neue Reichtum hat sich in Lurus- Wortlauts heute nicht mehr erfolgen kann. in keiner Weise als Ultimatum aufzufassen; sie schiebt täufen ausgetobt. Die alte und die neue Armut haben lezie Wie uns von zuständiger Seite betont wird, trägt die aber den Tag des Inkrafttretens des Frie­Spargroschen zum Ankauf notwendiger und nüßlicher Gegen- Note jedoch durchaus keinen ultimativen Charak- bensvertrages wiederum hinaus. stände verwendet, die ihr Seltenheitswert und der Glanz der ter. Sie besteht zwar auf der Unterzeichnung des In der Note wird noch erklärt, daß die in England inter­Weihnachtskerzen zu Festgeschenken verklären muß. Aber Protokolls. In dem von Herrn Dutasta mündlich zuge- nierten Besatzungen der zerstörten Kriegsschiffe von viele Fenster. bleiben dunkel, und private Verkaufsanzeigen, fügten Kommentar erklärt sich aber der Oberste Rat bereit, Scapa Flow   nach Einigung und unterzeichnung die sich im Anzeigenteil der Blätter häufen, erzählen von der in eine Nachprüfung über die Zahl des in des Protokolls in die Heimat zurück befördert werden. Evagif eines ins Proletariat versinkenden Mittelstandes. Deutschland   verfügbaren Hafenmaterials In bezug auf Amerika   nimmt die Note Kenntnis von Pelze und Spizen, feines Porzellan, Bilder wechseln den einzutreten. Da die hierfür ausersehenen alliierten   Sachver- den deutschen   Erklärungen, und zieht daraus die Folgerung, Besizer, und ist das Angebot reichlich, so fehlt es auch nicht ständigen sich bereits in Deutschland   befinden, reisen mit Ein- daß aus der vorläufigen Nichtbeteiligung der Vereinigten an Nachfrage. Soziale Umschichtung ist die unvermeidliche verständnis des Obersten Rats die deutschen   Schif- Staaten von keinem der vertragschließenden Teile das Recht Folge des Kriegs, erst recht eines verlorenenat fahrtsjachverständigen in diesen Tagen nach Ber  - hergeleitet werden könnte, Bestimmungen des Vertrages in lin zurück, um an Ort und Stelle mit der interalliierten Frage zu stellen. Kommission die erforderlichen Erhebungen anzustellen. Fier­aus geht hervor, daß die Kommentare, mit denen versuchi worden ist, aus Anlaß dieser Note von außen auf die öffent. liche Meinung Deutschlands   einzuwirken, tendenziös gefärbt waren. Weder Herr von Lersuer noch Herr von Simson werden vorerst nach Berlin   zurückkehren.

Verdienen schrieb man schon immer mit einem großen V, jezt schreibt man es mitunter sogar mit einem großen F. Der neue Reichtum ist unsympathischer als der alte, weil er ohne Kultur ist. Der typische Reiche der alten Zeit war der Industriekapitän, in neunundneunzig von hundert Fällen ein Mann ohne soziales Empfinden, der in der Arbeiter­bewegung nichts anderes sah als eine ewige Störung seiner weitausspannenden Pläne, im übrigen ein Kerl von einem Guß, vor den man Respekt haben fonnte. Der typische Reiche der neuen Zeit ist der Handelskapitalist, der nach dem ur sprünglichen, Gesez der Akkumulation- Geld, Ware, mehr Geld faymuzige Papierzettel hamstert und mit ihrer Hilfe die Reichtumstrümmer eines verarmten Volkes an sich reißt. Defonomisch hat er sich den ersten Plak erobert, sozial und fulturell steht er tief unter dem Industrieherrn oder Bankier der alten Zeit: der Spekulant, der Kriegsgewinnler, der Schieber.

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Unter dem neuen Reichtum, dem alten versinkenden Mittelstand bleibt die große arbeitende Masse. Bei verkürzter Arbeitszeit, aber verschlechterter Lebenshaltung dreht sie mit Millionen harten Fäusten das Riesenrad der Wirtschaft weiter. In dem Augenblick der Katastrophe hatte fich ein kleiner Teil von ihr in wildem, unklarent Hoffnungs­drang erhoben, der größere hatte einfach, von Ermüdung und Efel gepackt, die Arme sinken lassen. Jezt hat sich, wie man jagt, die Arbeitslust wieder gehoben, aber diese Arbeitslust ist vielleicht nichts anderes als die Einsicht, daß die Welt durch die gewaltigen Ereignisse der letzten Jahre anders, aber zunächst nicht besser geworden, insoweit aber dieselbe ge­blieben ist, als für die große Masse noch immer der harte 3wang gilt, in schwerer Arbeit das Nonvendigste zu ver­dienen. Aber mögen so die seelischen Vorausseßungen einer fo­zialen Beruhigung gegeben sein, so sorgen die frampfhaften Erschütterungen des Marktes für immer neue Un­ruhe. Kohlen- und Rohstoffmangel zwingen, bei Ueberhäu­fung der Werke mit Aufträgen, zum Feiern, das Geld hat aufgehört, eine feste Größe zu sein, mit der man auf Jahre, Monate oder auch nur Wochen hinaus rechnen kann: was vor kurzem ein auskömmliches Einkommen zu sein schien, wird fast über Nacht zum Hungerlohn, der nicht einmal die Befriedigung des dringendsten Bedarfs ermöglicht. Das haftige Selettern auf der Einkommensleiter ist weiter nichts als ein Wettlauf mit der großen Not, die wie eine schmuzige falte Flut von unten aufsteigt, immer nèue Sproffen über­spült, immer neue Opfer in ihren Schlund zieht.

Eine französische Meldung sagt: Ju dieser Note erklärt der Oberste Rat in bezug auf die Scapa Flow   Affäre, daß an der Unterzeichnung des Protokolls in der einmal vor liegenden Form festgehalten werden müsse. Auf der anderen Seite wiederholt er die bereits früher gegebenen Zu­ficherungen, daß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Deutsch­ lands   berücksichtigt werden soll. Nach den im Auftrage des Obersten Rates von Dutasta abgegebenen mündlichen Erklä­rungen sind die Alliierten für den von ihnen selbst als mög­hätten, bereit, ihre Forderungen auf dreihunderttausend lich bezeichneten Fall, daß sie sich in ihrer Statistik geirrt

glaubt, ebensowenig braucht das arbeitende Volk aufzuhören, sozialistisch zu fühlen und zu denken, weil ihm der Glaube an die Möglichkeit einer plötzlichen sozialen Erlösung verloren gegangen ist.

Der Intransigeant" erklärt, man habe den Eindruck, daß es sich in der Note um ein Kompromiß zwischen der These Englands( strikte Beobachtung der Forderungen der Alliier­ten) mit der These der anderen Aliierten( Konzessionen, um die Unterzeichnung zu erlangen) handele.

Eine Stellungnahme zur Note tann natürlich erst er­folgen, wenn diese vollständig vorliegt. Auffällig muß sein, daß fast immer dann, wenn wir aus Paris   wichtige Dinge erfahren sollten, die Telegraphenleitung gestört war. Dieje Störungen hängen ganz offenbar mit der Abficht Frankreichs  zusammen, die deutsche Presse zunächst dem Einfluß der en­tentistischen Informationen auszusetzen und das Ausland au die Pariser   Anschauungen einzustimmen. Erst dann, wenn dieser Zweck erreicht ist. soll Deutschland   zum Worte kommen. Darin liegt eine politische Benachteiligung Deutschlands  , die bracht werden muß. dem Auslande als Absicht unserer Gegner zur Kenntnis ge­

und Klassen, die sich mitleidslos, von Haß verbrannt und mit blutigen Händen gegenüberstehen, daß diese Welt den Sieg eines Gedankens feiert, den sie verraten hat, die Geburt eines Erlösers, den sie in jeder Stunde Wir sollen nicht aufhören, Sozialisten zu sein, sondern von neuent ans Kreuz schlägt. Soll man hoffen und an­sollen als Sozialisten reifer, männlicher, flarer nehmen, daß eine Menschheit von solch frommer Selbst­werden. Das ist das strenge Gebot dieser Zeit, und wenn täuschung doch einmal zur Erlösung gelangen muß, oder soll wir es begriffen haben, werden wir wieder lernen, unsere man nicht eher verzweifeln und einsehen, daß so viel innere Stirnen hoch zu tragen. Wollen wir, obgleich wir seine gro- Züge niemals überivunden werden kann? testen Verirrungen aus tiefer Ueberzeugung bekämpfen, Denn das, was der sagenumwobene Jude von Nazareth  den Zug weltgeschichtlicher Größe im russischen Bolschewis- ge woollt hat, ist in jene Unendlichkeiten verflogen, wohin mus verkennen? Wollen wir es für nichts erachten, daß die fromme Mär den großen Dulder selbst veriviesen hat. Deutschland   eine demokratische Republik   geworden ist, deren Die Geschichte des Christentums ist eine einzige Sette von größte sozialistische Partei als Teilnehmerin in der Regie- Beispielen der Verfälschung und des Mißbrauchs einer Jdee. rungsgewalt den Weg der Arbeiterklasse zu neuem Aufstieg Was ist im Zeichen des Kreuzes durch Jahrhunderte hin­bereitet? Und flingt uns nicht, vernehmlich genug, auch aus durch gemordet, gelogen und geplündert worden! Aus der den Siegerländern" der Schritt wachsender Arbeiterbataillone| revolutionären Idee des Gemeinsamen und Heiligen alles herüber? Wenn es töricht ist zu glauben, wir könnten aus dessen, was Menschenantlig trägt, wurde ein Instrument dem Elend des Weltkriegs mit einem Sak ins Schlaraffen  - der Niederhaltung von Beherrschten, der Selbstbescheidung land springen, wäre es nicht noch viel törichter anzunehmen, und Duldsamkeit von Ausgebeuteten, eine Waffe der Dunkel­daß diese Weltkatastrophe mit ihren gewaltigen politischen heit gegen das Licht der Forschung und Erkenntnis. Immer und sozialen Umwälzungen, ihren tiefen moralischen Er- hielten es die Priester mit den herrschenden Klassen, die schütterungen nichts anderes gewesen sein soll als eine vor- frommen Seger wurden verbrannt, und wo jemals Gözen übergehende Unterbrechung des gewöhnlichen kapitalistischen einer geistlosen Gewalt fallen, muß der Mantel nach, der Geschäftsganges? ihnen das Prädikat des Gottgewollten verliehen.

Frei von kindergläubigen Illusionen, aber auch frei von Man versucht diesen Zuständen, die zu hassen man noch stumpfer Ergebung wollen wir die unvermeidlichen Leiden fein Sozialist zu fein braucht, mit Gesetzen und Verordnungen der Gegenwart tragen, unt als Sozialisten für eine beizukommen. Aber die Gesetze der Wirtschaft spotten hellere Zukunft zu wirken, an der zu verzweifeln Unrecht tun der Geseze des Staates. Keine Regierungsweisheit vermag hieße an uns selbst und am kommenden Geschlecht. Die in Monaten wiederzugewinnen, was in fünf Jahren an gestern glaubten: Alles gewonnen!", jammern heute: Alles menschlichem Glück, Wohlstand und Lebensfreude verspielt verloren!", setern morgen: Alles verraten!" Infinn! Der worden ist. Seit zwei Jahren regieren die Bolschewiti in Kampf um den Sozialismus ist kein Hasardspiel, sein Rußland   absolutistisch, seit mehr als einem Jahr beteiligen Ausgang hängt nidyt von einer Karte ab. Mut und Einsicht, sich die deutschen   Sozialdemokraten an der Regierung parla- Geduld und stete Kraft werden den Sieg gewinnen- glaubt mentarisch- fonftitutionell. Und wenn wir auch mit unseren nicht an Wunder, und haltet fest! Methoden immer noch weit bessere Ergebnisse erzielt haben als die Russen mit den ihren, so scheint dieser Unterschied doch nur da zu sein, um zu zeigen, daß keine Methode sozia­

liftischer Regierung oder Mitregierung aus dem Trümmer- Vonder, Liebe" zur Menschlichkeit

feld Europas   ein Paradies hervorzuzaubern imstande ist.

notwendige Erkenntnis, daß es mit der Liebe auf Ist es noch eine Vermessenheit, ist es nicht vielmehr eine Erden nicht geht? Ist es nicht eine Herabwürdigung des tiefen Gefühls zwischen Menschen, die sich im Blute ind im Geiste verwandt fühlen, wenn dieser Begriff in den Kirchen und auf den Märkten zur Lüge und zur Harlekinade verwurstelt wird; wenn sich in seinem Namen die Bestialität immer von neuem austobt? Wir müssen endlich einsehen, daß mit Gefühlen allein in der Welt nichts mehr geschafft werden kann, weil wir selbst die edelsten Gefühle von ihren Kehrseiten nicht lösen können, weil wir mit ihnen all jene Instinkte mit entflammen, die in ihrer chaotischen Wildheit nur Brände sind und keine Erleuchtungen.

Nur der Geist kann uns retten, nicht die Gefühle, nur das Bewußtsein, nicht die Triebe, nur die Erfenntnis dessen, was ist, nicht der Glaube an das, das wir irgendwie dunkel Nein, der Sozialismus, welcher Richtung immer, ist Was ist auf der Welt möglich! Im Bahnsinn des ersehnen. Aus der Inbrunst aber werde der klare un­Fein Weihnachtsmann, der mit Nepfeln und Pfeffernüssen zu Krieges wie im Elend dieses Friedens begeht die Menschheit beugfame Wille, an der Welt nicht zu leiden, zu verzweis.in ben braven Rindern kommt. Von jedem Wunder- Feste der Liebe. Es war möglich, daß in den Kirchen oder auf sie zu hoffen, sondern sie nen zu gestalten glauben müssen wir uns freimachen, und wenn und hinter den Fronten Männer, die sich für Stüber göttlicher und sie zu verändern. An die Stelle des Himmel­wir ihn uns auch vom blutenden Herzen reißen müssen. So Liebesmission ausgaben, Mord, Vernichtung und Eroberung reiches und der Nirgendländer seßen wir das helle, unerbitt­wenig jedoch ein Mensch aufhören muß. Christ zu sein, weil zu Aufgaben heiligten, für die Millionen ihr Leben opfern lich wahre Bild der Erde, auf der wir leben, und der er, älter geworden, an den Weihnachtsmann nicht mehr mußten. Es ist möglich, daß eine verwüstete Welt, Bölker Menschen, die wir sind, und an die Stelle der Liebe ſehen