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Die Rheinländer und die Entente.

I jau nicht znftehe. Sie ist in Art. 69 Abs. 2 der Reichsverfaffung aus zu bringen. Als Verfasser diefer Boftfarte wurde durch Hand­brüdlich begründet, und zwar muß die Reichsregierung eine fchriftenvergleichung Marimilian Harden festgestellt( Berliner Tages Aus den Verordnungen, die die sogenannte hohe Kom- vom Reichsrat beschlossene Gefeßesvorlage beim Reichstag ein blatt" vom 23. Januar 1899). Er hat es zugegeben und sich da­Mission der Entente in Koblenz dem deutschen Reichskommissar bringen, selbst wenn sie ihr nicht zustimmt. Ferner hat der Reichsrat mit entschuldigt, es sei din jugendlicher Gymnafiaftenfireich von ihm zugestellt hat, geht hervor, daß die Entente die besetten Ge- über den vollen Inhalt aller Gesetzesvorlagen zu beraten gewesen. Er war 31 Jahre alt.

biete Westdeutschlands auch nach dem Friedensschluß und zu beschließen, welche die Regierung aus eigenem Entschluß

mit den Methoden der Militärdiktatur regieren oder auf Antrag des Neichswirtschaftsrats einbringt( Art. 69 Abs. 1 Fabeln"( 1899) fest, daß Harden im Jahre 1890 beim Abgang Franz Mehring stellte in einer Broschüre Herrn Hardens mill. Es ist bezeichnend, daß diese Verordnungen den und 165 Abs. 4 der Reichsverfassung). Auch in diefen Fällen muß Bi's mards immer gleichzeitig an einer Stelle mit seinent Rheinländern erst durch Auszüge aus dem Vorbie Regierung bei Meinungsverschiedenheit über die Einbringung Namen Artifel über Bismard geschrieben hatte, die von Ver wärts" bekannt geworden sind. Stein rheinisches Blatt oder den Inhalt der Gesegesvorlagen dem Reichstag die abweichende ehrung und Lobpreisung überflossen, und ihn anonym durfte wagen, die kritischen Bemerkungen, die wir an Auffassung des Reichsrats darlegen. Ferner fann der Einspruch des an einer anderen Stelle aufs gebäifigste ange die diktatorischen Verordnungen fnüpften, abzudrucken. Die Reichsrats gegen ein vom Reichstag beschlossenes Gesetz von ent- griffen hatte. Zwischen zwei Artikeln für Bismard lag der Ar­Blätter im besetten Gebiet müssen sich im wesentlichen auf scheidender Bedeutung werden, wenn sich bei der nochmaligen Be- tikel gegen Bismard. die wörtliche Wiedergabe der Verordnungen des Entente- schlußfassung über das Gesetz im Reichstag nicht eine Zweidrittel­Militarismus beschränken. Die Sprache der Verordnungen mehrheit findet. In diesem Falle gilt das Gefes als nicht zu ist aber so brutal und spricht so kategorisch die dauernde stande gekommen oder es muß einem Bolts entscheid Entrechtung der Rheinländer aus, daß sich besonders der unterworfen werden( Art. 74 Abi. 3 der Reichsverfassung). Ange­Arbeiter- und Beamtenschaft eine lebhafte Beunruhigung fichte diefer Rechtslage fann man es nicht wohl als unrichtig be­bemächtigt. Der Glaube an die" demokratischen Ideale", zeichnen, daß die Mitwirkung des Reichsrats bei der Gesetzgebung die die Staatsmänner der Entente während des Strieges ver in der Einleitungsformel Erwähnung findet. fündeten, ist dahin. Die arbeitenden Massen im Rheinland , ohne Unterschied der Partei, glauben nicht, daß die Demo­fratie aus Ländern fommen fann, deren siegreiche Generale die staatsbürgerlichen Nechte der besetzten Gebiete niederdrücken. Frankreich

vom zum Revoni Chauvinisten zum Revolutionär.

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Die Völkerbefreiung in Praxis.

zeitig bei Bismard und bei der sozialdemokratischen In derselben Broschüre ist festgestellt, daß Harden sich gleich­Partei anzuschlängeln versuchte. Preußischen Jahrbücher", nennt ihn einen Gefinnungsschieber" Professor Hans Delbrück , der bisherige Herausgeber der und sagt: Das neutrale wie das feindliche Ausland muß spüren, welcher Duft diesen Kronzeugen umwittert, auf den sie sich immer wieder berufen... Selbst die unabhängigen Sozio aldemokraten, wenn sie auch in diesem Augenblid mit ihm Felix Stöffinger, der von uns wegen seines Bilderschwindels bedeutendsten Köpfe, Franz Mehring , über die mora­zufammengehen, sollten sich doch zuweilen erinnern, wie einer ihrer täuscht sich gewaltig, wenn gekennzeichnete Redakteur der Freien Welt", des Unterhaltungs- tischen Qualitäten Hardens gedacht hat. es glaubt, mit Methoden, welche die preußi- blattes der U. S. P., mußte Montag vor Gericht an einer ibm sicherlichen ichen Junker in Elsaß- Lothringen angewendet haben, die lich sehr unbequemen Erörterung über seine Vergangenheit teilnehmen. Rheinländer firre machen zu können. Die aus dem fran­Den Anlaß dazu bot eine Beleidigungsklage Stöffingers gegen den zösisch- belgischen Entente- Regiment erwachsende Stimmung in awei Artifeln gegen Angriffe Stöffingers wehrte und dabei auch leitenden Redakteur des Berliner Tageblatt", Theodor Wolff , der sich wird am besten dadurch gekennzeichnet, daß Führer der in Stöffingers patriotisches Vorleben hineinleuchtete. Th. Wolff In der tichechischen Staatswissenschaftlichen Gesellschaft" in 11nabhängigen int Rheinland das Anwachsen bot den Wahrheitsbeweis für seine tatsächlichen Behauptungen an, Brag teilte Prof. Dr. Dworsky mit, daß die Vertreter der einer chauvinistischen Stimmung auch in den Arbeiter- besonders dafür, daß Stössinger während des Krieges im öster Tschechen in Paris bei Festsetzung der Grenzen u. a. darauf freijen der besetzten Gebiete glauben feststellen zu reichischen Striegspreffe quartier, dem er in Aus- drangen, Korrekturen im nordwestlichen Grenzgipfel fönnen. Vielfach wird gerade in radikalen Kreisen die Frage bung feiner Militärpflicht angehörte, weit über den Böhmens ( Egerland ! Red.) durchzuführen, so daß ungefähr erörtert, ob denn den französischen Genossen das Auftreten Rahmen seiner Pflichten hinaus für die Kriegspolitik Propa- 300 000(?) Deutsche an Deutschland gekommen wären, der französischen Militaristen im Rheinlande ganz unbekannt ganda gemacht und einen übertriebenen österreichischen Patrio während andererseits ein nicht ganz unbeträchtlicher Teil von jei. Dian wundert sich, daß sich niemals führende Sozialismus mit antipreußischem Einschlag betätigt habe, was selbst Glazer Tichechen der Tschechoslowakei angehören würden. Dieser Vors seinen Borgefegten manchmal zu weit gegangen sei. demokraten Frankreichs im Rheinlande blicken lassen, um sich nach der Revolution habe es Stöffinger für vorteilhaft gehalten, ichlag wurde von den einzelnen Rommiffionen gebilligt, aber vom an Ort und Stelle zu unterrichten. Eine Unterdrückungs- ben patriotischen Standpunkt, mit dem fein Geschäft mehr zu machen Obersten Rate" mit der Begründung abgewiesen, daß ein politit der Entente im Rheinlande wird für die internatio- gewesen sei, aufzugeben, fich der Unabhängigen Sozialdemokratie gej chlagenes Land unter feinen Umständen einen nalen Beziehungen genau so verhängnisvoll sein, wie die anzuschließen und sich dort als Revolutionär radikalster Färbung Gebiets zuwachs erfahren dürfe. Bezüglich füdmährischer Politik, die das alte Preußen in Elsaß- Lothringen und in zu geben. Grenzforrekturen, welche tschechische Delegierte vorschlugen, erklärte Polen betrieben hat. Stöffinger bezeichnete diese Angaben als unwahr. Er der Oberste Rat", sich mit derartigen Kleinigkeiten" nicht befassen jagte, ec jei als Soldat zum Kriegspresseamt fommandiert worden und habe dort nicht mehr getan, als von ihm gefordert worden sei. 34 können, und so schuf er statt eines Elsaß- Lothringen ihrer Früher habe er allerdings auf dem deutschnationalen Standpunkt gestanden. Er jei aber schon im Januar 1918 als Soldat Mitglied eines sozialistischen Vereins geworden und später aus ehrlicher Heberzeugung der U. S. P. beigetreten.

Fehlerhafte Gesetzesverkündung.

Von besonderer Seite wird uns geschrieben: Ju Nr. 656 des Borwärts" bemängelt ein Jurist unter der Neberschrift Fehlerhafte Gesetzesvertudung" die feit Inkrafttreten der Reichsverfaffung übliche Einleitungsformel zu den Reichsgefeßen. Sie lautet: Die verfassunggebende Deutsche Nationalversammlung hat das folgende Gesetz beschlossen, das mit Zustimmung des Reichs­rats hiermit verkündet wird."

caben. Ueber diese soll in einem späteren Termin durch Zeugen Der Anwalt des Beklagten blieb demgegenüber bei seinen An­bernehmung Beweis erhoben werden.

Komödiant Harden.

Hierin erblickt der Einsender einen dem geltenden Rechte wider­sprechenden Anklang an die frühere Formel: Wir Wilhelm usw. Harden gefällt sich in letzter Zeit, fich in seiner Bufunft" immer verordnen im Namen des Reiches nach erfolgter Zustimmung wieder an der Regierung zu reiben und Dreck nach den Ministern Des Bundesrats und des Reichstags was folgt." Der und ihren Mitarbeitern zu sprigen. Dbne jeden Schatten wesentliche Unterschied ist aber wohl auch für den eines Beweises tifcht er der Welt in jeder Nummer neue Nichtrechtskundigen leicht zu erkennen. Die Einleitungs Verdächtigungen auf. Es ist deswegen nüglich, immer wieder darauf form nach der früheren Reichsverfassung brachte deutlich hinzuweisen, welch zweifelhaften Charakter man in ihm vor sich hat. zum Ausdruck, daß Bundesrat und Reichstag gleichberechtigte Der bekannte Bibliothekar Dr. Thimme hat ihn angeprangert, wie Fattoren der Reichsgesetzgebung waren und daß daher ein Gefeß das wohl felten einen Menschen in Deutschland widerfahren ist, nur init Zustimmung der beiden Körperschaften zustandekommen Harden hat bis heute nicht gewagt, fich vor Gericht von den schweren fonnte. Dagegen hebt die nunmehrige Formel hervor, daß das Anklagen reinzuwaschen. Gesez ausschließlich von der Nationalversammlung beschlossen Wir wollen hier einige der Charakterzüge Hardens, die in ist und der Reichsrat gegen das Gesetz feinen Einspruch erhoben legter Beit ans Licht gebracht worden sind, wiedergeben: Am hat, daß es also mit Zustimmung des Reichsrats verkündet" wird. Schluffe einer feiner Kriegsborträge", erzählt Dr. Gra­Die Worte, mit Zustimmung des Reichsrats" fönnen selbstverständlich bowski, ging er laut heulend ab. Er wimmerte in fein Taschen­áicht auf das im Borderfage der Formel stehende Wort beschlossen" tuch. Da bemerkte ein Herr, der selbst Schauspieler war und die bezogen werden. Bewegungen eines von Schluchzen Erschütterten genau fannte ,, er Die Mitwirkung des Reichsrats bei der Gesezgebung in der schlugt ja nur mit dem Oberkörper, die Beinchen Einleidungsformel völlig zu verschweigen, entspräche nicht der laufen ganz fröhlich. Das ist Maximilian Harden , fügte der Er­staatsrechtlichen Lage; denn Art. 60 der Reichsverfassung bestimmt: zähler hinzu. Er schlucht nur mit dem Oberkörper." Bur Vertretung der deutschen Länder bei der Gesetzgebung Im Jahre 1899 veröffentlichte der Schriftsteller Otto Eric und Verwaltung des Reiche wird ein Reichsrat gebildet." Der Gartleben, daß er als Feuilletonredakteur am Borwärts" Einsender scheint diese Mitwirkung etwas zu unterschäzen. Er irrt einmal der Medaktion in einer anonymen Postkarte voll der gröbsten zunächst in der Annahme, daß dem Reichsrat die Gefeßesinitiative Berleumdungen denunziert worden sei, um ihn aus seiner Stellung

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3e hn.

Wie geschoben wird.

einigen Wochen vom Demobilmachungsamt Taufende von Leinen­Gine Anfrage des Abg. Dr. Most( D. Vp.) behauptet, daß vor anzügen, mindestens 1 Million Stoffirinfeimer und Taufende von Tornistern verkauft wurden. Der Preis für blaue Leinenanzüge soll sich gestellt haben auf 38 M. je Stüd, Segelstoffanzüge 7 M., Trinfeimer aus Stoff 0,50 M., Tornister mit Kalbfellrüden, fom­plett mit Riemen 23,50 M., Tornister aus Segeltuch ohne Trag­riemen 6.10 M., Pläne aus imprägniertem Segelstoff 2,20 M. Mit diesen Waren scheine ein erheblicher Schieberhandel getrieben zu werden, zum guten Teil nach dem Ausland. In einer Anfrage des Zentrums heißt es u. a: hafen eine Ausfuhrbewilligung vor über 20 000 Kilogramm Sausa Die Firma Gebrüder Beby legte dem Hauptzollamt Friedrichs­schuhe, Wert zirfa 400 000 Mt. Auf der Ausfuhrbewilligung war als Stoffbeschaffenheit angegeben: Altmaterial und Abfalleder. Das Hauptzollamt Friedrichshafen verweigerte die Ausfuhr, weil die Schuhe nicht aus Altmaterial und Abfalleder hergestellt waren. Die tadellosen Ledersohlen waren vielmehr je aus einem Militärwoll beden verwendet worden. Zwischen Sohle und Stück hergestellt. Als Oberteil waren zusammengeschnittene Oberteil befand sich eine dicke Filzunterlage, endlich bildete gutes neue 3 Leinwandfutter den Abschluß des Schuhes. Auf Weisung von Berlin mußte aber die Ausfuhr geftattet werden. Trotzdem die Schuhe also nicht aus Altmaterial und Abfalleder hergestellt waren, mußie das Hauptzollamt die von ihm mit Recht beanstandete Ware durchlaffen.

Ist sich die Reichsregierung darüber klar, daß durch ein der= artiges Vorgehen des Reichsbevollmächtigten nicht nur das Pflicht­schwere Schädigung unserer Volkswirtschaft erfolgt? Was gedenkt bewußtsein der Beamtenschaft untergraben wird, sondern auch eine die Reichsregierung zu tun, um derartige Vorgänge in Zukunft un möglich zu machen?"

Theodor Fontane und die Jungen. Jahren, bewies endgültig, daß er nicht bloß in der Mart und der Romanen weit über jenes blinde Modepublikum hinaus auch einen

Von Wilhelm Bölsche .

Von Theodor Fontanes Leben und Schaffen haben wir in Bolt und Beit" ein Bild gegeben. Heute, am Hundertjahres. tage, fei es erweitert durch ein Grinnert an die Epoche, die den oreifen Fontane zum Helfer der Jungen und Neuen und selber zu einem verjüngt Reuen werden ließ. Dreißig Jahre liegt das zurüd. Die Dankbarkeit der damals aufsteigenden Generation hat Wilhelm Bölsche in einem Aufsatz zum Ausdruck gebracht, der heute noch einmal mitreden soll. Wir geben einige Abschnitte daraus.

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geistert zujubelten. Dieser schlichte alte Mann, ein Siebziger an dieselben geblieben. Und doch hat er sich mit diesen modernen preußischen Legende, sondern überhaupt in der Dichtung daheim festen Stamm Verehrer in Kreisen geschaffen, die diesen seinen sei und unabhängig von aller Tendenz Gold von Talmi zu unter- eigenen Tendenzen sehr fern standen. Ich kann hier wieder von fcheiden wisse. Es war das Abendrot seines Kritikertums, das un- mir selbst reden; ich tenne aber auch eine ganze Menge Leute, die mittelbar danach ganz aufhörte. Aber ein prachtvolles Abendrot, in ihren Anschauungen extremer und über Andersgläubige jeden­eine wahre lette Ehrenerklärung, daß die ganze Armseligkeit und falls sehr viel intoleranter denfen als ich, und die doch für den Verfnöcherung des tonventionellen Stritifierens diesen schlichten Fontane etwa der Effi Brieft ganz ausgesprochen schwärmen. Stopf nicht untergefriegt hatte. Er erkannte in dem Neuen die Fontane hatte eben zwei Eigenschaften, und die tamen in diesen Dichtung und ging mit ihr und wenn noch so viel Neues" im letzten Büchern immer glänzender heraus. äußerlich geradezu revolutionären Sinne mit unterlief. Wenn Fontane je in feinen Büchern und Gedichten selber etwas Tendenz geritten hat, Tendenz nach veralteten Dingen: in diesen Tagen hat er es mett gemacht, als er jo mannhaft für Hauptmann und Tolstoi um der Runft allein willen und jenseits überhaupt von jeder Tendens eingetreten ist.

Nachdem ich mir den Dichter in ihm einmal herzhaft von Junen heraus für mich erobert hatte, dünfte mir freilich doppelt schade, daß diese prächtige, eigenwüchsige Dichterindividualität ver­jauern sollte oder wohl schon versauert wäre im dummen Me zensionenschreiben, das jeder andere auch fönnte. Und es konnte Um biefelbe geit aber war Fontane selbst schon nicht mehr mir pon ihm nicht leicht etwas Besseres passieren, als daß ich auch in diesem Punkte noch nach givei Seiten gründlich aufgeklärt und des Jrrtums überführt wurde.

Auf der einen Seite wurde ich durch das aktuellste Ereignis belehrt, daß diefer Theaterkritifer tatsächlich doch noch etwas Be­sonderes vor anderen voraus hatte und durchaus auch als solcher nicht in die große Masse hineinverredmet werden durfte. Und auf der anderen lernte ich mit der gleichen Verwunderung, die wohl fast alle Berehrer feiner 2hrif und seiner Wanderbilder an sich er­fahren haben daß neben und vollenbs nachher jenseits der Kriti­fiererei auf seine alten Tage in diesem einzigen Manne noch ein­mal der Dichter für ein ganz neues Gebiet jo gewaltig durchschlug und auferstand, wie es kaum vom stärksten Anfänger je erlebt worden ist.

bloß der Lyriker, märkische Wanderer und Theaterkritiker. Auf dem Gebiete des Romans hatte sich seiner innersten Straft ein ganz neues Schaffensgebiet unwahrscheinlich spät noch einmal aufgetan, und mit welchem Glüd!

Während uns heute so viel gute Merle in der Romanschreiberei mit fechzig oder sicbzig Jahren hinsterben, deren Ruf auch genau auf dem Absterbetermin steht und eigentlich nur noch den Tod der Berfon erwartet, um ganz stod finster, auszulöschen, war der alte Fontane an der Schwelle des achtzigsten Lebensjahres glüdlich auf dem Fled, daß Zeitungen und Verleger auf ihn aufmerksam wurden als eine buchhändlerisch aufsteigende junge Straft, mit der man noch viel Geld zu verdienen hoffte. Er wurde Model Fontanes Schreib­weise war immer schlicht gewesen, echte Kunst ohne Bombajt. Das Alter tat nun ungewollt noch etwas hinzu: es gab der Schlichte Für den ersten Punkt wurde entscheidend der Winter 1889/90, immer mehr Meife, aber auch ab und zu einen Stich bis ins der auch sonst so viel im modernen ästhetischen Leben entschieden hat. Nüchterne. Das fand man jezt naturalistisch" im Sinne eines Es fam die Freie Bühne mit Vor Sonnenaufgang , der Modeschlagtvortes, und im lezten Jahrzehnt seines Lebens ift Familie Selice, der Macht der Finsternis. Bis auf ein paar Aus- Fontane allmählich in der Literaturschablone unter die strengen nahmen blamierte sich die ganze Berliner Theaterfritif Hoffnungs- Raturalisten gerückt, also selber bei den Jbsen und Hauptmann los. Diese Herren, die an allen Sorten armseligster französischer eingereiht worben, bie er als Kritifer so vorurteilslos zu würdigen und deutscher Schränke mit der Gravität Lessings die bedeutenden verstanden hatte. Seiten herausgefunden hatten, erwiesen sich als Taube und Blinde im Moment, da zum erstenmal wieder ein Hauch echter Kunst über unsere Bühne wehte.

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Gerade in diefem heiteren Sturmtvinter aber wurde Theodor Fontane der Kritifer riesengroß, so groß, daß sein eigenes Blatt, bem er biente, ihn schließlich verleugnen mußte. so groß, daß die ganze ästhetische Jugend, die Wildesten und Unruhigften, ihm be­

Einmal: er war zu sehr ästhetische Vollnatur, um in den Fehler grober äußerer Tendenzmacherei, die der Dichtung wie ein Bettel aufgeklebt wurde, zu verfallen. Seine Personen redeten keine Leit­artikel, der Autor trat nicht aus der Kulisse und hielt Wahlreden oder moralische Predigten. Alles was er gab, lebte in der Dichtung selbst und nur in ihr. Gerade in dieser Dichtung aber offenbarte fich das Zweite, was ich meine

Als reiner Dichter war Fontane in gewiffem Sinne größer als er selbst. Sein schönes Beobachterauge, seine gerade, ehrliche Phantasieplastik waren in einer Weise, als lebten fie selbständig, in ihm selbst stärker, freier, unabhängiger als der reflektierende, vom Beben in bestimmie Formeln des Denfens, der Moral, des politischen Glaubens hinein erzogene und bewußt sich hier fühlende Mensch, der als Fontane " unter uns umging..

Ein Roman etwa wie Effi Brieft" ist mir ein moderner Sozialroman im höchsten Sinne; für den richtig Schenben schildert er vernichtend geradezu den Fluch der Philifterenge, hen inneren Zusammensturz gewisser oberflächlicher Mocaliveisheiten, die grauenhafte Leere gewisser Gesellschaftskreise, die Armseligkeit eines Mitteldhens, wie es ein Duell darstellt, gegenüber Konflikten eines Menschenlebens. Es besteht nun aber in der Tat gar kein Zweifel, daß Fontane selbst, der reflektierende, selber gewissen Gesellschafts­und Moraltendenzen huldigende Mensch, so weit durchaus nicht gehen wollte. Die Wahrhaftigkeit des Dichters. die innerliche Wahr­haftigkeit, die poch mehr ist als irgendeine naturalistische Doftrin, hat ihn einfach mitgeriffen, über sich selbst intuitiv hinausgeriffen. Eigentlich nirgendwo erscheint die tiefste, heiligste Rraft des Dichters jo eklatant wie vor solchem Falle. Der Dichter muß echtes Auf diese wechselnden Modeetiketten tommt es mun im Grunde Leben schaffen über den Kopf aller seiner eigenen Vorurteile himveg. verzweifelt wenig an. Ihm ist wohl im Herzen auch nichts darauf Gs ist, als zeuge die Natur neu durch ihn und benute sein Gehirn angekommen, obwohl ihm der zeitliche Erfolg natürlich als solcher einfach als Leitungsbahn dabei, ohne sich im mindesten darum au noch Freude gemacht hat. Was aber wirklich interessant bei diesen befümmern, was in gewiffen Schubfächern dieses Gehirns noch für späteren Romanen ist, ist nun doch wieder die Tendenzfrage. subjettives Material herumliege und fich gedanklich wohl gar als Fontanes politische, moralische und überhaupt weltanschau- die Hauptsache in rowöhnlichen gebärde. liche" Tendenzen und Reigungen find offenbar bis zuletzt immer|

In diesem Sinne ist duttane allerdings ein Raturalift