Nr. 8. 87. Jahrg.
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Montag, den 5. Januar 1920.
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Am 8. Januar Frieden.
Der Ausbruch des Bürgerkriegs.
Am Sonntag, den 5. Januar 1919, brach in Berlin der Bürgerkrieg aus. Die Kämpfe um Schloß und Marstall zu Weihnachten 1918 waren der Auftakt zu größeren Ereignissen gewesen.
Beratungen des Fünferrats.
Wie Temps " mitteift, wird der Fünferrat Dienstag unter anderem auch die Abmachungen setreffend das von Deutschland zu liefernde a fenmaterial behandeln. Minister 2oucheur und Generalsekretär Du ta fta hätten Sonnabend nachmittag in Freiherr v. Lersners Wehnung mit diesem darüber verhandelt, Zwischen Vorspiel und Haupttragödie bestand eine und die festen Schwierigteiten( dienen fo gut wie direkte Berbindung: Die Tätigkeit des damaligen unab- beseitigt zu sein. Wan glaube, das 3nfrafttreten des hängigen Bolizeipräsidenten Eichhorn. Eichhorn hatte am Friebensvertrags würde sich möglicherweise um 48 Stun 24. Dezember den Sieg der Regierungstruppen verhindert, den auf den 8. Januar verschieben. Intransigeant" stellt einen indem er die Arbeiter spartakistisch gesinnter Betriebe tele. Fortschritt in den Verhandlungen mit Frhr. v. Lerner phonisch nach dem Bolizeipräsidium beorderte, dort mit feft, fo baß man für demnächst ein Ergebnis erwarte. Aehnlich Waffen ausrüstete und den Regierungstruppen in den Rüden Liberté".
fallen ließ.
präsidenten ans Tageslicht. Als aber einmal die Wahrheit
Erst allmählich kam diese seltsame Tätigkeit des Bolizei Neujahrsproklamation der Sowjetregierung heraus, war, meldeten sich Zeugen über Beugen. Der Vor- Die Moskauer Funter station verbreitet folgende Neujahrs. märts" fonnte in der Zeit vom 29. Dezember zum 4. Januar proflamation der Cowjetzegierung an das russische Bolt: täglich mehrere solcher Aussagen über Eichhorn veröffent. Das Jahr 1919 ist ein Jahr des Sieges für die Arbeiterschaft ge lichen, worauf die linksradikale Bresse nur mit unflätigen wesen, sowohl vor wie hinter der Front, und es hat die Macht Schimpfereien zu antworten wußte. Ihrem Prinzip getreu, des Sowjets noch mehr gefestigt. Auf dem Schlachtfelde fuchte fie die Wahrheit unter Jauchegüffen zu erstiden. hat die Note Armee den gegenrevolutionären Elementen Todes. ( Vgl. Fall Lindner.) Eichhorn selber mimte jene befannte stöße verfett, unter denen die Horden, ber zariftischen Generäle Eype, die auf der Anklagebank unter den wuchtigsten Schuld zusammengebrochen find. Geschart um die roten Banner beweisen mit unerschütterlicher Ruhe die Hände in den Soien- führen wir unsern Siegeslauf in das neue Jahr hinüber, das uns taiden erflärt: Id leugne allens!"- Er tut das den fiegreichen Abschluß der Bürgerterege bringen wird. In übrigens noch heute, wird aber der geschichtlichen Wahrheit Sibirien , in der Uraine, am Don, im Raufafus er damit nicht mehe tun. tönt der Ruf nach Aufstellung von Sowjets. Wir werden aber auch in Berlin , in Washington , in Paris und London Arbeiter. und Soldatenräte einfeßen, und die Macht der Sowjets wird sich derrinft über die ganze Welt erftreden. Es lebe das Revolutionsjahr 19201
Die Regierung fonnte gar nicht anders, wollte fie nicht gur ohnmächtigen Puppe und zum Gespött werden, als diefen Bolizeipräsidenten abiegen, der offen die Rebellion gegen fie organisierte. Eichhorn aber ließ erklären, daß er nur der Gewalt weichen würde.
Die Gewalt fam aber nicht von Seiten der Regierung, fondern vom Size Eichhorns aus. Am 5. Januar,
Berufung im Prozeß Hiller.
Nicht einmal der Belagerungszustand wurde berhängt, während die Kämpfe tobten,- eine Kleine Erinnerung für die, die da behaupten, die Regierung fei auf dies Mittel versessen gewesen.
Die Radikalen erzählen auch, daß mit Verhandlungen fich Blutvergießen hätte vermeiden laffen. Solange die Aufständischen aber an ihren Sieg glaubten, da chten sie gar nicht an Verhandlungen oder stellten Bedingungen, die eine glatte Rapitulation der Regierung bor ihnen bedeutet hätte. Erst als fie merkten, daß ihnen der Streich vorbeigelungen war, da gaben sie auf einmal die schönsten Versöhnungsparolen heraus. Aber auch jetzt weigerten sie sich noch, die bejezten Gebäude herauszugeben, und wollten sie als aust pfand" behalten. Cie trieben also dieselbe Faustpfand"-Politit, wie die wilhelminische
Regierung mit Belgien und Nordfrankreich, die sie felber so scharf verurteilt haben.
Es muß außerdem bemerkt werden, daß das ganze
Unternehmen nach seinem Mißlingen sehr bald von den Urhebern preisgegeben wurde. Die Note Fahne", die kommunistische und unabhängige Parteileitung haben mehrfach offen den Januarputich als einen schweren Fehler bezeichnet, womit ihre Schuld an diesen Ereignissen fach von fommunistischer Seite mit der größten obne weiteres zugestanden ist. Es ist auch mehrDifenheit ausgesprochen worden, daß der Januaraufstand den Bwed batte, die Wahlen zur Nationalberfammlung zu verhindern. Damit stürzt die egende, daß er von der Regierung angeſtiftet worden sei, in nichts zusammen.
Die Unabhängigen haben später eine Untersuchung über die ganze Angelegenheit gefordert. Sie ist ihnen bereitwillig zugestanden worden. Die Preußische Landesversammlung hat einen Untersuchungsausschuß eingefeßt, der die Januarunruhen mit dem größten Fleiß und der größten Objektivität Wie die Correspondenz B. S. erfährt, ist bas Urteil gegen ben untersucht hat. Freilich wurden bei den Ergebnissen der einem nebeligen Sonntagnachmittag, fanden große Demon Oberleutnant hiller, ber bekanntlich wegen mehrerer schwerer Miß Untersuchung die Gefichter der unabhängigen strationen der Linksradikalen vor dem Polizeipräsidium statt. handlungsfälle, darunter im Falle Helmbate, angeklagt war und Ausschuß mitglieder immer länger. Als fie Von dort aus bildeten fich große bewaffnete 3üge, die Ausschußmitglieder nach dem Zeitungsviertel bor die Gebäude der wegen Mihhandlung Untergebener in zwei Fällen mit 7 Wochen faben, daß fich das Resultat der Untersuchung für sie zu einer großen Blätter zogen, die zum Teil mit ihnen sympathiehungshaft bestraft worden ist, vom Gerichteheren nicht be. bernichtenden moralischen Niederlage gestal fierenden, zum Teil indifferenten Bachmannschaften ent- tätigt worben. Der Gerichtsherr der Stommandant von Ber. tete, da provozierten fie aus ganz nichtigen Ursachen einen waffneten und die Gebäude befeyten. Die erste Zeitung, die in hat vielmehr Berufung eingelegt, und zwar im Falle Swifchenfall, um mit Strach aus dem Untersuchungsausschus ihnen in dieser Beife in die Sand fiel, war der Vorwärts". Selmhake, jedoch nicht aus§ 123 des Militärftrafgesetzbuches( per auszutreten. Daß ihnen so unbequeme Resultat der UnterGinige im Gebäude arbeitende Partei redakteure mußten beiführung des Todes), fondern aus§ 122( vorschriftswidrige Be. fuchung sollte auf diese Weise noch schnell diskreditiert hanblung im Dienst). Diese vorschriftswidrige Schandlung Helm- werden. fich die Nacht über verborgen halten, und entfamen erst am bafes wird erblidt in der bem. durch Hiller verabfolgten Ohrnächsten Tage. feine, des Stokes und des Berbotes des Effens. Der neue Prozeß Siller wird vor dem Oberkriegsgericht verhandelt werden.
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Nach der Besetzung der Zeitungsgebäude bildete sich ein Zug, der die Reichsfanzlei nehmen wollte. Die Angreifer zogen jedoch wieder ab, da sie sich zu schwach glaubten. Tatsächlich war die Reichskanzlei in jener Nacht nur ganz ungenügend beschüßt, und mit einem Kleinen Mehr von Energie hätte Spartakus bis zum Morgen des fenbet uns folgende Sufchrift: 6. Januar fich zum Herrn von Berlin machen können.
Gegen Arco wird verhandelt!
Der Erste Staatsanwalt beim Landgericht München I , Sahn, Die Nachricht, daß Arco- Ballen, ber Mörder des baherischen Nachdem die Sache, die um ein Saar geglüdt wäre, auf ministerpräsidenten Kurt Eisner , für dauernd verhandlungsunfähig des Messers Schneide mißlungen ist, haben Unabhängige und erklärt werden sei und seine Tat daher ungefühnt bleibe, ist un& u. Spartafisten die Mär erfunden, der ganze Aufstand wäre treffen b. Nach ben vorliegenden brei ärztlichen Gutachten handelte bon der Regierung selber provoziert worden. Eines fich nur um eine vorübergehende Verhandlungsunfähigkeit, einziger Blid auf die Situation des 5. Jawelche die Abfegung der auf den 9. Dezember 1919 anberaumten nuar widerlegt sie. Eine Regierung soll den Auf- Sauptverhandlung notwendig machte. Die Staatsanwaltschaft bei stand absichtlich herbeigeführt haben, die nicht einmal bem Bolksgerichte München 1 hat unmittelbar nach diefer Termin I imstande war, den Regierungsfis, die wich- abiegung bie zur Ermöglichung einer Hauptverband. tigsten Regierungsmitglieder gegen einen tung erforderlichen Maßnahmen eingeleitet und ernsthaften Angriff au ich üben, gefchweige denn, wirb, sobald es die gesundheitlichen Verhältniffe Arcos geftatten, daß fie auch nur ein einziges der besezten Gebäude wieder voraussichtlich noch im Laufe dieses Mona 18 deren Durch nehmen konnte!
führung betreiben.
Noch mehr: Den Zug nach dem Vorwärts" foll nach der spartafistischen Legende ein Spitel inszeniert haben. Aber merkwürdig: Raum, daß das Borwärts"-Gebäude genom fonnten feine Waffen erhalten, weil die Regierung feine men war, nur wenige Minuten nachher, erschienen eine hatte. Nur mit Lift gelangte ein Teil in den Besitz eines Reihe der bedeutendsten ipartatistischen spartatistischen Waffendepots. Nur ganz allFührer und richteten sogleich im„ Borwärts" ein wohlmählich konnte sich im Laufe der nächsten Tage die Bewaff organisiertes militärisches Hauptquartier nung der Regierungsanhänger bollzieht E3 bildeten fich ein. Einige Stunden nach der Beietung war das Gebände die Regimenter Neichstag" und Liebe", die tagelang in mit Dusenden von Maschinengewehren bespidt, die Be Berlin die Situation für die Regierung bielten, bis es diefer fagung mit mehreren tausend Gewehren, Handgranaten ufm. gelang, von auswärts Truppen herbeizuziehen. Die in harfperfeben. nädigen Rämpfen die belegten Gebände wiedernahmen. Aber Die Regierung dagegen war so schwach, daß sie sich wäh- 4 bis 5 Tage lang stand die Situation in Berlin fo. daß rend des aanzen 6. Zamuar nur durch das Aufgebot der un- Spartatus batte fiegen fönnen und müssen, bewaffneten Maifen der Parteign bänger wenn feine starken beroaffneten Haufen nur ein wenig mehr fügen fonnte, die eine lebendige Mauer von mehreren zehn- militärische Disziplin und Kampftraft aufgebracht hätten. tausend Menschen um die wichtigsten Gebäude der Wilhelm- Heute wollen es die Linksradikalen so hinstellen, als Straße bildete. Zu verschiedenen Malen wurde diese lebendige fei die Regierung von Blutdurst befallen gewesen. Wer Wauer von bewaffneten Spartatiftentrupps angegriffen, die ein wenig die Verhältnisse jener Tage fennt, weiß, daß das sich nicht scheuten, Sandgranaten in die unbewaff- Gegenteil der Fall gewefen ist. Die Erlaubnis zu benete Menge zu werfen. Trozdem hielt die lebende Mauer waffneten Gegenmaßnahmen mußte ben mehrbeitssozialististand. Regierungsanhänger, die fich bewaffnen wollten, schen Boltsbeauftragten förmlich abgerungen werden.
Das Manöver war zu durchfichtig, um nicht von jedermann durchschaut zu werden. Der UntersuchungsausSchuß hat meiter fleißig gearbeitet und wir hoffen, daß er feine Ergebnisse der Deffentlich feit in furzem borlegen wird. An dem Tage, wo das geschieht, wird auch für den dümmsten und verblendetsten Parteifanatiker das Lügengebäude zusammenstürzen, das die Linksradikalen über den Ereignissen der blutigen Januartage von 1919 errichtet haben.
Die Freiheit" beröffentlicht in ihrer heutigen Morgenausgabe einen Artikel e debours über die Erhebung im Januar 1919, der gegenüber dem sonstigen unabhängigen Tat gewollt und beabsichtigt war. Nur der ErGerede das offene Gingeständnis enthält, daß die dat die Tat jetzt von den eigenen Parteigenoffen preisgegeben folg erntet Rob," schreibt Ledebour und wendet sich dagegen. daß die Tat jetzt von den eigenen Parteigenoffen preisgegeben, wird, weil sie mißglückt ist. Ledebour schreibt u. a.:
Tie Januarerhebung war ber biftorisch notwendig gewordene Tatbeweis dafür, daß es dem Berliner , daß es dem deutschen Proletariat Ernst war mit der Revolution. Es war eine Probe auf die Lebensfähigkeit der beiden Parteien, in die die revolutioräre Bewegung damals wie heute gerfiel, der Unab hängigen wie der Kommunisten.
Ueber das entscheidende Losschlagen fagt Redebour: Die Stimmung in der Siegesallee , dem Ausgangspunkte des Demonstrationszuges und auf dem Alexanderplah, wo er sich zu einer abschließenden Rundgebung aufammenballte, war derari überwältigend, daß an ein Aurüd gar nicht mehr gebadi werden konnte. Die revolutionären Oblente hatten nur noch barüber zu beraten, ob wir uns auf die Abwehr beschränken fonn ten ober den weiteren Schritt zum Sturze der revolutionsfeindlichen Regierung tun mußten. Bei Lichte besehen, war das aber auch gar keine Frage mehr. Denn eine fiegreiche Abwehr der geplanten Gewaltmaßregeln der Regierung( der Abfehung Eichhorns. Red.) hätte natürlich automatisch deren Stars herbei geführt.
An den Beitungsbefegungen tabelt Ledebour nur, daß fte eine unnüße, räfteverzettelung" gewesen seien. Die Massen hätten auf eigene Faust losgeschlagen, wäh rend wir nochim Polizeipräsidium berieten". Damit find urheberschaft und Verantwortung für den Januarputsch durch ein Beugnis festgestellt, das auch für die Unabhängigen authentisch sein dürfte.