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Nr. 93 37. Jahrgang

Beilage des Vorwärts

Preußische Landesversammlung.

Freitag, 20. Februar 1920 System ohne Parlament weiter gewurstelt.( Beifall bei An der weiteren Grörterung nehmen noch Cassel( Dem.), den Soz.) Abolf Hoffmann( 11. Soz.) sowie nochmals Koch und Ko b Abg. Dr. Rosenfeld( U.Soz.): Die Ausführungen des Borrebners le n 3er teil. Stoch ist von den Aeußerungen des Kämmerers abs stehen auf einem viel tieferen Niveau, als daß seine Drohungen folut nicht befriedigt; Adolf Hoffmann hält Koch vor, daß Wir berichteten bereits furz im gestrigen Abendblatt über die mich hindern könnten, die Wahrheit auszusprechen, daß die Rechts- gerade dieser und seine Gesinnungsgenossen die Stadt, das Land erste Beratung des Gefeßentwurfs über die Erhöhung der sozialisten die Arbeiterschaft verraten haben. Wir wollten seiner- und das Reich in diese Banferottpolitik hi.reingeführt haben. zeit die Wahlen zur Nationalversammlung hinausschieben, weil Die Anträge der Demokraten und der Bg. Bgg. bleiben in der Eisenbahntarife im Güter- und Tierverkehr bis zu 100 Pro3. wir vorher die Diktatur des Proletariats auf Minderheit; der Magistratsvorschlag wird angenommen, mit den vom 1. März ab. Aus der Diskussion ist hervorzuheben: Abg. Neumann- Magdeburg( Soz.): Die Schwierigkeit in der richten wollten. Jest müssen wir schleunigst Neuvablen ver- Stimmen der beiden sozialdemokratischen Parteien. Hierauf wird der oben mitgeteilte Dringlichkeitsan Kohlenbeschaffung und der Mangel an Lokomotiven lassen sich nicht Die Verordnung wird hierauf gegen die Stimmen der Deutsch- trag über das Berliner Schulwesen beraten. bestreiten. eshalb sind aber soviel Werkstätten nationalen genehmigt. Das Haus erledigt noch einige Anträge( Dem.) bemängelt in seiner Begründung besonders, daß bei der geschlossen worden? Der Minister sollte nachprüfen, ob nicht viel mehr Arbeiter wieder eingestellt werden können. In der und vertagt sich auf Freitag 12 Uhr. Kleine Anfragen, fleine Vor- Ausarbeitung der Grundzüge für das Schulwesen die Stadt Ber­ersten und zweiten Klasse, die von Schiebern und Wucherern lagen, Regelung des Dirnenwesens. überfüllt ist, fönnte der Tarif ruhig um 100 Proz. erhöht werden, während die dritte Klasse geschont werden muß. Wir

langen.

Schluß 6 Uhr.

beantragen lleberweifung der Vorlage an den Staatshaushalts Stadtverordnetenversammlung.

ausschußz.

3

Abg. Ghiers( Dem.) befürchtet, daß die hohen Tarife für Handel, Teuerungszulagen.- Die Einheitlichkeit in der Schulver­Gewerbe, Industrie und Landwirtschaft verhängnisvoll werden. Die waltung. Die Stadtbibliothek im Marstall. Lehrer­britte Klasse sollte mehr geschont werden.( Beifall.) gehälter und Schulgelderhöhung.

Abg. Paul Hoffmann( U. Soz.): Die Mehrheitssozialisten in Verein mit den bürgerlichen Parteien wollen die Arbeiter wieder in die Hörigkeit herabdrüden. Der Belagerungs. zustand ist von der Regierung nur eingeführt worden, um mit allen brutalen und gemeinen Mitteln die Arbeiter zu Baaren zu treiben.( Präsident Leinert rügt diese Ausdrüde und bittet den Redner, sich zu mäßigen.)

ein­

Stadtv. Caffel

¡ lin nicht gehört worden sei; man habe es da mit einer einseitigen Bureaufratenarbeiten zu tun. Die republikanische Regierung be­handle Berlin noch schlechter, ale es die frühere beliebt habe. Vor der Gefahr der Zerschlagung müsse Berlins blühendes Schulwesen unter allen Umständen bewahrt werden. Dr. Lammerich( 8.) stimmt der Tendenz des Antrages zu, tann aber dem ersten Sak, der anders gemeint sei, als sein harm­Tofer Wortlaut besage, nicht zustimmen.

Bruns( Soz.) stellt sich durchaus auf den Boden des Antrages Gin großer Teil des gewaltigen

Schulwesens Berlins könne nur zentral verwaltet werden und erträge die Zerreißung in vielleicht 6 verschiedene Bezirks. organisationen auf keinen Fall.

Bon allen Fraktionen mit Ausnahme des Zentrums wurde, wie schon mitgeteilt, ein Dringlichkeitsantrag gebracht: Die Bersammlung hält es für erforderlich, daß in der neuen Großstadtgemeinde Berlin die Schulver­waltung einheitlich gestaltet wird, unbeschadet des Rechts Leid( U. Soz.) bedauert sehr, daß von einem wirklich einheit der Bezirksbehörden, an dieser Berwaltung teilzunehmen. Sollte Minister Deser: Die entlassenen Arbeiter sind schlankoeg von es zu einer solchen Einheitlichkeit nicht tommen, so ist unbedingt lichen, straff zentralisierten Groß- Berlin anscheinend gar nicht die ber Pribatindustrie aufgenommen worden.( Hört, hört!) für die bisherige Stadtgemeinde Berlin die Zerschlagung ihres Rede sein werde; mit den Plänen auf dem Gebiete des Schul­Die Vorlage wird dem Staatshaushaltsausschuß Schulwesens zu vermeiden und eine Schulbeputation mit ben bis- wefens tehre man wieder zur Samtgemeinde zurüd. Ein ein­überwiesen. herigen Befugnissen aufrechtzuerhalten. Die Versammlung ersucht heitliches Schulamt für Groß- Berlin sei eine Notwendigkeit. Da­den Magistrat, sofort die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen." für scheine oben aber fein Berständnis vorhanden zu sein; man Der Dringlichkeit wird nicht widersprochen. Die Genehmigung halte sich ängstlich an den Buchstaben des längst überholten Volls der Ueberschreitung der im Haushalt 1919 ausgeworfenen Wahlschulunterhaltigsgefezes. often wird ohne Erörterung erteilt. Troll( g. Bgg.) erklärt die Zustimmtung zu dem Antrage. Auf Grund der Beschlüsse der außerordentlichen Sibung vom Die Zerstüdelung des Berliner Volksschulwesens müsse auf jeden 31. Januar hat der Magistrat bezüglich der Bewilligung einer Fall zu verhindern versucht werden. laufenden Teuerungszulage

Es folgt die Weiterberatung über die Wahlen zu den Elternbeiräten.

Gin Zentrum sabgeordneter erklärt die Grlaffe für änderungsbedürftig. Gin Mehrheitssozialist verlangt die schnelle Durchführung der Wahlen. Die Unabhängige, Frau Arendje tritt für die Einrichtung von Schülerräten ein.

Stadtschulrat Dr. Fischer: Auf seine Eingabe an das Unter­Ein Antrag Dr. Reinide( 3.) auf Sinzuziehung von Ver­tretern der Privatarchitekten zum Wiederaufbau für Nord- an die städtischen Arbeiter, Hilfskräfte und Wertsan richtsministerium um Errichtung eines Stadtschulamts für Berlin frankreich wird debattelos dem Ausschuß für Handel und Ge- gestellten sofort mit den Arbeitervertretern unter Buziehung hat der Magistrat nicht einmal eine Antwort erhalten; zu den Be werbe überwiesen. bon drei Mitgliedern der Versammlung neue Verhandlungen geratungen im Ministerium ist fein schultechnisches Mitglied der Ber pflogen. Das Ergebnis ist, daß eine monatliche Lohnbeihilfe von liner Verwaltung zugezogen worden.( Höri, hört!) 75 M. für den Ledigen, von 90 M. für den Verheirateten und für jedes Kind 20 M. gewährt werden soll; für die Jugendlichen unter 18 Jahren soll die Lohnbeihilfe monatlich 50 M. betragen. Die Stadtkasse würde damit mit 46% Millionen Mark( nach dem Schiedsspruch vom 22. Januar mit 30% Millionen Mart) jährlich belastet. Von den Demokraten wird Ausschußberatung bean­tragi, um insbesondere auch über die doch sehr dringliche Deckungs­frage zu verhandeln.

Den Antrag Dr. Friedberg( Dem.) auf Borlegung eines Gefeßes über die Baulastenbücher nimmt das Haus ein­stimmig an. Es folgt die Beratung der Verordnung vom 15. November 1918 über die Auflösung des Abgeordnetenhauses und die Beseitigung des Herrenhauses.

Abg. Dr. Rosenfeld( U. Soz.): Jm November 1918 waren die Wahlen durchaus unnötig.( Lebhafte Burufe: Jamiar, Februar!) Hätte man den Arbeiterräten ihre Macht gelassen, so wäre die Sozialisierung durchzuführen gewesen.( Gelächter.) Wir ver­langen die Verfassung, um rasch zu Neuwahlen zu tommen. Merkwürdigerweise verteidigt die Regierung nicht einmal ihre Ver ordnung. Wir fühlen uns durch Pressenachrichten beunruhigt, nach denen ein Scheinfozialist in der Regierung im deutschnationalen Sinne für ein 3weifammersystem zu haben ist.

Ministerpräsident Hirsch: Daß die Regierung nicht mehr hinter Der Verordnung stünde, glaubt der Abg. Dr. Rosenfeld ja selber nicht. An der Behauptung, daß ein Regierungsmitglied das 3mei­fammersystem erstrebt, ist bein wahres Wort.( Große Unruhe und Rufe bei den 1. Soz.: Warum heben Sie den Belagerungszustand nicht auf?) Wir hatten ihn aufgehoben und die Folge waren die traurigen Ereignisse des 13. Januar,

an denen Sie die Schuld tragen. Seit Monaten schon verhandelt der Minister des Innern mit den Mehrheitsparteien über seinen Berfassungsentwurf. Der Entwurf wird in kurzer Zeit dem Hause vorgelegt werden. Die Neuwahlen können aber erst statt­finden, wenn außer der Verfassung noch andere wichtige Gesetze verabschiedet sind, die die Demokratie sichern sollen..( Beifall bei der Mehrheit.)

Mit gewaltigem Stimmaufwande und während seines Vor­trages fast andauernd von stürmischem Widerspruch und schallendem Gelächter unterbrochen, tritt Koch ( Bg. Va.) für einen Antrag auf Bertagung bis zum Eingang der Dedungsvorlage ein. Die Ver­sammlung treibe die Finanzpolitik eines Bankrotteurs, eine Sata­strophenpolitik; die Oeffentlichkeit werde eine solche Versammlung entweder für leichtsinnig oder für wahnsinnig erklären. In den städtischen Betrieben müsse endlich wieder ordentliche Arbeit geleistet werden.

Der Kämmerer Böß entgegnet: Die Stadt Berlin betrieb und betreibt keine Bankrotteurpolitif. Die erhöhten Löhne und Gehälter bleiben im Vergleich mit der Privatindustrie und den Reichs- und Staatsbetrieben und verwaltungen immer noch in mäßigen Gren zen. Gewiß ist für volle und solide Deckung zu forgen; das tann aber nicht bei jeder Vorlage geschehen; die einzelnen Poften müssen gesammelt werden, und schon morgen wird sich der Magistrat mit einem bezüglichen Nachtrag zum Etat für 1919 befassen. Singe( U Eoz.) tritt Koch entgegen.

Der Antrag wird im ersten Saß gegen die Stimmen des Zen trums, im zweiten einstimmig angenommen. Der Vorlage wegen Anmietung des ehemaligen Mar stallgebäudes zur Errichtung von Bureauräumen ſtimmt Bruns( Soz.) mit der Maßgabe zu, daß die Unterbringung der Stadtbibliothek in den nach dem Schloßplatz zu gelegenen Räumen auch von der Versammlung aufs bringlichste empfohlen wird. Dent Antrag Bissing( Dem.) auf Ausschußberatung tritt Bürgers meister Dr. Reide mit Rücksicht auf die Dringlichkeit und die tonfurrierenden Angebote anderer Behörden entschieden entgegen und wird darin von Frau Went( U. Soz.) lebhaft unterstüßt. Diese befürwortet auch eifrig die Resolution Bruns wegen ber Stadtbibliothet, desgleichen Dobe( Dem.). Die Anmietung auf zehn Jahre für 200 000 M. werd beschlossen, die Entschließung Brins angenommen.

Die Frage der Feftfehung des auf die Besoldung anzurechnen den Wertes der Dienst wohnungen hat erneuter Ausschuß beratung unterlegen. Entgegen dem Magistratevorschlage, nur zivei Drittel des Wertes anzurechnen, will der Ausschuß den nach Bez. rücksichtigung aller Wertminderungen ermittelten tatsächlichen Miet­wert voll in Rechnung stellen. Der Gesamtbetrag an Miete soll je doch nicht mehr als 15 Prozent des Anfangsgehalts der Gruppe übersteigen, der der Wohnungsinhaber angehört.

Nach längerer Verhandlung ergibt sich für den Magistratsvors schlag eine Mehrheit. Den Beschlüssen der Versammlung hinsichtlich der Neuordnung der Lehrergehälter

Roblenzer( Soz.): Auch wir sind mit dem Demokraten Hausberg der Meinung, daß es sehr wünschenswert ist, toenn fich ist ber Magistrat nicht durchweg beigetreten. Die Stadt- und Fort­Abg. Gräf - Frankfurt ( Sog.): Jch warne den Abg. Dr. Rosen- die Parteien einem einmal gefällten Schiebsspruch fügen. Aber bildungsschulinspektoren sollen in Gruppe la verbleiben; in die feld, von Scheinsozialisten" zu sprechen. Wir könnten ihn und der Widerstand gegen den Schiedsspruch wird verständlich, wenn Sondergruppe( 11 000-16 000 m.) sollen 25 Direktoren an Real­feine Freunde mit viel größerem Recht Radausozialisten man beachtet, daß auch die neue Vereinbarung noch nicht das schulen und Anzeen, 28 Direttoren an Vollanstalten, 5 Direktoren nennen.( Lebhafte Zustimmung bei der Mehrheit. Unruhe bei Gristenzminimum erreicht. Gegen die Rolle des Tugendwächters, der Handwerkerschulen, des Gatverbesaals, der höheren Textilfach­den U. Soz.) Der Abg. Rosenfeld hat nicht das Recht, sich als in der sich Herr Koch gefällt, lege ich namens meiner Freunde Pro- schule, der Baugewerbeschule, 2 Leiber der Erziehungshäuser proletarischer Vertreter aufzuspielen.( Sehr gut! bei der Mehr test ein. Ich habe schon zurzeit des ersten Schiedsspruchs in der Lichtenberg und Struves Hof, 1 Vertreter des Stadtschulrats an heit.) Wir haben als gute Demokraten uns dem Willen des Räte- Hilfsarbeiterfrage energisch auf die Lösung der Deckungsfrage ge den Volksschulen aufgenommen werden; die Oberlehrerinnen und Tongreffes gefügt, der die Ausschreibung der Wahlen gefordert hat. brungen. Der Bertagungsantrag läuft nur auf eine Verschleppung Mittelschullehrerinnen sollen 90, die übrigen weiblichen Lehrkräfte 85 Prozent des Gehalts ber Lehrer beziehen. Die Unabhängigen hätten freilich lieber nach russischem hinaus.

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Jan Krebsereuter.

Seine Taten, Fahrten und Meinungen. Aufgezeichner von Hans Müller- Schlöffer.

VII.

Jan Krebsereuter wird fromm. Er ging also zunächst zum Küster Streifenbed von der Franziskaner Kirche und meldete sich bei dem als Messe­Diener an.

im Kopfe, und im übrigen weihte ihn Tünnes in die Myste­rien seines Dienstes ein. Tünnes nämlich bekleidete das heilige. Amt des Messedieners schon seit einigen Monaten, mit ein Grund, daß an fromm wurde. Denn er hatte Tünnes, wenn der beim Hochamt an den Stufen des Altars fniete, um den bis auf die Füße reichenden roten Nod und das weiße Chorhemdchen darüber arg beneidet.

Jan hatte, wie wir von früher wiffen, fein Sibfleisch. Er mochte nicht gern an ein und derselben Stelle bleiben. Jan war wie die Biene, die in einer Blüte nur einen Augenblic berweilt, um ein Tröpflein Honig zu faugen, und dann zur nächsten Blüte weiterfummt. Freilich fehlte es ihm an Bie­nenfleiß. Das Summen machte ihm mehr Vergnügen als das Honigiammeln.-

Aber sein heiliger Gifer erlahmte bald, als er erst richtig im Chorrod warm geworden war. Wenn er bei der Abend­andacht diente, dachte er an die Kisten mit den getrockneten Pflaumen und bei der Frühmesse gähnte er. Und einmal Kreifenbed, der sehr furzsichtig war, an welchem Uebel war er, auf den Knien hockend, eingeduselt, und der zelebrie­auch die große, schwarze Hornbrille nichts verbessern fonnte, rende Herr Kaplan hatte mehrere Male und immer lauter faßte Jan am linken Ohrläddchen und zog ihn an sich heran. ,, Dominus vobiscum" sagen müssen, bis er von Jan die Se, Junge," näselte er, wir wollen also Messediener vorgeschriebene Antwort ,, Et cum spiritu tuo" bekam. werden, he? Wen haben wir denn da? Sind wir am Ende der Jan, der Sohn von dem Rotsen Grades, he?" ,, Eja, Herr Kreifenbed, ich bin der Jan." faßte Jan am linken Ohrläppchen und zog ihn an sich heran. uns werden! Denn so nichtsnußig, wie wir sind, fönnen wir nicht bei der heiligen Handlung miniſtrieren. Was die Erzengel Gabriel und Raphael am Throne Gottes sind, das ist der Ministrant an den Stufen des Altars, verstanden, Die Maiandacht war vorbei. Das linke Seitenschiff der Junge? Ein Ministrant muß ein halber Engel sein! Und Kirche mit dem findlich- fromm geschmückten Marienaltärchen ich glaube nicht, daß wir ein halber Engel find, he?" leerte sich. Der letzte Sonnenstrahl, durch das gemalte Jan blieb ihm die Antwort schuldig und machte ein zer- Stirchenfenfter bunt gefärbt, schnitt durch die blaue Weib­Inirichtes Geficht. rauchwolfe. Der Schlußafford der Orgel zitterte noch in der Luft, und die zu Pyramiden angeordneten Kerzen fladerten im Luftzuge, der von der aufgezogenen und immer wieder mit einem dumpfen Knoll zufallenden Kirchentüre herfam.

Aber," fuhr Streifenbeck fort und kniff Jan ins Ohr­läppchen ,,, mir fönnen es ja einmal versuchen, he?"

Aual" winselte Jan und versuchte, sein Ohr aus Strei­fenbeds fnochigen Fingern zu befreien.

Streifenbed nahm aus einem Wandschränkchen ein dünnes Heftchen und gab es Jan.

wir

Da, Junge, das sind die Meßgebete. Die müssen auswendig lernen." Jan schlug das Seftchen auf und schaute hinein. ,, Das ist lateinisch, Junge! Können wir das auch lesen. he?"

Jan stotterte ein paar Worte aus den Zeilen zurecht. ,, Richtig, Junge! Wir scheinen es ja zu fönnen. Also dann wollen wir es einmal versuchen."

Jan wurde Messediener. Die Meßgebete hatte er bald

Der Küster Kreikenbeck nahm die lange Stange mit dem Löschborn und drüdte eine Sterze nach der anderen aus, bis das Altärchen von der Dunkelheit wie mit einem schwarzen Euche verhängt wurde.

Unterdessen räumten Jan und Tünnes in der Sakristei die bei der Andacht gebrauchten Sachen auf Seite. Das weißseidene, mit dem goldenen Herzen Jesu geschmückte Tuch, mit dem der Priester zum Segen das Riborium umfaßt, den schweren, brofatnen, mit bunten Seidenfransen verzierten Chormantel, die mit Blumen bestidte Stola, das weiße, mit schöner Spige bejezte Chorhemd hängten sie in die eichenen Schränke. Das silberne, noch qualmende Stäucherfaß ftellten

fie in die Ecke und wollten nun, nachdem sie ihre Ministran­tenkleidung fortgehängt hatten, aus der Sakristei geben. Da sah Jan in einer dämmerigen Ede die in Holz ge­schnitten Figuren des heiligen Johannes von Nepomuk und des heiligen Fransistus. Es waren ganz alte Figuren; der Holzwurm jag in ihnen und hatte sie morsch gemacht, und in den Falten waren noch die Spuren ehemaliger Bemalung. Jan zeigte Tünnes die Figuren und sagte:

Zünnes, jetzt machen wir uns einen Spaß! Komm!" Gr faßte den heiligen Nepomuk um den Leib und hieß Zünnes das gleiche mit dem heiligen Franziskus tun. Dann trug er die Figur in die Mitte der Safristei und stellte sie dorthin. Tünnes mußte seinen Franziskus daneben stellen. Darauf schlüpfte Jan, den Tünnes mit sich ziehend, in die Ecke hinter einen Schrank und flüsterte Tünnes zu: ,, Ganz ruhig, Tünnes, und nicht gemuckst!" Kurz darauf fam der Küster Kreifenbeck mit dem Lösch­horn herein. Nachdem er es in die Ede gestellt hatte, blin­zelte er durch seine dicken Brillengläser die beiden Holz­figuren an und sagte:

He, Jungens, find wir fertig oder haben wir noch was zu tun, he? Wie? Nichts mehr? Nun, dann können wir ia nach Hause geben. Marsch!"

Aber die beiden Heiligen blieben steif stehen. Ich sage, wir können nach Hause gehen!" wiederholte Kreifenbeck und stülpte das Chorhemd über den Kopf. Wc­rauf warten wir denn noch, he?"

Keine Antwort. Blog Tünnes grunzie leise vor ver­haltenem Bachen. Zapperlot, sind wir denn stumm geworden?!" rief Streifenbeck ärgerlich und ging ein paar Schritte auf die Fi­guren zu. Oder haben wir wieder dumme Streiche ge­macht, daß wir vor schlechtem Gewissen nicht sprechen Fönnen?!"

Kreifenbed nahm die Brille ab und hauchte sie an, um sie mit einem roten Sadtuch blank zu puten.

,, Was ist denn passiert, Jungens? Was haben wir denn gemacht, Jan? Wir sind doch immer der Uebeltäter, Jan! Nicht wahr? Wir kennen uns doch, Jan?!"

Jan in feiner Ede antwortete in fiefem Papagei­Senödelton: Dio!" Cortf. folgt.)