Nr. 280 37.Jahrgang Ausgabe A nr. 3
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Donnerstag, den 3. Juni 1920
Der Reiche muf zahlen!
das nicht die Wähler ab?
muß
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Das A und O der deutschnationalen Wahlagitation ist Soll man von Steuern reden vor der Wahl? Schredt 90 Pro3., mit Nachlassteuer 95 Proz. des reichen Erbes von die Revolution und die Sozialdemokratie, der Zusammendie freche Behauptung, unser heutiges Elend wäre durch den reichsten Erben gezahlt werden müffen. Damit nicht die bruch nicht durch die militärische Niederlage verschuldet. Wollten wir die Geheimen kommerzienräte , Erbschaftssteuer durch Schenkungen unter Lebenden umgangen Gegen diese Geschichtslüge zeugt der erste Mann und höchste die großen Kriegsgewinnler aus der Schwer- werden kann, müssen bei Shentungen irgendwie er- Würdenträger der Deutschnationalen , Herr Helfferich. industrie und aus dem Großhandel gewinnen, dann heblicher Art ebensoviel Steuern gezahlt werden, als Herr Helfferich , der Vizekanzler des alten Systems, hat dürften wir von den Steuern nicht reden. Erbanfallsteuer zu leisten wäre. in seinem Erinnerungsbuche Der Weltkrieg" so mancherlei Wollten wir die partikularisten um Heim in Die neue Reichseinkommensteuer, die an Stelle erzählt, was einwandfrei die Schuld des alten Systems Bayern , die Welfen in Hannover , die theinischen Sonder bisherigen Landeseinkommensteuern, aber auch der Zu- am Zusammenbruche beweist. Da erzählt er uns, wie wir derbündler für uns gewinnen, dann dürften wir von schläge für Kreis und Gemeinden friff, bleiben die niedrig- im Kriege zum wirtschaftlichen Niedergange und Zusammenniedrig- bruch ften Einkommen in weit höherem Maße, als das bei den bis- Abdrosseln unseres Auslandshandels und fährt dann fort: bruch geführt wurden. Er vermerkt den Rückgang und das herigen Landessteuern der Fall war, unbesteuert, und die Steuersätze bleiben vielfach zurüd hinter den bisher ge- wir in dem schweren Wirtschaftskampf siegreich behauptet. AllerDas neutrale Vorgelände unserer belagerten Festung haben zahlten Landes- und Gemeindeeinkommensteuern. Dafür dings wurde auch dieses Vorgelände mehr und mehr verwüstet und werden aber die unterhöhlt Wir mußten deshalb vom Ende des Jahres 1916 an mit einem taum aufzuhaltenden allmählichen Versiegen auch unserer leßten neutralen Bezugsquellen ernstlich rechnen
Steuern vor der Wahl nicht reden.
Die großen kriegsgewinnler, die Ueberreichen vor dem Kriege, die überreich während des Krieges wurden oder auch überreich durch die Spekulationen nach dem Kriege geworden find, find gegen die Steuern, wie sie vor allem durch die Sozialdemokratie erst möglich wurden. Sie sind mit Helfferich gegen die Steuern, die das
Kapital und das Einkommen der Reichsten zum erheblichen Teile dem Reiche überantworfen, weil das Prinzip der Wegsteuerung des Kriegs. gewinns, der Abschaffung des Erbrechtes für die Reichsten durch diese Steuergesetzgebung angebahnt, fast verwirklicht
wurde.
Reichsten ganz außerordentlich stark erfaßt. Sie müssen bis 60 Prozent des größten Teils ihres Eintommens an das Reich steuern, so daß ihre Einkommen zum größten Teile dem Reiche zufallen werden.
Neben diesen überaus start einschneidenden direkten Steuern treten die indirekten im Rahmen des Reichssteuerwesens erheblich, ja ganz bedeutend zurüd, wenn man sie vergleicht mit der Rolle, die die indireffen Steuern im Haushalte des Deutschen Reiches vor dem Kriege gespielt haben. Die indirekten Steuern sind uns
Die bayerischen Volksparteiler, die Welfen und die anderen Sonderbündler find gegen die neuen Steuern, weil die Steuerhoheit fast restlos auf das Reich überaufgenötigt durch den Friedensvertrag, gegangen ist, weil es fünftig teine Steueroasen mehr geben kann, weil die Gleichheit der Steuerpflicht im wonach sich die Ententemächte vergewissern können, daß das ganzen Reiche festgelegt wurde. Zur Einheit des Ver- deutsche Steuersystem im allgemeinen im Verhältnis volltehrswefens, der Post und der Eisenbahnen ist nun auch die kommen ebenso schwer ist als dasjenige irgendeiner der im Einheit des Steuerwesens gekommen; die Steuern werden wiedergutmachungsausschuß der Entente vertretenen Mächte. vom Reich bestimmt, ausgeschrieben und verwaltet, nach Da Frankreich und Italien ein aufs äußerste vervollkommnetes gleichen Grundsätzen im ganzen Reiche erhoben, in Württem- indirettes Steuerfystem haben, jo lag es nahe, daß wir nicht berg wie in Holstein, in Schlesien wie in Hessen . warten durften, bis die Ententemächte uns ihre brutalen inEine gewaltige Bermögensverschiebung wird direkten Steuern aufzwingen, sondern daß wir selbst diesem Drude zuvorkommen. fich aus dieser im wahrsten Sinne des Wortes
Sozialistischen Steuergesetzgebung
ergeben. Welches sind die entscheidenden Steuern, die uns die deutsche Nationalversammlung gebracht hat und die ohne die Macht der Sozialdemokratie niemals möglich gewesen wären?
Ueberaus vorteilhaft unterscheiden sich die indirekten Steuern, die nach dem verlorenen Krieg und nach den brutalen Friedensbedingungen nicht zu umgehen waren, von denen der Ententemächte. In unser neues indirektes Steuerfyftem ist auch das Prinzip der Progression
Und über das wirtschaftliche Hindenburg - Programm sagt Helfferich : Es brachte nicht nur unsere Arbeitsverhältnisse, sondern auch unsere Transport und Kohlenverhältnisse in eine schlimme Verwirrung!
Nach den Deutschnationalen hat erst die Revolution die Transport und Kohlenverhältnisse in Verwirrung gebracht. Man sieht hier eine demagogische Lüge. Und über das ganze Hindenburgprogramm urteilt Helfferich :
Das Programm war ein Programm der Selbstüberschätzung und der Ueberschäßung der deut schen Volks- und Wirtschaftskraft.
Und an anderer Stelle fagt Helfferich zu demselben
Thema:
Man hätte mit weniger Arbeitskräften und Material erheblich mehr für die Ausrüstung des Heeres geleistet. und unserer Wirtschaft Störungen und Erschütterungen erspart, die letzten Endes an die Wurzeln der Widerstandskraft unseres Volkes gingen.
So urteilt Helfferich sehr richtig über die verbrecherische Wirtschaft des wilhelminischen Regiments, das lezten. En des die Widerstandskraft unseres Boltes brechen mußte.
Aber es kommt noch schöner. Den Todesstoß erhielten wir durch die Teilnahme Ameritas am Kriege. Sogar Herrn Helfferich erschien es 1915
als ein geradezu verhängnisvoller Fehler, es wegen des U- Boot Krieges zum Bruch mit merita tommen zu lassen.
Herr Helfferich hält es in seinem Buche für unmöglich,
Die Kriegsfteuergesetzgebung wurde zum Abschluß ge- gebracht worden. Für Lurusartikel zahlt man zehnmal bracht, die Vermögenssteuern, die Erbschafts - und die Ein- mehr Umsatzsteuer als für die Artikel des täglichen Gebrauchs. tommensteuern wurden aufs höchste ausgebildet und aufs Die teure 3igarre und 3igarette und der teure Schnupf- daß England nach sechs oder acht Monaten wege gründlichste der Leistungsfähigkeit angepaßt. tabat ist um ein Bielfaches höher besteuert als Frachtraummangels nicht mehr in der Lage sein. werbe, weiter zu kämpfen.
Unter den Kriegssteuergesehen ist das einschnei- das billige Tabatfabrikat. Wer die Preise heute kennt, der dendste das Gesetz über die Kriegsabgabe vom Ber - weiß, daß ihre Höhe nicht durch die indirekten Steuern, fo mögenszuwachs. Die ersten 5000 m. und überhaupt sehr wir diese verdammen, sondern durch ganz andere UmKapitalien, die 10 000 m. nicht übersteigen, bleiben steuerfrei. ffände bestimmt ist. Dann erst beginnt die Steuer mit 10 v. H. und sie steigt ununterbrochen in einer noch nie dagewesenen Progreffion, denn was über 178 000 m. nach Abzug der Steuern auch dem größten Kriegsgewinnler übrig bleibt, fällt an das Reich, weil die
So find die Steuern, die die Nationalversammlung geschaffen hat und die ohne Sozialdemokratie niemals möglich gewesen wären, eine der größten deutschen Leistungen der Gefehgebung nach der Revolution.
Auf sie ist die Sozialdemokratie stolz. Progression bis auf 100 Prozent steigt! Noch beffer wären die Steuergesetze geworden, wenn die Während diese Steuer nur den Vermögens 3 u wo a chs Sozialdemokratie die Mehrheit in der Nationalversamm. von 1913 ab erfaßt, besteht daneben und sich gegenseitig lung gehabt hätte, wenn sie nicht beengt worden wäre durch steigernd das Reichsnofopfer, das wieder die kleinsten die koalition, die uns aufgenötigt wurde durch den Bermögen unbesteuert läßt, aber dann, mit einer Steuer mit Kampf der U.S.P. gegen die Sozialdemokratie. 10 v. H. beginnend, bei den größten Vermögensteilen der Reichsten 65 v. H., also fast zwei Drittel des Besizes erfaßt.
Diese Steuergejehe, die vielfach sehr rasch ausgearbeitet werden mußten, werden vom kommenden Reichstage neu ausgebaut und umgebildet werden müffen. Da wird sich noch Am ausgebildetften ist die Erbschaftssteuergesetzgebung. vieles schaffen lassen, um diese Gesetze im sozialistischen In der Nachlaßteuer, die als die Kontrolle aller Sinne zu vervollkommnen, um sie auch den weitesten Steuerhinterziehungen und aller Vermögensverschiebungen Ansprüchen des Proletariats genügen zu laffen. ins Ausland wirken soll, werden nur bis 5 v. H. des Nach- Das wird aber nur möglich sein, wenn aus der Wahl laffes steuerlich erfaßt, dafür wirken aber dreifache pro- vom 6. Juni eine fozialdemokratische Mehrheit erwächst. greffionen nach der Entfernung der Ver- Wähler und Wählerinnen! Alle Eure Anstrengungen wandtschaft des Erben vom Toten, nach der Höhe der in den zur Aufflärung der Massen noch übrig bleibenden Erbschaft und nach dem Bermögen des Erben so wenigen Tagen sollen so gesteigert werden, damit bis 1924 start fish gegenseitig steigernd, daß ohne Nachlaßsteuer bis und von da ab erst recht Deutschlands Schicksal bestimme ein
sozialdemokratischer Reichstag.
Troß dieser Unmöglichkeit wurde der verschärfte U- BootKrieg gemacht und uns Amerika auf den Hals gehezt. Helfferich sah bei Aufnahme des verschärften U- Boot- Krieges den Bruch mit Amerika für unvermeidlich und erkennt die gewaltigen Folgen dieses Bruches.
Wenn die Karte des rücksichtslosen U- Boot- Krieges ausgespielt
wird, und sie sticht nicht, dann find wir verloren, dann find wir auf
Jahrhunderte hinaus verloren.
So schreibt Helfferich . Die Karte hat nicht ge. stochen, jetzt aber sind wir nach den Deutschnationalen nicht wegen des verbrecherischen Leichtsinns der damaligen Machthaber im Elend, sondern wegen der Revolution sind wir verloren. Können Lügen besserentlarotund widerlegt werden?
Und wie die Militärs mit ihrer Großmäuligkeit das Volf zermürbt, die Front erdolcht" haben, sagt er in foigendem:
Da die allzu bestimmte Voraussage, daß der U- Boot- Krieg zur Niederwerfung Englands führen werde, in zu weite und zu tiefe Streise gedrungen war, als daß nach Ablauf der genannten Zeit das Ausbleiben des entscheidenden Erfolges nicht eine Enttäuschung und einen Stimmungsrückschlag hätte hervorrufen müssen.
Aber auch noch auf anderen Gebieten beweist Herr Helfferich die Schuld des alten Systems am Zusammenbruch. Ueber den furzsichtigen Annexionsfrieden, den die Oberste Heeres. leitung von den Russen in Brest - Ritomst erzwang. schreibt Helfferich:
Eine verblendete Hybris, eine unverantwortliche Herausforde-. rung des Schicksals zu einer Zeit, in der die Entwickelung der Dinge im Westen die dringlichste Mahnung war, abzubauen, sich in den Zielen zu bescheiden und die Kräfte zu konzentrieren.
Dann kam der Zusammenbruch, der nach den Sünden der wilhelminischen Gewaltanbeter kommen mußte. Ueber